Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 542/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 370/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der im Jahre 1946 geborene Kläger ist gelernter Maurer und war in diesem Beruf bis Oktober 2001 erwerbstätig. In der Folgezeit war er wegen chronisch rezidivierender Lumboischialgien zunächst arbeitsunfähig; nunmehr ist er arbeitslos. Seit dem Jahre 2003 ist zu seinen Gunsten das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen eines operierten Bandscheibenschadens, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, einer Spinalkanalstenose und Nervenwurzelreizerscheinungen sowie wegen Hirndurchblutungsstörungen und Sensibilitätsstörungen an der rechten Wange und schließlich einer Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks anerkannt.
Auf seinen am 07.11.2001 gestellten Antrag bewilligte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (LVA) dem Kläger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der im Anschluss an die während der Zeit vom 17.12.2001 bis zum 14.01.2002 in der F. Klinik Bad B. durchgeführte Maßnahme gefertigte Entlassungsbericht vom 28.01.2002 führt als Diagnosen eine chronische Lumboischialgie rechts bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen sowie einen Zustand nach lumbaler Nukleotomie auf. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten mit verschiedenen qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr, eine Tätigkeit als Maurer aber nur noch drei bis unter sechs Stunden ausüben. Er sei arbeitsunfähig entlassen worden.
Am 23.04 2002 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Unter Zugrundelegung des Zeitpunkts der Stellung seines Antrages auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin durch Bescheid vom 20.09.2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 01.11.2001. Den weitergehenden Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte sie ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2003 wies die Beklagte den hiergegen erhobenen Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger verfüge über ein zeitliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich. Zwar lägen in quantitativer Hinsicht Leistungseinschränkungen auf leichte bis kurzfristig mittelschwere Arbeiten zur ebener Erde sowie im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne häufiges Bücken vor. Indes habe dies nicht zur Folge, dass für den Kläger keine arbeitsmarktüblichen Tätigkeiten mehr in Betracht kämen.
Am 28.02.2003 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und unter Vorlage medizinischer Unterlagen vorgetragen, bei ihm seien nunmehr ausgeprägte degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule sowie eine Spinalkanalstenose C4/5 bis C 5/6 aufgetreten. Letztere verursache ein Taubheitsgefühl des ersten und zweiten Fingers der rechten Hand sowie des gesamten rechten Armes und eine Gefühllosigkeit der rechten Wange bis zum Kinn.
Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Arztes für Orthopädie, Rheumatologie und Sportmedizin Dr. H. vom 28.08.2003 sowie des Arztes für Innere Medizin und Sportmedizin Dr. S. vom 29.08.2003 eingeholt. Dr. H. hat mitgeteilt, der Kläger leide an einer anhaltenden, den von ihm geklagten Kreuzschmerzen entsprechenden Funktionsbeeinträchtigung der Lendenwirbelsäule mit Muskelhartspann und sensiblen Nervenwurzelreizerscheinungen rechts, im gesamten Verlauf jedoch ohne radikuläre Ausfälle und ohne Indikation zur erneuten Bandscheibenoperation. Er werde mit schmerzlindernden Medikamenten versorgt und führe die erlernten krankengymnastischen Übungen in Eigenregie fort. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er mit verschiedenen Einschränkungen noch etwa drei Stunden täglich ausüben. Dr. S. hat berichtet, der Kläger leide an permanenten Schmerzen im Rücken, die in beide Beine ausstrahlten sowie an einem neu aufgetretenen Taubheitsgefühl des gesamten rechten Armes. Es bestehe eine Spinalkanalstenose C4/5 bis C 5/6. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmärkten könne er nicht mehr verrichten.
Daraufhin hat das SG ein schriftliches Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie Prof. Dr. B. vom 28.10 2003 eingeholt. Darin heißt es, der Kläger leide an einer vermehrten Bandscheibenabnutzung an der unteren Hals- und der unteren Lendenwirbelsäule ohne nachweisbare neurologische Ausfälle bei muskulärer Haltungsleistungsschwäche. Mit dem sich hieraus ergebenden Leistungsvermögen könne der Kläger leichte Wechseltätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fünf Tage in der Woche mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Zu vermeiden seien Kälte, Zugluft und Nässe, Arbeiten im Akkord, in gebückter Haltung oder in Zwangshaltung, Arbeiten auf Leitern, Treppen oder Gerüsten und Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über sechs Kilogramm sowie ganztägigem Stehen.
Mit Urteil vom 12.12.2003 hat das SG die Klage abgewiesen und seine Entscheidung im wesentlichen auf die Ausführungen im Sachverständigengutachten von Prof. Dr. B. gestützt. Soweit die behandelnden Ärzte von einem quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers ausgingen, habe sich dies im Rahmen der Begutachtung nicht bestätigen lassen. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 02.01.2004 zugestellt.
Am 28.01.2004 hat der Kläger Berufung eingelegt und sich auf eine zunehmende Kraftlosigkeit beider Hände berufen. Darüber hinaus hat er vorgetragen, seine Nachtruhe sei aufgrund von Schmerzen erheblich gestört, was seine Leistungsfähigkeit zusätzlich beeinträchtige.
Der Senat hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 27.07 2004 und der Ärztin für Neurologie Dr. B. vom 21.10.2004 eingeholt. Dr. K. hat mitgeteilt, er habe beim Kläger eine chronisch-rezidivierende Lumboischialgie beidseits bei degenerativem Lendenwirbelsäulensyndrom und Zustand nach Nukleotomie L4/5 links mit rezidivierendem Wurzelreiz sowie eine rezidivierende Cervicobrachialgie beidseits bei degenerativem Halswirbelsäulensyndrom diagnostiziert. Es bestehe eine dauerhafte Einstellung auf ein transkutanes Opiat. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger allenfalls noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit verschiedenen qualitativen Einschränkungen drei bis sechs Stunden je Arbeitstag zu verrichten. Dr. B. hat ausgeführt, auf neurologischem Fachgebiet bestünden derzeit keine Ausfälle, insbesondere keine sensomotorischen Störungen. Im Vordergrund stehe das chronische Schmerzsyndrom sowie eine reaktive depressive Verstimmung. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger unter Beachtung seiner qualitativen Leistungseinschränkungen in einem zeitlichen Umfang von sechs bis acht Stunden verrichten.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Unfallchirurgen Prof. Dr. U. vom 01.06.2005 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 14.09.2005, 12.10.2005 und 13.01.2006 und röntgenologischem Zusatzgutachten von Dr. S. vom 05.07.2005 eingeholt. Prof. Dr. U. hat erhebliche degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Spinalkanalstenose ohne Nachweis motorischer Ausfälle oder einer Myelomalazie, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule in Höhe L3/4 und L4/5 mit chronischer Lumboischialgie und Nukleotomie bei L4/5 sowie Bandscheibenprotrusion bei L3/4 und einen Humeruskopfhochstand beidseits diagnostiziert. Mit den sich hieraus ergebenden Einschränkungen könne der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Gewichten unter fünf Kilogramm im Wechsel zwischen Stehen und Sitzen an fünf Tagen in der Woche jeweils sieben bis acht Stunden täglich verrichteten. Arbeiten über Kopf seien ihm nicht mehr zumutbar. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen und Arbeiten im Akkord sowie - wegen der Einnahme von Morphiumderivaten als Schmerzmittel - das Führen von Kraftfahrzeugen. Beschränkungen des Arbeitsweges bestünden nicht. Hinsichtlich der von ihm zunächst vorgeschlagenen Pausenregelung (30 Minuten nach jeweils zwei Stunden Arbeit) hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme von 13.01.2006 ausgeführt, während der gesamten Untersuchung seien erhebliche Diskrepanzen zwischen den angegebenen Beschwerden und den objektivierbaren Befunden aufgetreten. Um diesen Beschwerden Rechnung zu tragen, sei eine großzügige Pausenregelung empfohlen worden. Eine medizinische Begründung lasse sich hierfür aber nicht anführen. Eine betriebsübliche Pausenregelung mit den so genannten persönlichen Verteilzeiten sei dem Kläger zumutbar.
Der Kläger ist der Auffassung, die ihm zuzugestehenden Pausen seien nicht mehr betriebsüblich.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Dezember 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. November 2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Kläger sei angesichts seines vollschichtigen Leistungsvermögens nicht erwerbsunfähig. Betriebsunüblicher Pausen bedürfe er bei Berücksichtigung der im Gutachten von Prof. Dr. U. angeführten qualitativen Leistungseinschränkungen nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die gleichfalls beigezogenen Akten des SG aus dem erstinstanzlichen Verfahren sowie dem Schwerbehindertenverfahren des Klägers - S 3 SB 2063/01 - verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ohne Rechtsfehler hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20.09.2002 sowie der Widerspruchsbescheid vom 30.01.2003 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn ihm kann die erstrebte Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht gewährt werden. Dies hat das SG im Urteil vom 12.12.2003 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist folgendes auszuführen:
Die vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wird durch die vom Senat eingeholte schriftliche sachverständige Zeugenaussage der Neurologin Dr. B. vom 21.10.2004 bestätigt. Soweit der Orthopäde Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 27.07.2004 zu der Einschätzung gelangt ist, der Kläger sei auch für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, beispielsweise für die Tätigkeit einer Museumsaufsicht, nur noch unter sechs Stunden leistungsfähig, wird dies durch die Ausführungen von Prof. Dr. U. im auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten vom 01.06.2005 sowie in der ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2006 widerlegt. Diese Einschätzung ist schlüssig und nachvollziehbar. Denn den im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers stehenden schmerzhaften degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der durch den Humeruskopfhochstand bedingten Schmerzhaftigkeit seiner Schultergelenke ist durch die Beschränkung der zumutbaren Beschäftigung auf körperlich leichte Tätigkeiten im regelmäßigen Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen unter Beachtung der von Prof. Dr. B. und Prof. Dr. U. beschriebenen weiteren qualitativen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen. Unter Zugrundelegung eines solchen leidensgerechten Arbeitsplatzes besteht nämlich angesichts der nur geringen - und im übrigen auch im Vergleich zu einer gleichfalls leidensgerechten Freizeitbeschäftigung allenfalls geringfügig erhöhten - körperlichen Beanspruchung sowie des Ausgleichs durch wechselnde Körperhaltungen kein Anhalt für einen unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten beachtlichen physischen Erholungsbedarf des Klägers bereits nach weniger als sechs Stunden.
Dementsprechend hat Prof. Dr. U. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2006 an der von ihm zunächst vorgeschlagenen "großzügigen Pausenregelung" (30 Minuten nach jeweils zwei Stunden Arbeit) nicht festgehalten. Vielmehr hat er das Fehlen einer medizinischen Begründung für eine solche Pausenregelung eingeräumt. Der vom Kläger angeregten Ermittlungen zur Frage der Betriebsüblichkeit 30-minütiger Pausen nach jeweils zwei Stunden Arbeit bedarf es daher nicht. Aber auch im Übrigen ist die Notwendigkeit betriebsunüblicher Arbeitspausen mit der Folge eines als verschlossen geltenden Arbeitsmarktes nicht zu erkennen. Insbesondere zeigt die weitere Angabe von Prof. Dr. U. in der ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2006, die zunächst vorgeschlagenen Pausenregelung habe lediglich den während der gesamten Untersuchung aufgetretenen erheblichen Diskrepanzen zwischen den angegebenen Beschwerden und den objektivierbaren Befunden Rechnung tragen sollen, keinen Bedarf an zusätzlichen Pausen auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der im Jahre 1946 geborene Kläger ist gelernter Maurer und war in diesem Beruf bis Oktober 2001 erwerbstätig. In der Folgezeit war er wegen chronisch rezidivierender Lumboischialgien zunächst arbeitsunfähig; nunmehr ist er arbeitslos. Seit dem Jahre 2003 ist zu seinen Gunsten das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen eines operierten Bandscheibenschadens, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, einer Spinalkanalstenose und Nervenwurzelreizerscheinungen sowie wegen Hirndurchblutungsstörungen und Sensibilitätsstörungen an der rechten Wange und schließlich einer Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks anerkannt.
Auf seinen am 07.11.2001 gestellten Antrag bewilligte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (LVA) dem Kläger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der im Anschluss an die während der Zeit vom 17.12.2001 bis zum 14.01.2002 in der F. Klinik Bad B. durchgeführte Maßnahme gefertigte Entlassungsbericht vom 28.01.2002 führt als Diagnosen eine chronische Lumboischialgie rechts bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen sowie einen Zustand nach lumbaler Nukleotomie auf. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten mit verschiedenen qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr, eine Tätigkeit als Maurer aber nur noch drei bis unter sechs Stunden ausüben. Er sei arbeitsunfähig entlassen worden.
Am 23.04 2002 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Unter Zugrundelegung des Zeitpunkts der Stellung seines Antrages auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin durch Bescheid vom 20.09.2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 01.11.2001. Den weitergehenden Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte sie ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2003 wies die Beklagte den hiergegen erhobenen Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger verfüge über ein zeitliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich. Zwar lägen in quantitativer Hinsicht Leistungseinschränkungen auf leichte bis kurzfristig mittelschwere Arbeiten zur ebener Erde sowie im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne häufiges Bücken vor. Indes habe dies nicht zur Folge, dass für den Kläger keine arbeitsmarktüblichen Tätigkeiten mehr in Betracht kämen.
Am 28.02.2003 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und unter Vorlage medizinischer Unterlagen vorgetragen, bei ihm seien nunmehr ausgeprägte degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule sowie eine Spinalkanalstenose C4/5 bis C 5/6 aufgetreten. Letztere verursache ein Taubheitsgefühl des ersten und zweiten Fingers der rechten Hand sowie des gesamten rechten Armes und eine Gefühllosigkeit der rechten Wange bis zum Kinn.
Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Arztes für Orthopädie, Rheumatologie und Sportmedizin Dr. H. vom 28.08.2003 sowie des Arztes für Innere Medizin und Sportmedizin Dr. S. vom 29.08.2003 eingeholt. Dr. H. hat mitgeteilt, der Kläger leide an einer anhaltenden, den von ihm geklagten Kreuzschmerzen entsprechenden Funktionsbeeinträchtigung der Lendenwirbelsäule mit Muskelhartspann und sensiblen Nervenwurzelreizerscheinungen rechts, im gesamten Verlauf jedoch ohne radikuläre Ausfälle und ohne Indikation zur erneuten Bandscheibenoperation. Er werde mit schmerzlindernden Medikamenten versorgt und führe die erlernten krankengymnastischen Übungen in Eigenregie fort. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er mit verschiedenen Einschränkungen noch etwa drei Stunden täglich ausüben. Dr. S. hat berichtet, der Kläger leide an permanenten Schmerzen im Rücken, die in beide Beine ausstrahlten sowie an einem neu aufgetretenen Taubheitsgefühl des gesamten rechten Armes. Es bestehe eine Spinalkanalstenose C4/5 bis C 5/6. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmärkten könne er nicht mehr verrichten.
Daraufhin hat das SG ein schriftliches Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie Prof. Dr. B. vom 28.10 2003 eingeholt. Darin heißt es, der Kläger leide an einer vermehrten Bandscheibenabnutzung an der unteren Hals- und der unteren Lendenwirbelsäule ohne nachweisbare neurologische Ausfälle bei muskulärer Haltungsleistungsschwäche. Mit dem sich hieraus ergebenden Leistungsvermögen könne der Kläger leichte Wechseltätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fünf Tage in der Woche mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Zu vermeiden seien Kälte, Zugluft und Nässe, Arbeiten im Akkord, in gebückter Haltung oder in Zwangshaltung, Arbeiten auf Leitern, Treppen oder Gerüsten und Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über sechs Kilogramm sowie ganztägigem Stehen.
Mit Urteil vom 12.12.2003 hat das SG die Klage abgewiesen und seine Entscheidung im wesentlichen auf die Ausführungen im Sachverständigengutachten von Prof. Dr. B. gestützt. Soweit die behandelnden Ärzte von einem quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers ausgingen, habe sich dies im Rahmen der Begutachtung nicht bestätigen lassen. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 02.01.2004 zugestellt.
Am 28.01.2004 hat der Kläger Berufung eingelegt und sich auf eine zunehmende Kraftlosigkeit beider Hände berufen. Darüber hinaus hat er vorgetragen, seine Nachtruhe sei aufgrund von Schmerzen erheblich gestört, was seine Leistungsfähigkeit zusätzlich beeinträchtige.
Der Senat hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 27.07 2004 und der Ärztin für Neurologie Dr. B. vom 21.10.2004 eingeholt. Dr. K. hat mitgeteilt, er habe beim Kläger eine chronisch-rezidivierende Lumboischialgie beidseits bei degenerativem Lendenwirbelsäulensyndrom und Zustand nach Nukleotomie L4/5 links mit rezidivierendem Wurzelreiz sowie eine rezidivierende Cervicobrachialgie beidseits bei degenerativem Halswirbelsäulensyndrom diagnostiziert. Es bestehe eine dauerhafte Einstellung auf ein transkutanes Opiat. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger allenfalls noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit verschiedenen qualitativen Einschränkungen drei bis sechs Stunden je Arbeitstag zu verrichten. Dr. B. hat ausgeführt, auf neurologischem Fachgebiet bestünden derzeit keine Ausfälle, insbesondere keine sensomotorischen Störungen. Im Vordergrund stehe das chronische Schmerzsyndrom sowie eine reaktive depressive Verstimmung. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger unter Beachtung seiner qualitativen Leistungseinschränkungen in einem zeitlichen Umfang von sechs bis acht Stunden verrichten.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Unfallchirurgen Prof. Dr. U. vom 01.06.2005 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 14.09.2005, 12.10.2005 und 13.01.2006 und röntgenologischem Zusatzgutachten von Dr. S. vom 05.07.2005 eingeholt. Prof. Dr. U. hat erhebliche degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Spinalkanalstenose ohne Nachweis motorischer Ausfälle oder einer Myelomalazie, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule in Höhe L3/4 und L4/5 mit chronischer Lumboischialgie und Nukleotomie bei L4/5 sowie Bandscheibenprotrusion bei L3/4 und einen Humeruskopfhochstand beidseits diagnostiziert. Mit den sich hieraus ergebenden Einschränkungen könne der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Gewichten unter fünf Kilogramm im Wechsel zwischen Stehen und Sitzen an fünf Tagen in der Woche jeweils sieben bis acht Stunden täglich verrichteten. Arbeiten über Kopf seien ihm nicht mehr zumutbar. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen und Arbeiten im Akkord sowie - wegen der Einnahme von Morphiumderivaten als Schmerzmittel - das Führen von Kraftfahrzeugen. Beschränkungen des Arbeitsweges bestünden nicht. Hinsichtlich der von ihm zunächst vorgeschlagenen Pausenregelung (30 Minuten nach jeweils zwei Stunden Arbeit) hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme von 13.01.2006 ausgeführt, während der gesamten Untersuchung seien erhebliche Diskrepanzen zwischen den angegebenen Beschwerden und den objektivierbaren Befunden aufgetreten. Um diesen Beschwerden Rechnung zu tragen, sei eine großzügige Pausenregelung empfohlen worden. Eine medizinische Begründung lasse sich hierfür aber nicht anführen. Eine betriebsübliche Pausenregelung mit den so genannten persönlichen Verteilzeiten sei dem Kläger zumutbar.
Der Kläger ist der Auffassung, die ihm zuzugestehenden Pausen seien nicht mehr betriebsüblich.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Dezember 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. November 2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Kläger sei angesichts seines vollschichtigen Leistungsvermögens nicht erwerbsunfähig. Betriebsunüblicher Pausen bedürfe er bei Berücksichtigung der im Gutachten von Prof. Dr. U. angeführten qualitativen Leistungseinschränkungen nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die gleichfalls beigezogenen Akten des SG aus dem erstinstanzlichen Verfahren sowie dem Schwerbehindertenverfahren des Klägers - S 3 SB 2063/01 - verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ohne Rechtsfehler hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20.09.2002 sowie der Widerspruchsbescheid vom 30.01.2003 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn ihm kann die erstrebte Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht gewährt werden. Dies hat das SG im Urteil vom 12.12.2003 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist folgendes auszuführen:
Die vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wird durch die vom Senat eingeholte schriftliche sachverständige Zeugenaussage der Neurologin Dr. B. vom 21.10.2004 bestätigt. Soweit der Orthopäde Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 27.07.2004 zu der Einschätzung gelangt ist, der Kläger sei auch für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, beispielsweise für die Tätigkeit einer Museumsaufsicht, nur noch unter sechs Stunden leistungsfähig, wird dies durch die Ausführungen von Prof. Dr. U. im auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten vom 01.06.2005 sowie in der ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2006 widerlegt. Diese Einschätzung ist schlüssig und nachvollziehbar. Denn den im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers stehenden schmerzhaften degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der durch den Humeruskopfhochstand bedingten Schmerzhaftigkeit seiner Schultergelenke ist durch die Beschränkung der zumutbaren Beschäftigung auf körperlich leichte Tätigkeiten im regelmäßigen Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen unter Beachtung der von Prof. Dr. B. und Prof. Dr. U. beschriebenen weiteren qualitativen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen. Unter Zugrundelegung eines solchen leidensgerechten Arbeitsplatzes besteht nämlich angesichts der nur geringen - und im übrigen auch im Vergleich zu einer gleichfalls leidensgerechten Freizeitbeschäftigung allenfalls geringfügig erhöhten - körperlichen Beanspruchung sowie des Ausgleichs durch wechselnde Körperhaltungen kein Anhalt für einen unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten beachtlichen physischen Erholungsbedarf des Klägers bereits nach weniger als sechs Stunden.
Dementsprechend hat Prof. Dr. U. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2006 an der von ihm zunächst vorgeschlagenen "großzügigen Pausenregelung" (30 Minuten nach jeweils zwei Stunden Arbeit) nicht festgehalten. Vielmehr hat er das Fehlen einer medizinischen Begründung für eine solche Pausenregelung eingeräumt. Der vom Kläger angeregten Ermittlungen zur Frage der Betriebsüblichkeit 30-minütiger Pausen nach jeweils zwei Stunden Arbeit bedarf es daher nicht. Aber auch im Übrigen ist die Notwendigkeit betriebsunüblicher Arbeitspausen mit der Folge eines als verschlossen geltenden Arbeitsmarktes nicht zu erkennen. Insbesondere zeigt die weitere Angabe von Prof. Dr. U. in der ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2006, die zunächst vorgeschlagenen Pausenregelung habe lediglich den während der gesamten Untersuchung aufgetretenen erheblichen Diskrepanzen zwischen den angegebenen Beschwerden und den objektivierbaren Befunden Rechnung tragen sollen, keinen Bedarf an zusätzlichen Pausen auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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