S 12 KA 874/06

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 874/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gegen eine Sonderbedarfszulassung nach § 24 Satz 1 Buchst. e Nr. 2 BedarfsplRl-Ä kann eine defensive Konkurrentenklage nicht erhoben werden.
Bemerkung
mit Berichtigungsbeschluss
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerin hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Sonderbedarfszulassung nach § 24 Satz 1 Buchst. e in A-Stadt (Planungsbereich DF-Kreis).

Die Klägerin, die zuvor als Oberärztin einer Universitäts-Klinik tätig war, und Herr Dr. med. E, der seit 1991 in eigener Praxis niedergelassen ist, schlossen zum 01.07.2000 einen Vertrag über die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Klägerin und Herr Dr. med. E sind beides Fachärzte für Innere Medizin/Nephrologie. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 30.05.2000 wurde die Gemeinschaftspraxis genehmigt.

Die Zusammenarbeit der Parteien gestaltete sich - jedenfalls - ab dem Jahre 2002 problematisch. Da eine einvernehmliche Beendigung der Zusammenarbeit nicht zustande kam, kündigte Herr Dr. med. E den Gesellschaftsvertrag mit Schreiben vom 12.12.2003 ordentlich und erklärte zugleich unter Berufung auf § 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages die Übernahme der Gemeinschaftspraxis. Seit dem 26.10.2005 betreibt die Klägerin in A-Stadt eine Einzelpraxis als Nephrologin ohne Sonderzulassung zur Dialyse. Über die Kündigung führten die Klägerin und Herr Dr. med. E einen Zivilrechtsstreit. LG Limburg, Urt. vom 06.12.2004 - 1 O 683/03 – gab den Hauptanträgen der Klägerin im Wesentlichen statt und wies die Widerklage ab. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.10.2005 - 16 U 3/05 - wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. BGH, Urt. v. 07.05.2007 - II ZR 281/05 - GesR 2007, 365 = NJW-RR 2007, 1256 = ZMGR 2007, 81 = MedR 2007, 595 wies die Revision der Klägerin zurück.

Am 24.10.2005 teilte Herr Dr. med. E dem Zulassungsausschuss mit, dass ab sofort die Gemeinschaftspraxis beendet sei. Am 26.10.2005 teilte die Klägerin mit, dass sie die Gemeinschaftspraxis ab dem heutigen Tage auflösen möchte. Der Zulassungsausschuss stellte mit Beschluss vom 29.11.2005 die Beendigung der Gemeinschaftspraxis zum 26.10.2005 fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Beschluss v. 03.05.2006 als unzulässig zurück. Die hiergegen am 04.08.2006 erhobene Klage vor der Kammer (Az.: S 12 KA 871/06) zog die Klägerin am 21.08.2007 zurück.

Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung entzog mit Bescheid vom 31.01.2006 die Genehmigung der Klägerin zur Übernahme des Versorgungsauftrags nach der Dialysevereinbarung. Nach erfolglosem Widerspruch ist hierüber ein Klageverfahren vor der Kammer zum Az.: S 12 KA 895/06 anhängig.

Am 13.12.2005 beantragte der Beigeladene zu 9) eine Sonderbedarfszulassung nach § 24e Bedarfspl-RL als Internist mit Schwerpunktbezeichnung Nephrologie. Dr. E und der Beigeladene zu 9) beantragten ferner, dem Beigeladenen zu 9) eine Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrags gem. § 3 Abs. 3 der Anlage 9.1 BMV-Ä zu erteilen.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen beschloss am 31.01.2006 (Beschlussausfertigung am 09.03.2006), den Beigeladenen zu 9) nach Nr. 24 e) BedarfsplRl-Ä für den Vertragsarztsitz in A-Stadt zuzulassen. In der Begründung bezog er sich hierbei im Wesentlichen auf die Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren.

Hiergegen legte die Klägerin am 28.02.2006 Widerspruch ein. Sie führte aus, es bestehe für die Zulassung kein Bedarf. Gegen den Widerruf ihres Versorgungsauftrags habe sie Widerspruch eingelegt. Dieser habe aufschiebende Wirkung.

Der Beigeladene zu 9) teilte mit Schriftsatz vom 13.03.2006 mit, dass der Dialyseversorgungsauftrag in der Praxis E verblieben sei. Dieser könne innerhalb von sechs Monaten den ausgeschiedenen Arzt ersetzen. Der Nachfolger habe einen Anspruch auf den Versorgungsauftrag und die Sonderbedarfszulassung. Auf den bürgerrechtlichen Streit über das Ausscheiden der Klägerin komme es nicht an. Die Zulassungsgremien hätten keine Verwerfungskompetenz. Er habe auch einen Anspruch auf Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Mit Beschluss vom 03.05.2006, ausgefertigt am 04.07. und der Klägerin zugestellt am 05.07.2006, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Beigeladene zu 1) habe eindeutig festgestellt, dass die Sonderbedarfszulassung für den Beigeladenen zu 9) notwendig sei, um den Versorgungsauftrag der von Dr. E geführten Praxis aufrechtzuerhalten. Damit lägen die Voraussetzungen vor. Der Versorgungsauftrag der Klägerin sei erloschen. Auf zivilrechtliche Auseinandersetzungen komme es nicht an. Der Beklagte ordnete ferner die sofortige Vollziehung an.

Hiergegen hat die Klägerin am 04.08.2006 und der Beigeladene zu 9) wegen der Kostenregelungen zum Az.: S 12 KA 875/06 die Klage erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 14.08.2006 beide Verfahren miteinander verbunden. Der Beigeladene zu 9) hat seine Klage am 06.11.2006 zurückgenommen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe auch nach der Kündigung zunächst weiter gearbeitet. Die Änderung des Bundesmantelvertrages (Anlage 9.1) sei erst im Deutschen Ärzteblatt vom 19.08.2005 veröffentlicht worden. Sie reagiere auf eine Rechtsprechung des LSG Sachsen-Anhalt, wonach man einen Versorgungsauftrag mitnehmen könne. Zu diesem Zeitpunkt sei die Kündigung bereits ausgesprochen worden. Die Wahrnehmung von Rechtsschutzmöglichkeiten könne ihr nicht zum Nachteil gereichen. Erst nach der Entscheidung des OLG habe ihr Herr Dr. E ein Hausverbot erteilt. Als Nephrologin sei sie auf den Versorgungsauftrag angewiesen. Sie könne einen solchen nur im Wege der Sonderbedarfszulassung oder Praxisnachfolge erreichen. Der Verlust des Versorgungsauftrags greife in ihr Eigentumsrecht und ihre Berufsausübungsfreiheit ein. Wenn die Entziehung des Versorgungsauftrags rechtswidrig sei, dann sei auch die Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 9) rechtswidrig. Sie verfüge über die gleiche fachliche Qualifikation wie der Beigeladene zu 9) und über eine Zulassung, weshalb sie klagebefugt sei. Das vertragliche Wettbewerbsverbot sei unzulässig. Der BGH habe auch nur eine zweijährige Laufzeit akzeptiert, die inzwischen abgelaufen sei,

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Ziffer 1 des Beschlusses des Beklagten vom 03.05.2006 den Beklagten zu verurteilen, den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 31.01.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage als unzulässig zurückzuweisen,
hilfsweise
als unbegründet.

Er trägt unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss im Übrigen vor, die Klägerin rüge somit eine unzulässige Rückwirkung des neu geschaffenen § 4 Abs. 1a der Anlage 9.1 BMV-Ä. Die Entscheidung dieser Rechtsfrage liege nicht in seiner Prüfungskompetenz. Allerdings sei festzustellen, dass selbst dann, wenn die Klägerin mit ihrem Vortrag bezüglich des Weiterbestehens ihres Versorgungsauftrages zur Durchführung von Leistungen der Dialyse gerichtlich obsiegen sollte, ihre Klage gegen die Sonderbedarfszulassung des Beteiligten Dr. C. dennoch als unzulässig abzuweisen sei. Sie habe keine Klagebefugnis. Eine Verletzung eigener Rechte ergebe sich aus dem eigenen Klagevortrag der Klägerin selbst dann nicht, wenn die Entscheidung der Beigeladenen zu 1) über den Widerruf der Genehmigung zur Übernahme des ihr erteilten Versorgungsauftrages gerichtlich aufgehoben werden sollte. In einem solchen Fall bestünde die Situation, dass ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Vertragsarzt sich dagegen wende, dass in demselben Planungsbereich und im identischen Fachbereich ein weiterer Vertragsarzt eine kassenärztliche Zulassung erhalte. Die kassenärztliche Zulassung impliziere keinen Kunden- oder Gebietsschutz. Sie räume vielmehr lediglich die Möglichkeit ein, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung tätig zu sein, ohne dass hieraus eine Anwartschaft oder ein Recht auf die Akquisition von Patienten bestehe. Die Fallgestaltung, dass ein zugelassener Vertragsarzt sich gegen die Zulassung eines weiteren Vertragsarztes wende, unterscheide sich auch grundlegend von der Fallgestaltung, die vom Bundesverfassungsgericht für das Verhältnis zwischen zugelassenen Vertragsärzten und ermächtigten Krankenhausärzten entschieden worden sei. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich betont, dass Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz keinen Schutz vor Konkurrenz gewähre und Vertragsärzte aufgrund ihres Zulassungsstatus keinen Rechtsanspruch auf die Sicherung einer wirtschaftlich ungefährdeten Tätigkeit besitzen. Hieraus folge zwingend, dass aus der Zulassung - auch der Sonderbedarfszulassung - eines Vertragsarztes keine Rechtsbeeinträchtigung eines bereits zugelassenen anderen Arztes folge, auch wenn beide Vertragsärzte im selben Planungsbereich und im identischen Fachbereich tätig seien. Die Klägerin sei lediglich reflexartig betroffen. Eine derartige reflexartige Beeinträchtigung führe nicht zu einer Klagebefugnis.

Die Beigeladenen zu 2) bis 9) beantragen,
die Klage als unzulässig,
hilfsweise
als unbegründet zurückzuweisen.

Der Beigeladene zu 9) trägt vor, die Klage sei unzulässig. Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Sonderbedarfszulassung und dem Widerruf des Versorgungsauftrags bestehe nicht. Obsiege die Klägerin im Verfahren über den Widerruf des Versorgungsauftrags, so würde seine Sonderbedarfszulassung nicht rechtswidrig werden. Der ihm und Dr. E erteilter Versorgungsauftrag sei bestandskräftig. Aufgrund des vertraglichen Wettbewerbsverbotes habe die Klägerin gerade keine Dialysepatienten nach ihrem Ausscheiden behandeln dürfen. Der BMV-Ä sei rechtmäßig, da ein "Aufteilen" der Versorgungsaufträge die Gesellschaft ruinieren könne. Die Klägerin könne weiterhin als Nephrologin arbeiten, wofür sie auch zugelassen sei. Der Dialyseversorgungsauftrag sei mit einer Abrechnungsgenehmigung vergleichbar, gegen die nicht vorgegangen werden könne. Er schließe sich auch den Ausführungen des Beklagten an.

Die übrigen Beigeladenen haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 14.08. und 06.11.2006 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Sie konnte dies trotz Ausbleibens der Beigeladenen zu 1) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126 SGG).

Die Klage ist unzulässig. Die Klägerin hat keine Klagebefugnis (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Soweit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zunächst eine Klagebefugnis eines Krankenhauses, das nicht in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen wurde, als konkurrierender Bewerber die Planaufnahme eines anderen Krankenhauses bejaht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.01.2004 - 1 BvR 506/03 - GesR 2004, 85 = NZS 2004, 199) und in einer weiteren Entscheidung bzgl. der Anfechtung einer Ermächtigung eines Krankenhausarztes betont hat, eine defensive Konkurrentenklage ausschließlich bei besonders schweren materiellen Mängeln der Begründetheit einer angefochtenen Ermächtigungsentscheidung zuzulassen, werde der Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit nicht gerecht, folgt hieraus nicht, dass nunmehr auch niedergelassene Vertragsärzte generell gegen eine Zulassung vorgehen können bzw. eine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung anzunehmen ist. Das Bundesverfassungsgericht führt in seiner weiteren Entscheidung bzgl. einer Ermächtigung aus, dem in § 116 Satz 2 SGB V und § 31a Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV gesetzlich angeordneten Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte komme im Lichte dieses Grundrechts vor dem Hintergrund restriktiver Bedarfsplanung und limitierter Gesamtvergütungen auch drittschützende Wirkung in dem Sinne zu, dass diese Ärzte befugt seien, Krankenhausärzte begünstigende Ermächtigungsentscheidungen gerichtlich anzufechten. Solange gerichtlicher Rechtsschutz nur auf Willkürkontrolle beschränkt sei, bleibe ein Sektor der Berufsausübungsfreiheit ohne Überprüfung. Während der Krankenhausarzt gegen die Versagung einer Ermächtigung klagen könne, könne der niedergelassene Arzt bislang nicht gerichtlich überprüfen lassen, ob durch die Erteilung von Ermächtigungen zu seinen Lasten ein Überangebot entstehe. Die Zulassungsbeschränkungen und die Deckelung der Gesamtvergütung hätten das System des Vertragsarztrechts spätestens seit dem Gesundheitsstrukturgesetz verändert. Dem Aspekt einer quantitativ begrenzten Konkurrenz komme für die Berufsausübung des einzelnen Vertragsarztes wegen der budgetierten Gesamtvergütung wachsende Bedeutung zu. Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung erfordere die Befugnis des Grundrechtsträgers, die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für die Erteilung einer Ermächtigung zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Die Einbindung der Vertragsärzte in das System der gesetzlichen Krankenversicherung, das ihnen einen Vorrang gegenüber anderen Ärzten garantiert, korreliere mit dem Anspruch auf Rechtsschutz bei Vernachlässigung der gesetzgeberischen Entscheidung durch die Zulassungsgremien. Die verfahrensmäßige Absicherung des Grundrechtsschutzes setze nicht erst bei Willkür ein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.08.2004 – 1 BvR 378/00SozR 4-1500 § 54 Nr. 4, juris Rdnr. 15 ff.; zur Kritik s. Hänlein, jurisPR-SozR 45/2004 Anm. 1 (unter E); Nix, SGb 2005, S. 63 f.). Das Bundessozialgericht (BSG) hat nunmehr nach Zurückverweisung klargestellt, der Vertragsarzt, der im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbiete, müsse Ermächtigungen für Krankenhausärzte derselben Fachrichtung und Qualifizierung anfechten können, wenn diese seine Erwerbsmöglichkeiten einschränkten; wenn die Ermächtigungen nicht durch das Ziel der Sicherstellung der Versorgung gerechtfertigt seien, d. h., wenn die erforderliche Versorgungslücke nicht gegeben sei -, werde der Vertragsarzt in seinem Grundrecht aus Art 12 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BSG, Urt. v. 28.09.2005 – B 6 KA 70/04 RGesR 2006, 15 = ZMGR 2005, 321, juris Rdnr. 13). Nach dem Terminbericht Nr. 50/70 hat das BSG (Urt. v. 17.10.2007 – B 6 KA 42/06 R –) ferner entschieden, dass der Umstand, dass die Praxis in einem anderen Planungsbereich als das Krankenhaus der ermächtigten Ärztin liegt, die Anfechtungsberechtigung nicht von vornherein ausschließt; hierfür ist vielmehr entscheidend, ob unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse zwischen dem niedergelassenen Vertragsarzt und dem ermächtigten Krankenhausarzt eine reale Konkurrenzsituation um die Versorgung derselben Patienten mit gleichen Leistungen besteht; ggf. kann die Ermächtigung nur für die Behandlung von Versicherten erteilt wird, die nicht aus dem Einzugsbereich der Praxis des niedergelassenen Arztes kommen.

Der vom BVerfG betonte – nur einfachgesetzlich normierte Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte – kommt lediglich im Rahmen einer Bedarfsprüfung zur Geltung. Gesetzlich zwingend vorgeschriebene Ermächtigungen fallen daher nicht unter die Rechtsprechung des BVerfG. Bei Sonderbedarfszulassungen besteht aus der Sicht des Vertragsarztes eine ähnliche Konfliktlage wie bei bedarfsabhängigen Ermächtigungen nur, soweit sie ebf. bedarfsabhängig sind. Für den Bereich einer Sonderbedarfszulassung nach § 24 Satz 1 Buchst. e Nr. 2 BedarfsplRl-Ä trifft dies nicht zu.

Für den Bereich einer Sonderbedarfszulassung nach § 24 Satz 1 Buchst. e BedarfsplRl-Ä in der ab. 01.04.2007 geltenden Fassung (Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung in der Neufassung vom 15. Februar 2007, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2007 S. 3491), die insoweit textidentisch mit der Vorgängerbestimmung ist (s. Nr. 24 Satz 1 Buchst. e Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung in der Fassung vom 9. März 1993, BAnz. Nr. 110 a vom 18. Juni 1993, zuletzt geändert am 18. Oktober 2005, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006 Nr. 8: S. 107, in Kraft getreten am 13. Januar 2006 (Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte – BedarfsPlRl-Ä)) fehlt es an einer den Ermächtigungen entsprechenden gesetzlichen Ausgestaltung. Nach § 24 Satz 1 Buchst. e BedarfsplRl-Ä darf der Zulassungsausschuss für Ärzte unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss dem Zulassungsantrag eines Vertragsarztes der betroffenen Arztgruppe entsprechen, wenn durch die Kassenärztliche Vereinigung
1. zur Sicherstellung der wohnortnahen Dialyseversorgung einem Vertragsarzt oder
2. aufgrund der Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren gemäß § 135 Abs. 2 SGB V einem weiteren Arzt in der Dialysepraxis (vgl. § 7 Abs. 1 und 2 der Anlage 9.1 der Bundesmantelverträge)
die Genehmigung zur Durchführung eines Versorgungsauftrags für die nephrologische Versorgung der von einer chronischen Niereninsuffizienz betroffenen Patienten mit Dialyseleistungen gemäß § 2 Abs. 7 der Bundesmantelverträge erteilt werden soll, der Zulassung jedoch Zulassungsbeschränkungen für die Zulassung von Fachärzten für Innere Medizin zur Teilnahme an der fachärztlich-internistischen Versorgung entgegenstehen.

§ 24 Satz 1 Buchst. e Nr. 2 BedarfsplRl-Ä sieht gerade keine zusätzlich Bedarfsprüfung vor. Es reicht aus, dass die Kassenärztliche Vereinigung anzeigt, sie werde die Genehmigung zur Durchführung eines Versorgungsauftrags erteilen. Dies hat sie dann auch mit Bescheid vom 03.08.2006 gegenüber Herrn Dr. E für die gemeinsame Berufsausübung mit dem Beigeladenen zu 1) erteilt. Dieser Bescheid hat insofern auch Drittwirkung für den Beigeladenen zu 1).

Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin ihren Versorgungsauftrag bis zur Hälfte des ursprünglich für die Gemeinschaftspraxis erteilten Versorgungsauftrag "mitnehmen" kann, hätte auch bei Halbierung des Umfangs des früheren Versorgungsauftrags eine Sonderbedarfszulassung erteilt werden müssen.

Nach der Vereinbarung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zur Ausführung und Abrechnung von Blutreinigungsverfahren (Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren) vom 16. Juni 1997 in der Fassung vom 3. Januar 2003 (im Folgenden: Vb) ist für die Durchführung von Dialysebehandlungen als "Zentrumsdialyse", wenn durch den Arzt oder die Einrichtung eine bestimmte Anzahl von Patienten in der vertragsärztlichen Versorgung pro Jahr kontinuierlich in der Dialyse als "Zentrumsdialyse" und "Zentralisierte Heimdialyse" behandelt werden, über die fachliche Vertretung im Einzelfall hinaus die Tätigkeit weiterer Ärzte in der Dialysepraxis oder Dialyseeinrichtung nachzuweisen. Die Anzahl der kontinuierlich behandelten Patienten wird an Hand der abgerechneten Leistungen nach Nrn. 7270 und 7273 (Wochenpauschale) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) ermittelt. Dabei ergibt sich die Anzahl der Patienten aus dem Quotienten aller pro Jahr abgerechneten Leistungen nach Nrn. 7270 und 7273 und der Anzahl der Wochen pro Jahr. Daraus resultiert folgender "Arzt-Patienten-Schlüssel":
1. Bei mehr als 30 Patienten pro Jahr mindestens ein zweiter Arzt, welcher die fachlichen Voraussetzungen gemäß § 4 dieser Vereinbarung erfüllt.
2. Bei mehr als 100 Patienten und je weiteren 50 Patienten pro Jahr zusätzlich zu Nr. 1 je ein weiterer Arzt, welcher die fachlichen Voraussetzungen gemäß § 4 dieser Vereinbarung erfüllt. Ab dem dritten Arzt kann an die Stelle eines dieser Ärzte auch ein Arzt treten, der berechtigt ist, die Gebietsbezeichnung Innere Medizin zu führen, auch wenn er nicht über die Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung "Nephrologie" verfügt.

Scheidet ein Arzt nach Nr. 1 oder 2 aus der Dialysepraxis oder Dialyseeinrichtung aus, hat die Dialysepraxis oder Dialyseeinrichtung innerhalb von 6 Monaten nachzuweisen, dass der ausgeschiedene Arzt durch einen entsprechenden Arzt ersetzt wurde. Wird der Nachweis nicht erbracht, ist die Berechtigung zur Ausführung und Abrechnung von Dialyseleistungen der Anzahl der verbliebenen Ärzte gemäß Nr. 1 und 2 anzupassen (§ 5 Abs. 7 Buchstabe c Vb). Nach § 4 Abs. 1 Vb gilt die fachliche Befähigung für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Dialyse durch die Vorlage von Zeugnissen gemäß § 8 Abs. 1 als nachgewiesen, wenn der Arzt berechtigt ist, die Schwerpunktbezeichnung Nephrologie zu führen.

Nach Ausscheiden der Klägerin aus der Praxis des Dr. E musste dieser innerhalb von sechs Monaten nachweisen, dass die Klägerin durch einen entsprechenden Arzt ersetzt wurde. Die beigeladene KVH hat dem Beigeladenen zu 9) eine – inzwischen bestandskräftige - Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrags gem. § 3 Abs. 3 der Anlage 9.1 BMV-Ä erteilt bzw. hatte zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten diesem ihre entsprechende Absicht mitgeteilt. Unter diesen Vorsaussetzungen bestehen für die Zulassungsgremien weder Beurteilungs- noch Ermessensspielräume, sondern ist die Sonderbedarfszulassung zu erteilen.

Damit musste die Praxis Dr. E nach Beendigung der Gemeinschaftspraxis selbst dann, wenn der Versorgungsauftrag halbiert worden wäre, einen weiteren Nephrologen beschäftigen bzw. diesen in die Praxis aufnehmen. Diese Grenze besteht bei mehr als 30 Patienten pro Jahr, also bei 30 Dialyseplätzen. Sofern die Kassenärztliche Vereinigung aus diesen Gründen einen weiteren Versorgungsauftrag erteilt, kommt dem Beklagten kein weitergehendes eigenständiges Prüfungsrecht zu. Die Sonderbedarfszulassung nach § 24 Satz 1 Buchst. e Nr. 2 BedarfsplRl-Ä wurde nach Erhöhung der genannten personellen Qualitätsvoraussetzungen eingeführt, da ohne § 24 Satz 1 Buchst. e Nr. 2 BedarfsplRl-Ä in gesperrten Planungsbereichen der weitere Nephrologe eine Zulassung nicht erhalten konnte. Konsequenterweise hat der Richtliniengeber die Richtlinien an die Vb dahingehend harmonisiert, dass den Zulassungsgremien eine quasinotarielle Funktion zukommt. Von daher ist nicht ersichtlich, weshalb andere niedergelassene Dialyseärzte durch die Entscheidung der Zulassungsgremien beschwert sein sollten.

Allein die Möglichkeit einer mittelbaren Auswirkung aufgrund des Honorarverteilungsmechanismus, wonach bei einer begrenzten Gesamtvergütung jeder weitere Leistungserbringer die Vergütung der übrigen senken kann, reicht nicht aus. Allein die Reflexwirkung der Zulassung eines weiteren Vertragsarztes begründet noch keine potentielle Grundrechtsverletzung. Entsprechend hat die Kammer für eine Belegarztanerkennung (vgl. SG Marburg, Beschl. v. 22.03.2007 – S 12 KA 80/07 ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Marburg, Beschl. v. 18.12.2006 - S 12 KA 1041/06 ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de) entschieden. Gleichfalls liegt eine Rechtsverletzung Dritter bei einem sog. Praxistausch, durch den zwei zugelassene Vertragsärzte zeitgleich den Wechsel der Versorgungsebene bzw. Facharztbezeichnung in einem jeweils wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich nach § 24 Abs. 6 Ärzte-ZV vollziehen, nicht vor (vgl. SG Marburg, Beschl. v. 19.07.2007– S 12 KA 287/07 ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de). Nach SG Dresden fehlt niedergelassenen Vertragsärzten für eine Klage gegen eine Institutsermächtigung das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich die Klage lediglich auf die Rüge beschränkt, die Entscheidung habe den aus dem Wortlaut des § 98 Abs. 2 Nr. 11 resultierenden Vorrang der Erteilung von Einzelermächtigungen (§ 116) vor der Erteilung einer Institutsermächtigung missachtet. Denn dieser Vorrang betrifft nur das Innenverhältnis zwischen den potentiell ermächtigungsfähigen Ärzten und den ärztlich geleiteten Einrichtungen, denen gegenüber die niedergelassenen Ärzte jeweils gleichermaßen Vorrang bei der Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung genießen.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung in § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil hat die Verfahrenskosten zu tragen.

Der Beigeladene zu 9) hat einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Klägerin. Soweit die Kammer anders tenoriert hat, hat sie am 14.12.2007 einen Berichtigungsbeschluss erlassen.

Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat, wenn er allein oder mit anderen Beteiligten gesiegt hat oder das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2004, § 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen ist, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.11.2002 – B 13 RJ 19/01 R - SozR 3-5795 § 10d Nr. 1, zitiert nach juris Rdnr. 44).

Der Beigeladenen hat einen Klageabweisungsantrag gestellt und sich zur Sache entsprechend geäußert. Von daher besteht für ihn ein Kostenerstattungsanspruch.

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Berichtigungsbeschluss:

Das Urteil der Kammer vom 12.12.2007, Az.: S 12 KA 874/06 wird im Tenor unter Nr. 2 wie folgt berichtigt:

Die Klägerin hat dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 9) die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit von Amts wegen zu berichtigen. Der Vorsitzende entscheidet hierüber durch Beschluss (§ 138 Sozialgerichtsgesetz).

Im Urteilstenor war offensichtlich irrtümlich durch die Übernahme eines fehlerhaften Textbausteins nicht tenoriert worden, dass der Beigeladene zu 9) einen Kostenerstattungsanspruch hat. Insoweit wird auf die Urteilsgründe verwiesen. Von daher war der Tenor entsprechend zu berichtigen.
Rechtskraft
Aus
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