S 12 KA 395/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 395/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 10/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Zulassungsgremien sind gegenüber einem vor dem 01.01.2007 bestandskräftig zugelassenen Medizinischen Versorgungszentrum nicht berechtigt, eine Verpflichtung zur Vorlage von selbstschuldnerischen Bürgschaften durch ihre Gesellschafter, verbunden mit der Androhung des Widerrufs der Zulassung für den Fall der Nichtabgabe, auszusprechen.
1. Der Beschluss des Beklagten wird insoweit aufgehoben, als darin die im angefochtenen Beschluss des Zulassungsausschusses vom 30.01.2007 gegenüber der Klägerin ausgesprochene Verpflichtung zur Vorlage von selbstschuldnerischen Bürgschaften durch ihre Gesellschafter, verbunden mit der Androhung des Widerrufs der Zulassung für den Fall der Nichtabgabe, nicht aufgehoben wird.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, diese Verpflichtung nebst damit verbundener Androhung des Widerrufs der Zulassung aufzuheben.

3. Der Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen. Die Aufwendungen der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Vorlage von selbstschuldnerischen Bürgschaften durch ihre Gesellschafter, verbunden mit der Androhung des Widerrufs der Zulassung für den Fall der Nichtabgabe.

Die Klägerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform einer GmbH. Sie ist seit 01.01.2006 als MVZ zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Sie hat zwei Gesellschafter. Die JB.Kliniken gGmbH ist eine gemeinnützige GmbH. Sie hat selbständig Feststellungsklage vor der Kammer zum Az.: S 12 KA 370/07 gegen den Zulassungsausschuss erhoben. Der weitere Gesellschafter ist das MVZ Radiologie und Nuklearmedizin GbR A., B., H., M., N., W., I., B-Stadt. Dieses hat ebf. selbständig Feststellungsklage vor der Kammer zum Az.: S 12 KA 378/07 gegen den Zulassungsausschuss erhoben.

Bereits unter Datum vom 02.04.2007 forderte der Zulassungsausschuss die Klägerin zur Einreichung einer selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärung der Gesellschafter binnen zwei Monaten aufgefordert. Die Klägerin reichte unter Datum vom 04.06.2007 die Erklärung unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung ein.

Der Zulassungsausschuss gab ferner mit Beschluss vom 24.04.2007 (Beschlussausfertigung am 29.05.2007) dem Antrag der Klägerin auf Bestellung des Herrn Dr. med. AX. zum ärztlichen Leiter statt. Die Genehmigung erfolgte unter der aufschiebenden Bedingung, dass eine selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung der Gesellschafter bis 05.06.2007 vorgelegt werde. Mit weiterem Beschluss vom 24.04.2007 (Beschlussausfertigung am 29.05.2007) stellte der Zulassungsausschuss fest, dass die Gemeinschaftspraxis A-Straße GbR als Mitgesellschafter in das A. eintrete. Auch diese Genehmigung erfolgte unter der aufschiebenden Bedingung, dass eine selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung der Gesellschafter bis 05.06.2007 vorgelegt werde. Gegen beide Beschlüsse läuft ein Widerspruchsverfahren.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab mit Beschluss vom 30.01.2007 (Beschlussausfertigung am 02.04.2007) dem Antrag der Klägerin auf Übernahme eines Vertragsarztsitzes in U-Stadt statt. Am Ende der Begründung heißt es, die Zulassung des MVZ sei zu widerrufen, sofern die gem. § 95 Abs. 2 SGB V erforderliche selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen für Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und der Krankenkassen gegen das medizinische Versorgungszentrum aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses vorgelegt werde.

Gegen den Beschluss legte die Klägerin am 23.04.2007 Widerspruch ein. Sie wandte sich gegen die Befristung der Nachbesetzung und die Befristung der Einstellung eines weiteren Arztes bei Reduktion der Arbeitszeit sowie gegen die Aufforderung zur Vorlage einer Bürgschaftserklärung, da das MVZ vor dem 01.01.2007 gegründet worden sei. Die nachträgliche Forderung nach einer Bürgschaft stelle einen enteignungsgleichen Eingriff dar.

Die Beigeladene zu 1) teilte mit Schriftsatz vom 18.06.2007 mit, dass sich die Notwendigkeit zur Vorlage einer selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärung nicht nur für MVZ ergebe, die nach dem 01.01.2007 gegründet worden seien. Die Forderung stelle ein milderes Mittel im Vergleich zur Zulassungsentziehung dar.

Mit Beschluss vom 20.06.2007, ausgefertigt am 11.09.2007, änderte der Berufungsausschuss die Frist zur Nachbesetzung auf sechs Monate ab. Ferner bestimmte er, dass die übrigen Bestimmungen des angefochtenen Beschlusses unverändert blieben; den Widerspruch wies er insoweit zurück. Zur Begründung führte er u. a. aus, der Widerspruch sei zulässig. Ein Widerspruch sei auch dann möglich, wenn die angegriffene Regelung sich nicht in der Tenorierung des angefochtenen Verwaltungsaktes unmittelbar befinde, sondern lediglich in der Begründung desselben. Dies gelte für die im Beschluss ausgesprochene Verpflichtung zur Beibringung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft. Diese Nebenbestimmung sei zulässig. Dem Gesetzgeber sei es unbenommen, für die Gründung von MVZ neue Gründungsvoraussetzungen zu schaffen, die bei Inkrafttreten Wirkung auch für bereits gegründete MVZ gelten würden. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X könne bei einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufgehoben werden. Von daher bestünden keine Bedenken, bei Schaffung neuer Gründungsvoraussetzungen diese auch für bereits in Betrieb befindliche MVZ zu fordern. Wenn statt der Aufhebung der Genehmigung mit der Möglichkeit eines Neuantrags eine Auflage mit Widerrufsvorbehalt gewählt werde, begegne dies keinen rechtlichen Bedenken.

Am 14.09.2007 hat die Klägerin die Klage, die sie ausdrücklich auf die Bestimmung zur Bürgschaftserklärung beschränkt hat, erhoben. Sie trägt vor, die angegriffene Bestimmung sei selbständig anfechtbar. Als Adressatin, die zur Vorlage verpflichtet werde, sei sie beschwert. Eine rückwirkende Geltung hätte der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmen müssen. § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine Anwendung für bereits bestehende MVZ unterbleibe. Andernfalls würde eine unzulässige Rückwirkung bestehen. Der Zulassungsstatus könne nicht rückwirkend entwertet werden. Wegen der Spezialität des § 95 Abs. 6 SGB V könne § 48 SGB X nicht angewandt werden. Es bestehe ein Zwang zum Ausscheiden der Gesellschafter, wodurch sie beschwert sei. Für ihre Gesellschafterin JB.Kliniken gGmbH bestehe die Gefahr, die Gemeinnützigkeit zu verlieren. Auch die weitere Gesellschafterin könne sich nicht im Hinblick auf die Höhe und den Zeitpunkt der Inanspruchnahme unkalkulierbare Haftungsrisiko schützen. Die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sei ihr als Freiberufler-GbR generell nicht möglich. Eine überfordernde Bürgschaft sei auch sittenwidrig.

Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten insoweit aufzuheben, als darin die im angefochtenen Beschluss des Zulassungsausschusses vom 30.01.2007 ihr gegenüber ausgesprochene Verpflichtung zur Vorlage von selbstschuldnerischen Bürgschaften durch ihre Gesellschafter, verbunden mit der Androhung des Widerrufs der Zulassung für den Fall der Nichtabgabe, nicht aufgehoben wird und den Beklagten zu verpflichten, diese Verpflichtung nebst damit verbundener Androhung des Widerrufs der Zulassung aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er trägt unter Verweis auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss im Übrigen vor, die Anwendung des § 48 SGB X scheitere nicht an der Spezialität der vertragsärztlichen Vorschriften über Entziehung und Beendigung der Zulassung, hier des § 95 Abs. 6 und 7 SGB V. Die Sperrwirkung könne jedoch nur insoweit eintreten, wie in den Spezialregelungen abschließende Festlegungen getroffen werden. In der von der Klägerin zitierten Entscheidung des BSG vom 05.02.2003, Az: B 6 KA 22/02 werde deutlich gemacht, dass die weiterreichenden Regelungen des Vertragsarztrechtes in § 95 Abs. 6 SGB V sogar dann zum Zuge kommen könnten, wenn nach den Regeln des allgemeinen Sozialverwaltungsrechts, wie sie im SGB X niedergelegt seien, keine Handlungsmöglichkeit bestehe. Zur Frage, ob und inwieweit nach Einführung neuer Gründungsvoraussetzungen für Medizinische Versorgungszentren die neuen Bestimmungen auch auf bereits bestehende Medizinische Versorgungszentren anzuwenden seien, enthielten die Spezialbestimmungen des Vertragsarztrechtes keine Regelungen. Der Gesetzgeber habe bei der Einführung der neuen Gründungsvoraussetzungen auch keine Übergangsbestimmungen erlassen. Es spreche alles dafür, dass das Schweigen des Gesetzgebers zur Frage der Geltung der neuen Regelungen auch für bereits bestehende Medizinische Versorgungszentren dahingehend zu interpretieren sei, dass die allgemeinen Regelungen des SGB X anzuwenden seien. Es sei schlechthin nicht nachzuvollziehen, weshalb bei identischer Interessenlage bereits bestehende Medizinische Versorgungszentren gegenüber neu gegründeten Medizinischen Versorgungszentren dahingehend privilegiert werden sollten, dass sie die streitbefangenen Bürgschaftserklärungen nicht beibringen sollen. Dem Gesetzgeber sei es unbenommen, für die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren neue Gründungsvoraussetzungen zu schaffen, die bei ihrem In-Kraft-Treten Wirkung auch für bereits gegründete und zugelassene Medizinische Versorgungszentren entfalteten. Insofern bestünden im Hinblick auf die eindeutige Regelung des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X keinerlei Bedenken, bei Schaffung neuer Gründungsvoraussetzungen für Medizinische Versorgungszentren durch den Gesetzgeber die Einhaltung dieser Voraussetzungen auch von bereits in Betrieb befindlichen und zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren zu fordern. Eine nachträgliche Auflage sei das wesentlich günstigere, schnellere und einfachere Mittel zur Erreichung des gesetzgeberisch normierten Auftrages, das bereits aus Verhältnismäßigkeitsgründen zu wählen sei. Es werde nicht in einen möglicherweise bestehenden Bestandsschutz des Medizinischen Versorgungszentrums oder seiner Gesellschafter eingegriffen. Ebenso wenig liege eine unzulässige Rückwirkung vor. Im Falle der Entziehung der kassenärztlichen Zulassung des Medizinischen Versorgungszentrums wegen der Nicht-Beibringung der selbstschuldnerischen Bürgschaft würde die kassenärztliche Zulassung nicht mit ex-tunc-Wirkung entfallen, sondern lediglich mit Wirkung für die Zukunft. Auch werde nicht in bestehende Rechtspositionen des Medizinischen Versorgungszentrums eingegriffen, da lediglich verlangt werde, dass unstreitige Rückforderungsansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Krankenkassen aus vertragsärztlicher Tätigkeit abgesichert werden. Bei der Verpflichtung zur Beibringung selbstschuldnerischer Bürgschaften gemäß § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V handele es sich um Gründungsvoraussetzungen, deren Einhaltung nicht im Ermessen der Zulassungsgremien liege. Die Zulassungsgremien hätten keinerlei Spielräume, auf die Beibringung der Bürgschaftserklärungen zu verzichten. Deshalb bedürfe es auch grundsätzlich keines weiteren Eingehens auf die von der Klägerin vorgetragenen eigenen Rechtsbeeinträchtigungen bzw. diejenigen ihrer Gesellschafterinnen, da es hierauf bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Auflage nicht ankomme. Die behauptete Gemeinnützigkeitsfeindlichkeit der verlangten Bürgschaftserklärung käme auch dann zum Tragen, wenn das MVZ der Klägerin erst nach dem 01.01.2007 gegründet und zugelassen worden wäre. Die Bürgschaftsverbindlichkeit sei auf keinen Fall höher als in einer Fallgestaltung, in welcher die Gesellschafterin der Klägerin selbst vertragsärztlich tätig geworden wäre. Sittenwidrigkeit werde regelmäßig nur dann angenommen, wenn eine Überforderung rechtsunkundiger und/oder mittelloser Bürgen zu gewärtigen sei. Beide Fallgestaltungen könnten im vorliegenden Sachzusammenhang in keiner Weise angenommen werden. Soweit die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns und die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein in Altfällen auf die Beibringung selbstschuldnerischer Bürgschaftserklärungen verzichtet hätten, sei die dort geäußerte Rechtsauffassung weder für die Kassenärztliche Vereinigung Hessen noch für den Beklagten verbindlich.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 25.09.2007 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Sie konnte dies trotz Ausbleibens der Beigeladenen zu 1) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126 SGG).

Die zulässige Klage ist begründet. Der Beschluss des Beklagten vom 20.06.2006 ist, soweit er angefochten wurde, rechtswidrig war daher insoweit aufzuheben.

Die Zulassungsgremien sind gegenüber der Klägerin nicht berechtigt, eine Verpflichtung zur Vorlage von selbstschuldnerischen Bürgschaften durch ihre Gesellschafter, verbunden mit der Androhung des Widerrufs der Zulassung für den Fall der Nichtabgabe, auszusprechen. Der Beklagte war daher zu verpflichten, diese Verpflichtung nebst damit verbundener Androhung des Widerrufs der Zulassung aufzuheben.

Der mit dem Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - VÄndG) v. 22.12.2006, BGBl I 2006, 3439 in § 95 Abs. 2 SGB V neu eingefügte Satz 6 bestimmt, dass die Gesellschafter als Zulassungsvoraussetzung selbstschuldnerische Bürgschaften abzugeben haben, um Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und der Krankenkassen abzusichern.

Nach der Gesetzesbegründung sollen kooperative Versorgungsformen, die in der Rechtsform einer juristischen Person organisiert sind, haftungsrechtlich den als Personengesellschaft organisierten kooperativen Organisationsformen (Gemeinschaftspraxis, MVZ in der Freiberuflervariante) in einem wichtigen Bereich gleichgestellt werden: Vertragsärzte, die als Einzelpersonen (Einzelpraxis) oder als Gesamthand (Berufsausübungsgemeinschaft) in vertragsarztrechtlichen Beziehungen zu einer KV und zu Krankenkassen stünden, hafteten persönlich für Ansprüche dieser Institutionen – sei es als Einzelperson allein, sei es gesamtschuldnerisch als Mitglied der Berufsausübungsgemeinschaft akzessorisch analog den §§ 128, 129 HGB mit ihrem Privatvermögen. Diese Haftungserstreckung müsse zum Schutze der Gemeinschaft der anderen in der KV durch Pflichtmitgliedschaft organisierten vertragsärztlichen Leistungserbringer und zum Schutz der Solidargemeinschaft der Versicherten auch für Rechtsansprüche von KVen und Krankenkassen gelten. So kämen z. B. für KVen Rückforderungsansprüche nach § 106 Abs. 5c SGB V und Ansprüche wegen – möglicherweise auch erst nach Auflösung des MVZ entdeckter – Falschabrechnungen in Betracht und für Krankenkassen Schadensersatzansprüche auf Grund eines – möglicherweise auch erst nach Auflösung des MVZ festgestellten – sonstigen Schadens (vgl. § 48 BMV-Ä) (vgl. BT-Drs. 16/2474, S. 21).

In der Bürgschaftserklärung muss sich jeder Gesellschafter als Selbstschuldner verbürgen (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Sie muss betragsmäßig unbegrenzt, unbefristet und unkündbar sein. Neu eintretende Gesellschafter haben ebf. eine Erklärung abzugeben. Verpflichtet gegenüber den Zulassungsgremien ist dann das MVZ. Ist Gesellschafter eine juristische Person, so ist diese bürgschaftspflichtig, nicht deren Gesellschafter. Die Haftung der Gesellschafter ist gesamtschuldnerisch (§ 769 BGB) (vgl. im Einzelnen Möller, MedR 2007, 266 ff.; Makoski/Möller, MedR 2007, S. 524 ff.; Schirmer, Anmerkungen der KBV zum VÄndG, 2007, S. 68 f.).

Die Vorschrift über die selbstschuldnerische Bürgschaft ist erst mit dem VÄndG zum 01.01.2007 in Kraft getreten (Art. 8 Abs. 1 VÄndG). Sie kann daher nicht auf zuvor zugelassene MVZ angewandt werden (vgl. Möller, MedR 2007, 267; Makoski/Möller, MedR 2007, S. 527; Pawlita in juris-PK SGB V, Online-Ausgabe, Stand: 01.08.2007, § 95 SGB V, Rn. 80; nicht eindeutig Schirmer, Anmerkungen der KBV zum VÄndG, 2007, S. 69.). Die Bürgschaftserklärung ist nur Zulassungsvoraussetzung. Ihre faktisch rückwirkende Geltung kann nicht über die Entziehung nach § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V konstruiert werden. Soll die Bürgschaftserklärung für bereits bestehende MVZ eingeführt werden, bedarf es einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille kann auch den Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden, da in der zitierten Gesetzesbegründung hierzu jegliche Äußerungen fehlen.

Mit der Zulassung als MVZ wird der Status als Leistungserbringer festgestellt. Insofern werden auch die wesentlichen Zulassungsvoraussetzungen festgelegt, die für eine Entziehung nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V von Bedeutung sind. Der Zulassungsstatus als MVZ hat für die Gründer eigentumsgleiche Bedeutung. Mit Bestandskraft der Zulassungsentscheidung kann diese öffentlich-rechtliche Genehmigung nur auf der Grundlage eines formellen Gesetzes aufgehoben werden.

Dem Gesetzgeber ist es zwar nicht verwehrt, Rechten, die den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießen, einen neuen Inhalt zu geben. Dies schließt auch die Ermächtigung ein, die bisherige Rechtslage zu Lasten der betroffenen Eigentümer zu ändern. Der Gesetzgeber kann das Entstehen von Rechten, die nach früherem Recht möglich waren, für die Zukunft ausschließen, und Befugnisse, die bisher mit dem Recht verbunden waren, einschränken oder ganz aufheben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.12.1997 - 4 B 193/97 – juris Rn. 3 - Buchholz 11 Art 14 GG Nr. 317; BVerwG, Beschl. v. 03.12.1997 - 4 B 193/97 - juris Rn. 9 - Buchholz 11 Art 14 GG Nr. 317). Der Gesetzgeber unterliegt hierbei freilich besonderen verfassungsrechtlichen Schranken. Er hat die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu beachten sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Knüpft er bei einer Neuregelung an Sachverhalte an, die in die Vergangenheit zurückreichen, so hat er darüber hinaus auch dem Vertrauen Rechnung zu tragen, das die Betroffenen in den Fortbestand der überkommenen Ordnung setzen. Er muss zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit eine Abwägung vornehmen, die in einer möglichst schonenden Übergangsregelung ihren Niederschlag zu finden hat (BVerwG, Beschl. v. 03.12.1997 - 4 B 193/97 – aaO. m. w. N.).

Hier fehlt es aber bereits an einer gesetzlichen Grundlage und einem Übergangsrecht, wie mit den MVZ zu verfahren ist, die bereits vor Gesetzesänderung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren. Dies kann auch nicht über den Umweg des Entziehungstatbestandes nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V erreicht werden, da die darin genannten Voraussetzungen der Zulassung bzw. Gründung diejenigen Voraussetzungen sind, die zum Zeitpunkt der Zulassung galten. Die Klägerin ist aber bereits vor dem 01.01.2007 gegründet worden, so dass von ihr ohne weitere gesetzliche Grundlage eine selbstschuldnerische Bürgschaft ihrer Gesellschafter nicht verlangt werden kann. Von daher kann ihr auch nicht die Entziehung angedroht werden.

Nach allem war der Klage daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Verfahrenskosten.
Rechtskraft
Aus
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