Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 2038/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5661/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 24. November 2004 sowie der Bescheid des Beklagten vom 3. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2002 abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 5. Februar 2004 den Nachteilsausgleich aG zuzuerkennen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen trägt der Beklagte drei Viertel.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) streitig.
Der am 1957 geborene Kläger leidet u.a. an Beschwerden in beiden Kniegelenken, die bereits zahlreiche Operationen erforderlich gemacht haben. Er hatte sich 1994 bei einem Verkehrsunfall eine so genannte DashBoard- (durch Aufprall am Armaturenbrett verursachte) Verletzung am linken Knie zugezogen. Bei den zahlreichen Operationen wurde u.a. auch an beiden Kniegelenken ein laterales Release (operative Versetzung bzw. Lockerung des Kniescheibenbandes) vorgenommen.
Mit Bescheid vom 12.03.1996 stellte das Versorgungsamt S beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden hierbei degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Kniegelenksverschleiß, Innenmeniskusteilentfernung, ein depressives Syndrom, psychosomatisches Leiden und ein Kopfschmerzsyndrom berücksichtigt. Der vom Kläger hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.10.1996). Den mit insgesamt elf Operationen an den beiden Knien begründeten Neufeststellungsantrag des Klägers vom März 1998, mit dem er einen höheren GdB und den Nachteilsausgleich aG geltend machte, lehnte das Versorgungsamt Soest nach Einholung eines Gutachtens mit Bescheid vom 15.05.1998 ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch - der Kläger war mittlerweile nach Singen umgezogen - hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.01.1999). Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG), das den Beklagten mit Gerichtsbescheid vom 25.07.2000 zur Feststellung eines GdB von 50 seit 15.10.1998 verurteilte. Hierbei wurden zusätzlich Herzrhythmusstörungen (mit einem GdB von 20) berücksichtigt. Im Oktober 2000 beantragte der Kläger erneut die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Nachteilsausgleiches G. Nach medizinischer Sachaufklärung, insbesondere der Beiziehung des im Rentenrechtsstreit L 9 RJ 4731/99 vom Landessozialgericht Baden-Württemberg eingeholten chirurgisch-orthopädischen Gutachtens von Prof. Dr. S., Chirurgische Universitätsklinik U., vom 31.07.2000, lehnte das Versorgungsamt Freiburg (VA) den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 19.06.2001 ab.
Am 08.07.2002 beantragte der Kläger beim VA die Feststellung des Nachteilausgleiches aG und legte hierzu das ärztliche Attest des Orthopäden Dr. K. vom 28.06.2002 vor. Darin heißt es, der Kläger sei auf die Benutzung zweier Unterarmgehstützen angewiesen. Er benötige einen gesonderten Parkplatz, der es ihm ermögliche, die Tür weit zu öffnen, um sicher auszusteigen. Nach Einholung eines Befundberichtes von Dr. K. und Vorlage der Bescheinigung dieses Arztes vom 29.08.2002, wonach der Kläger wegen Behinderungen im Bereich der unteren Gliedmaßen nicht in der Lage sei, eine Strecke von zwei km in der Zeit von 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen, stellte das VA mit Neufeststellungsbescheid vom 03.09.2002 ab 08.07.2002 einen GdB von 60 fest. Ferner wurde der Nachteilsausgleich G festgestellt. Die Feststellung des Nachteilsausgleiches aG lehnte das VA hingegen ab, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Dagegen legte der Kläger am 17.09.2002 Widerspruch ein und machte den Nachteilsausgleich aG geltend. Er sei wegen der bei ihm festgestellten Erkrankungen und der daraus folgenden Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, eine Parklücke zu suchen, da diese viel zu eng sei und ihm nicht die Möglichkeit gebe, ein- oder auszusteigen. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, wonach für den Nachteilsausgleich aG die Gehfähigkeit entscheidend sei und die Notwendigkeit eines breiten Parkplatzes zur Öffnung der Tür diesen Nachteilsausgleich nicht rechtfertige, wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2002 zurück.
Am 28.10.2002 erhob der Kläger Klage zum SG, mit der er unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens geltend machte, ihm stehe der Nachteilsausgleich aG zu. Die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste sowie die durchgeführten Begutachtungen belegten, dass er mit zwei Unterarmstützen gehe und deshalb einen gesonderten Parkplatz benötige. Er verwies auf zahlreiche Knieoperationen und mehrfache Bandscheibenschäden im Bereich der Lenden-, Brust- und Halswirbelsäule.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Notwendigkeit eines breiten Parkplatzes zur Öffnung der Tür rechtfertige den Nachteilsausgleich aG nicht. Allein entscheidungsrelevant sei vielmehr die Einschränkung der Gehfähigkeit. In diesem Zusammenhang verwies der Beklagte auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.02.1988 (9/9a RVs 19/86), nach der nicht die Schwierigkeiten bei der Benutzung des gewöhnlichen Parkraums, sondern die jeweilige Lage bestimmter Parkplätze zu bestimmten Zielen straßenverkehrsrechtlich maßgeblich sei. Der Kläger sei nach den anzulegenden Maßstäben nicht außergewöhnlich gehbehindert. Der Beklagte legte hierzu die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 16.06.2003, Dr. B. vom 22.01.2004 und Dr. Götz vom 18.08.2004 vor.
Das SG hörte zunächst den behandelnden Orthopäden Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser gab am 14.03.2003 an, er behandle den Kläger seit August 1999 wegen ausgeprägten periartikulären Schmerzen im Bereich der Kniegelenke beidseits bei aktiver Arthrosis deformans beidseits. Hinzugekommen seien politope Schmerzen mit Steifigkeitsgefühl im Bereich der Knie- und Hüftgelenke, wobei die Schmerzen progredient seien und die Belastbarkeit der Kniegelenke abnehme. Der Kläger sei dem Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten wegen der Funktionseinschränkung der Knie- und Hüftgelenke gleichzustellen.
Danach holte das SG von Dr. H., O., ein fachorthopädisches Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 05.09.2003 diagnostizierte der Sachverständige eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung beider Kniegelenke bei mäßigen Aufbraucherscheinungen beidseits ohne sichere Instabilität und ohne aktuellen Reizzustand (GdB 20) und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei mäßigem Verschleiß der untersten Bandscheibe und beginnendem Verschleiß einer darüber liegenden Bandscheibe ohne wesentlichen Muskelhartspann und ohne sichere Nervenwurzelschäden (GdB 10). Unter Berücksichtigung der übrigen Funktionsbeeinträchtigungen schätzte er den GdB insgesamt auf 40. Ferner führte er aus, er habe Zweifel, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G vorlägen. Keinesfalls aber liege eine außergewöhnliche Gehbehinderung vor. Der Kläger sei nicht ansatzweise in seinen funktionellen Einschränkungen mit einem beispielsweise querschnittsgelähmten oder doppelseitig amputierten Patienten vergleichbar. In seiner ergänzenden Äußerung vom 03.06.2004 gelangte Dr. H. zu der Beurteilung, Diskrepanzen zwischen der Einschätzung von Dr. Peters und ihm bestünden nicht. Sie gingen beide von einer mäßiggradigen Arthrose beider Kniegelenke, links mehr als rechts, aus und fänden keinerlei akute Entzündungszeichen oder Muskelabschwächungen als objektiven Hinweis auf eine hochgradige Arthrose. Sie seien beide völlig ratlos, wie es zu einer solchen Vielzahl von operativen Eingriffen an den Kniegelenken gekommen sein soll. Aufgrund der objektiven Befunde sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Unterarmgehstützen mobil sein solle und die Gehstrecke unter 500 m liege.
Am 05.02.2004 wurde dem Kläger im Klinikum der Stadt V.-S. im linken Knie eine Totalendoprothese (TEP) ohne Ersatz der Kniescheibe implantiert. Wegen anhaltender Schmerzhaftigkeit und wiederholt auftretender Schwellung und Überwärmung des linken Knies erfolgte am 04.11.2004 - ebenfalls in V.-S. - eine Revision der retropatellaren Gelenkfäche.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.11.2004 wies das SG die Klage ab. Im Wesentlichen gestützt auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. H. verneinte es einen Anspruch des Klägers auf den Nachteilsausgleich aG. Der nur pauschal mit "Funktionseinschränkung der Knie- und Hüftgelenke" begründeten Ansicht des behandelnden Orthopäden Dr. K., dass der Kläger außergewöhnlich gehbehindert sei, könne mangels jeder konkreten Auseinandersetzung mit den objektiven Anforderungen an die Gehfähigkeit nicht gefolgt werden. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass er aufgrund seiner Behinderung nach seinen Angaben mehr Platz zum Ein- und Aussteigen benötige. Dies würde eine Ausweitung des begünstigten Personenkreises bedeuten, wodurch in erster Linie der zu begünstigende Personenkreis wieder benachteiligt würde.
Dagegen hat der Kläger am 15.12.2004 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches aG seien entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung erfüllt. Dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr. H., das ein Gefälligkeitsgutachten sei, könne nicht gefolgt werden. Seine Gehbehinderung - mittlerweile habe er ein neues Kniegelenk links ebenso wie eine neue Kniescheibe - rechtfertige es, ihn mit dem Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten gleichzustellen. Auch im Bereich des rechten Kniegelenks sei ein Gelenkersatz geplant. Sein Orthopäde Dr. K. kenne und behandle ihn seit 1999 und habe seine Gehbehinderung zutreffend beurteilt. Dass er außergewöhnlich gehbehindert sei, habe jetzt auch der vom Senat mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragte Sachverständige Dr. K. bestätigt. Ferner verweist der Kläger darauf, dass er seit 01.10.2005 von der zuständigen Krankenkasse Pflegegeld der Pflegestufe I erhalte und auf dem linken Auge nur noch eine Sehkraft von 60% besitze. Hierzu legt er den Bewilligungsbescheid der Krankenkasse vom 14.12.2005 und den Behandlungsbericht der Universitäts-Augenklinik F. vom 05.09.2005 vor.
In der mündlichen Verhandlung am 21.07.2006 hat der Kläger seinen Klageantrag eingeschränkt und die Anerkennung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur für die Zeit ab der Implantation der TEP am 05.02.2004 geltend gemacht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 24. November 2004 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 3. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2002 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ab 5. Februar 2004 den Nachteilsausgleich aG festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und vertritt die Auffassung, die Anspruchsvoraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG seien nach wie vor nicht erfüllt. Auch eine Gleichstellung mit dem begünstigten Personenkreis sei nicht gerechtfertigt. Das vom Senat eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. K. ändere an dieser Beurteilung ebenfalls nichts. Der Beklagte legt die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. K. vom 25.11.2005 und Dr. W. vom 13.04.2006 vor.
Der Senat hat das im Rechtsstreit S 2 KN 2051/03 (Sozialgericht Freiburg) erstattete nervenärztliche Gutachten von Dr. E., S., vom 23.03.2004 zu den Akten genommen und Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 14.10.2005 seinen gegenüber dem SG im Rechtsstreit S 9 SO 1192/05 erstatteten Bericht vom 12.10.2005 sowie die Berichte des Klinikums der Stadt V.-S. vom 13.09.2004 und 12.11.2004 vorgelegt und angegeben, am 05.02.2004 sei beim Kläger eine einzementierte Knietotalendoprothese links eingesetzt worden. Der Verlauf sei durch anhaltende Beschwerden kompliziert gewesen. Deshalb sei am 04.11.2004 eine Revision der retropatellaren Gelenkfläche erfolgt. Dennoch bestünden anhaltende Restbeschwerden. Die Gehfähigkeit sei durch die Implantation der Knieendoprothese links nicht gebessert worden. Es bestehe eine ausgeprägte Belastungsinsuffizienz des linken Kniegelenks. Der Kläger sei daher auf die Verwendung zweier Unterarmgehstützen angewiesen. Der Krankheits- und Behandlungsverlauf sei durch protrahierte Belastungsinsuffizienz der Kniegelenke und protrahierte degenerative Wirbelsäulenbeschwerden gekennzeichnet.
Anschließend hat der Senat von dem Orthopäden Dr. K., K., ein fachärztliches Gutachten eingeholt. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 08.02.2006 hat dieser degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, einen Zustand nach multiplen Kniegelenksoperationen, jetzt Zustand nach Einsatz eines Kunstgelenkes im Bereich des linken Kniegelenkes diagnostiziert. Am linken oberen Sprunggelenk bestehe eine Instabilität und im rechten Hüftgelenks sowie im rechten Schultergelenks liege eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung vor. Dr. K. ist zu der Beurteilung gelangt, das linke Bein sei schmerzbedingt praktisch nicht belastbar. Die in dieser Richtung geklagten Beschwerden bestünden auch bei Ablenkung und seien, wenn auch nicht objektivierbar, so doch glaubhaft. Die Wirbelsäulenbeschwerden könnten in diesem Ausmaß nicht simuliert werden und seien ebenfalls glaubhaft. Zumindest zur Zeit bestehe im Bereich des linken Beines eine so starke Bewegungs- und Belastungsschmerzhaftigkeit, dass der Zustand als schlimmer zu bezeichnen sei, als ihn ein Oberschenkelamputierter zu erdulden habe, der ständig keine Prothese tragen könne. Dieser habe im Gegensatz zum Kläger im fehlenden Bein in der Regel keine Schmerzen. Dieser Zustand bestehe zumindest seit dem Einsatz des Kunstgelenkes im Bereich des linken Kniegelenkes im Februar 2004. Man müsse jetzt von einem chronifizierten Schmerzsyndrom sprechen. Eine Gleichsetzung des Klägers mit einem außergewöhnlich Gehbehinderten sei zumindest zur Zeit und bis zu einer definitiven Schmerzbefreiung im Bereich des linken Beines anzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Der Kläger hat für die Zeit ab 05.02.2004 Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleiches aG.
Nach § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) iVm §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 12 Nr. 4 des Gesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950), ist auf Antrag des behinderten Menschen der Nachteilsausgleich aG in den Schwerbehindertenausweis einzutragen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist. Ein solcher Vermerk ist Grundlage für die Inanspruchnahme von Parkerleichterungen, die von den Straßenverkehrsbehörden für bestimmte Ausnahmefälle vorgesehen sind.
Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwer behinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwer behinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwer behinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwer behinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, dem steht der Nachteilsausgleich auch dann zu, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweiserhebung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Kläger aufgrund seiner erheblichen Beschwerden in beiden Kniegelenken seit der Implantation einer TEP im linken Knie am 05.02.2004 bereits vom ersten Schritt an nur noch mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Dies folgt aus dem Gutachten des Orthopäden Dr. K., der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. K. vom 14.10.2005 und den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Unterlagen.
Nach Angaben von Dr. K. (Schreiben vom 14.10.2005) hat die am 05.02.2004 durchgeführte TEP zu keiner Besserung der Gehfähigkeit geführt. Vielmehr besteht spätestens ab diesem Zeitpunkt eine ausgeprägte Belastungsinsuffizienz am linken Knie. Der Kläger ist auf die Verwendung zweier Unterarmgehstützen angewiesen. Außerdem leidet der Kläger an erheblichen Schmerzen in beiden Kniegelenken, die eine Fortbewegung bereits vom ersten Schritt an nur unter einer großen Anstrengung ermöglicht. Dies hat der gerichtliche Sachverständige Dr. K. überzeugend dargelegt. Er hat darauf hingewiesen, dass das linke Bein schmerzbedingt praktisch nicht belastbar ist. Die vom Kläger angegebenen Schmerzen hat er als glaubhaft bezeichnet. Dem schließt sich der Senat an. Die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen deckt sich mit dem von ihm erhobenen Befund. Die gesamte linke Kniegelenkskapsel war diffus verdickt und die Kniescheibe hypermobil. Aus dem vom Kläger vorgelegten Arztbrief der Universitäts-Augenklinik Freiburg vom 05.09.2005 ergibt sich auch, dass der Kläger nach der Kniegelenksoperation einige Zeit regelmäßig das Schmerzmedikament Vioxx eingenommen hat und seitdem über ein sich rapide verschlechterndes Sehen auf dem linken Auge mit trübem Sehen klagt. Auch hat er vergeblich versucht, die Gelenkbeschwerden mit mehrmaligen "Kortison-Kuren" zu behandeln, allerdings ohne Erfolg. Die augenärztliche Untersuchung am 05.09.2005 ergab dann auch massive Glaskörperdestruktionen im linken Auge und Trübungen. Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung anwesend war, hat auch einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.
Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Schmerzen nicht objektivierbar, sondern allenfalls glaubhaft seien (so Dr. W. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.04.2006 zum Gutachten des Dr. K.). Da trotz aller technischen Fortschritte im Bereich der apparativen Untersuchungsmethoden bislang das Ausmaß von Schmerzen nicht quanitifizierbar und daher auch nicht nachweisbar ist, kann ein solcher Nachweis auch nicht verlangt werden. Entscheidend bleibt deshalb, ob die Schmerzen angesichts der vorhandenen Befunde und der Persönlichkeit des Betroffenen glaubhaft sind. Dies ist hier - wie dargelegt - der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen trägt der Beklagte drei Viertel.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) streitig.
Der am 1957 geborene Kläger leidet u.a. an Beschwerden in beiden Kniegelenken, die bereits zahlreiche Operationen erforderlich gemacht haben. Er hatte sich 1994 bei einem Verkehrsunfall eine so genannte DashBoard- (durch Aufprall am Armaturenbrett verursachte) Verletzung am linken Knie zugezogen. Bei den zahlreichen Operationen wurde u.a. auch an beiden Kniegelenken ein laterales Release (operative Versetzung bzw. Lockerung des Kniescheibenbandes) vorgenommen.
Mit Bescheid vom 12.03.1996 stellte das Versorgungsamt S beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden hierbei degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Kniegelenksverschleiß, Innenmeniskusteilentfernung, ein depressives Syndrom, psychosomatisches Leiden und ein Kopfschmerzsyndrom berücksichtigt. Der vom Kläger hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.10.1996). Den mit insgesamt elf Operationen an den beiden Knien begründeten Neufeststellungsantrag des Klägers vom März 1998, mit dem er einen höheren GdB und den Nachteilsausgleich aG geltend machte, lehnte das Versorgungsamt Soest nach Einholung eines Gutachtens mit Bescheid vom 15.05.1998 ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch - der Kläger war mittlerweile nach Singen umgezogen - hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.01.1999). Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG), das den Beklagten mit Gerichtsbescheid vom 25.07.2000 zur Feststellung eines GdB von 50 seit 15.10.1998 verurteilte. Hierbei wurden zusätzlich Herzrhythmusstörungen (mit einem GdB von 20) berücksichtigt. Im Oktober 2000 beantragte der Kläger erneut die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Nachteilsausgleiches G. Nach medizinischer Sachaufklärung, insbesondere der Beiziehung des im Rentenrechtsstreit L 9 RJ 4731/99 vom Landessozialgericht Baden-Württemberg eingeholten chirurgisch-orthopädischen Gutachtens von Prof. Dr. S., Chirurgische Universitätsklinik U., vom 31.07.2000, lehnte das Versorgungsamt Freiburg (VA) den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 19.06.2001 ab.
Am 08.07.2002 beantragte der Kläger beim VA die Feststellung des Nachteilausgleiches aG und legte hierzu das ärztliche Attest des Orthopäden Dr. K. vom 28.06.2002 vor. Darin heißt es, der Kläger sei auf die Benutzung zweier Unterarmgehstützen angewiesen. Er benötige einen gesonderten Parkplatz, der es ihm ermögliche, die Tür weit zu öffnen, um sicher auszusteigen. Nach Einholung eines Befundberichtes von Dr. K. und Vorlage der Bescheinigung dieses Arztes vom 29.08.2002, wonach der Kläger wegen Behinderungen im Bereich der unteren Gliedmaßen nicht in der Lage sei, eine Strecke von zwei km in der Zeit von 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen, stellte das VA mit Neufeststellungsbescheid vom 03.09.2002 ab 08.07.2002 einen GdB von 60 fest. Ferner wurde der Nachteilsausgleich G festgestellt. Die Feststellung des Nachteilsausgleiches aG lehnte das VA hingegen ab, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Dagegen legte der Kläger am 17.09.2002 Widerspruch ein und machte den Nachteilsausgleich aG geltend. Er sei wegen der bei ihm festgestellten Erkrankungen und der daraus folgenden Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, eine Parklücke zu suchen, da diese viel zu eng sei und ihm nicht die Möglichkeit gebe, ein- oder auszusteigen. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, wonach für den Nachteilsausgleich aG die Gehfähigkeit entscheidend sei und die Notwendigkeit eines breiten Parkplatzes zur Öffnung der Tür diesen Nachteilsausgleich nicht rechtfertige, wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2002 zurück.
Am 28.10.2002 erhob der Kläger Klage zum SG, mit der er unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens geltend machte, ihm stehe der Nachteilsausgleich aG zu. Die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste sowie die durchgeführten Begutachtungen belegten, dass er mit zwei Unterarmstützen gehe und deshalb einen gesonderten Parkplatz benötige. Er verwies auf zahlreiche Knieoperationen und mehrfache Bandscheibenschäden im Bereich der Lenden-, Brust- und Halswirbelsäule.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Notwendigkeit eines breiten Parkplatzes zur Öffnung der Tür rechtfertige den Nachteilsausgleich aG nicht. Allein entscheidungsrelevant sei vielmehr die Einschränkung der Gehfähigkeit. In diesem Zusammenhang verwies der Beklagte auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.02.1988 (9/9a RVs 19/86), nach der nicht die Schwierigkeiten bei der Benutzung des gewöhnlichen Parkraums, sondern die jeweilige Lage bestimmter Parkplätze zu bestimmten Zielen straßenverkehrsrechtlich maßgeblich sei. Der Kläger sei nach den anzulegenden Maßstäben nicht außergewöhnlich gehbehindert. Der Beklagte legte hierzu die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 16.06.2003, Dr. B. vom 22.01.2004 und Dr. Götz vom 18.08.2004 vor.
Das SG hörte zunächst den behandelnden Orthopäden Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser gab am 14.03.2003 an, er behandle den Kläger seit August 1999 wegen ausgeprägten periartikulären Schmerzen im Bereich der Kniegelenke beidseits bei aktiver Arthrosis deformans beidseits. Hinzugekommen seien politope Schmerzen mit Steifigkeitsgefühl im Bereich der Knie- und Hüftgelenke, wobei die Schmerzen progredient seien und die Belastbarkeit der Kniegelenke abnehme. Der Kläger sei dem Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten wegen der Funktionseinschränkung der Knie- und Hüftgelenke gleichzustellen.
Danach holte das SG von Dr. H., O., ein fachorthopädisches Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 05.09.2003 diagnostizierte der Sachverständige eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung beider Kniegelenke bei mäßigen Aufbraucherscheinungen beidseits ohne sichere Instabilität und ohne aktuellen Reizzustand (GdB 20) und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei mäßigem Verschleiß der untersten Bandscheibe und beginnendem Verschleiß einer darüber liegenden Bandscheibe ohne wesentlichen Muskelhartspann und ohne sichere Nervenwurzelschäden (GdB 10). Unter Berücksichtigung der übrigen Funktionsbeeinträchtigungen schätzte er den GdB insgesamt auf 40. Ferner führte er aus, er habe Zweifel, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G vorlägen. Keinesfalls aber liege eine außergewöhnliche Gehbehinderung vor. Der Kläger sei nicht ansatzweise in seinen funktionellen Einschränkungen mit einem beispielsweise querschnittsgelähmten oder doppelseitig amputierten Patienten vergleichbar. In seiner ergänzenden Äußerung vom 03.06.2004 gelangte Dr. H. zu der Beurteilung, Diskrepanzen zwischen der Einschätzung von Dr. Peters und ihm bestünden nicht. Sie gingen beide von einer mäßiggradigen Arthrose beider Kniegelenke, links mehr als rechts, aus und fänden keinerlei akute Entzündungszeichen oder Muskelabschwächungen als objektiven Hinweis auf eine hochgradige Arthrose. Sie seien beide völlig ratlos, wie es zu einer solchen Vielzahl von operativen Eingriffen an den Kniegelenken gekommen sein soll. Aufgrund der objektiven Befunde sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Unterarmgehstützen mobil sein solle und die Gehstrecke unter 500 m liege.
Am 05.02.2004 wurde dem Kläger im Klinikum der Stadt V.-S. im linken Knie eine Totalendoprothese (TEP) ohne Ersatz der Kniescheibe implantiert. Wegen anhaltender Schmerzhaftigkeit und wiederholt auftretender Schwellung und Überwärmung des linken Knies erfolgte am 04.11.2004 - ebenfalls in V.-S. - eine Revision der retropatellaren Gelenkfäche.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.11.2004 wies das SG die Klage ab. Im Wesentlichen gestützt auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. H. verneinte es einen Anspruch des Klägers auf den Nachteilsausgleich aG. Der nur pauschal mit "Funktionseinschränkung der Knie- und Hüftgelenke" begründeten Ansicht des behandelnden Orthopäden Dr. K., dass der Kläger außergewöhnlich gehbehindert sei, könne mangels jeder konkreten Auseinandersetzung mit den objektiven Anforderungen an die Gehfähigkeit nicht gefolgt werden. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass er aufgrund seiner Behinderung nach seinen Angaben mehr Platz zum Ein- und Aussteigen benötige. Dies würde eine Ausweitung des begünstigten Personenkreises bedeuten, wodurch in erster Linie der zu begünstigende Personenkreis wieder benachteiligt würde.
Dagegen hat der Kläger am 15.12.2004 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches aG seien entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung erfüllt. Dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr. H., das ein Gefälligkeitsgutachten sei, könne nicht gefolgt werden. Seine Gehbehinderung - mittlerweile habe er ein neues Kniegelenk links ebenso wie eine neue Kniescheibe - rechtfertige es, ihn mit dem Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten gleichzustellen. Auch im Bereich des rechten Kniegelenks sei ein Gelenkersatz geplant. Sein Orthopäde Dr. K. kenne und behandle ihn seit 1999 und habe seine Gehbehinderung zutreffend beurteilt. Dass er außergewöhnlich gehbehindert sei, habe jetzt auch der vom Senat mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragte Sachverständige Dr. K. bestätigt. Ferner verweist der Kläger darauf, dass er seit 01.10.2005 von der zuständigen Krankenkasse Pflegegeld der Pflegestufe I erhalte und auf dem linken Auge nur noch eine Sehkraft von 60% besitze. Hierzu legt er den Bewilligungsbescheid der Krankenkasse vom 14.12.2005 und den Behandlungsbericht der Universitäts-Augenklinik F. vom 05.09.2005 vor.
In der mündlichen Verhandlung am 21.07.2006 hat der Kläger seinen Klageantrag eingeschränkt und die Anerkennung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur für die Zeit ab der Implantation der TEP am 05.02.2004 geltend gemacht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 24. November 2004 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 3. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2002 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ab 5. Februar 2004 den Nachteilsausgleich aG festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und vertritt die Auffassung, die Anspruchsvoraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG seien nach wie vor nicht erfüllt. Auch eine Gleichstellung mit dem begünstigten Personenkreis sei nicht gerechtfertigt. Das vom Senat eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. K. ändere an dieser Beurteilung ebenfalls nichts. Der Beklagte legt die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. K. vom 25.11.2005 und Dr. W. vom 13.04.2006 vor.
Der Senat hat das im Rechtsstreit S 2 KN 2051/03 (Sozialgericht Freiburg) erstattete nervenärztliche Gutachten von Dr. E., S., vom 23.03.2004 zu den Akten genommen und Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 14.10.2005 seinen gegenüber dem SG im Rechtsstreit S 9 SO 1192/05 erstatteten Bericht vom 12.10.2005 sowie die Berichte des Klinikums der Stadt V.-S. vom 13.09.2004 und 12.11.2004 vorgelegt und angegeben, am 05.02.2004 sei beim Kläger eine einzementierte Knietotalendoprothese links eingesetzt worden. Der Verlauf sei durch anhaltende Beschwerden kompliziert gewesen. Deshalb sei am 04.11.2004 eine Revision der retropatellaren Gelenkfläche erfolgt. Dennoch bestünden anhaltende Restbeschwerden. Die Gehfähigkeit sei durch die Implantation der Knieendoprothese links nicht gebessert worden. Es bestehe eine ausgeprägte Belastungsinsuffizienz des linken Kniegelenks. Der Kläger sei daher auf die Verwendung zweier Unterarmgehstützen angewiesen. Der Krankheits- und Behandlungsverlauf sei durch protrahierte Belastungsinsuffizienz der Kniegelenke und protrahierte degenerative Wirbelsäulenbeschwerden gekennzeichnet.
Anschließend hat der Senat von dem Orthopäden Dr. K., K., ein fachärztliches Gutachten eingeholt. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 08.02.2006 hat dieser degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, einen Zustand nach multiplen Kniegelenksoperationen, jetzt Zustand nach Einsatz eines Kunstgelenkes im Bereich des linken Kniegelenkes diagnostiziert. Am linken oberen Sprunggelenk bestehe eine Instabilität und im rechten Hüftgelenks sowie im rechten Schultergelenks liege eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung vor. Dr. K. ist zu der Beurteilung gelangt, das linke Bein sei schmerzbedingt praktisch nicht belastbar. Die in dieser Richtung geklagten Beschwerden bestünden auch bei Ablenkung und seien, wenn auch nicht objektivierbar, so doch glaubhaft. Die Wirbelsäulenbeschwerden könnten in diesem Ausmaß nicht simuliert werden und seien ebenfalls glaubhaft. Zumindest zur Zeit bestehe im Bereich des linken Beines eine so starke Bewegungs- und Belastungsschmerzhaftigkeit, dass der Zustand als schlimmer zu bezeichnen sei, als ihn ein Oberschenkelamputierter zu erdulden habe, der ständig keine Prothese tragen könne. Dieser habe im Gegensatz zum Kläger im fehlenden Bein in der Regel keine Schmerzen. Dieser Zustand bestehe zumindest seit dem Einsatz des Kunstgelenkes im Bereich des linken Kniegelenkes im Februar 2004. Man müsse jetzt von einem chronifizierten Schmerzsyndrom sprechen. Eine Gleichsetzung des Klägers mit einem außergewöhnlich Gehbehinderten sei zumindest zur Zeit und bis zu einer definitiven Schmerzbefreiung im Bereich des linken Beines anzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Der Kläger hat für die Zeit ab 05.02.2004 Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleiches aG.
Nach § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) iVm §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 12 Nr. 4 des Gesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950), ist auf Antrag des behinderten Menschen der Nachteilsausgleich aG in den Schwerbehindertenausweis einzutragen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist. Ein solcher Vermerk ist Grundlage für die Inanspruchnahme von Parkerleichterungen, die von den Straßenverkehrsbehörden für bestimmte Ausnahmefälle vorgesehen sind.
Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwer behinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwer behinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwer behinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwer behinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, dem steht der Nachteilsausgleich auch dann zu, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweiserhebung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Kläger aufgrund seiner erheblichen Beschwerden in beiden Kniegelenken seit der Implantation einer TEP im linken Knie am 05.02.2004 bereits vom ersten Schritt an nur noch mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Dies folgt aus dem Gutachten des Orthopäden Dr. K., der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. K. vom 14.10.2005 und den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Unterlagen.
Nach Angaben von Dr. K. (Schreiben vom 14.10.2005) hat die am 05.02.2004 durchgeführte TEP zu keiner Besserung der Gehfähigkeit geführt. Vielmehr besteht spätestens ab diesem Zeitpunkt eine ausgeprägte Belastungsinsuffizienz am linken Knie. Der Kläger ist auf die Verwendung zweier Unterarmgehstützen angewiesen. Außerdem leidet der Kläger an erheblichen Schmerzen in beiden Kniegelenken, die eine Fortbewegung bereits vom ersten Schritt an nur unter einer großen Anstrengung ermöglicht. Dies hat der gerichtliche Sachverständige Dr. K. überzeugend dargelegt. Er hat darauf hingewiesen, dass das linke Bein schmerzbedingt praktisch nicht belastbar ist. Die vom Kläger angegebenen Schmerzen hat er als glaubhaft bezeichnet. Dem schließt sich der Senat an. Die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen deckt sich mit dem von ihm erhobenen Befund. Die gesamte linke Kniegelenkskapsel war diffus verdickt und die Kniescheibe hypermobil. Aus dem vom Kläger vorgelegten Arztbrief der Universitäts-Augenklinik Freiburg vom 05.09.2005 ergibt sich auch, dass der Kläger nach der Kniegelenksoperation einige Zeit regelmäßig das Schmerzmedikament Vioxx eingenommen hat und seitdem über ein sich rapide verschlechterndes Sehen auf dem linken Auge mit trübem Sehen klagt. Auch hat er vergeblich versucht, die Gelenkbeschwerden mit mehrmaligen "Kortison-Kuren" zu behandeln, allerdings ohne Erfolg. Die augenärztliche Untersuchung am 05.09.2005 ergab dann auch massive Glaskörperdestruktionen im linken Auge und Trübungen. Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung anwesend war, hat auch einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.
Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Schmerzen nicht objektivierbar, sondern allenfalls glaubhaft seien (so Dr. W. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.04.2006 zum Gutachten des Dr. K.). Da trotz aller technischen Fortschritte im Bereich der apparativen Untersuchungsmethoden bislang das Ausmaß von Schmerzen nicht quanitifizierbar und daher auch nicht nachweisbar ist, kann ein solcher Nachweis auch nicht verlangt werden. Entscheidend bleibt deshalb, ob die Schmerzen angesichts der vorhandenen Befunde und der Persönlichkeit des Betroffenen glaubhaft sind. Dies ist hier - wie dargelegt - der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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