Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1530/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 211/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein auf einer nachträglich zu gewährenden höheren Unfallrente beruhender monatlicher Nachzahlungsbetrag (z.B. für Oktober) ist - für die Frage der Verzinsung - nicht durch die tatsächlich schon am Monatsletzten des Vormonats (im Bsp.: Ende Oktober) zur Zahlung angewiesene (niedrigere) Unfallrente für den Folgemonat (im Bsp.: November) im Sinne eines Vorschusses gezahlt. Eine gegenteilige Praxis der Unfallversicherungsträger führt dazu, dass - obwohl eine zu niedrige Rente gezahlt wurde - zu Beginn des Nachzahlungs- und damit Verzinsungszeitraums ein Negativsaldo entsteht, aus einer Nachzahlung für mehrere Monate also eine Überzahlung errechnet wird.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14. Dezember 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Nachzahlungsbetrag 272,98 EUR beträgt.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verzinsung rückwirkend gewährter Rentenleistungen.
Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 13. September 1999 und Widerspruchsbescheid vom 15. März 2000 dem am 30. Dezember 1944 geborenen Kläger wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 18. September 1996 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. ab 1. Oktober 1999 an Stelle der seit 29. April 1997 gewährten Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 80 v. H. Der Kläger erhob hiergegen Klage und gegen das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. September 2003 Berufung zum Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 2 U 286/04). Im Berufungsverfahren einigten sich die Beteiligten am 15. September 2004 vergleichsweise dahingehend, dem Kläger eine Verletztenrente ab 1. Oktober 1999 nach einer MdE um 50 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte führte den Vergleich mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. Oktober 2004 aus. Sie errechnete einen monatlichen Rentenanspruch von 1.704,31 EUR (MdE 50 v. H.) statt gezahlter 1.363,45 EUR (MdE 40 v. H.) ab 1. Oktober 1999, von 1.741,12 EUR statt gezahlter 1.392,90 EUR ab 1. Juli 2002 und von 1.759,23 EUR statt gezahlter 1.407,38 EUR ab 1. Juli 2003 und einen Nachzahlungsbetrag von 21.760,32 EUR, den sie zunächst einbehielt.
Mit weiterem Bescheid vom 17. November 2004 bezifferte die Beklagte den - bei Berücksichtigung eines Erstattungsanspruchs der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) von insgesamt 1.108,13 EUR (Überzahlungen der dem Kläger ab 1. Oktober 2002 gewährten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, ab 1. Februar 2002 monatlich 32,09 EUR, ab 1. Juli 2002 monatlich 32,34 EUR, ab 1. Juli 2003 monatlich 33,04 EUR und ab 1. April 2004 monatlich 32,78 EUR) - noch ausstehenden Betrag auf 20.652,19 EUR (insoweit bestandskräftig) und errechnete Zinsen in Höhe von insgesamt 1.759,84 EUR. Hierbei ging sie jeweils so vor, dass von der zum Verzinsungsbeginn (nach Ablauf des Kalendermonats nach Eintritt der Fälligkeit der monatlichen Rentenzahlung) ausstehenden Schuld die zu diesem Zeitpunkt bereits ("im Voraus") erfolgte Rentenzahlung für den nächsten Kalendermonat abgezogen wurde. Dem für Oktober 1999 sich ergebenden Nachzahlungsbetrag von 340,86 EUR (Verzinsung ab 1. November 1999) wurde so beispielsweise die Ende Oktober 1999 zur Zahlung angewiesene Rente für November 1999 als "Vorschuss" gegenübergestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung auf AS 804/806, 811 der Verwaltungsakten Bezug genommen. Den gegen die Zinsberechnung erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005, am Folgetag zur Post aufgegebenen, zurück. Die Zahlung für den nächsten Kalendermonat sei "wie ein Vorschuss" zu behandeln.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 30. Mai 2005 Klage bei dem Sozialgericht Mannheim erhobenen Klage weiterverfolgt. Im Urteil vom 14. Dezember 2005 hat sich das Sozialgericht der Argumentation des Klägers angeschlossen. Es hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005 verurteilt, "dem Kläger auf Grund des von dem Landessozialgericht Baden-Württemberg geschlossenen Vergleichs Zinsen in Höhe von insgesamt 2.032,82 EUR (Nachzahlungsbetrag 273,59 EUR) zu zahlen" und die Berufung zugelassen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 3. Januar 2006 zugestellte Urteil am 16. Januar 2006 Berufung eingelegt. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass ihre Zinsberechnung Anweisungen des Bundesversicherungsamtes (BVA) folge.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14. Dezember 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts, des Verfahrens L 2 U 286/04 vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (Akte beigezogenen) und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist im Wesentlichen unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn die von der Beklagten errechneten Zinsen sind in dem im Urteil des Sozialgerichts ausgewiesenen Umfang zu niedrig.
Nach § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v. H. zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt nach § 44 Abs. 2 SGB I frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung; dies ist hier unproblematisch, nachdem dem Kläger bereits seit April 1997 eine Verletztenrente gewährt wurde. Nach § 44 Abs. 3 SGB I werden nur volle Euro-Beträge verzinst und ist der Kalendermonat mit 30 Tagen zu Grunde zu legen.
Nach § 218c Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), der insoweit § 41 SGB I vorgeht, werden laufende Geldleistungen (mit Ausnahme des Verletzten- und Übergangsgeldes vor dem 1. April 2004) - hier also die (erhöhte) Verletztenrente des Klägers - zu Beginn des Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
Auf Grund des Vergleichs vom 15. September 2004 hat der Kläger am 1. Oktober 1999 einen fälligen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 50 v. H., also auf 1.704,31 EUR. Hiervon ist die erfolgte Rentenzahlung für Oktober 1999 über eine Rente nach einer MdE um 40 v. H., also 1.363,45 EUR, abzuziehen. Von der Differenz in Höhe von 340,86 EUR ist ab 1. November 1999 ein Betrag von 340 EUR (voller Euro-Betrag) mit einem Jahreszins von 4 v. H. zu verzinsen. Damit ergibt sich eine Zinsforderung von 1,13 EUR. Entsprechend ist für die folgenden Monate vorzugehen, wobei sich der ausstehende und zu verzinsende Gesamtanspruch monatlich erhöht. Ab Februar 2002 ist die Erstattungsforderung der BfA in Höhe von monatlich 32,09 EUR, ab 1. Juli 2002 in Höhe von monatlich 32,34 EUR, ab 1. Juli 2003 in Höhe von monatlich 33,04 EUR und ab 1. April 2004 in Höhe von monatlich 32,78 EUR zu berücksichtigen und, weil insoweit die Forderung gegen die Beklagte als erfüllt gilt (§ 107 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch), von der Restschuld der Beklagten abzuziehen. Damit ergibt sich ein Gesamtzinsanspruch für die Zeit bis 31. Dezember 2004 von 2.032,82 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Kläger vorgelegte Berechnung (AS 23/23R der Akten des Sozialgerichts) Bezug genommen, die auch der Senat seiner Entscheidung zu Grunde gelegt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die am letzten Bankarbeitstag des Monats für den Folgemonat gezahlten Rentenbeiträge nicht "wie ein Vorschuss" von der Gesamtschuld abzuziehen.
Die Rente wird nach § 218c Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VII am letzten Bankarbeitstag des Monats ausgezahlt, der dem Monat der Fälligkeit vorausgeht. Hierbei ist nach § 218c Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII die Gutschrift, auch wenn sie nachträglich erfolgt, so vorzunehmen, dass die Wertstellung des eingehenden Überweisungsbetrages auf dem Empfängerkonto unter dem Datum des Tages erfolgt, an dem der Betrag dem Geldinstitut zur Verfügung gestellt worden ist; für die rechtzeitige Auszahlung genügt es, wenn nach dem gewöhnlichen Verlauf die Wertstellung des Betrages der laufenden Geldleistung unter dem Datum des letzten Bankarbeitstages erfolgen kann.
Am letzten Bankarbeitstag bestanden zwei Ansprüche, zu deren Erfüllung die Zahlung dienen konnte, nämlich einmal die teilweise (Differenz MdE 40 v. H. zu 50 v. H.) noch ausstehende Rentenzahlung im laufenden Kalendermonat und zum anderen die Rentenzahlung für den folgenden Kalendermonat. Mit der Rentenzahlung am letzten Bankarbeitstag wurde jedoch allein die Rente für den folgenden Kalendermonat bezahlt. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 366 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach wird im Fall, dass der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das von ihm geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schultern ausreicht, diejenige Schuld getätigt, welche er (der Schuldner) bei der Leistungen bestimmt (Absatz 1). Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getätigt (Absatz 2). § 366 BGB kann auch im Sozialversicherungsrecht entsprechend angewandt werden (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 22. Februar 1996, 12 RK 42/94, SozR 3-2400 § 28n Nr. 1). Die Bestimmung der Leistung kann auch stillschweigend erfolgen (BSG, Urteil vom 4. November 1999, B 7 AL 72/98 R, SozR 3-4100 § 117 Nr. 19).
Eine solche stillschweigende Leistungsbestimmung ist für die Rentenzahlungen der Beklagten anzunehmen. Diese bezog sich auf den Anspruch für den folgenden Kalendermonat. Denn zum Zeitpunkt der Zahlungen ging die Beklagte noch davon aus, dass ein Rentenanspruch lediglich nach einer MdE um 40 v. H. bestand. Diesen Rentenanspruch wollte sie erfüllen. Eine Anrechnung der Zahlungen auf den ausstehenden Differenzbetrag für eine Rente nach einer MdE um 50 v. H. scheidet damit aus. § 366 Abs. 2 BGB kommt nicht zur Anwendung.
Der Senat kann offen lassen, ob von einer anderen Betrachtung auszugehen ist, wenn die Beklagte jeweils Vorschüsse im Sinne des § 42 SGB I auf zukünftige Rentenansprüche gewährt hätte. Bei den nach § 218c Abs. 1 Satz 1 SGB VII erfolgten Zahlungen handelt es sich jedoch nicht um solche Vorschüsse, wovon auch die Beklagte nicht ausgeht. Auf den von ihr vorgelegten Tätigkeitsbericht des BVA kann sich die Beklagte nicht berufen. Denn dort wird erkennbar auf Fälle echter Vorschusszahlung abgestellt. Im Übrigen würde eine Rechtsauffassung des BVA, wie sie die Beklagte behauptet, an der Rechtslage nichts ändern.
Die Berechnungsweise der Beklagten führt dazu (s. Bl. 804), dass - obwohl ab Oktober 1999 eine zu niedrige Rente gezahlt wurde - zu Beginn des Nachzahlungs- und damit Verzinsungszeitraumes ein Negativsaldo entstand, der erst Anfang März 2000 abgebaut war und somit erstmals für März 2000 tatsächlich Zinsen errechnet werden. Im Ergebnis errechnet die Beklagte damit aus einer Nachzahlung für die Frage der Verzinsung eine Überzahlung. Dieser evidente Fehler setzt sich dann in den Folgemonaten fort.
Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid einen Zinsanspruch in Höhe von 1.759,84 EUR errechnet. Die Differenz zu dem bestehenden Anspruch in Höhe von 2.032,82 EUR, damit die noch ausstehende Zinsnachzahlung, beträgt nicht, wie vom Sozialgericht errechnet, 273,59 EUR, sondern 272,98 EUR. Die Berufung der Beklagten ist daher mit der Maßgabe der Korrektur dieses Rechenfehlers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG erfüllt sind.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verzinsung rückwirkend gewährter Rentenleistungen.
Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 13. September 1999 und Widerspruchsbescheid vom 15. März 2000 dem am 30. Dezember 1944 geborenen Kläger wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 18. September 1996 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. ab 1. Oktober 1999 an Stelle der seit 29. April 1997 gewährten Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 80 v. H. Der Kläger erhob hiergegen Klage und gegen das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. September 2003 Berufung zum Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 2 U 286/04). Im Berufungsverfahren einigten sich die Beteiligten am 15. September 2004 vergleichsweise dahingehend, dem Kläger eine Verletztenrente ab 1. Oktober 1999 nach einer MdE um 50 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte führte den Vergleich mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. Oktober 2004 aus. Sie errechnete einen monatlichen Rentenanspruch von 1.704,31 EUR (MdE 50 v. H.) statt gezahlter 1.363,45 EUR (MdE 40 v. H.) ab 1. Oktober 1999, von 1.741,12 EUR statt gezahlter 1.392,90 EUR ab 1. Juli 2002 und von 1.759,23 EUR statt gezahlter 1.407,38 EUR ab 1. Juli 2003 und einen Nachzahlungsbetrag von 21.760,32 EUR, den sie zunächst einbehielt.
Mit weiterem Bescheid vom 17. November 2004 bezifferte die Beklagte den - bei Berücksichtigung eines Erstattungsanspruchs der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) von insgesamt 1.108,13 EUR (Überzahlungen der dem Kläger ab 1. Oktober 2002 gewährten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, ab 1. Februar 2002 monatlich 32,09 EUR, ab 1. Juli 2002 monatlich 32,34 EUR, ab 1. Juli 2003 monatlich 33,04 EUR und ab 1. April 2004 monatlich 32,78 EUR) - noch ausstehenden Betrag auf 20.652,19 EUR (insoweit bestandskräftig) und errechnete Zinsen in Höhe von insgesamt 1.759,84 EUR. Hierbei ging sie jeweils so vor, dass von der zum Verzinsungsbeginn (nach Ablauf des Kalendermonats nach Eintritt der Fälligkeit der monatlichen Rentenzahlung) ausstehenden Schuld die zu diesem Zeitpunkt bereits ("im Voraus") erfolgte Rentenzahlung für den nächsten Kalendermonat abgezogen wurde. Dem für Oktober 1999 sich ergebenden Nachzahlungsbetrag von 340,86 EUR (Verzinsung ab 1. November 1999) wurde so beispielsweise die Ende Oktober 1999 zur Zahlung angewiesene Rente für November 1999 als "Vorschuss" gegenübergestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung auf AS 804/806, 811 der Verwaltungsakten Bezug genommen. Den gegen die Zinsberechnung erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005, am Folgetag zur Post aufgegebenen, zurück. Die Zahlung für den nächsten Kalendermonat sei "wie ein Vorschuss" zu behandeln.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 30. Mai 2005 Klage bei dem Sozialgericht Mannheim erhobenen Klage weiterverfolgt. Im Urteil vom 14. Dezember 2005 hat sich das Sozialgericht der Argumentation des Klägers angeschlossen. Es hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005 verurteilt, "dem Kläger auf Grund des von dem Landessozialgericht Baden-Württemberg geschlossenen Vergleichs Zinsen in Höhe von insgesamt 2.032,82 EUR (Nachzahlungsbetrag 273,59 EUR) zu zahlen" und die Berufung zugelassen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 3. Januar 2006 zugestellte Urteil am 16. Januar 2006 Berufung eingelegt. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass ihre Zinsberechnung Anweisungen des Bundesversicherungsamtes (BVA) folge.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14. Dezember 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts, des Verfahrens L 2 U 286/04 vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (Akte beigezogenen) und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist im Wesentlichen unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn die von der Beklagten errechneten Zinsen sind in dem im Urteil des Sozialgerichts ausgewiesenen Umfang zu niedrig.
Nach § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v. H. zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt nach § 44 Abs. 2 SGB I frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung; dies ist hier unproblematisch, nachdem dem Kläger bereits seit April 1997 eine Verletztenrente gewährt wurde. Nach § 44 Abs. 3 SGB I werden nur volle Euro-Beträge verzinst und ist der Kalendermonat mit 30 Tagen zu Grunde zu legen.
Nach § 218c Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), der insoweit § 41 SGB I vorgeht, werden laufende Geldleistungen (mit Ausnahme des Verletzten- und Übergangsgeldes vor dem 1. April 2004) - hier also die (erhöhte) Verletztenrente des Klägers - zu Beginn des Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
Auf Grund des Vergleichs vom 15. September 2004 hat der Kläger am 1. Oktober 1999 einen fälligen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 50 v. H., also auf 1.704,31 EUR. Hiervon ist die erfolgte Rentenzahlung für Oktober 1999 über eine Rente nach einer MdE um 40 v. H., also 1.363,45 EUR, abzuziehen. Von der Differenz in Höhe von 340,86 EUR ist ab 1. November 1999 ein Betrag von 340 EUR (voller Euro-Betrag) mit einem Jahreszins von 4 v. H. zu verzinsen. Damit ergibt sich eine Zinsforderung von 1,13 EUR. Entsprechend ist für die folgenden Monate vorzugehen, wobei sich der ausstehende und zu verzinsende Gesamtanspruch monatlich erhöht. Ab Februar 2002 ist die Erstattungsforderung der BfA in Höhe von monatlich 32,09 EUR, ab 1. Juli 2002 in Höhe von monatlich 32,34 EUR, ab 1. Juli 2003 in Höhe von monatlich 33,04 EUR und ab 1. April 2004 in Höhe von monatlich 32,78 EUR zu berücksichtigen und, weil insoweit die Forderung gegen die Beklagte als erfüllt gilt (§ 107 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch), von der Restschuld der Beklagten abzuziehen. Damit ergibt sich ein Gesamtzinsanspruch für die Zeit bis 31. Dezember 2004 von 2.032,82 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Kläger vorgelegte Berechnung (AS 23/23R der Akten des Sozialgerichts) Bezug genommen, die auch der Senat seiner Entscheidung zu Grunde gelegt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die am letzten Bankarbeitstag des Monats für den Folgemonat gezahlten Rentenbeiträge nicht "wie ein Vorschuss" von der Gesamtschuld abzuziehen.
Die Rente wird nach § 218c Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VII am letzten Bankarbeitstag des Monats ausgezahlt, der dem Monat der Fälligkeit vorausgeht. Hierbei ist nach § 218c Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII die Gutschrift, auch wenn sie nachträglich erfolgt, so vorzunehmen, dass die Wertstellung des eingehenden Überweisungsbetrages auf dem Empfängerkonto unter dem Datum des Tages erfolgt, an dem der Betrag dem Geldinstitut zur Verfügung gestellt worden ist; für die rechtzeitige Auszahlung genügt es, wenn nach dem gewöhnlichen Verlauf die Wertstellung des Betrages der laufenden Geldleistung unter dem Datum des letzten Bankarbeitstages erfolgen kann.
Am letzten Bankarbeitstag bestanden zwei Ansprüche, zu deren Erfüllung die Zahlung dienen konnte, nämlich einmal die teilweise (Differenz MdE 40 v. H. zu 50 v. H.) noch ausstehende Rentenzahlung im laufenden Kalendermonat und zum anderen die Rentenzahlung für den folgenden Kalendermonat. Mit der Rentenzahlung am letzten Bankarbeitstag wurde jedoch allein die Rente für den folgenden Kalendermonat bezahlt. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 366 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach wird im Fall, dass der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das von ihm geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schultern ausreicht, diejenige Schuld getätigt, welche er (der Schuldner) bei der Leistungen bestimmt (Absatz 1). Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getätigt (Absatz 2). § 366 BGB kann auch im Sozialversicherungsrecht entsprechend angewandt werden (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 22. Februar 1996, 12 RK 42/94, SozR 3-2400 § 28n Nr. 1). Die Bestimmung der Leistung kann auch stillschweigend erfolgen (BSG, Urteil vom 4. November 1999, B 7 AL 72/98 R, SozR 3-4100 § 117 Nr. 19).
Eine solche stillschweigende Leistungsbestimmung ist für die Rentenzahlungen der Beklagten anzunehmen. Diese bezog sich auf den Anspruch für den folgenden Kalendermonat. Denn zum Zeitpunkt der Zahlungen ging die Beklagte noch davon aus, dass ein Rentenanspruch lediglich nach einer MdE um 40 v. H. bestand. Diesen Rentenanspruch wollte sie erfüllen. Eine Anrechnung der Zahlungen auf den ausstehenden Differenzbetrag für eine Rente nach einer MdE um 50 v. H. scheidet damit aus. § 366 Abs. 2 BGB kommt nicht zur Anwendung.
Der Senat kann offen lassen, ob von einer anderen Betrachtung auszugehen ist, wenn die Beklagte jeweils Vorschüsse im Sinne des § 42 SGB I auf zukünftige Rentenansprüche gewährt hätte. Bei den nach § 218c Abs. 1 Satz 1 SGB VII erfolgten Zahlungen handelt es sich jedoch nicht um solche Vorschüsse, wovon auch die Beklagte nicht ausgeht. Auf den von ihr vorgelegten Tätigkeitsbericht des BVA kann sich die Beklagte nicht berufen. Denn dort wird erkennbar auf Fälle echter Vorschusszahlung abgestellt. Im Übrigen würde eine Rechtsauffassung des BVA, wie sie die Beklagte behauptet, an der Rechtslage nichts ändern.
Die Berechnungsweise der Beklagten führt dazu (s. Bl. 804), dass - obwohl ab Oktober 1999 eine zu niedrige Rente gezahlt wurde - zu Beginn des Nachzahlungs- und damit Verzinsungszeitraumes ein Negativsaldo entstand, der erst Anfang März 2000 abgebaut war und somit erstmals für März 2000 tatsächlich Zinsen errechnet werden. Im Ergebnis errechnet die Beklagte damit aus einer Nachzahlung für die Frage der Verzinsung eine Überzahlung. Dieser evidente Fehler setzt sich dann in den Folgemonaten fort.
Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid einen Zinsanspruch in Höhe von 1.759,84 EUR errechnet. Die Differenz zu dem bestehenden Anspruch in Höhe von 2.032,82 EUR, damit die noch ausstehende Zinsnachzahlung, beträgt nicht, wie vom Sozialgericht errechnet, 273,59 EUR, sondern 272,98 EUR. Die Berufung der Beklagten ist daher mit der Maßgabe der Korrektur dieses Rechenfehlers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG erfüllt sind.
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