Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 403/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine kinderärztliche Zweigpraxis in einer Ortschaft ohne Kinderarzt mit über 15.000 Einwohnern und einem weiteren Hinterland bedeutet eine Versorgungsverbesserung i.S.d. § 24 Abs. 1 Ärzte-ZV, auch wenn in Entfernungen von 4, 8 und 11 km kinderärztliche Praxen vorhanden sind.
1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 27.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2007 wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin über ihren Antrag auf Genehmigung einer kinderärztlichen Zweigpraxis in B-Stadt neu zu bescheiden.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenkosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Zweigpraxis in B-Stadt, Planungsbereich Landkreis BB ...
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Sie besteht aus einer Fachärztin und einem Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin.
Die Klägerin beantragte am 05.03.2007 die Genehmigung einer Zweigpraxis in B-Stadt. Sie wies darauf hin, die Stadt B-Stadt möchte nach dem Weggang der kinderärztlichen Gemeinschaftspraxis des Dr. D/Dr. E vor drei Jahren dringend eine pädiatrische Versorgung im Ort anbieten. In B-Stadt selbst gäbe es zurzeit 350 Kindergartenkinder, hochgerechnet bis zum 16. Lebensjahr als etwa 1.500 Kinder und Jugendliche die am Ort nicht fachärztlich pädiatrisch versorgt werden könnten. Es bestehe zweifellos einen Versorgungsengpass. Sie beabsichtige an vier Wochentagen jeweils drei Stunden kinderärztliche Sprechstunden anzubieten (montags und donnerstags 09.00 – 12.00 Uhr, dienstags und freitags 15.00 – 18.00 Uhr), also insgesamt 12 Stunden pro Woche. Es werde eine kontinuierliche Präsenz angeboten, ohne dass die Patientenversorgung in der Hauptpraxis darunter leide. Sie behandle pro Quartal etwa 1.250 – 1.350 Kassenpatienten. Gemessen an der durchschnittlichen Fallzahl ihrer Vergleichsgruppe seien dies nur ca. 65 %. Es bestehe noch freies ärztliches Potential. Die Erreichbarkeit am Vertragsarztsitz sei gewährleistet, da die Entfernung zur Zweigpraxis, ca. 9 km, problemlos in weniger als 30 Minuten zurückgelegt werden könne.
Eine aus drei Fachärzten für innere Medizin, darunter einer mit dem Schwerpunkt Kardiologie, und einem Facharzt für Allgemeinmedizin bestehende Gemeinschaftspraxis in B-Stadt teilte unter Datum vom 08.03.2007 der Beklagten mit, sie sei an einer Niederlassung der Kinderarztpraxis der Klägerin sehr interessiert. Nach dem Weggang der kinderärztlichen Praxis in ihrem Haus müsse sie zum Teil notgedrungen diese kinderärztliche Versorgung mit übernehmen. Ein erneut tätiger Kinderarzt wäre für sie eine erhebliche Erleichterung für ihre tägliche Arbeit. Der Bürgermeister der Stadt B-Stadt befürwortete in seiner Stellungnahme vom 16.03.2007 eine Zweigniederlassung unter Hinweis die Versorgungssituation und Gesichtspunkte der Stadtentwicklung.
Die Beklagte nahm eine Umfrage bei den Kinderärzten im Planungsbereich Landkreis BB. unter Angabe der Antragsbegründung und der Ausführungen in den beiden genannten Stellungnahmen vor.
Die Beklagte lehnte dann mit Bescheid vom 27.04.2007 den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, im Planungsbereich Landkreis BB. bestehe eine Überversorgung in der Fachgruppe der Kinderärzte. Derzeit seien insgesamt 17 Kinderärzte im Planungsbereich niedergelassen. Die Entfernung von der Hauptpraxis in der A-Straße in A-Stadt bis zur geplanten Zweigpraxis in B-Stadt betrage 11 Kilometer bei einer Fahrzeit von 13 Minuten. Eine durchgeführte Umfrage bei den niedergelassen Vertragsärzten habe ergeben, dass die Praxen vor Ort sowie in näherer Umgebung die vertragsärztliche Versorgung sicherstellten. Es bestehe kein zusätzlicher Bedarf an einer Zweigpraxis aus Sicherstellungsgründen. Zudem hätten die Kollegen z. B. erläutert, dass es den Patienten aus B-Stadt durchaus zumutbar sei, den Weg in die Ortschaften RR. oder SS. zu bewältigen. Die Kinderarztpraxis wäre per Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Hinter der Unterstützung durch den Bürgermeister B-Stadts ständen möglicherweise lokalpolitische Hintergründe. Zudem werde befürchtet, dass Wettbewerbsvorteile gegenüber den anderen Praxen entstünden und folglich ein unzulässiger Verdrängungswettbewerb in Gang gesetzt werden könnte. Zudem hätten die umliegenden Kinderarztpraxen noch Kapazitäten frei, um zusätzliche Patienten aus B-Stadt versorgen zu können.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.05.2007 Widerspruch ein. Die numerische Überversorgung im Planungsbereich bedeute nach ihrer Auffassung nicht, dass für die Stadt B-Stadt kein Versorgungsengpass bestehe, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass bis vor 3 Jahren eben dort eine kinderärztliche Gemeinschaftspraxis sogar noch eine Entlastungsassistentin haben anstellen müssen, um den Patientenandrang zu bewältigen. Eine Umfrage bei den niedergelassen Fachkollegen dürfe keinerlei wertenden Einfluss auf eine Entscheidung haben. Gesetzlich vorgesehen sei lediglich eine Information der Fachkollegen in umliegenden Orten. So sei ihr dass wiederholt von der Beklagten mitgeteilt worden. Die Anfahrtswege bei der gegenwärtigen Versorgungssituation seien nicht zumutbar. Bei einer nur 12-stündigen Präsenz pro Woche könne kein unzulässiger Verdrängungswettbewerb in Gang gesetzt werden. Sie fordere eine Überprüfung der von den umliegenden Kinderärzten (RR./SS.) annoncierten freien Kapazitäten anhand der Abrechungszahlen. Sollten die abgerechneten Fallzahlen die Durchschnittwerte der Fachgruppe um mehr als 15 % überschreiten, sei auch dieses Argument hinfällig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2007, der Klägerin am 28.08. zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin führte sie aus, die Klägerin wolle eine Zweigpraxis betreiben, wofür sie eine Genehmigung benötige. Die Voraussetzungen für die Genehmigung lägen aber nicht vor. Eine Verbesserung der Versorgungssituation liege nicht schon vor, wenn zusätzliche Zweigpraxen eröffnet würden und damit die Freiheit der Arztwahl erweitert werde. Das Kriterium "Verbesserung der Versorgung" sei nach den Kriterien der Bedarfsplanung auszulegen. Eine Verbesserung der Versorgung könne vorliegen, wenn am Ort der Zweigpraxis spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden angeboten würden, die bisher im Umkreis der geplanten Zweigpraxis von keiner anderen Praxis angeboten würden oder am Ort der Zweigpraxis ein Versorgungsengpass (partielle Unterversorgung) bestehe. Spezielle Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Der Planungsbereich Landkreis BB. sei aber hinsichtlich der Fachgruppe der Kinderärzte überversorgt. In RR. habe ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin seinen Sitz und in SS. seien drei Fachärzte in einer Gemeinschaftspraxis ansässig. Die Entfernung zwischen B-Stadt und RR. betrage 4,19 Kilometer, diejenige zwischen B-Stadt und SS. 8,31 Kilometer. VV. sei nur ca. 10 Kilometer von B-Stadt entfernt. Versicherten seien Wege von mehreren Kilometer zumutbar. Eine lokale Unterversorgung in B-Stadt bestehe daher nicht. Die umliegenden Ärzte müssten informiert werde, dar sie unmittelbar in ihrer eigenen ärztlichen Tätigkeit betroffen seien und gegen eine Entscheidung Drittwiderspruch erheben könnten. Unabhängig davon sei es grundsätzlich möglich, eine ortsübergreifenden Gemeinschaftspraxis zu errichten.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.09.2007 die Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren vor, der Gesetzgeber habe mit dem Wechsel von einer "Erforderlichkeit" zur "Verbesserung" eine Erleichterung im Hinblick auf die Genehmigung der Zweigniederlassung erreichen wollen. Dies gelte auch in einem gesperrten Planungsbezirk. Sie biete eine spezielle pädiatrische homöopathische Behandlung an, die von den gesetzlichen Versicherungen bezahlt werde. Die Leistung sei Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung und werde von den Pädiatern in SS. und RR. nicht angeboten. Da diese Leistung vermehrt von den Versicherten nachgefragt werde, würde dieses Behandlungsangebot eine Verbesserung der Versorgungssituation bewirken. Zudem nähme sie Hyposensibilisierungen vor, die der Pädiater in RR. ebenfalls nicht durchführe. Zudem seien die Voraussetzungen eines lokalen Sonderbedarfs in Anlehnung an Nr. 24 a der Bedarfsplanungs-Richtlinien erfüllt. Es sei eine Vielzahl von Faktoren, wie Beispielsweise die Bevölkerungsstruktur, der Umfang und die räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen zu untersuchen. Dem sei die Beklagt nicht im ausreichenden Maße nachgekommen. Es handele sich hier um einen ländlichen Planungsbereich. Eine Entfernung dürfe nicht nur nach Autokilometern berechnet werden. Gerade in der Pädiatrie seien die Mütter mit ihren Kindern häufig auf die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Zu berücksichtigen sei auch das in B-Stadt angrenzende MM., das ebenfalls zum räumlichen Einzugsbereich gehöre. Die Wegstrecken und Zeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht mehr als zumutbar zu erachten. Zu den Wegstrecken seien jeweils noch die Zeiten bis zum Stadtzentrum bzw. vom Stadtzentrum zur Praxis hinzuzurechnen. In MM. lebten zurzeit allein 1.870 Kinder bis zum Alter von 10 Jahren und in B-Stadt 2.276 Kinder bis zum Alter von 14 Jahren. Die anliegenden Pädiater könnten diese Versicherten nicht ohne Wartezeiten versorgen. Neben dem breiten Spektrum der pädiatrischen Versorgung wolle sie eine spezielle naturheilkundliche homöopathisch ausgerichtete kinderärztliche Behandlung anbieten. Maßgeblich komme es auf die Versorgung in einem räumlich begrenzten Bereich an, nicht auf die Versorgung im gesamten Planungsbezirk.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 27.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2007 die Beklagte zu verpflichten, sie über ihren Antrag auf Genehmigung einer kinderärztlichen Zweigpraxis in B-Stadt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, schon allein die in den Nachbarorten zugelassenen Kinderärzte erreichten eine gute Versorgung. Die Entfernung betrage fünf bzw. acht km. Nicht alle Leistungen müssten an jedem Ort angeboten werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2007 ist rechtswidrig. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin über ihren Antrag auf Genehmigung einer kinderärztlichen Zweigpraxis in B Stadt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2007 ist rechtswidrig.
Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragszahnarztsitz). Der Vertragsarzt muss am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten. Er hat seine Wohnung so zu wählen, dass er für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht. Vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten sind zulässig, wenn und soweit
1. dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und
2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragszahnarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Sofern die weiteren Orte im Bezirk der Kassenzahnärztlichen Vereinigung liegen, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, hat er bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Anspruch auf vorherige Genehmigung durch seine Kassenärztliche Vereinigung (§ 24 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 u. 2 Zahnärzte-ZV i.d.F. d. VÄndG).
Mit der Versorgungsverbesserung werden geringere Bedarfsanforderungen als nach § 15a BMV-Ä/§ 15a EKV-Ä a. F., nach dem die Genehmigung zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung erforderlich sein musste, gestellt. Statt einer "Erforderlichkeit" reicht nunmehr eine "Verbesserung" aus. Damit scheiden auch Sicherstellungsanforderungen i.S.d. § 116 SGB V aus. "Verbesserung" ist wenigstens in dem Sinne zu verstehen, dass eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt ("Erforderlichkeit") geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation am Ort der Zweigpraxis herbeiführt (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 7001/06 – juris Rn. 55). Die Interessen anderer, bereits niedergelassener Vertragsärzte sind nicht zu berücksichtigen. Sie sind nur mittelbar über die Prüfung der "Bedarfslücke" von Bedeutung, da eine Versorgungsverbesserung nur eintreten kann, wenn die örtlichen Leistungserbringer das Leistungsangebot des Zweigpraxisbewerbers nicht oder nicht im erwünschten Umfang erbringen können (vgl. Pawlita, juris-Praxiskommentar, SGB V, Online-Ausgabe, § 95, Rdnr. 235).
Ob eine Versorgungsverbesserung vorliegt, hängt ähnlich der weiteren Bedarfsdeckung durch eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung von verschiedenen Faktoren ab (z. B. der Anzahl der Ärzte, dem Stand der Krankenhausversorgung, der Bevölkerungsdichte, von Art und Umfang der Nachfrage und von der räumlichen Zuordnung aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb bereits der nach altem Recht allein zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BSG v. 20.12.1995 - 6 RKa 55/94 - juris Rn. 17 f. - BSGE 77, 188 = SozR 3-2500 § 75 Nr. 7). Dies gilt auch für die nach § 24 Abs. 3 Satz 2 u. 3 Ärzte-ZV zuständigen Gremien. Im Fall einer Unterversorgung dürfte eine Zweigpraxis regelmäßig zur Versorgungsverbesserung beitragen, es sei denn, dass gerade am Sitz der Zweigpraxis eine ausreichende Versorgung besteht.
Es kann aber nicht darauf abgestellt werden, dass jede weitere Eröffnung einer Praxis bzw. Zweigpraxis das Versorgungsangebot unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert". Hätte der Gesetzgeber dies unterstellt bzw. gewollt, so hätte er von weiteren Bedarfsgesichtspunkten abgesehen. Der Gesetzgeber hat es ferner bei der Grundentscheidung für die Bedarfsplanung belassen, dass maßgebend die Versorgung im Planungsbereich ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, soweit es auf Entfernungen ankommt, den Versicherten jedenfalls Wege von mehreren Kilometern zumutbar sind. In überversorgten großstädtischen Planungsbereichen ist von einer ausreichenden Versorgung auszugehen. Auch in den Randbezirken einer Großstadt besteht eine hinreichende Verdichtung und Verkehrsvernetzung, die das Aufsuchen eines Vertragsarztes in benachbarten Stadtteilen ermöglicht. Es kann nicht auf die Anhaltszahlen nach den BedarfsplRL-Ä, die z.B. von Verhältniszahlen unter 2.000 Bewohnern für einen Vertragsarztsitz im hausärztlichen Bereich ausgehen (vgl. Anlagen 4.1 bis 4.3 BedarfsplRL-Ä), abgestellt werden, da diese Anhaltszahlen lediglich für die Bedarfsdeckung eines gesamten Planungsbereiches heranzuziehen sind (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 7001/06 – juris Rn. 55 f.).
Für die Beurteilung, welche Entfernungen für die Versicherten noch zumutbar sind, kann auf die Rechtsprechung zu Ermächtigungen – bei überversorgten Planungsbereichen insb. zu einem sog. qualitativ-speziellen Bedarf - und Sonderbedarfszulassungen zurückgegriffen werden. Je spezieller das Leistungsangebot ist, desto größere Entfernungen sind den Versicherten zumutbar; bei normalerweise ortsnaher Leistungserbringung ist von geringeren Entfernungen auszugehen. So begründen nach Auffassung des BSG für Leistungen, die üblicherweise ortsnah erbracht werden, wie dies bei MRT-Leistungen der Fall sei, seitdem diese zum Standard radiologischer Diagnostik gehörten, Entfernungen von im konkreten Fall mehr als 25 km zu anderen Standorten benachbarter Planungsbereiche einen Ermächtigungsbedarf (vgl. BSG v. BSG v. 19.07.2006 - B 6 KA 14/05 R – juris Rn. 19 - GesR 2007, 71 = MedR 2007, 127). Allerdings liegt gerade in der ortsnäheren Leistungserbringung spezieller Leistungen eine Verbesserung der Versorgung. Liegen die Voraussetzungen für eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung vor, so dient die Zweigpraxis immer einer Verbesserung der Versorgung. Im Umkehrschluss kann aber die Genehmigung nicht versagt werden, da die Anspruchsvoraussetzungen geringer sind.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist von einer Versorgungsverbesserung in B-Stadt durch die Zweigpraxis der Klägerin auszugehen. Die Kammer berücksichtigt dabei insbesondere, dass es sich um eine kinderärztliche Zweigpraxis handelt. Trotz der vergleichsweisen guten Versorgungslage durch die weiteren kinderärztlichen Praxen in SS. mit drei Kinderärzten (ca. 8 km) und RR. mit einem Kinderarzt (ca. 4 km) und der Praxis der Klägerin an ihrem Vertragsarztsitz in A-Stadt (ca. 9 km) ist zu berücksichtigen, dass insbesondere Eltern mit kleineren Kindern, die oftmals den Arzt nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können und weitere Geschwisterkinder mangels anderweitiger Unterbringungsmöglichkeiten mitnehmen müssen, auf möglichst kurze Wege angewiesen sind. Insofern handelt es sich um eine Versorgungsverbesserung, wenn an vier halben Tagen durch die Zweigpraxis der Klägerin kinderärztliche Leistungen unmittelbar vor Ort angeboten werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Gesamtstadt B-Stadt eine Einwohnerzahl von 15.572 Einwohnern hat, wovon 10.298 Einwohner auf die Kernstadt entfallen (vgl. www.ober-ramstadt.de). Hinzu kommt das stärker ländlich strukturierte und südlich von B-Stadt gelegene MM., deren Bewohner weitere Entfernungen zu den vorhandenen, nördlich bzw. westlich von B-Stadt gelegenen Kinderarztpraxen zurückzulegen haben. Wenn auch für die Genehmigung für eine Zweigpraxis nicht auf die Anhaltszahlen der Bedarfsplanungs-Richtlinien abgestellt werden kann, so weist die dort in der Anlage 4 genannte Allgemeine Verhältniszahl Kinderärzte für den Kreistyp 2, dem der Landkreis BB. zuzuordnen ist, von 17.221 Einwohnern/Kinderarzt darauf hin, dass ein Versorgungsbedarf besteht. Unter Berücksichtigung der genannten spezifisch kinderärztlichen Versorgungsbedürfnisse mit kurzen Wegen liegt eine Versorgungsverbesserung vor. Dies wird die Beklagte bei einer Neubescheidung zu berücksichtigen haben.
Von daher konnte auch dahinstehen, ob die Klägerin eine spezielle pädiatrische homöopathische Behandlung und Hyposensibilisierungen anbietet, die bisher von den Pädiatern in SS. und RR. nicht angeboten wird.
Eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragszahnarztsitzes ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Anhaltspunkte hierfür sind der Kammer nicht ersichtlich.
Nach allem war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenkosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Zweigpraxis in B-Stadt, Planungsbereich Landkreis BB ...
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Sie besteht aus einer Fachärztin und einem Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin.
Die Klägerin beantragte am 05.03.2007 die Genehmigung einer Zweigpraxis in B-Stadt. Sie wies darauf hin, die Stadt B-Stadt möchte nach dem Weggang der kinderärztlichen Gemeinschaftspraxis des Dr. D/Dr. E vor drei Jahren dringend eine pädiatrische Versorgung im Ort anbieten. In B-Stadt selbst gäbe es zurzeit 350 Kindergartenkinder, hochgerechnet bis zum 16. Lebensjahr als etwa 1.500 Kinder und Jugendliche die am Ort nicht fachärztlich pädiatrisch versorgt werden könnten. Es bestehe zweifellos einen Versorgungsengpass. Sie beabsichtige an vier Wochentagen jeweils drei Stunden kinderärztliche Sprechstunden anzubieten (montags und donnerstags 09.00 – 12.00 Uhr, dienstags und freitags 15.00 – 18.00 Uhr), also insgesamt 12 Stunden pro Woche. Es werde eine kontinuierliche Präsenz angeboten, ohne dass die Patientenversorgung in der Hauptpraxis darunter leide. Sie behandle pro Quartal etwa 1.250 – 1.350 Kassenpatienten. Gemessen an der durchschnittlichen Fallzahl ihrer Vergleichsgruppe seien dies nur ca. 65 %. Es bestehe noch freies ärztliches Potential. Die Erreichbarkeit am Vertragsarztsitz sei gewährleistet, da die Entfernung zur Zweigpraxis, ca. 9 km, problemlos in weniger als 30 Minuten zurückgelegt werden könne.
Eine aus drei Fachärzten für innere Medizin, darunter einer mit dem Schwerpunkt Kardiologie, und einem Facharzt für Allgemeinmedizin bestehende Gemeinschaftspraxis in B-Stadt teilte unter Datum vom 08.03.2007 der Beklagten mit, sie sei an einer Niederlassung der Kinderarztpraxis der Klägerin sehr interessiert. Nach dem Weggang der kinderärztlichen Praxis in ihrem Haus müsse sie zum Teil notgedrungen diese kinderärztliche Versorgung mit übernehmen. Ein erneut tätiger Kinderarzt wäre für sie eine erhebliche Erleichterung für ihre tägliche Arbeit. Der Bürgermeister der Stadt B-Stadt befürwortete in seiner Stellungnahme vom 16.03.2007 eine Zweigniederlassung unter Hinweis die Versorgungssituation und Gesichtspunkte der Stadtentwicklung.
Die Beklagte nahm eine Umfrage bei den Kinderärzten im Planungsbereich Landkreis BB. unter Angabe der Antragsbegründung und der Ausführungen in den beiden genannten Stellungnahmen vor.
Die Beklagte lehnte dann mit Bescheid vom 27.04.2007 den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, im Planungsbereich Landkreis BB. bestehe eine Überversorgung in der Fachgruppe der Kinderärzte. Derzeit seien insgesamt 17 Kinderärzte im Planungsbereich niedergelassen. Die Entfernung von der Hauptpraxis in der A-Straße in A-Stadt bis zur geplanten Zweigpraxis in B-Stadt betrage 11 Kilometer bei einer Fahrzeit von 13 Minuten. Eine durchgeführte Umfrage bei den niedergelassen Vertragsärzten habe ergeben, dass die Praxen vor Ort sowie in näherer Umgebung die vertragsärztliche Versorgung sicherstellten. Es bestehe kein zusätzlicher Bedarf an einer Zweigpraxis aus Sicherstellungsgründen. Zudem hätten die Kollegen z. B. erläutert, dass es den Patienten aus B-Stadt durchaus zumutbar sei, den Weg in die Ortschaften RR. oder SS. zu bewältigen. Die Kinderarztpraxis wäre per Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Hinter der Unterstützung durch den Bürgermeister B-Stadts ständen möglicherweise lokalpolitische Hintergründe. Zudem werde befürchtet, dass Wettbewerbsvorteile gegenüber den anderen Praxen entstünden und folglich ein unzulässiger Verdrängungswettbewerb in Gang gesetzt werden könnte. Zudem hätten die umliegenden Kinderarztpraxen noch Kapazitäten frei, um zusätzliche Patienten aus B-Stadt versorgen zu können.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.05.2007 Widerspruch ein. Die numerische Überversorgung im Planungsbereich bedeute nach ihrer Auffassung nicht, dass für die Stadt B-Stadt kein Versorgungsengpass bestehe, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass bis vor 3 Jahren eben dort eine kinderärztliche Gemeinschaftspraxis sogar noch eine Entlastungsassistentin haben anstellen müssen, um den Patientenandrang zu bewältigen. Eine Umfrage bei den niedergelassen Fachkollegen dürfe keinerlei wertenden Einfluss auf eine Entscheidung haben. Gesetzlich vorgesehen sei lediglich eine Information der Fachkollegen in umliegenden Orten. So sei ihr dass wiederholt von der Beklagten mitgeteilt worden. Die Anfahrtswege bei der gegenwärtigen Versorgungssituation seien nicht zumutbar. Bei einer nur 12-stündigen Präsenz pro Woche könne kein unzulässiger Verdrängungswettbewerb in Gang gesetzt werden. Sie fordere eine Überprüfung der von den umliegenden Kinderärzten (RR./SS.) annoncierten freien Kapazitäten anhand der Abrechungszahlen. Sollten die abgerechneten Fallzahlen die Durchschnittwerte der Fachgruppe um mehr als 15 % überschreiten, sei auch dieses Argument hinfällig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2007, der Klägerin am 28.08. zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin führte sie aus, die Klägerin wolle eine Zweigpraxis betreiben, wofür sie eine Genehmigung benötige. Die Voraussetzungen für die Genehmigung lägen aber nicht vor. Eine Verbesserung der Versorgungssituation liege nicht schon vor, wenn zusätzliche Zweigpraxen eröffnet würden und damit die Freiheit der Arztwahl erweitert werde. Das Kriterium "Verbesserung der Versorgung" sei nach den Kriterien der Bedarfsplanung auszulegen. Eine Verbesserung der Versorgung könne vorliegen, wenn am Ort der Zweigpraxis spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden angeboten würden, die bisher im Umkreis der geplanten Zweigpraxis von keiner anderen Praxis angeboten würden oder am Ort der Zweigpraxis ein Versorgungsengpass (partielle Unterversorgung) bestehe. Spezielle Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Der Planungsbereich Landkreis BB. sei aber hinsichtlich der Fachgruppe der Kinderärzte überversorgt. In RR. habe ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin seinen Sitz und in SS. seien drei Fachärzte in einer Gemeinschaftspraxis ansässig. Die Entfernung zwischen B-Stadt und RR. betrage 4,19 Kilometer, diejenige zwischen B-Stadt und SS. 8,31 Kilometer. VV. sei nur ca. 10 Kilometer von B-Stadt entfernt. Versicherten seien Wege von mehreren Kilometer zumutbar. Eine lokale Unterversorgung in B-Stadt bestehe daher nicht. Die umliegenden Ärzte müssten informiert werde, dar sie unmittelbar in ihrer eigenen ärztlichen Tätigkeit betroffen seien und gegen eine Entscheidung Drittwiderspruch erheben könnten. Unabhängig davon sei es grundsätzlich möglich, eine ortsübergreifenden Gemeinschaftspraxis zu errichten.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.09.2007 die Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren vor, der Gesetzgeber habe mit dem Wechsel von einer "Erforderlichkeit" zur "Verbesserung" eine Erleichterung im Hinblick auf die Genehmigung der Zweigniederlassung erreichen wollen. Dies gelte auch in einem gesperrten Planungsbezirk. Sie biete eine spezielle pädiatrische homöopathische Behandlung an, die von den gesetzlichen Versicherungen bezahlt werde. Die Leistung sei Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung und werde von den Pädiatern in SS. und RR. nicht angeboten. Da diese Leistung vermehrt von den Versicherten nachgefragt werde, würde dieses Behandlungsangebot eine Verbesserung der Versorgungssituation bewirken. Zudem nähme sie Hyposensibilisierungen vor, die der Pädiater in RR. ebenfalls nicht durchführe. Zudem seien die Voraussetzungen eines lokalen Sonderbedarfs in Anlehnung an Nr. 24 a der Bedarfsplanungs-Richtlinien erfüllt. Es sei eine Vielzahl von Faktoren, wie Beispielsweise die Bevölkerungsstruktur, der Umfang und die räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen zu untersuchen. Dem sei die Beklagt nicht im ausreichenden Maße nachgekommen. Es handele sich hier um einen ländlichen Planungsbereich. Eine Entfernung dürfe nicht nur nach Autokilometern berechnet werden. Gerade in der Pädiatrie seien die Mütter mit ihren Kindern häufig auf die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Zu berücksichtigen sei auch das in B-Stadt angrenzende MM., das ebenfalls zum räumlichen Einzugsbereich gehöre. Die Wegstrecken und Zeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht mehr als zumutbar zu erachten. Zu den Wegstrecken seien jeweils noch die Zeiten bis zum Stadtzentrum bzw. vom Stadtzentrum zur Praxis hinzuzurechnen. In MM. lebten zurzeit allein 1.870 Kinder bis zum Alter von 10 Jahren und in B-Stadt 2.276 Kinder bis zum Alter von 14 Jahren. Die anliegenden Pädiater könnten diese Versicherten nicht ohne Wartezeiten versorgen. Neben dem breiten Spektrum der pädiatrischen Versorgung wolle sie eine spezielle naturheilkundliche homöopathisch ausgerichtete kinderärztliche Behandlung anbieten. Maßgeblich komme es auf die Versorgung in einem räumlich begrenzten Bereich an, nicht auf die Versorgung im gesamten Planungsbezirk.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 27.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2007 die Beklagte zu verpflichten, sie über ihren Antrag auf Genehmigung einer kinderärztlichen Zweigpraxis in B-Stadt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, schon allein die in den Nachbarorten zugelassenen Kinderärzte erreichten eine gute Versorgung. Die Entfernung betrage fünf bzw. acht km. Nicht alle Leistungen müssten an jedem Ort angeboten werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2007 ist rechtswidrig. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin über ihren Antrag auf Genehmigung einer kinderärztlichen Zweigpraxis in B Stadt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2007 ist rechtswidrig.
Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragszahnarztsitz). Der Vertragsarzt muss am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten. Er hat seine Wohnung so zu wählen, dass er für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht. Vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten sind zulässig, wenn und soweit
1. dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und
2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragszahnarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Sofern die weiteren Orte im Bezirk der Kassenzahnärztlichen Vereinigung liegen, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, hat er bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Anspruch auf vorherige Genehmigung durch seine Kassenärztliche Vereinigung (§ 24 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 u. 2 Zahnärzte-ZV i.d.F. d. VÄndG).
Mit der Versorgungsverbesserung werden geringere Bedarfsanforderungen als nach § 15a BMV-Ä/§ 15a EKV-Ä a. F., nach dem die Genehmigung zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung erforderlich sein musste, gestellt. Statt einer "Erforderlichkeit" reicht nunmehr eine "Verbesserung" aus. Damit scheiden auch Sicherstellungsanforderungen i.S.d. § 116 SGB V aus. "Verbesserung" ist wenigstens in dem Sinne zu verstehen, dass eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt ("Erforderlichkeit") geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation am Ort der Zweigpraxis herbeiführt (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 7001/06 – juris Rn. 55). Die Interessen anderer, bereits niedergelassener Vertragsärzte sind nicht zu berücksichtigen. Sie sind nur mittelbar über die Prüfung der "Bedarfslücke" von Bedeutung, da eine Versorgungsverbesserung nur eintreten kann, wenn die örtlichen Leistungserbringer das Leistungsangebot des Zweigpraxisbewerbers nicht oder nicht im erwünschten Umfang erbringen können (vgl. Pawlita, juris-Praxiskommentar, SGB V, Online-Ausgabe, § 95, Rdnr. 235).
Ob eine Versorgungsverbesserung vorliegt, hängt ähnlich der weiteren Bedarfsdeckung durch eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung von verschiedenen Faktoren ab (z. B. der Anzahl der Ärzte, dem Stand der Krankenhausversorgung, der Bevölkerungsdichte, von Art und Umfang der Nachfrage und von der räumlichen Zuordnung aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb bereits der nach altem Recht allein zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BSG v. 20.12.1995 - 6 RKa 55/94 - juris Rn. 17 f. - BSGE 77, 188 = SozR 3-2500 § 75 Nr. 7). Dies gilt auch für die nach § 24 Abs. 3 Satz 2 u. 3 Ärzte-ZV zuständigen Gremien. Im Fall einer Unterversorgung dürfte eine Zweigpraxis regelmäßig zur Versorgungsverbesserung beitragen, es sei denn, dass gerade am Sitz der Zweigpraxis eine ausreichende Versorgung besteht.
Es kann aber nicht darauf abgestellt werden, dass jede weitere Eröffnung einer Praxis bzw. Zweigpraxis das Versorgungsangebot unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert". Hätte der Gesetzgeber dies unterstellt bzw. gewollt, so hätte er von weiteren Bedarfsgesichtspunkten abgesehen. Der Gesetzgeber hat es ferner bei der Grundentscheidung für die Bedarfsplanung belassen, dass maßgebend die Versorgung im Planungsbereich ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, soweit es auf Entfernungen ankommt, den Versicherten jedenfalls Wege von mehreren Kilometern zumutbar sind. In überversorgten großstädtischen Planungsbereichen ist von einer ausreichenden Versorgung auszugehen. Auch in den Randbezirken einer Großstadt besteht eine hinreichende Verdichtung und Verkehrsvernetzung, die das Aufsuchen eines Vertragsarztes in benachbarten Stadtteilen ermöglicht. Es kann nicht auf die Anhaltszahlen nach den BedarfsplRL-Ä, die z.B. von Verhältniszahlen unter 2.000 Bewohnern für einen Vertragsarztsitz im hausärztlichen Bereich ausgehen (vgl. Anlagen 4.1 bis 4.3 BedarfsplRL-Ä), abgestellt werden, da diese Anhaltszahlen lediglich für die Bedarfsdeckung eines gesamten Planungsbereiches heranzuziehen sind (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 7001/06 – juris Rn. 55 f.).
Für die Beurteilung, welche Entfernungen für die Versicherten noch zumutbar sind, kann auf die Rechtsprechung zu Ermächtigungen – bei überversorgten Planungsbereichen insb. zu einem sog. qualitativ-speziellen Bedarf - und Sonderbedarfszulassungen zurückgegriffen werden. Je spezieller das Leistungsangebot ist, desto größere Entfernungen sind den Versicherten zumutbar; bei normalerweise ortsnaher Leistungserbringung ist von geringeren Entfernungen auszugehen. So begründen nach Auffassung des BSG für Leistungen, die üblicherweise ortsnah erbracht werden, wie dies bei MRT-Leistungen der Fall sei, seitdem diese zum Standard radiologischer Diagnostik gehörten, Entfernungen von im konkreten Fall mehr als 25 km zu anderen Standorten benachbarter Planungsbereiche einen Ermächtigungsbedarf (vgl. BSG v. BSG v. 19.07.2006 - B 6 KA 14/05 R – juris Rn. 19 - GesR 2007, 71 = MedR 2007, 127). Allerdings liegt gerade in der ortsnäheren Leistungserbringung spezieller Leistungen eine Verbesserung der Versorgung. Liegen die Voraussetzungen für eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung vor, so dient die Zweigpraxis immer einer Verbesserung der Versorgung. Im Umkehrschluss kann aber die Genehmigung nicht versagt werden, da die Anspruchsvoraussetzungen geringer sind.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist von einer Versorgungsverbesserung in B-Stadt durch die Zweigpraxis der Klägerin auszugehen. Die Kammer berücksichtigt dabei insbesondere, dass es sich um eine kinderärztliche Zweigpraxis handelt. Trotz der vergleichsweisen guten Versorgungslage durch die weiteren kinderärztlichen Praxen in SS. mit drei Kinderärzten (ca. 8 km) und RR. mit einem Kinderarzt (ca. 4 km) und der Praxis der Klägerin an ihrem Vertragsarztsitz in A-Stadt (ca. 9 km) ist zu berücksichtigen, dass insbesondere Eltern mit kleineren Kindern, die oftmals den Arzt nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können und weitere Geschwisterkinder mangels anderweitiger Unterbringungsmöglichkeiten mitnehmen müssen, auf möglichst kurze Wege angewiesen sind. Insofern handelt es sich um eine Versorgungsverbesserung, wenn an vier halben Tagen durch die Zweigpraxis der Klägerin kinderärztliche Leistungen unmittelbar vor Ort angeboten werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Gesamtstadt B-Stadt eine Einwohnerzahl von 15.572 Einwohnern hat, wovon 10.298 Einwohner auf die Kernstadt entfallen (vgl. www.ober-ramstadt.de). Hinzu kommt das stärker ländlich strukturierte und südlich von B-Stadt gelegene MM., deren Bewohner weitere Entfernungen zu den vorhandenen, nördlich bzw. westlich von B-Stadt gelegenen Kinderarztpraxen zurückzulegen haben. Wenn auch für die Genehmigung für eine Zweigpraxis nicht auf die Anhaltszahlen der Bedarfsplanungs-Richtlinien abgestellt werden kann, so weist die dort in der Anlage 4 genannte Allgemeine Verhältniszahl Kinderärzte für den Kreistyp 2, dem der Landkreis BB. zuzuordnen ist, von 17.221 Einwohnern/Kinderarzt darauf hin, dass ein Versorgungsbedarf besteht. Unter Berücksichtigung der genannten spezifisch kinderärztlichen Versorgungsbedürfnisse mit kurzen Wegen liegt eine Versorgungsverbesserung vor. Dies wird die Beklagte bei einer Neubescheidung zu berücksichtigen haben.
Von daher konnte auch dahinstehen, ob die Klägerin eine spezielle pädiatrische homöopathische Behandlung und Hyposensibilisierungen anbietet, die bisher von den Pädiatern in SS. und RR. nicht angeboten wird.
Eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragszahnarztsitzes ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Anhaltspunkte hierfür sind der Kammer nicht ersichtlich.
Nach allem war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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