Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 466/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Versorgungsverbesserung liegt nicht darin, dass Patienten, die am Praxissitz ambulant operiert werden, die Wege zur Voruntersuchung und Nachsorge erleichtern werden durch eine Zweigpraxis.
Eine Versorgungsverbesserung liegt jedenfalls solange nicht vor, wie eine Ermächtigung auch für die Leistungen besteht, die in einer Zweigpraxis erbracht werden sollen.
Eine Versorgungsverbesserung liegt jedenfalls solange nicht vor, wie eine Ermächtigung auch für die Leistungen besteht, die in einer Zweigpraxis erbracht werden sollen.
1. Die Klage wird abgewiesen
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Zweigpraxis in FO ...
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt (Rhön). Sie besteht aus einem Facharzt für Orthopädie und drei Fachärzten für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie. Dr. med. D ist ferner berechtigt, die Schwerpunktbezeichnung Handchirurgie zu führen.
Die Klägerin beantragte am 09.03.2007 die Genehmigung einer Zweigpraxis in FO ... Sie trug vor, die Versorgung in FO. sei aufgrund der dort vorhandenen drei Chirurgensitze eingeschränkt. Sie hätte einen Patientenzustrom in ihre Praxis auch aus dem Raum FO ... Sie sei von niedergelassenen Neurologen darauf hingewiesen worden, dass viele nicht gut gehfähige Patienten bzw. Patienten ohne Fahrgelegenheit Schwierigkeiten hätten, in ihre Praxis zu kommen, um dort notwendige Behandlungen und auch Operationen zu erhalten. Mit der Zweigpraxis bestehe die Möglichkeit, in FO. Voruntersuchungen vorzunehmen und dort auch die Nachbehandlungen durchführen zu können. Die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten an ihrem Hauptsitz sei nicht beeinträchtigt, da sie mit drei Chirurgen und einem Orthopäden die Behandlung vor Ort gewährleisten könne. Sie wolle die Praxis in FO. anteilig besetzen. Als Sprechstundenzeit plane sie montags bis freitags von 9:00 Uhr bis 13:00 Uhr und Montag, Dienstag, Donnerstag von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr. Sie spreche sich auch gegen eine Sonderzulassung eines Chirurgen in Y. aus, da sie auch Y.er Patienten übernehmen könne. Eine Sonderbedarfszulassung eines Chirurgen in FO. sei nicht notwendig, da sie bereits eine Zweigpraxisgenehmigung beantragt habe.
Herr Dr. med. E , Facharzt für Chirurgie und Kinderchirurgie mit Praxissitz in FO., erklärte unter Datum vom 30.03.2007, er sei mit einer Genehmigung einer Zweigpraxis in FO. nicht einverstanden. Auch Dr. F sprach sich für die Gemeinschaftspraxis Dr. G und Kollegen, FO., gegen eine Genehmigung aus. In diesem Sinne äußerte sich auch der Chirurg H für die Gemeinschaftspraxis H/Dr. H.
Mit Bescheid vom 14.05.2007 wies die Beklagte den Antrag auf Genehmigung zur Durchführung einer Zweigpraxis in FO. ab. Im Bescheid führte sie aus, eine Verbesserung der Versorgungssituation werde nicht gesehen, da der Planungsbereich "Landkreis FO." wegen Überschreitung der Höchstversorgungsgrenze von 110% von Chirurgen gesperrt sei und deshalb von einer ausreichenden chirurgischen Versorgung im Planungsbereich ausgegangen werden könne. Darüber hinaus sei auf Anfrage von den niedergelassenen Chirurgen in FO. mitgeteilt worden, dass der chirurgische Versorgungsbedarf vor Ort problemlos durch diese abgedeckt werden könne. Eine Wohnortanalyse der Patienten der Klägerin aus dem Quartal I/07 habe ergeben, dass lediglich 109 Patienten aus FO. behandelt worden seien, das entspreche 5,08% der Gesamtfallzahl. Die Entfernung zwischen FO. und A-Stadt betrage ca. 27 Kilometer, rund 30 Auto-Minuten. Es bestehe zwischen FO. und A-Stadt eine Bahnlinie, auf der Züge stündlich in beide Richtungen verkehrten. Die Fahrzeit betrage ca. 40 Minuten. Die zu bewältigende Wegstrecke von FO. nach A-Stadt dürfe somit für die Patienten zumutbar sein.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.06.2007 Widerspruch ein. Sie führte aus, eine handchirurgische Versorgung sei in FO. nur eingeschränkt möglich und sie sei mehrfach von Neurologen aufgefordert worden, eine Zweigpraxis in FO. zu errichten. Bei den Praxen in FO. handele es sich um eine gefäßchirurgisch und eine unfallorthopädisch orientierte Praxis. Proktologische Maßnahmen, Hämorrhoiden-Operationen und Leistenhernien-Operationen würden nicht durchgeführt werden. Es gehe auch um das Einzugsgebiet in FO., dies betreffe die Ortschaften XX., YY., ZZ. und andere. Von diesen Ortschaften müsse man zunächst nach FO. fahren, um dann weiter mit dem Zug nach A Stadt zu kommen. Das bedeute Wegstrecken von mindestens 2,5 Stunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2007, der Klägerin am 23.10. zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Vorhaben sei als Zweigpraxis anzusehen, da in FO. die gleichen Leistungen wie am Hauptsitz der Praxis in A-Stadt erbracht werden sollten und die Patienten auch nicht zunächst in A-Stadt einen ersten Kontakt aufnehmen sollten. Von einer Verbesserung der Versorgungssituation sei dann auszugehen, wenn eine Bedarfslücke bestehe, die zwar nicht unbedingt geschlossen werden müsse, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation herbeiführe. Den Patienten eine größere Auswahl unter den Ärzten zur Verfügung zu stellen, reiche nicht aus. Es müssten auch nicht alle ärztlichen Leistungen in jedem Ort angeboten werden. Entfernungen von mehreren Kilometern bis zur nächsten Praxis seien zumutbar. Es seien auch Bedarfsgesichtspunkte zu berücksichtigen und es komme auf die Versorgung im Planungsbereich an. Die gesetzliche Neufassung habe zum Ziel, dass Ärzte in mit medizinischen Leistungen strukturell schwächer versorgten Gebieten unter erleichterten Bedingungen eine Zweigpraxis eröffnen könnten. Auf diese Weise soll in allen Gebieten eine möglichst gleichmäßige vertragsärztliche Versorgung gewährleistet werden. Es entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers, uneingeschränkt Zweigpraxen in bereits medizinisch überversorgten Gebieten zuzulassen. Eine Versorgungsverbesserung könne vorliegen, wenn am Ort der Zweigpraxis spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden angeboten würden, die bisher im Umkreis der geplanten Zweigpraxis von keiner anderen Praxis angeboten würden oder am Ort der Zweigpraxis ein Versorgungsengpass (partielle Unterversorgung) bestehe. In FO. seien drei Chirurgen niedergelassen. Ein Orthopäde in FO. besitze die Zusatzbezeichnung "Handchirurgie". Eingriffe an Extremitäten und Proktologische Eingriffe würden auch von den in FO. niedergelassenen Chirurgen durchgeführt werden. Die Wohnortanalyse habe ergeben, dass im Quartal I/07 nur etwa 5,08% Patienten aus FO. in der Praxis der Klägerin behandelt würden. ZZ. als Stadtteil der Stadt FO. sei bei ihrer Erhebung bereits berücksichtigt worden. Aus XX. seien 68 Patienten und aus QQ. insgesamt, von dessen 10 Stadtteilen YY. einer sei, 22 Patienten registriert worden, so dass sich an dem Ergebnis des geringen Patientenaufkommens nicht ändere. Die Chirurgen vor Ort hätten auch auf Anfrage mitgeteilt, dass sich der chirurgische Versorgungsbedarf problemlos durch sie abdecken lasse. Die Klägerin könne auch eine ortsübergreifende Gemeinschaftspraxis errichten.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.11.2007 die Klage erhoben. Sie trägt vor, in der Zweigpraxis wolle sie handchirurgische Versorgung (einschließlich berufsgenossenschaftlicher Behandlungen) einschließlich Chirurgie der peripheren Nerven an den oberen Extremitäten, unfallchirurgische sowie orthopädische Versorgung einschließlich ambulant durchzuführender Operationen einschließlich ambulante Hernienchirurgie sowie ambulante proktologische Chirurgie erbringen. Gegen eine ausreichende Versorgung in FO. spreche die Tatsache, dass kurze Zeit nach der Ablehnung ihres Antrags ein Antrag auf Sonderbedarfszulassung in FO. gestellt worden sei, der mit der Praxis Dr. H in Kooperation tätig werden möchte. Eine Versorgungsverbesserung sei jedenfalls in der ortsnäheren Leistungserbringung spezieller Leistungen zu sehen. Gleiches gelte, wenn die Voraussetzungen für eine Sonderbedarfszulassung vorlägen. In FO. bestünden auch Ermächtigungen und zwar genau in den orthopädisch/chirurgisch/unfall- und handchirurgischen Bereichen, die sie in ihrer Zweigpraxis anbieten wolle. Es handele sich um Privatdozenten Dr. I vom Klinikum FO., im Bereich Visceralchirurgie, um Herrn Dr. NK. im Bereich Gefäßchirurgie und Herrn Dr. NQ. im Bereich der Schulterchirurgie und Sporttraumatologie, Dr. J im Bereich der Handchirurgie und Chirurgie der peripheren Nerven an den oberen Extremitäten, Herr Privatdozent Dr. VK. vom IT.Krankenhaus um Bereich der ambulanten Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung in der Chirurgie und Herrn Prof. Dr. ZU. vom Klinikum FO., im Bereich Unfallchirurgie – konsiliarische Beratung von Chirurgen und Orthopäden sowie Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zur Erteilung des konsiliarischen Rates erforderlich seien. Das Gesundheitsnetz Osthessen habe sich in einer Stellungnahme vom 17.12.2007 für die Genehmigung ausgesprochen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 14.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2007 die Beklagte zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag auf Genehmigung einer Zweigpraxis in FO. neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Verweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid im Übrigen ergänzend vor, eine Bedarfslücke bestehe nicht. Eingriffe an den Extremitäten sowie proktologische Eingriffe würden auch durch Niedergelassene in FO. ausgeführt werden. Bei dem Gesundheitsnetz Osthessen handele es sich um einen eingetragenen Verein und um einen freiwilligen Zusammenschluss von Ärzten der Region. Es gebe derzeit für den orthopädischen/unfall- und handchirurgischen Bereich sechs Ermächtigungen in FO ... Aufgrund der guten Versorgungssituation seien diese auf bestimmte Krankheitsbilder und besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie auf fachgleiche Überweisungen eingeschränkt worden. Eine Ermächtigung werde zum 01.07.2008 ablaufen. Eine erneute Anfrage bei den Chirurgen habe ergeben, dass diese sowohl Leistungen im Rahmen der Allgemein- als auch Unfallchirurgie vollumfänglich erbringen könnten. Ein Orthopäde mit der Zusatzbezeichnung Handchirurgie stelle die handchirurgische Versorgung sicher. In einer neurochirurgischen Praxis würden ausschließlich ambulante Operationen zur Dekompensation von Nervenengpässen behandelt werden. Der Antrag auf Sonderbedarfszulassung für einen Chirurgen sei nach einer negativen Stellungnahme ihrerseits vom Zulassungsausschuss abgelehnt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2007 ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin über ihren Antrag auf Genehmigung einer Zweigpraxis in FO. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Klage war daher abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2007 ist rechtmäßig.
Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragszahnarztsitz). Der Vertragsarzt muss am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten. Er hat seine Wohnung so zu wählen, dass er für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht. Vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten sind zulässig, wenn und soweit
1. dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und
2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragszahnarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Sofern die weiteren Orte im Bezirk der Kassenzahnärztlichen Vereinigung liegen, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, hat er bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Anspruch auf vorherige Genehmigung durch seine Kassenärztliche Vereinigung (§ 24 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 u. 2 Zahnärzte-ZV i.d.F. d. VÄndG).
Mit der Versorgungsverbesserung werden geringere Bedarfsanforderungen als nach § 15a BMV-Ä/§ 15a EKV-Ä a. F., nach dem die Genehmigung zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung erforderlich sein musste, gestellt. Statt einer "Erforderlichkeit" reicht nunmehr eine "Verbesserung" aus. Damit scheiden auch Sicherstellungsanforderungen i.S.d. § 116 SGB V aus. "Verbesserung" ist wenigstens in dem Sinne zu verstehen, dass eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt ("Erforderlichkeit") geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation am Ort der Zweigpraxis herbeiführt (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 7001/06 – juris Rn. 55). Die Interessen anderer, bereits niedergelassener Vertragsärzte sind nicht zu berücksichtigen. Sie sind nur mittelbar über die Prüfung der "Bedarfslücke" von Bedeutung, da eine Versorgungsverbesserung nur eintreten kann, wenn die örtlichen Leistungserbringer das Leistungsangebot des Zweigpraxisbewerbers nicht oder nicht im erwünschten Umfang erbringen können.
Ob eine Versorgungsverbesserung vorliegt, hängt ähnlich der weiteren Bedarfsdeckung durch eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung von verschiedenen Faktoren ab (z. B. der Anzahl der Ärzte, dem Stand der Krankenhausversorgung, der Bevölkerungsdichte, von Art und Umfang der Nachfrage und von der räumlichen Zuordnung aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb bereits der nach altem Recht allein zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BSG v. 20.12.1995 - 6 RKa 55/94 - juris Rn. 17 f. - BSGE 77, 188 = SozR 3-2500 § 75 Nr. 7). Dies gilt auch für die nach § 24 Abs. 3 Satz 2 u. 3 Ärzte-ZV zuständigen Gremien. Im Fall einer Unterversorgung dürfte eine Zweigpraxis regelmäßig zur Versorgungsverbesserung beitragen, es sei denn, dass gerade am Sitz der Zweigpraxis eine ausreichende Versorgung besteht.
Es kann aber nicht darauf abgestellt werden, dass jede weitere Eröffnung einer Praxis bzw. Zweigpraxis das Versorgungsangebot unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert". Hätte der Gesetzgeber dies unterstellt bzw. gewollt, so hätte er von weiteren Bedarfsgesichtspunkten abgesehen. Der Gesetzgeber hat es ferner bei der Grundentscheidung für die Bedarfsplanung belassen, dass maßgebend die Versorgung im Planungsbereich ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, soweit es auf Entfernungen ankommt, den Versicherten jedenfalls Wege von mehreren Kilometern zumutbar sind. In überversorgten großstädtischen Planungsbereichen ist von einer ausreichenden Versorgung auszugehen. Auch in den Randbezirken einer Großstadt besteht eine hinreichende Verdichtung und Verkehrsvernetzung, die das Aufsuchen eines Vertragsarztes in benachbarten Stadtteilen ermöglicht. Es kann nicht auf die Anhaltszahlen nach den BedarfsplRL-Ä, die z.B. von Verhältniszahlen unter 2.000 Bewohnern für einen Vertragsarztsitz im hausärztlichen Bereich ausgehen (vgl. Anlagen 4.1 bis 4.3 BedarfsplRL-Ä), abgestellt werden, da diese Anhaltszahlen lediglich für die Bedarfsdeckung eines gesamten Planungsbereiches heranzuziehen sind (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 7001/06 – juris Rn. 55 f.).
Für die Beurteilung, welche Entfernungen für die Versicherten noch zumutbar sind, kann auf die Rechtsprechung zu Ermächtigungen – bei überversorgten Planungsbereichen insb. zu einem sog. qualitativ-speziellen Bedarf - und Sonderbedarfszulassungen zurückgegriffen werden. Je spezieller das Leistungsangebot ist, desto größere Entfernungen sind den Versicherten zumutbar; bei normalerweise ortsnaher Leistungserbringung ist von geringeren Entfernungen auszugehen. So begründen nach Auffassung des BSG für Leistungen, die üblicherweise ortsnah erbracht werden, wie dies bei MRT-Leistungen der Fall sei, seitdem diese zum Standard radiologischer Diagnostik gehörten, Entfernungen von im konkreten Fall mehr als 25 km zu anderen Standorten benachbarter Planungsbereiche einen Ermächtigungsbedarf (vgl. BSG v. BSG v. 19.07.2006 - B 6 KA 14/05 R – juris Rn. 19 - GesR 2007, 71 = MedR 2007, 127). Allerdings liegt gerade in der ortsnäheren Leistungserbringung spezieller Leistungen eine Verbesserung der Versorgung. Liegen die Voraussetzungen für eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung vor, so dient die Zweigpraxis immer einer Verbesserung der Versorgung. Im Umkehrschluss kann aber die Genehmigung nicht versagt werden, da die Anspruchsvoraussetzungen geringer sind.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist von einer Versorgungsverbesserung in FO. durch die Zweigpraxis der Klägerin nicht auszugehen. Die Klägerin trägt vor, in der Zweigpraxis wolle sie handchirurgische Versorgung (einschließlich berufsgenossenschaftlicher Behandlungen) einschließlich Chirurgie der peripheren Nerven an den oberen Extremitäten, unfallchirurgische sowie orthopädische Versorgung einschließlich ambulant durchzuführender Operationen einschließlich ambulante Hernienchirurgie sowie ambulante proktologische Chirurgie erbringen. Soweit die Klägerin dabei nur den Patienten, die sie in ihrem Praxissitz ambulant operieren, die Wege zur Voruntersuchung und Nachsorge erleichtern wollen, so liegt darin noch keine Versorgungsverbesserung. Insofern bleibt es den Versicherten überlassen, ob sie im Rahmen der freien Arztwahl längere Wege auf sich nehmen. Tun sie dies, hat also eine Vertragsarztpraxis einen regional "größeren" Einzugsbereich, so folgt daraus kein Anspruch auf eine Zweigpraxisgenehmigung. Auch liegt nicht in der bloßen Vermehrung der vertragsärztlichen Leistungserbringer vor Ort im Hinblick auf die Freiheit der Arztwahl eine Versorgungsverbesserung.
Ein besonderer Bedarf ist für FO. auch nicht durch eine Sonderbedarfszulassung nachgewiesen, da eine solche für den chirurgischen Bereich nicht erteilt wurde. Soweit die Ermächtigungen auf einen Bedarf hinweisen, der durch die niedergelassenen Ärzte nicht in ausreichendem Maße gedeckt ist, so gilt dies allenfalls für die Ermächtigung des Dr. J. Die übrigen Ärzte wurden nur eingeschränkt durch einen sog. Facharztfilter bzw. zur Vor- und Nachsorge stationärer Patienten ermächtigt. Demgegenüber wurde Dr. J nach dem insoweit von der Beklagten nicht widersprochenem Vortrag der Klägerin u. a. zur Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf namentliche Überweisung durch Vertragsärzte auf dem Gebiet der Handchirurgie und Chirurgie periphereren Nerven an den oberen Extremitäten sowie in diesem Zusammenhang intraoperativ notwendige Röntgendiagnostik ermächtigt. Mit der Ermächtigung, die insoweit auch nicht widerrufbar ist, nimmt der ermächtigte Arzt aber an der vertragsärztlichen Versorgung teil und trägt insoweit auch zur Bedarfsdeckung bei. Die Kammer brauchte hier nicht zu entscheiden, ob generell eine Zweigpraxisgenehmigung vorrangig vor einer Ermächtigung zu erteilen ist. Im Rahmen ihres allgemeinen Sicherstellungsauftrages wird die Beklagte dies ggf. bei Auslaufen der Ermächtigung zu prüfen haben und, sollte die Klägerin einen weiteren Antrag stellen, über die dann möglicherweise erteilte Zweigpraxisgenehmigung die Zulassungsgremien informieren. Solange aber eine Ermächtigung besteht ist deren Umfang in die Prüfung einzubeziehen, welche Leistungen bereits vor Ort erbracht werden. Von daher ist der Kammer nicht ersichtlich, dass die handchirurgischen Leistungen nicht ausreichend und in vollem Umfang nicht bereits in FO. erbracht werden.
Für die übrigen von der Klägerin angeführten Leistungen besteht aber, wie die Beklagte im Einzelnen dargelegt hat, eine ausreichende Versorgung in FO ... Dies hat die Klägerin nicht substantiiert widerlegt.
Nach allem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Zweigpraxis in FO ...
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt (Rhön). Sie besteht aus einem Facharzt für Orthopädie und drei Fachärzten für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie. Dr. med. D ist ferner berechtigt, die Schwerpunktbezeichnung Handchirurgie zu führen.
Die Klägerin beantragte am 09.03.2007 die Genehmigung einer Zweigpraxis in FO ... Sie trug vor, die Versorgung in FO. sei aufgrund der dort vorhandenen drei Chirurgensitze eingeschränkt. Sie hätte einen Patientenzustrom in ihre Praxis auch aus dem Raum FO ... Sie sei von niedergelassenen Neurologen darauf hingewiesen worden, dass viele nicht gut gehfähige Patienten bzw. Patienten ohne Fahrgelegenheit Schwierigkeiten hätten, in ihre Praxis zu kommen, um dort notwendige Behandlungen und auch Operationen zu erhalten. Mit der Zweigpraxis bestehe die Möglichkeit, in FO. Voruntersuchungen vorzunehmen und dort auch die Nachbehandlungen durchführen zu können. Die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten an ihrem Hauptsitz sei nicht beeinträchtigt, da sie mit drei Chirurgen und einem Orthopäden die Behandlung vor Ort gewährleisten könne. Sie wolle die Praxis in FO. anteilig besetzen. Als Sprechstundenzeit plane sie montags bis freitags von 9:00 Uhr bis 13:00 Uhr und Montag, Dienstag, Donnerstag von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr. Sie spreche sich auch gegen eine Sonderzulassung eines Chirurgen in Y. aus, da sie auch Y.er Patienten übernehmen könne. Eine Sonderbedarfszulassung eines Chirurgen in FO. sei nicht notwendig, da sie bereits eine Zweigpraxisgenehmigung beantragt habe.
Herr Dr. med. E , Facharzt für Chirurgie und Kinderchirurgie mit Praxissitz in FO., erklärte unter Datum vom 30.03.2007, er sei mit einer Genehmigung einer Zweigpraxis in FO. nicht einverstanden. Auch Dr. F sprach sich für die Gemeinschaftspraxis Dr. G und Kollegen, FO., gegen eine Genehmigung aus. In diesem Sinne äußerte sich auch der Chirurg H für die Gemeinschaftspraxis H/Dr. H.
Mit Bescheid vom 14.05.2007 wies die Beklagte den Antrag auf Genehmigung zur Durchführung einer Zweigpraxis in FO. ab. Im Bescheid führte sie aus, eine Verbesserung der Versorgungssituation werde nicht gesehen, da der Planungsbereich "Landkreis FO." wegen Überschreitung der Höchstversorgungsgrenze von 110% von Chirurgen gesperrt sei und deshalb von einer ausreichenden chirurgischen Versorgung im Planungsbereich ausgegangen werden könne. Darüber hinaus sei auf Anfrage von den niedergelassenen Chirurgen in FO. mitgeteilt worden, dass der chirurgische Versorgungsbedarf vor Ort problemlos durch diese abgedeckt werden könne. Eine Wohnortanalyse der Patienten der Klägerin aus dem Quartal I/07 habe ergeben, dass lediglich 109 Patienten aus FO. behandelt worden seien, das entspreche 5,08% der Gesamtfallzahl. Die Entfernung zwischen FO. und A-Stadt betrage ca. 27 Kilometer, rund 30 Auto-Minuten. Es bestehe zwischen FO. und A-Stadt eine Bahnlinie, auf der Züge stündlich in beide Richtungen verkehrten. Die Fahrzeit betrage ca. 40 Minuten. Die zu bewältigende Wegstrecke von FO. nach A-Stadt dürfe somit für die Patienten zumutbar sein.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.06.2007 Widerspruch ein. Sie führte aus, eine handchirurgische Versorgung sei in FO. nur eingeschränkt möglich und sie sei mehrfach von Neurologen aufgefordert worden, eine Zweigpraxis in FO. zu errichten. Bei den Praxen in FO. handele es sich um eine gefäßchirurgisch und eine unfallorthopädisch orientierte Praxis. Proktologische Maßnahmen, Hämorrhoiden-Operationen und Leistenhernien-Operationen würden nicht durchgeführt werden. Es gehe auch um das Einzugsgebiet in FO., dies betreffe die Ortschaften XX., YY., ZZ. und andere. Von diesen Ortschaften müsse man zunächst nach FO. fahren, um dann weiter mit dem Zug nach A Stadt zu kommen. Das bedeute Wegstrecken von mindestens 2,5 Stunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2007, der Klägerin am 23.10. zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Vorhaben sei als Zweigpraxis anzusehen, da in FO. die gleichen Leistungen wie am Hauptsitz der Praxis in A-Stadt erbracht werden sollten und die Patienten auch nicht zunächst in A-Stadt einen ersten Kontakt aufnehmen sollten. Von einer Verbesserung der Versorgungssituation sei dann auszugehen, wenn eine Bedarfslücke bestehe, die zwar nicht unbedingt geschlossen werden müsse, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation herbeiführe. Den Patienten eine größere Auswahl unter den Ärzten zur Verfügung zu stellen, reiche nicht aus. Es müssten auch nicht alle ärztlichen Leistungen in jedem Ort angeboten werden. Entfernungen von mehreren Kilometern bis zur nächsten Praxis seien zumutbar. Es seien auch Bedarfsgesichtspunkte zu berücksichtigen und es komme auf die Versorgung im Planungsbereich an. Die gesetzliche Neufassung habe zum Ziel, dass Ärzte in mit medizinischen Leistungen strukturell schwächer versorgten Gebieten unter erleichterten Bedingungen eine Zweigpraxis eröffnen könnten. Auf diese Weise soll in allen Gebieten eine möglichst gleichmäßige vertragsärztliche Versorgung gewährleistet werden. Es entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers, uneingeschränkt Zweigpraxen in bereits medizinisch überversorgten Gebieten zuzulassen. Eine Versorgungsverbesserung könne vorliegen, wenn am Ort der Zweigpraxis spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden angeboten würden, die bisher im Umkreis der geplanten Zweigpraxis von keiner anderen Praxis angeboten würden oder am Ort der Zweigpraxis ein Versorgungsengpass (partielle Unterversorgung) bestehe. In FO. seien drei Chirurgen niedergelassen. Ein Orthopäde in FO. besitze die Zusatzbezeichnung "Handchirurgie". Eingriffe an Extremitäten und Proktologische Eingriffe würden auch von den in FO. niedergelassenen Chirurgen durchgeführt werden. Die Wohnortanalyse habe ergeben, dass im Quartal I/07 nur etwa 5,08% Patienten aus FO. in der Praxis der Klägerin behandelt würden. ZZ. als Stadtteil der Stadt FO. sei bei ihrer Erhebung bereits berücksichtigt worden. Aus XX. seien 68 Patienten und aus QQ. insgesamt, von dessen 10 Stadtteilen YY. einer sei, 22 Patienten registriert worden, so dass sich an dem Ergebnis des geringen Patientenaufkommens nicht ändere. Die Chirurgen vor Ort hätten auch auf Anfrage mitgeteilt, dass sich der chirurgische Versorgungsbedarf problemlos durch sie abdecken lasse. Die Klägerin könne auch eine ortsübergreifende Gemeinschaftspraxis errichten.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.11.2007 die Klage erhoben. Sie trägt vor, in der Zweigpraxis wolle sie handchirurgische Versorgung (einschließlich berufsgenossenschaftlicher Behandlungen) einschließlich Chirurgie der peripheren Nerven an den oberen Extremitäten, unfallchirurgische sowie orthopädische Versorgung einschließlich ambulant durchzuführender Operationen einschließlich ambulante Hernienchirurgie sowie ambulante proktologische Chirurgie erbringen. Gegen eine ausreichende Versorgung in FO. spreche die Tatsache, dass kurze Zeit nach der Ablehnung ihres Antrags ein Antrag auf Sonderbedarfszulassung in FO. gestellt worden sei, der mit der Praxis Dr. H in Kooperation tätig werden möchte. Eine Versorgungsverbesserung sei jedenfalls in der ortsnäheren Leistungserbringung spezieller Leistungen zu sehen. Gleiches gelte, wenn die Voraussetzungen für eine Sonderbedarfszulassung vorlägen. In FO. bestünden auch Ermächtigungen und zwar genau in den orthopädisch/chirurgisch/unfall- und handchirurgischen Bereichen, die sie in ihrer Zweigpraxis anbieten wolle. Es handele sich um Privatdozenten Dr. I vom Klinikum FO., im Bereich Visceralchirurgie, um Herrn Dr. NK. im Bereich Gefäßchirurgie und Herrn Dr. NQ. im Bereich der Schulterchirurgie und Sporttraumatologie, Dr. J im Bereich der Handchirurgie und Chirurgie der peripheren Nerven an den oberen Extremitäten, Herr Privatdozent Dr. VK. vom IT.Krankenhaus um Bereich der ambulanten Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung in der Chirurgie und Herrn Prof. Dr. ZU. vom Klinikum FO., im Bereich Unfallchirurgie – konsiliarische Beratung von Chirurgen und Orthopäden sowie Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zur Erteilung des konsiliarischen Rates erforderlich seien. Das Gesundheitsnetz Osthessen habe sich in einer Stellungnahme vom 17.12.2007 für die Genehmigung ausgesprochen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 14.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2007 die Beklagte zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag auf Genehmigung einer Zweigpraxis in FO. neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Verweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid im Übrigen ergänzend vor, eine Bedarfslücke bestehe nicht. Eingriffe an den Extremitäten sowie proktologische Eingriffe würden auch durch Niedergelassene in FO. ausgeführt werden. Bei dem Gesundheitsnetz Osthessen handele es sich um einen eingetragenen Verein und um einen freiwilligen Zusammenschluss von Ärzten der Region. Es gebe derzeit für den orthopädischen/unfall- und handchirurgischen Bereich sechs Ermächtigungen in FO ... Aufgrund der guten Versorgungssituation seien diese auf bestimmte Krankheitsbilder und besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie auf fachgleiche Überweisungen eingeschränkt worden. Eine Ermächtigung werde zum 01.07.2008 ablaufen. Eine erneute Anfrage bei den Chirurgen habe ergeben, dass diese sowohl Leistungen im Rahmen der Allgemein- als auch Unfallchirurgie vollumfänglich erbringen könnten. Ein Orthopäde mit der Zusatzbezeichnung Handchirurgie stelle die handchirurgische Versorgung sicher. In einer neurochirurgischen Praxis würden ausschließlich ambulante Operationen zur Dekompensation von Nervenengpässen behandelt werden. Der Antrag auf Sonderbedarfszulassung für einen Chirurgen sei nach einer negativen Stellungnahme ihrerseits vom Zulassungsausschuss abgelehnt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2007 ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin über ihren Antrag auf Genehmigung einer Zweigpraxis in FO. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Klage war daher abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2007 ist rechtmäßig.
Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragszahnarztsitz). Der Vertragsarzt muss am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten. Er hat seine Wohnung so zu wählen, dass er für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht. Vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten sind zulässig, wenn und soweit
1. dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und
2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragszahnarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Sofern die weiteren Orte im Bezirk der Kassenzahnärztlichen Vereinigung liegen, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, hat er bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Anspruch auf vorherige Genehmigung durch seine Kassenärztliche Vereinigung (§ 24 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 u. 2 Zahnärzte-ZV i.d.F. d. VÄndG).
Mit der Versorgungsverbesserung werden geringere Bedarfsanforderungen als nach § 15a BMV-Ä/§ 15a EKV-Ä a. F., nach dem die Genehmigung zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung erforderlich sein musste, gestellt. Statt einer "Erforderlichkeit" reicht nunmehr eine "Verbesserung" aus. Damit scheiden auch Sicherstellungsanforderungen i.S.d. § 116 SGB V aus. "Verbesserung" ist wenigstens in dem Sinne zu verstehen, dass eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt ("Erforderlichkeit") geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation am Ort der Zweigpraxis herbeiführt (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 7001/06 – juris Rn. 55). Die Interessen anderer, bereits niedergelassener Vertragsärzte sind nicht zu berücksichtigen. Sie sind nur mittelbar über die Prüfung der "Bedarfslücke" von Bedeutung, da eine Versorgungsverbesserung nur eintreten kann, wenn die örtlichen Leistungserbringer das Leistungsangebot des Zweigpraxisbewerbers nicht oder nicht im erwünschten Umfang erbringen können.
Ob eine Versorgungsverbesserung vorliegt, hängt ähnlich der weiteren Bedarfsdeckung durch eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung von verschiedenen Faktoren ab (z. B. der Anzahl der Ärzte, dem Stand der Krankenhausversorgung, der Bevölkerungsdichte, von Art und Umfang der Nachfrage und von der räumlichen Zuordnung aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb bereits der nach altem Recht allein zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BSG v. 20.12.1995 - 6 RKa 55/94 - juris Rn. 17 f. - BSGE 77, 188 = SozR 3-2500 § 75 Nr. 7). Dies gilt auch für die nach § 24 Abs. 3 Satz 2 u. 3 Ärzte-ZV zuständigen Gremien. Im Fall einer Unterversorgung dürfte eine Zweigpraxis regelmäßig zur Versorgungsverbesserung beitragen, es sei denn, dass gerade am Sitz der Zweigpraxis eine ausreichende Versorgung besteht.
Es kann aber nicht darauf abgestellt werden, dass jede weitere Eröffnung einer Praxis bzw. Zweigpraxis das Versorgungsangebot unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert". Hätte der Gesetzgeber dies unterstellt bzw. gewollt, so hätte er von weiteren Bedarfsgesichtspunkten abgesehen. Der Gesetzgeber hat es ferner bei der Grundentscheidung für die Bedarfsplanung belassen, dass maßgebend die Versorgung im Planungsbereich ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, soweit es auf Entfernungen ankommt, den Versicherten jedenfalls Wege von mehreren Kilometern zumutbar sind. In überversorgten großstädtischen Planungsbereichen ist von einer ausreichenden Versorgung auszugehen. Auch in den Randbezirken einer Großstadt besteht eine hinreichende Verdichtung und Verkehrsvernetzung, die das Aufsuchen eines Vertragsarztes in benachbarten Stadtteilen ermöglicht. Es kann nicht auf die Anhaltszahlen nach den BedarfsplRL-Ä, die z.B. von Verhältniszahlen unter 2.000 Bewohnern für einen Vertragsarztsitz im hausärztlichen Bereich ausgehen (vgl. Anlagen 4.1 bis 4.3 BedarfsplRL-Ä), abgestellt werden, da diese Anhaltszahlen lediglich für die Bedarfsdeckung eines gesamten Planungsbereiches heranzuziehen sind (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 7001/06 – juris Rn. 55 f.).
Für die Beurteilung, welche Entfernungen für die Versicherten noch zumutbar sind, kann auf die Rechtsprechung zu Ermächtigungen – bei überversorgten Planungsbereichen insb. zu einem sog. qualitativ-speziellen Bedarf - und Sonderbedarfszulassungen zurückgegriffen werden. Je spezieller das Leistungsangebot ist, desto größere Entfernungen sind den Versicherten zumutbar; bei normalerweise ortsnaher Leistungserbringung ist von geringeren Entfernungen auszugehen. So begründen nach Auffassung des BSG für Leistungen, die üblicherweise ortsnah erbracht werden, wie dies bei MRT-Leistungen der Fall sei, seitdem diese zum Standard radiologischer Diagnostik gehörten, Entfernungen von im konkreten Fall mehr als 25 km zu anderen Standorten benachbarter Planungsbereiche einen Ermächtigungsbedarf (vgl. BSG v. BSG v. 19.07.2006 - B 6 KA 14/05 R – juris Rn. 19 - GesR 2007, 71 = MedR 2007, 127). Allerdings liegt gerade in der ortsnäheren Leistungserbringung spezieller Leistungen eine Verbesserung der Versorgung. Liegen die Voraussetzungen für eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung vor, so dient die Zweigpraxis immer einer Verbesserung der Versorgung. Im Umkehrschluss kann aber die Genehmigung nicht versagt werden, da die Anspruchsvoraussetzungen geringer sind.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist von einer Versorgungsverbesserung in FO. durch die Zweigpraxis der Klägerin nicht auszugehen. Die Klägerin trägt vor, in der Zweigpraxis wolle sie handchirurgische Versorgung (einschließlich berufsgenossenschaftlicher Behandlungen) einschließlich Chirurgie der peripheren Nerven an den oberen Extremitäten, unfallchirurgische sowie orthopädische Versorgung einschließlich ambulant durchzuführender Operationen einschließlich ambulante Hernienchirurgie sowie ambulante proktologische Chirurgie erbringen. Soweit die Klägerin dabei nur den Patienten, die sie in ihrem Praxissitz ambulant operieren, die Wege zur Voruntersuchung und Nachsorge erleichtern wollen, so liegt darin noch keine Versorgungsverbesserung. Insofern bleibt es den Versicherten überlassen, ob sie im Rahmen der freien Arztwahl längere Wege auf sich nehmen. Tun sie dies, hat also eine Vertragsarztpraxis einen regional "größeren" Einzugsbereich, so folgt daraus kein Anspruch auf eine Zweigpraxisgenehmigung. Auch liegt nicht in der bloßen Vermehrung der vertragsärztlichen Leistungserbringer vor Ort im Hinblick auf die Freiheit der Arztwahl eine Versorgungsverbesserung.
Ein besonderer Bedarf ist für FO. auch nicht durch eine Sonderbedarfszulassung nachgewiesen, da eine solche für den chirurgischen Bereich nicht erteilt wurde. Soweit die Ermächtigungen auf einen Bedarf hinweisen, der durch die niedergelassenen Ärzte nicht in ausreichendem Maße gedeckt ist, so gilt dies allenfalls für die Ermächtigung des Dr. J. Die übrigen Ärzte wurden nur eingeschränkt durch einen sog. Facharztfilter bzw. zur Vor- und Nachsorge stationärer Patienten ermächtigt. Demgegenüber wurde Dr. J nach dem insoweit von der Beklagten nicht widersprochenem Vortrag der Klägerin u. a. zur Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf namentliche Überweisung durch Vertragsärzte auf dem Gebiet der Handchirurgie und Chirurgie periphereren Nerven an den oberen Extremitäten sowie in diesem Zusammenhang intraoperativ notwendige Röntgendiagnostik ermächtigt. Mit der Ermächtigung, die insoweit auch nicht widerrufbar ist, nimmt der ermächtigte Arzt aber an der vertragsärztlichen Versorgung teil und trägt insoweit auch zur Bedarfsdeckung bei. Die Kammer brauchte hier nicht zu entscheiden, ob generell eine Zweigpraxisgenehmigung vorrangig vor einer Ermächtigung zu erteilen ist. Im Rahmen ihres allgemeinen Sicherstellungsauftrages wird die Beklagte dies ggf. bei Auslaufen der Ermächtigung zu prüfen haben und, sollte die Klägerin einen weiteren Antrag stellen, über die dann möglicherweise erteilte Zweigpraxisgenehmigung die Zulassungsgremien informieren. Solange aber eine Ermächtigung besteht ist deren Umfang in die Prüfung einzubeziehen, welche Leistungen bereits vor Ort erbracht werden. Von daher ist der Kammer nicht ersichtlich, dass die handchirurgischen Leistungen nicht ausreichend und in vollem Umfang nicht bereits in FO. erbracht werden.
Für die übrigen von der Klägerin angeführten Leistungen besteht aber, wie die Beklagte im Einzelnen dargelegt hat, eine ausreichende Versorgung in FO ... Dies hat die Klägerin nicht substantiiert widerlegt.
Nach allem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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