Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 3080/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4652/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 14. November 2005 wird abgewiesen.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "RF" und "G" im Wege der Neufeststellung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Bei der am 21.6.1946 geborenen Klägerin war zuletzt mit Bescheid vom 4.11.1983 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vH und als Behinderungen "Harnstauungsniere rechts bei Zustand nach mehreren Nierensteinoperationen, rezidivierende Pyelonephritiden und Nierensteinleiden, Harnleiterverengung (Einzel-MdE 30), Veränderungen der Wirbelsäule und der Schultergelenke (Einzel-MdE 30), depressiver Verstimmungszustand (Einzel-MdE 20)" bestandskräftig festgestellt worden. Mehrere danach gestellte Neufeststellungsanträge blieben erfolglos.
Den streitgegenständlichen Neufeststellungsantrag stellte die Klägerin am 27.12.2000.
Mit Bescheid vom 10.9.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2002 stellte der Beklagte einen GdB von 60 bei den Funktionsbeeinträchtigungen "Nierenerkrankung, Nierensteinleiden (Einzel-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (Einzel-GdB 30), Depression (Einzel-GdB 20), Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Einzel-GdB 20)" fest und lehnte die Zuerkennung der Merkzeichen "RF" und "G" ab.
Dagegen hat die Klägerin am 22.11.2002 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Feststellung eines GdB von 80 und Zuerkennung der streitgegenständlichen Merkzeichen weiterverfolgt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 23/25, 35/54, 72/78 und 79/80 der SG-Akte Bezug genommen).
Ein daraufhin vom Beklagten unterbreitetes Vergleichsangebot (GdB 70 ab Juli 2004 ohne Merkzeichen) bei den Funktionsbeeinträchtigungen "Nierenerkrankung, Nierensteinleiden (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (Teil-GdB 30), seelische Störung (Teil-GdB 30), Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenkes (Teil-GdB 30)" (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 85/87 und 114/115 der SG-Akte) ist von der Klägerin nicht angenommen worden.
Das SG hat den Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.9.2005 durch Urteil vom selben Tag unter Abänderung seiner Bescheide und Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 70 seit dem 30.4.2003 festzustellen und der Klägerin ein Fünftel von deren außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Es hat unter Darstellung der für die GdB-Feststellung/Zuerkennung der Merkzeichen maßgebenden Rechtsvorschriften sowie der entsprechenden Ausführungen in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) und unter Hinweis auf § 48 SGB X entschieden, dass bei der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule von einem Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom (letzteres mit durchschnittlich sensorischem Schmerzempfinden und guter Entfaltbarkeit, bei jeweils fehlenden sensomotorischen Defiziten) und damit von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten auszugehen sei, die mit einem Teil-GdB von 30 zutreffend bewertet seien. Im Bereich der Kniegelenke bestünde eine Beeinträchtigung lediglich im rechten Knie, die entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung bereits seit dem 30.4.2003 bestehe. Insoweit bestehe zwar keine - GdB-relevante - Bewegungseinschränkung, es lägen aber dritt- bis viertgradige schmerzhafte Knorpelschäden sowie eine Fehlhaltung vor. Nach Ziff. 26.18 der AHP sei insoweit ein Einzel-GdB von 30 anzusetzen. Bei beidseits freier Beweglichkeit der Hüftgelenke und freier Beweglichkeit des rechten Schultergelenks bestehe insoweit nach Ziff. 26.18 der AHP kein Teil-GdB von wenigstens 10. Bei der Klägerin liege zwar eine Fußdeformität beidseits in Form eines Senk-Spreiz-Fußes mit Hallux valgus vor, diese habe aber keine wesentlichen statischen Auswirkungen und bedinge damit nach Ziff. 26.18 der AHP keinen Teil-GdB. Eine Polyarthritis i. S. einer gleichzeitigen Entzündung an mindestens fünf Gelenken bestehe bei der Klägerin nicht. Die Behinderung "Nierenerkrankung, Nierensteinleiden" sei nach Ziff. 26.12 der AHP höchstens mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten, zumal weder eine Funktionseinschränkung noch eine Schrumpfung gegeben sei. Es liege bei der Klägerin zwar ein Bluthochdruckleiden vor, damit seien aber keine Leistungsbeeinträchtigungen verbunden, weshalb hierfür kein Teil-GdB angesetzt werden könne. Demgegenüber bestehe bei der Klägerin eine Angina pectoris mit einem Einzel-GdB von 10 nach Ziff. 26.9 der AHP. Weder lägen aber eine koronare Herzerkrankung noch eine unzureichende Herzfunktion oder Herzrhythmusstörungen vor. Die Funktionsbeeinträchtigung "seelische Störung" sei zutreffend mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten, weil bei der Klägerin von einer stärker behindernden Störung insbesondere mit zahlreichen Ängsten auszugehen sei. Ab dem 30.4.2003 sei in den tatsächlichen Verhältnissen insoweit eine Änderung eingetreten, als der Gesamt-GdB ab diesem Zeitpunkt 70 betrage. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Merkzeichen lägen nicht vor. Entsprechend Ziff. 26.30, 3. Absatz der AHP hätten die auf die Gehfähigkeit sich auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und der Lendenwirbelsäule hier lediglich einen GdB in Höhe von 40 zur Folge. Insoweit sei der Einzel-GdB von 30 für die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenkes zugrundezulegen. Für die Lendenwirbelsäule sei ein isolierter Einzel-GdB von 20 entsprechend mittelgradiger funktioneller Auswirkungen in diesem Wirbelsäulenabschnitt zu berücksichtigen. Für die unteren Gliedmaßen allein betrage der GdB infolge der Beeinträchtigung des rechten Kniegelenkes 30. Auch die Voraussetzungen von Absatz 2 der Ziff. 26.30 der AHP (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) seien nicht erfüllt. Zwar sei die Fortbewegung der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Angaben und der Feststellungen ihres Hausarztes tatsächlich mühevoll und grundsätzlich sei Maßstab für die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung, ob Wegstrecken bis zu 2000 Meter in 30 Minuten zurückgelegt werden könnten. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) - Urteil vom 13.8.1997 im Verfahren 9 RVs 1/96 - sei aber zu berücksichtigen, dass die Wegefähigkeit von verschiedenen Faktoren (z. B. auch vom Trainingszustand und vom Willen) abhänge und deren Beurteilung nicht allein auf die Einschätzung eines - auch begutachtenden - Arztes gestützt werden dürfe. Vielmehr sei ein Vergleich mit den in Ziff. 26. 30 (Absatz 3) aufgeführten Regelbeispielen erforderlich. Im Fall der Klägerin sei weder unter Berücksichtigung der Funktionsbehinderung im Bereich des rechten Kniegelenkes und im Lendenwirbelsäulenbereich noch der aufgetretenen Stenokardien eine entsprechende Vergleichbarkeit gegeben. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" lägen ebenfalls nicht vor. Mindestens mit Hilfe von Krücken oder auch unter Einsatz eines Rollstuhles sei die Klägerin in der Lage, in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 7.10.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.10.2005 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Der Beklagte hat das Urteil durch Bescheid vom 14.11.2005 ausgeführt.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Urologe Dr. E. vom Klinikum Pforzheim hat in seiner Aussage vom 7.3.2006 den vom Beklagten für sein Fachgebiet angenommenen Einzel-GdB bestätigt und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Merkzeichen verneint. Der Internist, Nephrologe und Kardiologe Dr. Engels hat unter dem 17.5.2006 aus kardiologischer Sicht keine Funktionseinschränkungen des Herzens und damit keine Behinderungen gesehen. Schließlich hat Prof. Dr. W., Ärztlicher Leiter der Orthopädischen Universitätsklinik Tübingen, in seinem Bericht vom 20.4.2006 hinsichtlich des rechten Kniegelenkes über eine nach zwischenzeitlich durchgeführter Operation deutlich rückläufige Beschwerdesymptomatik berichtet. Die Klägerin sei postoperativ mit dem Operationsergebnis insgesamt sehr zufrieden gewesen. Bei der letztmaligen Vorstellung habe die Klägerin über neu aufgetretene Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenkes berichtet. Diesbezüglich ist aus beigefügten Arztbriefen zu entnehmen, dass röntgenologisch linksseitig eine allenfalls beginnende Arthrose mit medial betonter Gelenkspaltverschmälerung ohne wesentliche osteophytäre Randausziehungen festgestellt worden ist.
Unter Hinweis auf das Ergebnis dieser Arztbefragung hat der Senat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 14.7.2006 abgelehnt. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. September 2005 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2002 und Abänderung des Bescheides vom 14. November 2005 zu verurteilen, einen GdB von 80 festzustellen und die Merkzeichen "RF" sowie "G" zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 14. November 2005 abzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 70 und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Merkzeichen liegen nicht vor. Eine wesentliche Änderung, die einen höheren GdB rechtfertigen würde, ist nicht eingetreten.
Nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens ist auch der Ausführungsbescheid des Beklagten vom 14.11.2005, über den der Senat auf Klage entscheidet, die ebenfalls nicht begründet ist.
Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Zu berichtigen ist die Entscheidung des SG insoweit, als die AHP nicht i. d. F. 2005, sondern i. d. F. 2004 anzuwenden sind. Ferner werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden ohne den Zusatz vom Hundert festgestellt.
Die vom Senat durchgeführte Befragung der von der Klägerin benannten behandelnden Ärzte hat hinsichtlich der mit der Berufung in den Vordergrund gerückten Knieprobleme, der Nierenerkrankung und der Probleme von Seiten des Herzens ergeben, dass eine Funktionsbeeinträchtigung des Herzens auszuschließen ist. Hinsichtlich der Nierenerkrankung ist die vom Beklagten und dem SG vorgenommene und mit den AHP in Einklang stehende Einschätzung bestätigt worden. Aus der Auskunft von Prof. Dr. W. ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der für die Funktionsbehinderung des - rechten - Kniegelenkes bisher angesetzte Teil-GdB von 30 zu Ungunsten der Klägerin unrichtig ist. Vielmehr legt die von Prof. Dr. W. beschriebene deutlich rückläufige Beschwerdesymptomatik und das als sehr zufriedenstellend beschriebene Operationsergebnis den Schluss nahe, dass es insoweit zu einer entscheidenden Besserung gekommen ist. Bei allenfalls beginnender schmerzhafter Arthrose des linken Kniegelenkes kann damit jedenfalls auch für die Kniegelenke insgesamt unter Berücksichtigung von Ziff. 26.18 der AHP kein höherer Teil-GdB als 30 angenommen werden.
Anhaltspunkte dafür, dass im Bereich der sonstigen bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen eine wesentliche Änderung eingetreten wäre oder die insoweit angesetzten Teil-GdB-Werte unzutreffend wären, sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ersichtlich.
Bereits das SG hat mit zutreffender Begründung die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Merkzeichen verneint. Vor dem Hintergrund der insoweit hauptsächlich maßgebenden Kniegelenksproblematik rechts und der diesbezüglich geschilderten deutlich rückläufigen Beschwerdesymptomatik ist dem aus der Sicht des Senats nichts hinzuzufügen.
Ergänzend nimmt der Senat auch noch auf die Gründe seines die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses vom 14.7.2006 Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "RF" und "G" im Wege der Neufeststellung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Bei der am 21.6.1946 geborenen Klägerin war zuletzt mit Bescheid vom 4.11.1983 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vH und als Behinderungen "Harnstauungsniere rechts bei Zustand nach mehreren Nierensteinoperationen, rezidivierende Pyelonephritiden und Nierensteinleiden, Harnleiterverengung (Einzel-MdE 30), Veränderungen der Wirbelsäule und der Schultergelenke (Einzel-MdE 30), depressiver Verstimmungszustand (Einzel-MdE 20)" bestandskräftig festgestellt worden. Mehrere danach gestellte Neufeststellungsanträge blieben erfolglos.
Den streitgegenständlichen Neufeststellungsantrag stellte die Klägerin am 27.12.2000.
Mit Bescheid vom 10.9.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2002 stellte der Beklagte einen GdB von 60 bei den Funktionsbeeinträchtigungen "Nierenerkrankung, Nierensteinleiden (Einzel-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (Einzel-GdB 30), Depression (Einzel-GdB 20), Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Einzel-GdB 20)" fest und lehnte die Zuerkennung der Merkzeichen "RF" und "G" ab.
Dagegen hat die Klägerin am 22.11.2002 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Feststellung eines GdB von 80 und Zuerkennung der streitgegenständlichen Merkzeichen weiterverfolgt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 23/25, 35/54, 72/78 und 79/80 der SG-Akte Bezug genommen).
Ein daraufhin vom Beklagten unterbreitetes Vergleichsangebot (GdB 70 ab Juli 2004 ohne Merkzeichen) bei den Funktionsbeeinträchtigungen "Nierenerkrankung, Nierensteinleiden (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (Teil-GdB 30), seelische Störung (Teil-GdB 30), Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenkes (Teil-GdB 30)" (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 85/87 und 114/115 der SG-Akte) ist von der Klägerin nicht angenommen worden.
Das SG hat den Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.9.2005 durch Urteil vom selben Tag unter Abänderung seiner Bescheide und Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 70 seit dem 30.4.2003 festzustellen und der Klägerin ein Fünftel von deren außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Es hat unter Darstellung der für die GdB-Feststellung/Zuerkennung der Merkzeichen maßgebenden Rechtsvorschriften sowie der entsprechenden Ausführungen in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) und unter Hinweis auf § 48 SGB X entschieden, dass bei der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule von einem Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom (letzteres mit durchschnittlich sensorischem Schmerzempfinden und guter Entfaltbarkeit, bei jeweils fehlenden sensomotorischen Defiziten) und damit von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten auszugehen sei, die mit einem Teil-GdB von 30 zutreffend bewertet seien. Im Bereich der Kniegelenke bestünde eine Beeinträchtigung lediglich im rechten Knie, die entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung bereits seit dem 30.4.2003 bestehe. Insoweit bestehe zwar keine - GdB-relevante - Bewegungseinschränkung, es lägen aber dritt- bis viertgradige schmerzhafte Knorpelschäden sowie eine Fehlhaltung vor. Nach Ziff. 26.18 der AHP sei insoweit ein Einzel-GdB von 30 anzusetzen. Bei beidseits freier Beweglichkeit der Hüftgelenke und freier Beweglichkeit des rechten Schultergelenks bestehe insoweit nach Ziff. 26.18 der AHP kein Teil-GdB von wenigstens 10. Bei der Klägerin liege zwar eine Fußdeformität beidseits in Form eines Senk-Spreiz-Fußes mit Hallux valgus vor, diese habe aber keine wesentlichen statischen Auswirkungen und bedinge damit nach Ziff. 26.18 der AHP keinen Teil-GdB. Eine Polyarthritis i. S. einer gleichzeitigen Entzündung an mindestens fünf Gelenken bestehe bei der Klägerin nicht. Die Behinderung "Nierenerkrankung, Nierensteinleiden" sei nach Ziff. 26.12 der AHP höchstens mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten, zumal weder eine Funktionseinschränkung noch eine Schrumpfung gegeben sei. Es liege bei der Klägerin zwar ein Bluthochdruckleiden vor, damit seien aber keine Leistungsbeeinträchtigungen verbunden, weshalb hierfür kein Teil-GdB angesetzt werden könne. Demgegenüber bestehe bei der Klägerin eine Angina pectoris mit einem Einzel-GdB von 10 nach Ziff. 26.9 der AHP. Weder lägen aber eine koronare Herzerkrankung noch eine unzureichende Herzfunktion oder Herzrhythmusstörungen vor. Die Funktionsbeeinträchtigung "seelische Störung" sei zutreffend mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten, weil bei der Klägerin von einer stärker behindernden Störung insbesondere mit zahlreichen Ängsten auszugehen sei. Ab dem 30.4.2003 sei in den tatsächlichen Verhältnissen insoweit eine Änderung eingetreten, als der Gesamt-GdB ab diesem Zeitpunkt 70 betrage. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Merkzeichen lägen nicht vor. Entsprechend Ziff. 26.30, 3. Absatz der AHP hätten die auf die Gehfähigkeit sich auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und der Lendenwirbelsäule hier lediglich einen GdB in Höhe von 40 zur Folge. Insoweit sei der Einzel-GdB von 30 für die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenkes zugrundezulegen. Für die Lendenwirbelsäule sei ein isolierter Einzel-GdB von 20 entsprechend mittelgradiger funktioneller Auswirkungen in diesem Wirbelsäulenabschnitt zu berücksichtigen. Für die unteren Gliedmaßen allein betrage der GdB infolge der Beeinträchtigung des rechten Kniegelenkes 30. Auch die Voraussetzungen von Absatz 2 der Ziff. 26.30 der AHP (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) seien nicht erfüllt. Zwar sei die Fortbewegung der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Angaben und der Feststellungen ihres Hausarztes tatsächlich mühevoll und grundsätzlich sei Maßstab für die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung, ob Wegstrecken bis zu 2000 Meter in 30 Minuten zurückgelegt werden könnten. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) - Urteil vom 13.8.1997 im Verfahren 9 RVs 1/96 - sei aber zu berücksichtigen, dass die Wegefähigkeit von verschiedenen Faktoren (z. B. auch vom Trainingszustand und vom Willen) abhänge und deren Beurteilung nicht allein auf die Einschätzung eines - auch begutachtenden - Arztes gestützt werden dürfe. Vielmehr sei ein Vergleich mit den in Ziff. 26. 30 (Absatz 3) aufgeführten Regelbeispielen erforderlich. Im Fall der Klägerin sei weder unter Berücksichtigung der Funktionsbehinderung im Bereich des rechten Kniegelenkes und im Lendenwirbelsäulenbereich noch der aufgetretenen Stenokardien eine entsprechende Vergleichbarkeit gegeben. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" lägen ebenfalls nicht vor. Mindestens mit Hilfe von Krücken oder auch unter Einsatz eines Rollstuhles sei die Klägerin in der Lage, in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 7.10.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.10.2005 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Der Beklagte hat das Urteil durch Bescheid vom 14.11.2005 ausgeführt.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Urologe Dr. E. vom Klinikum Pforzheim hat in seiner Aussage vom 7.3.2006 den vom Beklagten für sein Fachgebiet angenommenen Einzel-GdB bestätigt und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Merkzeichen verneint. Der Internist, Nephrologe und Kardiologe Dr. Engels hat unter dem 17.5.2006 aus kardiologischer Sicht keine Funktionseinschränkungen des Herzens und damit keine Behinderungen gesehen. Schließlich hat Prof. Dr. W., Ärztlicher Leiter der Orthopädischen Universitätsklinik Tübingen, in seinem Bericht vom 20.4.2006 hinsichtlich des rechten Kniegelenkes über eine nach zwischenzeitlich durchgeführter Operation deutlich rückläufige Beschwerdesymptomatik berichtet. Die Klägerin sei postoperativ mit dem Operationsergebnis insgesamt sehr zufrieden gewesen. Bei der letztmaligen Vorstellung habe die Klägerin über neu aufgetretene Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenkes berichtet. Diesbezüglich ist aus beigefügten Arztbriefen zu entnehmen, dass röntgenologisch linksseitig eine allenfalls beginnende Arthrose mit medial betonter Gelenkspaltverschmälerung ohne wesentliche osteophytäre Randausziehungen festgestellt worden ist.
Unter Hinweis auf das Ergebnis dieser Arztbefragung hat der Senat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 14.7.2006 abgelehnt. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. September 2005 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2002 und Abänderung des Bescheides vom 14. November 2005 zu verurteilen, einen GdB von 80 festzustellen und die Merkzeichen "RF" sowie "G" zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 14. November 2005 abzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 70 und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Merkzeichen liegen nicht vor. Eine wesentliche Änderung, die einen höheren GdB rechtfertigen würde, ist nicht eingetreten.
Nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens ist auch der Ausführungsbescheid des Beklagten vom 14.11.2005, über den der Senat auf Klage entscheidet, die ebenfalls nicht begründet ist.
Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Zu berichtigen ist die Entscheidung des SG insoweit, als die AHP nicht i. d. F. 2005, sondern i. d. F. 2004 anzuwenden sind. Ferner werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden ohne den Zusatz vom Hundert festgestellt.
Die vom Senat durchgeführte Befragung der von der Klägerin benannten behandelnden Ärzte hat hinsichtlich der mit der Berufung in den Vordergrund gerückten Knieprobleme, der Nierenerkrankung und der Probleme von Seiten des Herzens ergeben, dass eine Funktionsbeeinträchtigung des Herzens auszuschließen ist. Hinsichtlich der Nierenerkrankung ist die vom Beklagten und dem SG vorgenommene und mit den AHP in Einklang stehende Einschätzung bestätigt worden. Aus der Auskunft von Prof. Dr. W. ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der für die Funktionsbehinderung des - rechten - Kniegelenkes bisher angesetzte Teil-GdB von 30 zu Ungunsten der Klägerin unrichtig ist. Vielmehr legt die von Prof. Dr. W. beschriebene deutlich rückläufige Beschwerdesymptomatik und das als sehr zufriedenstellend beschriebene Operationsergebnis den Schluss nahe, dass es insoweit zu einer entscheidenden Besserung gekommen ist. Bei allenfalls beginnender schmerzhafter Arthrose des linken Kniegelenkes kann damit jedenfalls auch für die Kniegelenke insgesamt unter Berücksichtigung von Ziff. 26.18 der AHP kein höherer Teil-GdB als 30 angenommen werden.
Anhaltspunkte dafür, dass im Bereich der sonstigen bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen eine wesentliche Änderung eingetreten wäre oder die insoweit angesetzten Teil-GdB-Werte unzutreffend wären, sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ersichtlich.
Bereits das SG hat mit zutreffender Begründung die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Merkzeichen verneint. Vor dem Hintergrund der insoweit hauptsächlich maßgebenden Kniegelenksproblematik rechts und der diesbezüglich geschilderten deutlich rückläufigen Beschwerdesymptomatik ist dem aus der Sicht des Senats nichts hinzuzufügen.
Ergänzend nimmt der Senat auch noch auf die Gründe seines die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses vom 14.7.2006 Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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