Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 80/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 75/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit kann dann vorliegen, wenn die Praxis einen zur Fachgruppe atypischen Versorgungsbedarf abdeckt. In diesem Fall ist eine Ermessensentscheidung über eine Ausnahme zu den Regelleistungsvolumina zu treffen. Es ist unzulässig, einen Vertragsarzt von vornherein darauf zu verweisen, er könne auf seine Spezialisierung verzichten. Ein Ausnahmefall liegt bei einem fachärztlich tätigen Internisten ebenso wie bei einem hausärztlich tätigen Internisten vor, der fast ausschließlich proktologische Fälle behandelt.
Bemerkung
verb. m. S 12 KA 81/08
1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 und unter Abänderung des Honorarbescheides für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 wird die Beklagte verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag auf Zuerkennung einer Ausnahmeregelung für das Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 des Honorarverteilungsvertrages der Beklagten für die Quartale II/05 bis I/07 und über seinen Honoraranspruch für das Quartal II/05 neu zu bescheiden.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars für das Quartal II/05 sowie um die Zuerkennung einer Ausnahmeregelung für das Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 des Honorarverteilungsvertrages der Beklagten für die Quartale II/05 bis I/07.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin ohne Schwerpunkt mit Praxissitz in A-Stadt seit 02.01.1980 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er führt die seit November 2005 in die Weiterbildungsordnung eingeführte Zusatzbezeichnung Proktologie. Bis zum 30.06.2005 nahm er an der fachärztlichen Versorgung teil. Er führte mit Herrn EX. eine Gemeinschaftspraxis bis zum 01.04.2005, im Quartal II/05 eine Praxisgemeinschaft. Zum 01.07.2005 übernahm er die hausärztlich geführte Praxis des Herrn EX. und gab seinen Facharztsitz an den Gastroenterologen Herrn HB., mit dem er seitdem eine Praxisgemeinschaft führt. Die Beklagte erteilte dem Kläger eine Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen der Ziffer 30600 EBM 2005 (Proktologie) ab dem 01.04.2005 (Bescheid vom 15.06.2005).
In den Quartalen seit dem Quartal II/05 nahm die Beklagte folgende Honorarfestsetzungen vor:
II/05 III/05 IV/05 I/06
Honorarbescheid vom 27.06.2006 11.08.2006 06.08.2007 26.11.2006 19.01.2007
Bruttohonorar PK + EK in EUR 76.149,31 53.263,87 54.983,91 54.876,63 56.858,36
Fallzahl PK + EK 1.000 1.009 1.040 1.103
Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in EUR 67.113,85 96.263,87 93.238,78 103.704,50
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR 67.113,85 96.263,87 93.238,78 103.704,50
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV - - - -
Fallzahlgrenze 1.177 1.183 1.108 285
Aktuelle Fallzahl 988 1.009 1.038 1.100
Anerkennungsfähiges Honorar in Punkten
Quote
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Fallwert 1.127,0 711,7 716,0 715,6
Fallzahl 987 1.009 1.040 1.103
Praxisbezogenes RLV in Punkten 1.112.349 718.105,3 744.640,0 789.306,8
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 1.225.740 1.393.330,0 1.311.775,0 1.485.910,0
Überschreitung in Punkten 113.391 675.224,7 576.135,0 696.603,2
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV
Referenz-Fallzahl 1.163 293 274 268
Referenz-Fallwert EUR 77,8750 70,4743 74,0060 74,7168
Aktueller Fallwert EUR 33,5156 39,3197 39,8860 37,6268
Auffüllbetrag je Fall EUR 40,4656 25,2821 25,2754 31,4525
Auffüllbetrag gesamt in EUR 40.465,60 7.407,66 6.925,47 8.429,26
II/06 III/06 IV/06 I/07
Honorarbescheid vom 03.02.2007 16.03.2007 17.04.2007 17.07.2007
Bruttohonorar PK + EK in EUR 65.749,40 59.066,34 62.742,04 63.413,15
Fallzahl PK + EK 1.235 1.224 1.261 1.386
Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in EUR 101.339,36 105.663,74 105.869.60 114.304,71
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR 101.339,36 94.054,96 105.869.60 99.336,31
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV - - - -
Fallzahlgrenze 1.005 1.026 1.056 1.117
Aktuelle Fallzahl 1.235 1.224 1.261 1.385
Anerkennungsfähiges Honorar in Punkten 1.724.651,2
Quote in % 85,49
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Fallwert 717,9 691,1 704,4 707,1
Fallzahl 1.234 1.079 1.261 1.187
Praxisbezogenes RLV in Punkten 885.888,6 745.696,9 888.248,4 839.225,0
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 1.388.910,0 1.480.110,0 1.466.285,0 1.574.740,0
Überschreitung in Punkten 503.021,4 734.413,1 578.036,6 735.412,3
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV
Referenz-Fallzahl 703 1.009 1.040 1.103
Referenz-Fallwert EUR 55,6376 46,6613 46,5451 45,2690
Aktueller Fallwert EUR 41,6995 34,8219 42,6005 31,3730
Auffüllbetrag je Fall EUR 10,5497 9,5069 1,6174 11,1152
Auffüllbetrag gesamt in EUR 7.416,47 9.592,49 1.682,11 12.260,05
II/07 III/07
Honorarbescheid vom 17.10.2007 17.01.2008
Nettohonorar gesamt in EUR 64.126,15 49.634,70
Bruttohonorar PK + EK in EUR 64.718,13 50.812,07
Fallzahl PK + EK 104.766,01 83.018,48
Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in EUR 104.766,01 83.018,48
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV
Fallzahlgrenze
Aktuelle Fallzahl
Anerkennungsfähiges Honorar in Punkten
Quote in %
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV bzw. § 5 Abs. 3 HVV
Fallwert 699,9 695,8
Fallzahl 1.311 1.058
Praxisbezogenes RLV in Punkten 917.443,0 736.100,0
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 1.423.120,0 1.116.120,0
Überschreitung in Punkten 514.124,9 379.963,6
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV bzw. § 5 Abs. 4 HVV
Referenz-Fallzahl 703 1.009
Referenz-Fallwert EUR 55,6376 46,6613
Aktueller Fallwert EUR 37,4765 34,0857
Auffüllbetrag je Fall EUR 12,3799 8,9669
Auffüllbetrag gesamt in EUR 8.703,07 9.047,56
Mit Schreiben vom 25.02.2006 beantragte der Kläger die Aussetzung bzw. Erweiterung des Regelleistungsvolumens. Die Überschreitung sei Folge der rein proktologischen Ausrichtung, die er auch nach Wechsel in den hausärztlichen Versorgungsbereich beibehalten habe. Er rechne die Ziffern 30600, 30601, 30610 sowie 30611 EBM 2005 ab. Für einen proktologischen Fall benötige er 1.010 Punkte; hinzu kämen die Ordinationsgebühren, Gesprächsleistungen, Berichtspflicht sowie z. T. die Erhebung des Ganzkörperstatus, insgesamt durchschnittlich mindestens 1.500 Punkte. Eine Überweisung scheide aus, weil es in der Umgebung keinen proktologisch tätigen Kollegen gebe. In NU. sei hierfür eine Ermächtigung erteilt worden. Im hausärztlichen Bereich erbrächten lediglich fünf von 2.075 Praxen proktologische Leistungen. Eine Durchführung der notwendigen koloskopischen Leistungen sei angesichts des Regelleistungsvolumens nicht möglich. Das Regelleistungsvolumen müsse auf 1.400 Punkte erhöht werden.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18.06.2007 den Antrag auf eine Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für die Quartale II/05 bis I/07 ab. Die Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen seien nach dem HVV für das Quartal II/05 wie folgt:
Primärkassen Ersatzkassen
Altersgruppe 0 – 5 6 – 59 -) 60 0 – 5 6 – 59 -) 60
Fallpunktzahl lt. HVV für Anästhesisten 714 963 1.304 921 1.058 1.200
Für das Quartal ab III/05 seien die Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen nach dem HVV wie folgt:
Primärkassen Ersatzkassen
Altersgruppe 0 – 5 6 – 59 -) 60 0 – 5 6 – 59 -) 60
Fallpunktzahl lt. HVV für Anästhesisten 520 576 1.059 424 475 821
Nach den Festlegungen des Vorstands der KV Hessen könne eine Sonderregelung nur bei Vorliegen einer Sicherstellungsproblematik erfolgen. Es komme auf einen Umkreis von 50 km an. Eine Überprüfung der Versorgungs- und Bedarfssituation habe ergeben, dass die Leistungen von weiteren Ärzten in der näheren Umgebung von A-Stadt erbracht werden würden. Eine Sonderregelung sei auch ausgeschlossen, wenn Auffüllbeträge nach Ziff. 7.5 HVV gewährt würden.
Hiergegen legte der Kläger am 25.06.2007 Widerspruch ein. Bei einer Honorarminderung um 20 % sei ein Härtefall gegeben. Bei ihm liege eine Minderung von 40 % bis 50 % vor. Unter Berücksichtigung der Auffüllbeträge liege die Minderung noch über 20 %. Der Umkreis von 50 km sei zu weit gefasst. In NU. bestehe ein Versorgungsengpass.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung legte sie nochmals die Höhe der Regelleistungsvolumina dar und führte weiter aus, das Regelleistungsvolumen führe nicht zu einem Ausschluss der Honorierung der durchgeführten Leistungen, sondern zu einer Bewertung der überschreitenden Honorarforderung zu einem unteren Punktwert. Eine Sicherstellungsproblematik bestehe nicht. Im Vergleich zu seinen Fachkollegen erbringe der Kläger Leistungen der Proktologie sowie Beratungsleistungen zur Früherkennung des kolorektalen Karzinoms häufiger. Derartige Schwerpunktsetzungen seien in internistischen Praxen strukturell vorgesehen. Dies stelle keine Praxisbesonderheit dar. Die Honorarverluste resultierten aus der veränderten Praxisstruktur. Eine Koloskopiegenehmigung habe nicht bestanden.
Hiergegen hat der Kläger am 03.03.2008 zum Az.: S 12 KA 80/08 die Klage erhoben.
Gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/05 legte der Kläger am 28.02.2006 Widerspruch ein. Er trug vor, die Beklagte habe ihre Abrechnung selbst in Frage gestellt. Eine Kontrolle sei ihm nicht möglich. Die Abrechnung müsse transparent und verständlich gehalten werden. Es fehlten die Leistungen der Koloskopie nach Ziff. 01741 (77x angesetzt) und 13421 (68x) und 13422 EBM (19x). Im Übrigen verweise er auf sein Widerspruchsvorbringen bzgl. der Festsetzung des Regelleistungsvolumens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte führte zur Begründung aus, der Honorarbescheid sei formell rechtmäßig. Er sei ausreichend begründet. Es reiche aus, wenn dem Betroffenen die Gründe der Entscheidung in solcher Weise und in solchem Umfang bekannt gegeben würden, dass er seine Rechte sachgemäß wahrnehmen könne. Es reiche aus, wenn sich der für die Berechnung maßgebliche Rechenvorgang aus dem HVM ergebe. Der Honorarbescheid lasse in seinen Anlagen die für die Berechnung des Honorars entscheidenden Berechnungsfaktoren erkennen. Der Honorarbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 sei korrekt umgesetzt worden. Entsprechend habe sie das Regelleistungsvolumen berechnet. Anhaltspunkte für eine Sonderregelung seien nicht ersichtlich. Zudem habe Ziff. 7.5 HVV zu einem Auffüllbetrag in Höhe von 40.465,60 Euro geführt. Im Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 sei auch beschlossen worden, dass der ursprüngliche Beschluss vom 13.05.2004, der die Zugrundlegung eines Punktwertes von 5,11 Cent vorgesehen habe, nicht zum Ansatz komme. Bei unzureichender Gesamtvergütung müsse eine Quotierung erfolgen. Im Honorarverteilungsvertrag könne von den Vorgaben des EBM nicht abgewichen werden. Die Leistungen der Koloskopie nach Ziff. 01741 und 13421 und 13422 EBM hätten abgesetzt werden müssen, weil die Genehmigung nach der Qualitätssicherungsvereinbarung nicht vorgelegen habe.
Hiergegen hat der Kläger am 03.03.3008 die Klage zum Az.: S 12 KA 81/08 erhoben.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 27.08.2008 beide Verfahren miteinander verbunden.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Klageanspruch bzgl. der fehlenden Leistungen der Koloskopie nach Ziff. 01741, 13421 und 13422 EBM anerkannt. Das Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen.
Zur Begründung seiner Klagen weist der Kläger nochmals auf seinen proktologischen Schwerpunkt hin. Das Regelleistungsvolumen werde diesem Schwerpunkt nicht gerecht. Die Beklagte habe von der Ermächtigung zur Ausnahmegenehmigung keinen Gebrauch gemacht. Sein Überweisungsanteil liege bei 85 %. In seiner Fachgruppe gebe es keine proktologisch tätigen Kollegen. Eine Verknüpfung mit der Ziff. 7.5 HVV bestehe nicht. Auch fordere die Beklagte Ausgleichsbeträge zurück. Er erwarte, dass ihm demnächst als einziger Praxis die Weiterbildungsbefugnis für Proktologie erteilt werde. Die Genehmigung für die Leistungen der Koloskopie nach Ziff. 01741 und 13421 und 13422 EBM sei ihm mit Bescheid vom 12.12.2002 erteilt worden. Mit Schreiben vom April 2005 habe ihm die Beklagte zugesichert, dass eine neue Genehmigung nicht erforderlich sei. Unabhängig hiervon habe er mit Schreiben vom 15.02.2005 die Genehmigung der Weiterführung seines koloproktologischen Leistungsspektrums beantragt. Hierüber habe die Beklagte noch nicht entschieden.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag auf Zuerkennung einer Ausnahmeregelung für das Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 des Honorarverteilungsvertrages der Beklagten für die Quartale II/05 bis I/07 neu zu bescheiden und unter Abänderung des Honorarbescheides für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Honoraranspruch für das Quartal II/05 neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Hinweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid im Übrigen ist sie weiterhin der Auffassung, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Sonderregelung habe. Ein Sicherstellungsproblem sei nicht gegeben. Auf einen Versorgungsschwerpunkt der Praxis komme es nicht an. Die Überschreitungen des Regelleistungsvolumens hätten ihre Ursache nicht in der Erbringung von proktologischen Leistungen, sondern in der vom Kläger selbst gewählten Änderung der Praxisstruktur. Durch den Wechsel in den hausärztlichen Versorgungsbereich habe er ein geringeres Regelleistungsvolumen. Der Wechsel begründe keine Ausnahmeregelung. Der Kläger hätte dies vorher berücksichtigen müssen. Er betreibe die Praxis nunmehr auch allein und verfüge über keine Genehmigung zur Abrechnung der Koloskopie.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der Beratungen gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 und der Honorarbescheid für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag auf Zuerkennung einer Ausnahmeregelung für das Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 des Honorarverteilungsvertrages der Beklagten für die Quartale II/05 bis I/07 und über seinen Honoraranspruch für das Quartal II/05.
Der Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 und der Honorarbescheid für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 sind rechtswidrig
Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10.11.2005 (HVV) sind nach Ziffer 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, da der Kläger zu 1) und die Mitglieder der klagenden Gemeinschaftspraxis zu den entsprechenden Arztgruppen gehören.
Im Einzelnen bestimmt Ziffer 6.3 HVV:
"Die im Abrechnungsquartal für eine Praxis zutreffende Fallpunktzahl bestimmt sich aus der Zugehörigkeit der Ärzte einer Praxis zu einer in der Anlage 1 angeführten Arzt-/Fachgruppe unter Beachtung der angeführten Altersklassen. Bei Gemeinschaftspraxen bestimmt sich die Höhe der in der einzelnen Altersklasse zu treffenden Fallpunktzahl als arithmetischer Mittelwert aus der Fallpunktzahl der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte (gemäß Zuordnung entsprechend Anlage zu Ziffer 6.3) verbunden mit folgender Zuschlagsregelung:
130 Punkte bei arztgruppen- und schwerpunktgleichen Gemeinschaftspraxen sowie bei Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung gemäß Angestellten-Ärzte Richtlinien unterliegen,
alternativ
30 Punkte je in einer arztgruppen- oder schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxis repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, mindestens jedoch 130 Punkte und höchstens 220 Punkte
Bei der Ermittlung der Zuschlagsregelung bleiben Ärzte aus Arztgruppen, für die gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 keine arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen definiert sind, unberücksichtigt.
Die Zuschlagsregelung findet keine Anwendung bei Praxen mit angestellten Ärzten bzw. zugelassenen Ärzten, die einer Leistungsbeschränkung gemäß Bedarfsplanungsrichtlinien bzw. Angestellten-Ärzte-Richtlinien unterliegen. Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, richtet sich die Höhe der Fallpunktzahl in den einzelnen Altersklassen nach dem Schwerpunkt der Praxistätigkeit bzw. dem Versorgungsauftrag mit dem der Arzt bzw. Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.
Das im aktuellen Abrechnungsquartal gültige praxisindividuelle (fallzahlabhängige) Regelleistungsvolumen einer Praxis bestimmt sich dann aus der Multiplikation der im aktuellen Quartal nach verstehender Vorgabe ermittelten arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen und der Fallzahl der Praxis unter Beachtung der Aufteilung der relevanten Fallzahlen in die verschiedenen Altersklassen.
Bei der Ermittlung der für die einzelnen Altersklassen gültigen relevanten Fallzahlen einer Praxis sind alle kurativ ambulanten Behandlungsfälle (gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 BMVÄ bzw. § 25 Absatz 1 Satz 1 GKV zugrunde zu legen, ausgenommen Behandlungsfälle, die gemäß Anlage 1 Und 2 zu Ziffer 7.1 Honorierung kommen, Notfälle im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. Notdienst (Muster 19 A der Vordruckvereinbarung), Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen sowie Behandlungsfälle, in denen ausschließlich Kostenerstattungen des Kapitels V. 40 abgerechnet werden. Die so festgestellten Fallzahlen reduzieren sich dabei (vorab der Berechnung des praxisindividuellen (fallzahlabhängigen) Regelleistungsvolumens) aufgrund einer zuvor durchgeführten fallzahlabhängigen Bewertung (Fallzahlbegrenzungsregelung) gemäß Ziffer 5.2, wobei die aus dieser Maßnahme resultierende Reduzierung anteilig auf die Altersklassen zu verteilen ist.
Das nach dieser Vorschrift festgestellte Regelleistungsvolumen einer Praxis im aktuellen Quartal ist dann nachfolgend für jeden über 150% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal hinausgehenden Fall um 25% zu mindern. Die Feststellung der relevanten durchschnittlichen Fallzahl erfolgt bei Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung unterliegen, je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt bzw. Psychotherapeuten.
Für die Bildung des Regelleistungsvolumens einer Praxis im Abrechnungsquartal gilt im Übrigen eine Fallzahlobergrenze in Höhe von 200% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal. Überschreitet eine Praxis im aktuellen Abrechnungsquartal diese Fallzahlobergrenze, tritt diese anstelle der praxisindividuellen Fallzahl bei der Ermittlung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens. Dabei bestimmt sich im Falle von Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die keiner Leistungsbeschränkung unterliegen, die Fallzahlobergrenze aus den arztgruppenbezogenen durchschnittlichen Fallzahlen im entsprechenden Vorjahresquartal je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Art bzw. Psychotherapeuten.
Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, bestimmt sich die durchschnittliche Fallzahl im entsprechenden Vorjahresquartal für vorstehende Bewertungsvorgaben bzw. Fallzahlobergrenze aus der Honorar(unter)gruppe, zu der sie nach dem Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.
Soweit in der Anlage zu Ziffer 6.3 Arztgruppen nicht aufgeführt sind, gehen deren Fälle und Honoraranforderungen nicht in die Berechnung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens ein.
Der Vorstand der KV Hessen ist ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen."
Die Kammer hält diese Regelungen, soweit sie hier streitbefangen sind, grundsätzlich für rechtmäßig.
Nach § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung v. 20.12.1988, BGBl. I S. 2477 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14.11.2003, BGBl. I S. 2190 mit Gültigkeit ab 01.01.2005 (SGB V), verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (§ 73) (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde zu legen (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychotherapeutische Medizin sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden (§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina) (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V). Die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen sind Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2 (§ 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V). Dabei bestimmt nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu beachten sind; er bestimmt ferner, erstmalig bis zum 29. Februar 2004, den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen.
Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u. a. durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) (im Folgenden: BRLV) nachgekommen. Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumina gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III.2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumina zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III.3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumina (III.3.1 Abs. 4 BRLV).
Die proktologischen Leistungen nach den Ziffern 30600, 30610 und 30611 EBM 2005 gehören wie die übrigen Leistungen nach Kap. 30.6 EBM 2005 "Proktologie" nicht zu den unter III.4 BRLV aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen, die nicht den Regelleistungsvolumina unterliegen.
In der Anlage 1 BRLV werden unter den Arztgruppen, für die Arztgruppentöpfe gemäß III.1. BRLV und Regelleistungsvolumen gemäß III.3.1 BRLV berechnet werden, die Fachärzte für Innere Medizin ohne Schwerpunkt, die dem fachärztlichen Versorgungsbereich angehören, und auch die Fachärzte für Innere Medizin, die dem hausärztlichen Versorgungsbereich angehören, genannt. Entsprechend hat der HVV auch die Fach(unter)gruppe B.2.13 und A.2.1 gefasst.
Mit dem GMG hat der Gesetzgeber die bisher als Soll-Vorschrift ausgestaltete Regelung zu den Regelleistungsvolumina verbindlich vorgegeben. Dadurch soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen gegeben wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden; damit soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen werden, zum anderen soll der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung begrenzt werden (vgl. BT-Drs. 15/1170, S. 79).
Regelleistungsvolumina dienen damit der Kalkulationssicherheit bei der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen (vgl. Engelhard in: Hauck/Haines, SGB V, Kommentar, § 85, Rn. 256a f.; Freudenberg in: jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, Stand: 01.08.2007, § 85, Rn. 164). Zum anderen haben sie aufgrund des Zwecks, der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung zu tragen als auch den ökonomischen Anreiz zur Ausweitung der Leistungsmenge zu verringern, auch den Charakter von Honorarbegrenzungsmaßnahmen (vgl. Engelhard, ebd.). Nach Auffassung der Kammer steht aber angesichts der gesetzgeberischen Vorgaben der Gesetzeszweck der Kalkulationssicherheit im Vordergrund, insbesondere auch im Hinblick auf eine begrenzte Gesamtvergütung bei insgesamt steigenden Leistungsanforderungen.
Ausgehend von den Vorgaben im HVV hat die Beklagte das Regelleistungsvolumen und insbesondere die arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen zutreffend berechnet. Dies ist zwischen den Beteiligten insoweit unstrittig.
Diese Regelungen werden von dem Kläger letztlich nicht angegriffen. Er macht vielmehr geltend, es liege ein Ausnahmefall vor und der Vorstand der KV Hessen habe von seiner Ermächtigung, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen, zu Unrecht keinen Gebrauch gemacht.
Nach dieser Ermächtigung ist der Vorstand verpflichtet, bei Vorliegen von Sicherstellungsgründen sein Ermessen im Hinblick auf eine Sonderregelung auszuüben. Dies hat die Beklagte verkannt. Nach Auffassung der Kammer liegt ein Ausnahmefall vor und hat die Beklagte in Verkennung dieses Umstandes von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht.
Wann ein solcher Ausnahmefall aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung vorliegt, wird weder im HVV noch im Beschluss des Bewertungsausschusses noch in den gesetzlichen Regelungen bestimmt und ist daher durch Auslegung zu konkretisieren.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, darf der Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung, was nach Auffassung der Kammer auch unter Geltung eines Honorarverteilungsvertrags gilt, außer zu konkretisierenden Bestimmungen, die nicht im voraus für mehrere Quartale gleichbleibend festgelegt werden können, auch dazu ermächtigt werden, Ausnahmen für sog. atypische Fälle vorzusehen. Es ist eine typische Aufgabe des Vorstandes, zu beurteilen, ob sog. atypische Fälle die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Freistellung von Obergrenzen erfüllen. Dabei beschränkt sich die Kompetenz des Vorstandes nicht auf die Statuierung von Ausnahmen für "echte Härten", vielmehr müssen sie generell für atypische Versorgungssituationen möglich sein (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.1999 - B 6 KA 15/98 R – SozR 3-2500 § 85 Nr. 31 = MedR 2000, 153, juris Rn. 36; BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 27, juris Rn. 23). So hat das BSG eine vom Vorstand getroffene Sonderregelung für spezialisierte Internisten nicht beanstandet. Die Entscheidung, dass bei den Internisten, die eine Teilgebietsbezeichnung führten und deren spezielle Leistungen (einschließlich Folgeleistungen) 30 % der Gesamthonoraranforderung ausmachten, diese Leistungen herausgerechnet werden und dass diejenigen, deren spezialisierte Leistungen sogar 50 % der Gesamthonoraranforderung ausmachten, gänzlich von der Teilquotierung freigestellt werden, enthalte Schematisierungen, die nicht als sachwidrig beanstandet werden könnten. Derartige mit scharfen Grenzziehungen einhergehende Härten seien - wie z.B. auch für Stichtagsregelungen anerkannt - hinzunehmen, solange sie nicht im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung willkürlich seien (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.1999 - B 6 KA 15/98 R – aaO., Rn. 36). Eine Generalklausel könne z.B. zur Anwendung kommen, wenn sich überraschend Änderungen der Versorgungsstruktur in einer bestimmten Region ergeben, weil etwa einer von wenigen Vertragszahnärzten in einer Stadt unvorhergesehen aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschieden sei. Die von diesem Zahnarzt bisher behandelten Patienten müssten dann kurzfristig auf andere Zahnarztpraxen ausweichen, was zwangsläufig zu einer von diesen Praxen nur eingeschränkt steuerbaren Erhöhung der Zahl der dort behandelten Patienten führen werde. Vergleichbares gelte für die Änderung der Behandlungsausrichtung einer zahnärztlichen Praxis im Vergleich zum Bemessungszeitraum, etwa wenn sich ein bisher allgemein zahnärztlich tätiger Vertragszahnarzt auf oral-chirurgische Behandlungen konzentriert und deshalb höhere Fallwerte erreiche (vgl. BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R – aaO. Rn. 23). Darauf reagierende Differenzierungen hinsichtlich der Festlegung der individuellen Bemessungsgrundlage seien nicht nur dann geboten, wenn ihr Unterlassen zur Existenzgefährdung zahnärztlicher Praxen führen würde. Ein Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass sich auf eine Verletzung des Gebotes der Honorarverteilungsgerechtigkeit nur solche Vertrags(zahn)ärzte berufen können, bei denen die Anwendung der jeweils angegriffenen Honorarverteilungsregelung zu existenzbedrohenden Konsequenzen führen könnte, ist dem Vertrags(zahn)arztrecht fremd (vgl. BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R – aaO. Rn. 25).
Zur Erweiterung von Praxis- und Zusatzbudgets gemäß Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I., Teil B, EBM 1996 im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs hat das BSG zur Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" entschieden, dass der besondere Versorgungsbedarf eine im Leistungsangebot der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung voraussetze, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl der Praxis habe. Dies erfordere vom Leistungsvolumen her, dass bei dem Arzt das durchschnittliche Punktzahlvolumen je Patient in dem vom Budget erfassten Bereich die Budgetgrenze übersteige und zudem, dass bei ihm im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit vorliegt, die zwar allein noch nicht ausreiche, aber immerhin ein Indiz für eine entsprechende Spezialisierung darstelle (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 80/04 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 12 = GesR 2006, 363, juris Rn. 15 m.w.N.). Zu Erweiterungen der Zusatzbudgets nach den Allgemeinen Bestimmungen A I. Teil B Nr. 4.3 EBM 1996 hat das BSG ebf. entschieden, dies setze voraus, dass im Leistungsangebot der betroffenen Praxis eine Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Ausrichtung zum Ausdruck komme, die messbaren Einfluss auf den Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte auf die Gesamtpunktzahl der Praxis habe (vgl. BSG, Urt. v. 02.04.2003 - B 6 KA 48/02 - SozR 4-2500 § 87 Nr. 1, juris Rn. 23; BSG, Urt. v. 02.04.2003 – B 6 KA 48/02 R – SozR 3-2500 § 87 Nr. 31, juris Rn. 26 f.).
Die Beurteilung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Der Beklagten steht insoweit kein – der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher – Beurteilungsspielraum zu. Es gelten dieselben Erwägungen wie zu den Ausnahmen von der Teilbudgetierung nach Nr. 4 der Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996 (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 26) und der Erweiterung der Praxis- und Zusatzbudgets (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31).
Ausgehend hiervon hält die Kammer zunächst die Ermächtigung des Vorstands der Beklagten für rechtmäßig. Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag die Kammer aber keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Höhe des Honorars und Umfang des Regelleistungsvolumens zu erkennen. Die Fallpunktzahlen werden, KV-bezogen und nach Altersgruppen, anhand des artgruppenspezifischen Leistungsbedarfs in Punkten in den Quartalen II/03 bis I/04 und der Fallzahl berechnet. Der so ermittelte Fallwert für die in die Regelleistungsvolumina einbezogenen Leistungen wird mit dem Faktor 0,8 malgenommen, d. h. um 20 % vermindert (vgl. Anlage 2 zum Teil III BRLV). Im Ergebnis bedeutet dies, dass jeder Vertragsarzt nicht eigene Durchschnittswerte, sondern die seiner Honorargruppe zuerkannt bekommt. Damit gehen die Honorarregelungen von einem gleichförmigen Leistungsgeschehen aus, was im Grundsatz, da auf die Fachgruppen abgestellt wird, nicht zu beanstanden ist. Eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit kann jedoch dann vorliegen, wenn die Praxis ein zur Fachgruppe atypischen Versorgungsbedarf abdeckt. Dies ist aber unabhängig von der Honorarhöhe oder evtl. erfolgten Ausgleichszahlungen nach Ziff. 7.5 HVV. Maßstab ist allein, wie bereits ausgeführt, ob im Leistungsangebot der betroffenen Praxis eine Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Ausrichtung zum Ausdruck komme, die messbaren Einfluss auf den Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte auf die Gesamtpunktzahl der Praxis hat. Die Kammer hält es auch für unzulässig, den Vertragsarzt von vornherein darauf zu verweisen, er könne auf seine Spezialisierung verzichten. In der Konsequenz kann dies bedeuten, dass Spezialisierungen mit besonderen Praxisschwerpunkten nicht mehr gebildet werden können mit der weiteren Konsequenz, dass diese Leistungen nicht oder in nur ungenügendem Umfang erbracht werden. Auch unter einer sog. gedeckelten Gesamtvergütung hat das Honorar grundsätzlich der Leistung nachzufolgen und sich das Leistungsgeschehen nicht, zumindest nicht vordringlich an den Honoraranreizen zu orientieren.
Soweit die Beklagte vorträgt, die Honorarausstattung der einzelnen Honorar(unter)gruppen erfolge auf Basis der tatsächlich in den jeweiligen Quartalen des Jahres 2004 erfolgten Honorarzahlungen, sodass in der Ermittlung der maßgeblichen RLV-Fallpunktzahlen das von der Arzt-/Fachgruppe des Klägers abgerechnete Honorarvolumen für proktologische Leistungen einbezogen sei, verkennt sie, dass im Rahmen des Grundsatzes der Gleichbehandlung nur maßgebend sein kann, ob hier eine vergleichbare Streuung in der Fachgruppe vorhanden ist oder die Einzelpraxis signifikant hiervon abweicht.
Der Beklagten mag zwar zuzugestehen sein, dass im Ergebnis die Anwendung der Ziff. 7.5 HVV die Bedeutung des Umfangs des Regelleistungsvolumens verringern, da Ziff. 7.5 HVV wesentlich an den individuellen Fallwerten des Vorjahresquartals anknüpft und auf dieser Grundlage Honorarveränderungen im Bereich von mehr als 5 % nach oben oder unten weitgehend nivelliert. Die Ausnahmeregelung im HVV sieht aber eine solche Verknüpfung zur Regelung nach Ziff. 7.5 HVV nicht vor, sondern ist vielmehr gerade Ausdruck des Gleichbehandlungsgebots, nach dem Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf. Im Übrigen verliert die Honorarverteilung an Transparenz und Akzeptanz, wenn Unterschiede im Leistungsgeschehen nicht mehr adäquat erfasst werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es bei Feststellung der Sicherstellungsgründe nicht allein auf die Versorgung im Umkreis einer Praxis an. Dabei kann hier dahinstehen, ob solche Versorgungsgesichtspunkte generell anhand eines Umkreises von 50 km zu prüfen sind, wies es offensichtlich der Verwaltungspraxis der Beklagten entspricht und was jedenfalls im Rahmen bedarfsplanerischer Überlegungen in Zulassungssachen in dieser Allgemeinheit unzulässig ist (vgl. BSG, Urt. v. 19.07.2006 - B 6 KA 14/05 R – SozR 4-2500 § 116 Nr. 3 = GesR 2007, 71 = MedR 2007, 127, juris Rn. 19; SG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.04.2005 – S 5/29 KA 966/04 – rechtskräftig; Pawlita in: jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, Stand: 01.08.2008, § 96, Rn. 68 ff.). Maßgebend für die hier strittige Ausnahmeregelung ist der Versorgungsschwerpunkt der Praxis. Mit der Erbringung der Leistungen wird zunächst der Bedarf dokumentiert, soweit eine Fehlabrechnung oder Unwirtschaftlichkeit ausgeschlossen werden kann. Der mit einer Spezialisierung einhergehende vermehrte Zulauf von Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern kann gerade auch Ausdruck der Qualität und des Rufs der Praxis sein.
Allerdings ist andererseits zu berücksichtigen, dass nicht jede im Vergleich zur Fachgruppe vermehrte Erbringung von Einzelleistungen oder Leistungsgruppen oder Spezialisierung einen Ausnahmefall begründen kann, da dann die Regelleistungsvolumina ihren Zweck der Kalkulationssicherheit nicht mehr erreichen könnten. § 85 Abs. 4 und 4a SGB V gibt keine Vorgabe für differenzierte Ausnahmen und gibt insoweit die Tendenz der Nivellierung des Leistungsgeschehens vor. Von daher ist es auch nicht zu beanstanden, dass weder der Bewertungsausschuss noch der HVV ein den die früheren Praxisbudgets ergänzenden Zusatzbudgets vergleichbares Instrumentarium vorsehen. Auch wird im Regelfall ein Ausnahmetatbestand nicht vorliegen, wenn generell in allen oder vielen Leistungsbereichen ein gegenüber der Fachgruppe erhöhtes Leistungsvolumen abgerechnet wird, da insoweit die Regelleistungsvolumina auch der Leistungsbegrenzung dienen. Eine generelle Festlegung, wann ein Ausnahmefall vorliegt, kann aber, da es sich um eine Regelung für atypische Einzelfälle handelt, nicht getroffen werden.
Im vorliegenden Fall liegt jedoch eindeutig ein proktologischer Schwerpunkt der klägerischen Praxis vor. Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert, hat die klägerische Praxis die Leistung nach Ziffer 30610 EBM 2005 (Behandlung von Hämorrhoiden durch Sklerosierung) und nach Ziffer 30611 EBM 2005 signifikant häufiger wie die Fachgruppe erbracht, wie nachfolgender Auszug aus der Anzahl und Summenstatistik zeigt:
Quartal Angef. Punkte Fallzahl
Ziffer 30610 EBM 2005 (Behandlung von Hämorrhoiden durch Sklerosierung), 255 P.
Ziffer 30611 EBM 2005 (Entfernung von Hämorrhoiden durch Ligatur), 500 P.
II/05 1.313.382,5 P. 1.000
Absolut Punktezahlvolumen Kl./VG auf 100 Abrechner/Praxen/Ärzte
812 207.060 82/2 21/107/147
544 272.000 55/1 17/107/147
III/05 1.883.342 1.009 Absolut Punktezahlvolumen Kl./VG auf 100 Abrechner/Praxen/Ärzte
1.129 287.895 112/0 30/3.100/3.896
687 343.500 68/0 26/3.100/3.896
I/07 2.236.882,7 1.386
Absolut Punktezahlvolumen Kl./VG auf 100 Abrechner/Praxen/Ärzte
1.356 345.780 98 21/3.050/3.921
678 339.000 49 23/3.050/3.921
Hieraus wird deutlich, dass es sich bei den Behandlungsfällen des Klägers fast ausschließlich um proktologische Behandlungsfälle handelt, während die Fachgruppe sowohl der fachärztlichen als auch hausärztlichen Internisten diese Leistung statistisch zweimal bzw. keinmal abrechnet. Ein ähnliches Bild ist auch in den übrigen Quartalen festzustellen ...
Aufgrund dieses Praxisschwerpunkts ist daher von einem Ausnahmefall auszugehen (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 06.02.2008 - S 12 KA 249/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Berufung anhängig LSG Hessen: L 4 KA 28/08; Urteil vom 30.01.2008 - S 12 KA 12/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Berufung anhängig LSG Hessen: L 4 KA 29/08).
Die Beklagte wird daher zu prüfen haben, ob und ggf. in welchem Umfang sie das Regelleistungsvolumen erhöht. Die Kammer kann aber, da es zunächst der Beklagten obliegt, ihr Ermessen auszuüben, zur Ermessensausübung keine konkreten Vorgaben machen. Sie kann nur allgemein darauf hinweisen, dass zunächst die auf der Grundlage des Schwerpunkts im einzelnen Behandlungsfall notwendigerweise zu erbringenden Leistungen zu erfassen und den Regelleistungsvolumina gegenüber zu stellen sind. Dabei kann die Beklagte weiter berücksichtigen, dass die Regelleistungsvolumina selbst nur auf einer 80 %-Grundlage, die dem Ausgleich anderer Regelungen, Stützungsmaßnahmen und von der Rechtsprechung geschütztem Wachstum sog. junger oder kleinen Praxen geschuldet ist, berechnet sind, d. h. dass Überschreitungswerte der Regelleistungsvolumina um 25 % dieser Berechnungsweise innewohnt und bereits von daher nicht zu einer Erhöhung des Regelleistungsvolumens führen müssen. Die Beklagte kann aber auch entsprechend der Berechnung nach Anlage 2 zum Teil III BRLV den praxisspezifischen Leistungsbedarf der klägerischen Praxis in Punkten in den Quartalen II/03 bis I/04 und der Fallzahl berechnen und den so ermittelten Fallwert für die in die Regelleistungsvolumina einbezogenen Leistungen mit dem Faktor 0,8 malnehmen. Wie die Fachgruppe würde der Leistungsbedarf der klägerischen Praxis anhand der genannten Referenzquartale ermittelt werden. Aufgrund des besonderen Versorgungsbedarfs wäre dann aber der Leistungsbedarf der klägerischen Praxis maßgebend. Im Rahmen der Gleichbehandlung wäre der so ermittelte Bedarf ebf. mit dem Faktor 0,8 malzunehmen, da auf diese Weise eine Punktwertstabilisierung erreicht werden soll.
Soweit die Beklagte Leistungen einer besonderen Inanspruchnahme nach Ziffern 01100 bis 01110 EBM 2005 und dringende Hausbesuche nach Ziffern 01411 und 01412 EBM 2005 entgegen den Vorgaben im BRLV in das Regelleistungsvolumen einbezieht, hält die Kammer dies für rechtswidrig (vgl. SG Marburg, Urt. v. 30.01.2008 – S 12 KA 49/07 -). Bei einer Neubescheidung bzgl. des Honoraranspruchs für das Quartal II/05 wird die Beklagte dies zu beachten haben.
Im Übrigen war der Honorarbescheid für das Quartal II/05 nach Abgabe des Teilanerkenntnisses der Beklagten nicht zu beanstanden. Diesbezüglich hat der Kläger den Honorarbescheid auch nicht weiter angegriffen.
Nach allem war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars für das Quartal II/05 sowie um die Zuerkennung einer Ausnahmeregelung für das Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 des Honorarverteilungsvertrages der Beklagten für die Quartale II/05 bis I/07.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin ohne Schwerpunkt mit Praxissitz in A-Stadt seit 02.01.1980 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er führt die seit November 2005 in die Weiterbildungsordnung eingeführte Zusatzbezeichnung Proktologie. Bis zum 30.06.2005 nahm er an der fachärztlichen Versorgung teil. Er führte mit Herrn EX. eine Gemeinschaftspraxis bis zum 01.04.2005, im Quartal II/05 eine Praxisgemeinschaft. Zum 01.07.2005 übernahm er die hausärztlich geführte Praxis des Herrn EX. und gab seinen Facharztsitz an den Gastroenterologen Herrn HB., mit dem er seitdem eine Praxisgemeinschaft führt. Die Beklagte erteilte dem Kläger eine Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen der Ziffer 30600 EBM 2005 (Proktologie) ab dem 01.04.2005 (Bescheid vom 15.06.2005).
In den Quartalen seit dem Quartal II/05 nahm die Beklagte folgende Honorarfestsetzungen vor:
II/05 III/05 IV/05 I/06
Honorarbescheid vom 27.06.2006 11.08.2006 06.08.2007 26.11.2006 19.01.2007
Bruttohonorar PK + EK in EUR 76.149,31 53.263,87 54.983,91 54.876,63 56.858,36
Fallzahl PK + EK 1.000 1.009 1.040 1.103
Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in EUR 67.113,85 96.263,87 93.238,78 103.704,50
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR 67.113,85 96.263,87 93.238,78 103.704,50
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV - - - -
Fallzahlgrenze 1.177 1.183 1.108 285
Aktuelle Fallzahl 988 1.009 1.038 1.100
Anerkennungsfähiges Honorar in Punkten
Quote
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Fallwert 1.127,0 711,7 716,0 715,6
Fallzahl 987 1.009 1.040 1.103
Praxisbezogenes RLV in Punkten 1.112.349 718.105,3 744.640,0 789.306,8
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 1.225.740 1.393.330,0 1.311.775,0 1.485.910,0
Überschreitung in Punkten 113.391 675.224,7 576.135,0 696.603,2
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV
Referenz-Fallzahl 1.163 293 274 268
Referenz-Fallwert EUR 77,8750 70,4743 74,0060 74,7168
Aktueller Fallwert EUR 33,5156 39,3197 39,8860 37,6268
Auffüllbetrag je Fall EUR 40,4656 25,2821 25,2754 31,4525
Auffüllbetrag gesamt in EUR 40.465,60 7.407,66 6.925,47 8.429,26
II/06 III/06 IV/06 I/07
Honorarbescheid vom 03.02.2007 16.03.2007 17.04.2007 17.07.2007
Bruttohonorar PK + EK in EUR 65.749,40 59.066,34 62.742,04 63.413,15
Fallzahl PK + EK 1.235 1.224 1.261 1.386
Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in EUR 101.339,36 105.663,74 105.869.60 114.304,71
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR 101.339,36 94.054,96 105.869.60 99.336,31
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV - - - -
Fallzahlgrenze 1.005 1.026 1.056 1.117
Aktuelle Fallzahl 1.235 1.224 1.261 1.385
Anerkennungsfähiges Honorar in Punkten 1.724.651,2
Quote in % 85,49
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Fallwert 717,9 691,1 704,4 707,1
Fallzahl 1.234 1.079 1.261 1.187
Praxisbezogenes RLV in Punkten 885.888,6 745.696,9 888.248,4 839.225,0
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 1.388.910,0 1.480.110,0 1.466.285,0 1.574.740,0
Überschreitung in Punkten 503.021,4 734.413,1 578.036,6 735.412,3
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV
Referenz-Fallzahl 703 1.009 1.040 1.103
Referenz-Fallwert EUR 55,6376 46,6613 46,5451 45,2690
Aktueller Fallwert EUR 41,6995 34,8219 42,6005 31,3730
Auffüllbetrag je Fall EUR 10,5497 9,5069 1,6174 11,1152
Auffüllbetrag gesamt in EUR 7.416,47 9.592,49 1.682,11 12.260,05
II/07 III/07
Honorarbescheid vom 17.10.2007 17.01.2008
Nettohonorar gesamt in EUR 64.126,15 49.634,70
Bruttohonorar PK + EK in EUR 64.718,13 50.812,07
Fallzahl PK + EK 104.766,01 83.018,48
Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in EUR 104.766,01 83.018,48
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV
Fallzahlgrenze
Aktuelle Fallzahl
Anerkennungsfähiges Honorar in Punkten
Quote in %
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV bzw. § 5 Abs. 3 HVV
Fallwert 699,9 695,8
Fallzahl 1.311 1.058
Praxisbezogenes RLV in Punkten 917.443,0 736.100,0
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 1.423.120,0 1.116.120,0
Überschreitung in Punkten 514.124,9 379.963,6
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV bzw. § 5 Abs. 4 HVV
Referenz-Fallzahl 703 1.009
Referenz-Fallwert EUR 55,6376 46,6613
Aktueller Fallwert EUR 37,4765 34,0857
Auffüllbetrag je Fall EUR 12,3799 8,9669
Auffüllbetrag gesamt in EUR 8.703,07 9.047,56
Mit Schreiben vom 25.02.2006 beantragte der Kläger die Aussetzung bzw. Erweiterung des Regelleistungsvolumens. Die Überschreitung sei Folge der rein proktologischen Ausrichtung, die er auch nach Wechsel in den hausärztlichen Versorgungsbereich beibehalten habe. Er rechne die Ziffern 30600, 30601, 30610 sowie 30611 EBM 2005 ab. Für einen proktologischen Fall benötige er 1.010 Punkte; hinzu kämen die Ordinationsgebühren, Gesprächsleistungen, Berichtspflicht sowie z. T. die Erhebung des Ganzkörperstatus, insgesamt durchschnittlich mindestens 1.500 Punkte. Eine Überweisung scheide aus, weil es in der Umgebung keinen proktologisch tätigen Kollegen gebe. In NU. sei hierfür eine Ermächtigung erteilt worden. Im hausärztlichen Bereich erbrächten lediglich fünf von 2.075 Praxen proktologische Leistungen. Eine Durchführung der notwendigen koloskopischen Leistungen sei angesichts des Regelleistungsvolumens nicht möglich. Das Regelleistungsvolumen müsse auf 1.400 Punkte erhöht werden.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18.06.2007 den Antrag auf eine Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für die Quartale II/05 bis I/07 ab. Die Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen seien nach dem HVV für das Quartal II/05 wie folgt:
Primärkassen Ersatzkassen
Altersgruppe 0 – 5 6 – 59 -) 60 0 – 5 6 – 59 -) 60
Fallpunktzahl lt. HVV für Anästhesisten 714 963 1.304 921 1.058 1.200
Für das Quartal ab III/05 seien die Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen nach dem HVV wie folgt:
Primärkassen Ersatzkassen
Altersgruppe 0 – 5 6 – 59 -) 60 0 – 5 6 – 59 -) 60
Fallpunktzahl lt. HVV für Anästhesisten 520 576 1.059 424 475 821
Nach den Festlegungen des Vorstands der KV Hessen könne eine Sonderregelung nur bei Vorliegen einer Sicherstellungsproblematik erfolgen. Es komme auf einen Umkreis von 50 km an. Eine Überprüfung der Versorgungs- und Bedarfssituation habe ergeben, dass die Leistungen von weiteren Ärzten in der näheren Umgebung von A-Stadt erbracht werden würden. Eine Sonderregelung sei auch ausgeschlossen, wenn Auffüllbeträge nach Ziff. 7.5 HVV gewährt würden.
Hiergegen legte der Kläger am 25.06.2007 Widerspruch ein. Bei einer Honorarminderung um 20 % sei ein Härtefall gegeben. Bei ihm liege eine Minderung von 40 % bis 50 % vor. Unter Berücksichtigung der Auffüllbeträge liege die Minderung noch über 20 %. Der Umkreis von 50 km sei zu weit gefasst. In NU. bestehe ein Versorgungsengpass.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung legte sie nochmals die Höhe der Regelleistungsvolumina dar und führte weiter aus, das Regelleistungsvolumen führe nicht zu einem Ausschluss der Honorierung der durchgeführten Leistungen, sondern zu einer Bewertung der überschreitenden Honorarforderung zu einem unteren Punktwert. Eine Sicherstellungsproblematik bestehe nicht. Im Vergleich zu seinen Fachkollegen erbringe der Kläger Leistungen der Proktologie sowie Beratungsleistungen zur Früherkennung des kolorektalen Karzinoms häufiger. Derartige Schwerpunktsetzungen seien in internistischen Praxen strukturell vorgesehen. Dies stelle keine Praxisbesonderheit dar. Die Honorarverluste resultierten aus der veränderten Praxisstruktur. Eine Koloskopiegenehmigung habe nicht bestanden.
Hiergegen hat der Kläger am 03.03.2008 zum Az.: S 12 KA 80/08 die Klage erhoben.
Gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/05 legte der Kläger am 28.02.2006 Widerspruch ein. Er trug vor, die Beklagte habe ihre Abrechnung selbst in Frage gestellt. Eine Kontrolle sei ihm nicht möglich. Die Abrechnung müsse transparent und verständlich gehalten werden. Es fehlten die Leistungen der Koloskopie nach Ziff. 01741 (77x angesetzt) und 13421 (68x) und 13422 EBM (19x). Im Übrigen verweise er auf sein Widerspruchsvorbringen bzgl. der Festsetzung des Regelleistungsvolumens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte führte zur Begründung aus, der Honorarbescheid sei formell rechtmäßig. Er sei ausreichend begründet. Es reiche aus, wenn dem Betroffenen die Gründe der Entscheidung in solcher Weise und in solchem Umfang bekannt gegeben würden, dass er seine Rechte sachgemäß wahrnehmen könne. Es reiche aus, wenn sich der für die Berechnung maßgebliche Rechenvorgang aus dem HVM ergebe. Der Honorarbescheid lasse in seinen Anlagen die für die Berechnung des Honorars entscheidenden Berechnungsfaktoren erkennen. Der Honorarbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 sei korrekt umgesetzt worden. Entsprechend habe sie das Regelleistungsvolumen berechnet. Anhaltspunkte für eine Sonderregelung seien nicht ersichtlich. Zudem habe Ziff. 7.5 HVV zu einem Auffüllbetrag in Höhe von 40.465,60 Euro geführt. Im Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 sei auch beschlossen worden, dass der ursprüngliche Beschluss vom 13.05.2004, der die Zugrundlegung eines Punktwertes von 5,11 Cent vorgesehen habe, nicht zum Ansatz komme. Bei unzureichender Gesamtvergütung müsse eine Quotierung erfolgen. Im Honorarverteilungsvertrag könne von den Vorgaben des EBM nicht abgewichen werden. Die Leistungen der Koloskopie nach Ziff. 01741 und 13421 und 13422 EBM hätten abgesetzt werden müssen, weil die Genehmigung nach der Qualitätssicherungsvereinbarung nicht vorgelegen habe.
Hiergegen hat der Kläger am 03.03.3008 die Klage zum Az.: S 12 KA 81/08 erhoben.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 27.08.2008 beide Verfahren miteinander verbunden.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Klageanspruch bzgl. der fehlenden Leistungen der Koloskopie nach Ziff. 01741, 13421 und 13422 EBM anerkannt. Das Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen.
Zur Begründung seiner Klagen weist der Kläger nochmals auf seinen proktologischen Schwerpunkt hin. Das Regelleistungsvolumen werde diesem Schwerpunkt nicht gerecht. Die Beklagte habe von der Ermächtigung zur Ausnahmegenehmigung keinen Gebrauch gemacht. Sein Überweisungsanteil liege bei 85 %. In seiner Fachgruppe gebe es keine proktologisch tätigen Kollegen. Eine Verknüpfung mit der Ziff. 7.5 HVV bestehe nicht. Auch fordere die Beklagte Ausgleichsbeträge zurück. Er erwarte, dass ihm demnächst als einziger Praxis die Weiterbildungsbefugnis für Proktologie erteilt werde. Die Genehmigung für die Leistungen der Koloskopie nach Ziff. 01741 und 13421 und 13422 EBM sei ihm mit Bescheid vom 12.12.2002 erteilt worden. Mit Schreiben vom April 2005 habe ihm die Beklagte zugesichert, dass eine neue Genehmigung nicht erforderlich sei. Unabhängig hiervon habe er mit Schreiben vom 15.02.2005 die Genehmigung der Weiterführung seines koloproktologischen Leistungsspektrums beantragt. Hierüber habe die Beklagte noch nicht entschieden.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag auf Zuerkennung einer Ausnahmeregelung für das Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 des Honorarverteilungsvertrages der Beklagten für die Quartale II/05 bis I/07 neu zu bescheiden und unter Abänderung des Honorarbescheides für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Honoraranspruch für das Quartal II/05 neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Hinweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid im Übrigen ist sie weiterhin der Auffassung, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Sonderregelung habe. Ein Sicherstellungsproblem sei nicht gegeben. Auf einen Versorgungsschwerpunkt der Praxis komme es nicht an. Die Überschreitungen des Regelleistungsvolumens hätten ihre Ursache nicht in der Erbringung von proktologischen Leistungen, sondern in der vom Kläger selbst gewählten Änderung der Praxisstruktur. Durch den Wechsel in den hausärztlichen Versorgungsbereich habe er ein geringeres Regelleistungsvolumen. Der Wechsel begründe keine Ausnahmeregelung. Der Kläger hätte dies vorher berücksichtigen müssen. Er betreibe die Praxis nunmehr auch allein und verfüge über keine Genehmigung zur Abrechnung der Koloskopie.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der Beratungen gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 und der Honorarbescheid für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag auf Zuerkennung einer Ausnahmeregelung für das Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 des Honorarverteilungsvertrages der Beklagten für die Quartale II/05 bis I/07 und über seinen Honoraranspruch für das Quartal II/05.
Der Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 und der Honorarbescheid für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 sind rechtswidrig
Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10.11.2005 (HVV) sind nach Ziffer 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, da der Kläger zu 1) und die Mitglieder der klagenden Gemeinschaftspraxis zu den entsprechenden Arztgruppen gehören.
Im Einzelnen bestimmt Ziffer 6.3 HVV:
"Die im Abrechnungsquartal für eine Praxis zutreffende Fallpunktzahl bestimmt sich aus der Zugehörigkeit der Ärzte einer Praxis zu einer in der Anlage 1 angeführten Arzt-/Fachgruppe unter Beachtung der angeführten Altersklassen. Bei Gemeinschaftspraxen bestimmt sich die Höhe der in der einzelnen Altersklasse zu treffenden Fallpunktzahl als arithmetischer Mittelwert aus der Fallpunktzahl der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte (gemäß Zuordnung entsprechend Anlage zu Ziffer 6.3) verbunden mit folgender Zuschlagsregelung:
130 Punkte bei arztgruppen- und schwerpunktgleichen Gemeinschaftspraxen sowie bei Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung gemäß Angestellten-Ärzte Richtlinien unterliegen,
alternativ
30 Punkte je in einer arztgruppen- oder schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxis repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, mindestens jedoch 130 Punkte und höchstens 220 Punkte
Bei der Ermittlung der Zuschlagsregelung bleiben Ärzte aus Arztgruppen, für die gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 keine arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen definiert sind, unberücksichtigt.
Die Zuschlagsregelung findet keine Anwendung bei Praxen mit angestellten Ärzten bzw. zugelassenen Ärzten, die einer Leistungsbeschränkung gemäß Bedarfsplanungsrichtlinien bzw. Angestellten-Ärzte-Richtlinien unterliegen. Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, richtet sich die Höhe der Fallpunktzahl in den einzelnen Altersklassen nach dem Schwerpunkt der Praxistätigkeit bzw. dem Versorgungsauftrag mit dem der Arzt bzw. Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.
Das im aktuellen Abrechnungsquartal gültige praxisindividuelle (fallzahlabhängige) Regelleistungsvolumen einer Praxis bestimmt sich dann aus der Multiplikation der im aktuellen Quartal nach verstehender Vorgabe ermittelten arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen und der Fallzahl der Praxis unter Beachtung der Aufteilung der relevanten Fallzahlen in die verschiedenen Altersklassen.
Bei der Ermittlung der für die einzelnen Altersklassen gültigen relevanten Fallzahlen einer Praxis sind alle kurativ ambulanten Behandlungsfälle (gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 BMVÄ bzw. § 25 Absatz 1 Satz 1 GKV zugrunde zu legen, ausgenommen Behandlungsfälle, die gemäß Anlage 1 Und 2 zu Ziffer 7.1 Honorierung kommen, Notfälle im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. Notdienst (Muster 19 A der Vordruckvereinbarung), Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen sowie Behandlungsfälle, in denen ausschließlich Kostenerstattungen des Kapitels V. 40 abgerechnet werden. Die so festgestellten Fallzahlen reduzieren sich dabei (vorab der Berechnung des praxisindividuellen (fallzahlabhängigen) Regelleistungsvolumens) aufgrund einer zuvor durchgeführten fallzahlabhängigen Bewertung (Fallzahlbegrenzungsregelung) gemäß Ziffer 5.2, wobei die aus dieser Maßnahme resultierende Reduzierung anteilig auf die Altersklassen zu verteilen ist.
Das nach dieser Vorschrift festgestellte Regelleistungsvolumen einer Praxis im aktuellen Quartal ist dann nachfolgend für jeden über 150% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal hinausgehenden Fall um 25% zu mindern. Die Feststellung der relevanten durchschnittlichen Fallzahl erfolgt bei Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung unterliegen, je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt bzw. Psychotherapeuten.
Für die Bildung des Regelleistungsvolumens einer Praxis im Abrechnungsquartal gilt im Übrigen eine Fallzahlobergrenze in Höhe von 200% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal. Überschreitet eine Praxis im aktuellen Abrechnungsquartal diese Fallzahlobergrenze, tritt diese anstelle der praxisindividuellen Fallzahl bei der Ermittlung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens. Dabei bestimmt sich im Falle von Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die keiner Leistungsbeschränkung unterliegen, die Fallzahlobergrenze aus den arztgruppenbezogenen durchschnittlichen Fallzahlen im entsprechenden Vorjahresquartal je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Art bzw. Psychotherapeuten.
Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, bestimmt sich die durchschnittliche Fallzahl im entsprechenden Vorjahresquartal für vorstehende Bewertungsvorgaben bzw. Fallzahlobergrenze aus der Honorar(unter)gruppe, zu der sie nach dem Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.
Soweit in der Anlage zu Ziffer 6.3 Arztgruppen nicht aufgeführt sind, gehen deren Fälle und Honoraranforderungen nicht in die Berechnung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens ein.
Der Vorstand der KV Hessen ist ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen."
Die Kammer hält diese Regelungen, soweit sie hier streitbefangen sind, grundsätzlich für rechtmäßig.
Nach § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung v. 20.12.1988, BGBl. I S. 2477 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14.11.2003, BGBl. I S. 2190 mit Gültigkeit ab 01.01.2005 (SGB V), verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (§ 73) (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde zu legen (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychotherapeutische Medizin sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden (§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina) (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V). Die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen sind Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2 (§ 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V). Dabei bestimmt nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu beachten sind; er bestimmt ferner, erstmalig bis zum 29. Februar 2004, den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen.
Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u. a. durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) (im Folgenden: BRLV) nachgekommen. Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumina gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III.2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumina zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III.3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumina (III.3.1 Abs. 4 BRLV).
Die proktologischen Leistungen nach den Ziffern 30600, 30610 und 30611 EBM 2005 gehören wie die übrigen Leistungen nach Kap. 30.6 EBM 2005 "Proktologie" nicht zu den unter III.4 BRLV aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen, die nicht den Regelleistungsvolumina unterliegen.
In der Anlage 1 BRLV werden unter den Arztgruppen, für die Arztgruppentöpfe gemäß III.1. BRLV und Regelleistungsvolumen gemäß III.3.1 BRLV berechnet werden, die Fachärzte für Innere Medizin ohne Schwerpunkt, die dem fachärztlichen Versorgungsbereich angehören, und auch die Fachärzte für Innere Medizin, die dem hausärztlichen Versorgungsbereich angehören, genannt. Entsprechend hat der HVV auch die Fach(unter)gruppe B.2.13 und A.2.1 gefasst.
Mit dem GMG hat der Gesetzgeber die bisher als Soll-Vorschrift ausgestaltete Regelung zu den Regelleistungsvolumina verbindlich vorgegeben. Dadurch soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen gegeben wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden; damit soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen werden, zum anderen soll der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung begrenzt werden (vgl. BT-Drs. 15/1170, S. 79).
Regelleistungsvolumina dienen damit der Kalkulationssicherheit bei der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen (vgl. Engelhard in: Hauck/Haines, SGB V, Kommentar, § 85, Rn. 256a f.; Freudenberg in: jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, Stand: 01.08.2007, § 85, Rn. 164). Zum anderen haben sie aufgrund des Zwecks, der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung zu tragen als auch den ökonomischen Anreiz zur Ausweitung der Leistungsmenge zu verringern, auch den Charakter von Honorarbegrenzungsmaßnahmen (vgl. Engelhard, ebd.). Nach Auffassung der Kammer steht aber angesichts der gesetzgeberischen Vorgaben der Gesetzeszweck der Kalkulationssicherheit im Vordergrund, insbesondere auch im Hinblick auf eine begrenzte Gesamtvergütung bei insgesamt steigenden Leistungsanforderungen.
Ausgehend von den Vorgaben im HVV hat die Beklagte das Regelleistungsvolumen und insbesondere die arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen zutreffend berechnet. Dies ist zwischen den Beteiligten insoweit unstrittig.
Diese Regelungen werden von dem Kläger letztlich nicht angegriffen. Er macht vielmehr geltend, es liege ein Ausnahmefall vor und der Vorstand der KV Hessen habe von seiner Ermächtigung, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen, zu Unrecht keinen Gebrauch gemacht.
Nach dieser Ermächtigung ist der Vorstand verpflichtet, bei Vorliegen von Sicherstellungsgründen sein Ermessen im Hinblick auf eine Sonderregelung auszuüben. Dies hat die Beklagte verkannt. Nach Auffassung der Kammer liegt ein Ausnahmefall vor und hat die Beklagte in Verkennung dieses Umstandes von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht.
Wann ein solcher Ausnahmefall aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung vorliegt, wird weder im HVV noch im Beschluss des Bewertungsausschusses noch in den gesetzlichen Regelungen bestimmt und ist daher durch Auslegung zu konkretisieren.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, darf der Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung, was nach Auffassung der Kammer auch unter Geltung eines Honorarverteilungsvertrags gilt, außer zu konkretisierenden Bestimmungen, die nicht im voraus für mehrere Quartale gleichbleibend festgelegt werden können, auch dazu ermächtigt werden, Ausnahmen für sog. atypische Fälle vorzusehen. Es ist eine typische Aufgabe des Vorstandes, zu beurteilen, ob sog. atypische Fälle die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Freistellung von Obergrenzen erfüllen. Dabei beschränkt sich die Kompetenz des Vorstandes nicht auf die Statuierung von Ausnahmen für "echte Härten", vielmehr müssen sie generell für atypische Versorgungssituationen möglich sein (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.1999 - B 6 KA 15/98 R – SozR 3-2500 § 85 Nr. 31 = MedR 2000, 153, juris Rn. 36; BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 27, juris Rn. 23). So hat das BSG eine vom Vorstand getroffene Sonderregelung für spezialisierte Internisten nicht beanstandet. Die Entscheidung, dass bei den Internisten, die eine Teilgebietsbezeichnung führten und deren spezielle Leistungen (einschließlich Folgeleistungen) 30 % der Gesamthonoraranforderung ausmachten, diese Leistungen herausgerechnet werden und dass diejenigen, deren spezialisierte Leistungen sogar 50 % der Gesamthonoraranforderung ausmachten, gänzlich von der Teilquotierung freigestellt werden, enthalte Schematisierungen, die nicht als sachwidrig beanstandet werden könnten. Derartige mit scharfen Grenzziehungen einhergehende Härten seien - wie z.B. auch für Stichtagsregelungen anerkannt - hinzunehmen, solange sie nicht im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung willkürlich seien (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.1999 - B 6 KA 15/98 R – aaO., Rn. 36). Eine Generalklausel könne z.B. zur Anwendung kommen, wenn sich überraschend Änderungen der Versorgungsstruktur in einer bestimmten Region ergeben, weil etwa einer von wenigen Vertragszahnärzten in einer Stadt unvorhergesehen aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschieden sei. Die von diesem Zahnarzt bisher behandelten Patienten müssten dann kurzfristig auf andere Zahnarztpraxen ausweichen, was zwangsläufig zu einer von diesen Praxen nur eingeschränkt steuerbaren Erhöhung der Zahl der dort behandelten Patienten führen werde. Vergleichbares gelte für die Änderung der Behandlungsausrichtung einer zahnärztlichen Praxis im Vergleich zum Bemessungszeitraum, etwa wenn sich ein bisher allgemein zahnärztlich tätiger Vertragszahnarzt auf oral-chirurgische Behandlungen konzentriert und deshalb höhere Fallwerte erreiche (vgl. BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R – aaO. Rn. 23). Darauf reagierende Differenzierungen hinsichtlich der Festlegung der individuellen Bemessungsgrundlage seien nicht nur dann geboten, wenn ihr Unterlassen zur Existenzgefährdung zahnärztlicher Praxen führen würde. Ein Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass sich auf eine Verletzung des Gebotes der Honorarverteilungsgerechtigkeit nur solche Vertrags(zahn)ärzte berufen können, bei denen die Anwendung der jeweils angegriffenen Honorarverteilungsregelung zu existenzbedrohenden Konsequenzen führen könnte, ist dem Vertrags(zahn)arztrecht fremd (vgl. BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R – aaO. Rn. 25).
Zur Erweiterung von Praxis- und Zusatzbudgets gemäß Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I., Teil B, EBM 1996 im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs hat das BSG zur Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" entschieden, dass der besondere Versorgungsbedarf eine im Leistungsangebot der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung voraussetze, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl der Praxis habe. Dies erfordere vom Leistungsvolumen her, dass bei dem Arzt das durchschnittliche Punktzahlvolumen je Patient in dem vom Budget erfassten Bereich die Budgetgrenze übersteige und zudem, dass bei ihm im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit vorliegt, die zwar allein noch nicht ausreiche, aber immerhin ein Indiz für eine entsprechende Spezialisierung darstelle (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 80/04 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 12 = GesR 2006, 363, juris Rn. 15 m.w.N.). Zu Erweiterungen der Zusatzbudgets nach den Allgemeinen Bestimmungen A I. Teil B Nr. 4.3 EBM 1996 hat das BSG ebf. entschieden, dies setze voraus, dass im Leistungsangebot der betroffenen Praxis eine Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Ausrichtung zum Ausdruck komme, die messbaren Einfluss auf den Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte auf die Gesamtpunktzahl der Praxis habe (vgl. BSG, Urt. v. 02.04.2003 - B 6 KA 48/02 - SozR 4-2500 § 87 Nr. 1, juris Rn. 23; BSG, Urt. v. 02.04.2003 – B 6 KA 48/02 R – SozR 3-2500 § 87 Nr. 31, juris Rn. 26 f.).
Die Beurteilung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Der Beklagten steht insoweit kein – der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher – Beurteilungsspielraum zu. Es gelten dieselben Erwägungen wie zu den Ausnahmen von der Teilbudgetierung nach Nr. 4 der Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996 (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 26) und der Erweiterung der Praxis- und Zusatzbudgets (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31).
Ausgehend hiervon hält die Kammer zunächst die Ermächtigung des Vorstands der Beklagten für rechtmäßig. Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag die Kammer aber keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Höhe des Honorars und Umfang des Regelleistungsvolumens zu erkennen. Die Fallpunktzahlen werden, KV-bezogen und nach Altersgruppen, anhand des artgruppenspezifischen Leistungsbedarfs in Punkten in den Quartalen II/03 bis I/04 und der Fallzahl berechnet. Der so ermittelte Fallwert für die in die Regelleistungsvolumina einbezogenen Leistungen wird mit dem Faktor 0,8 malgenommen, d. h. um 20 % vermindert (vgl. Anlage 2 zum Teil III BRLV). Im Ergebnis bedeutet dies, dass jeder Vertragsarzt nicht eigene Durchschnittswerte, sondern die seiner Honorargruppe zuerkannt bekommt. Damit gehen die Honorarregelungen von einem gleichförmigen Leistungsgeschehen aus, was im Grundsatz, da auf die Fachgruppen abgestellt wird, nicht zu beanstanden ist. Eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit kann jedoch dann vorliegen, wenn die Praxis ein zur Fachgruppe atypischen Versorgungsbedarf abdeckt. Dies ist aber unabhängig von der Honorarhöhe oder evtl. erfolgten Ausgleichszahlungen nach Ziff. 7.5 HVV. Maßstab ist allein, wie bereits ausgeführt, ob im Leistungsangebot der betroffenen Praxis eine Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Ausrichtung zum Ausdruck komme, die messbaren Einfluss auf den Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte auf die Gesamtpunktzahl der Praxis hat. Die Kammer hält es auch für unzulässig, den Vertragsarzt von vornherein darauf zu verweisen, er könne auf seine Spezialisierung verzichten. In der Konsequenz kann dies bedeuten, dass Spezialisierungen mit besonderen Praxisschwerpunkten nicht mehr gebildet werden können mit der weiteren Konsequenz, dass diese Leistungen nicht oder in nur ungenügendem Umfang erbracht werden. Auch unter einer sog. gedeckelten Gesamtvergütung hat das Honorar grundsätzlich der Leistung nachzufolgen und sich das Leistungsgeschehen nicht, zumindest nicht vordringlich an den Honoraranreizen zu orientieren.
Soweit die Beklagte vorträgt, die Honorarausstattung der einzelnen Honorar(unter)gruppen erfolge auf Basis der tatsächlich in den jeweiligen Quartalen des Jahres 2004 erfolgten Honorarzahlungen, sodass in der Ermittlung der maßgeblichen RLV-Fallpunktzahlen das von der Arzt-/Fachgruppe des Klägers abgerechnete Honorarvolumen für proktologische Leistungen einbezogen sei, verkennt sie, dass im Rahmen des Grundsatzes der Gleichbehandlung nur maßgebend sein kann, ob hier eine vergleichbare Streuung in der Fachgruppe vorhanden ist oder die Einzelpraxis signifikant hiervon abweicht.
Der Beklagten mag zwar zuzugestehen sein, dass im Ergebnis die Anwendung der Ziff. 7.5 HVV die Bedeutung des Umfangs des Regelleistungsvolumens verringern, da Ziff. 7.5 HVV wesentlich an den individuellen Fallwerten des Vorjahresquartals anknüpft und auf dieser Grundlage Honorarveränderungen im Bereich von mehr als 5 % nach oben oder unten weitgehend nivelliert. Die Ausnahmeregelung im HVV sieht aber eine solche Verknüpfung zur Regelung nach Ziff. 7.5 HVV nicht vor, sondern ist vielmehr gerade Ausdruck des Gleichbehandlungsgebots, nach dem Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf. Im Übrigen verliert die Honorarverteilung an Transparenz und Akzeptanz, wenn Unterschiede im Leistungsgeschehen nicht mehr adäquat erfasst werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es bei Feststellung der Sicherstellungsgründe nicht allein auf die Versorgung im Umkreis einer Praxis an. Dabei kann hier dahinstehen, ob solche Versorgungsgesichtspunkte generell anhand eines Umkreises von 50 km zu prüfen sind, wies es offensichtlich der Verwaltungspraxis der Beklagten entspricht und was jedenfalls im Rahmen bedarfsplanerischer Überlegungen in Zulassungssachen in dieser Allgemeinheit unzulässig ist (vgl. BSG, Urt. v. 19.07.2006 - B 6 KA 14/05 R – SozR 4-2500 § 116 Nr. 3 = GesR 2007, 71 = MedR 2007, 127, juris Rn. 19; SG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.04.2005 – S 5/29 KA 966/04 – rechtskräftig; Pawlita in: jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, Stand: 01.08.2008, § 96, Rn. 68 ff.). Maßgebend für die hier strittige Ausnahmeregelung ist der Versorgungsschwerpunkt der Praxis. Mit der Erbringung der Leistungen wird zunächst der Bedarf dokumentiert, soweit eine Fehlabrechnung oder Unwirtschaftlichkeit ausgeschlossen werden kann. Der mit einer Spezialisierung einhergehende vermehrte Zulauf von Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern kann gerade auch Ausdruck der Qualität und des Rufs der Praxis sein.
Allerdings ist andererseits zu berücksichtigen, dass nicht jede im Vergleich zur Fachgruppe vermehrte Erbringung von Einzelleistungen oder Leistungsgruppen oder Spezialisierung einen Ausnahmefall begründen kann, da dann die Regelleistungsvolumina ihren Zweck der Kalkulationssicherheit nicht mehr erreichen könnten. § 85 Abs. 4 und 4a SGB V gibt keine Vorgabe für differenzierte Ausnahmen und gibt insoweit die Tendenz der Nivellierung des Leistungsgeschehens vor. Von daher ist es auch nicht zu beanstanden, dass weder der Bewertungsausschuss noch der HVV ein den die früheren Praxisbudgets ergänzenden Zusatzbudgets vergleichbares Instrumentarium vorsehen. Auch wird im Regelfall ein Ausnahmetatbestand nicht vorliegen, wenn generell in allen oder vielen Leistungsbereichen ein gegenüber der Fachgruppe erhöhtes Leistungsvolumen abgerechnet wird, da insoweit die Regelleistungsvolumina auch der Leistungsbegrenzung dienen. Eine generelle Festlegung, wann ein Ausnahmefall vorliegt, kann aber, da es sich um eine Regelung für atypische Einzelfälle handelt, nicht getroffen werden.
Im vorliegenden Fall liegt jedoch eindeutig ein proktologischer Schwerpunkt der klägerischen Praxis vor. Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert, hat die klägerische Praxis die Leistung nach Ziffer 30610 EBM 2005 (Behandlung von Hämorrhoiden durch Sklerosierung) und nach Ziffer 30611 EBM 2005 signifikant häufiger wie die Fachgruppe erbracht, wie nachfolgender Auszug aus der Anzahl und Summenstatistik zeigt:
Quartal Angef. Punkte Fallzahl
Ziffer 30610 EBM 2005 (Behandlung von Hämorrhoiden durch Sklerosierung), 255 P.
Ziffer 30611 EBM 2005 (Entfernung von Hämorrhoiden durch Ligatur), 500 P.
II/05 1.313.382,5 P. 1.000
Absolut Punktezahlvolumen Kl./VG auf 100 Abrechner/Praxen/Ärzte
812 207.060 82/2 21/107/147
544 272.000 55/1 17/107/147
III/05 1.883.342 1.009 Absolut Punktezahlvolumen Kl./VG auf 100 Abrechner/Praxen/Ärzte
1.129 287.895 112/0 30/3.100/3.896
687 343.500 68/0 26/3.100/3.896
I/07 2.236.882,7 1.386
Absolut Punktezahlvolumen Kl./VG auf 100 Abrechner/Praxen/Ärzte
1.356 345.780 98 21/3.050/3.921
678 339.000 49 23/3.050/3.921
Hieraus wird deutlich, dass es sich bei den Behandlungsfällen des Klägers fast ausschließlich um proktologische Behandlungsfälle handelt, während die Fachgruppe sowohl der fachärztlichen als auch hausärztlichen Internisten diese Leistung statistisch zweimal bzw. keinmal abrechnet. Ein ähnliches Bild ist auch in den übrigen Quartalen festzustellen ...
Aufgrund dieses Praxisschwerpunkts ist daher von einem Ausnahmefall auszugehen (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 06.02.2008 - S 12 KA 249/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Berufung anhängig LSG Hessen: L 4 KA 28/08; Urteil vom 30.01.2008 - S 12 KA 12/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Berufung anhängig LSG Hessen: L 4 KA 29/08).
Die Beklagte wird daher zu prüfen haben, ob und ggf. in welchem Umfang sie das Regelleistungsvolumen erhöht. Die Kammer kann aber, da es zunächst der Beklagten obliegt, ihr Ermessen auszuüben, zur Ermessensausübung keine konkreten Vorgaben machen. Sie kann nur allgemein darauf hinweisen, dass zunächst die auf der Grundlage des Schwerpunkts im einzelnen Behandlungsfall notwendigerweise zu erbringenden Leistungen zu erfassen und den Regelleistungsvolumina gegenüber zu stellen sind. Dabei kann die Beklagte weiter berücksichtigen, dass die Regelleistungsvolumina selbst nur auf einer 80 %-Grundlage, die dem Ausgleich anderer Regelungen, Stützungsmaßnahmen und von der Rechtsprechung geschütztem Wachstum sog. junger oder kleinen Praxen geschuldet ist, berechnet sind, d. h. dass Überschreitungswerte der Regelleistungsvolumina um 25 % dieser Berechnungsweise innewohnt und bereits von daher nicht zu einer Erhöhung des Regelleistungsvolumens führen müssen. Die Beklagte kann aber auch entsprechend der Berechnung nach Anlage 2 zum Teil III BRLV den praxisspezifischen Leistungsbedarf der klägerischen Praxis in Punkten in den Quartalen II/03 bis I/04 und der Fallzahl berechnen und den so ermittelten Fallwert für die in die Regelleistungsvolumina einbezogenen Leistungen mit dem Faktor 0,8 malnehmen. Wie die Fachgruppe würde der Leistungsbedarf der klägerischen Praxis anhand der genannten Referenzquartale ermittelt werden. Aufgrund des besonderen Versorgungsbedarfs wäre dann aber der Leistungsbedarf der klägerischen Praxis maßgebend. Im Rahmen der Gleichbehandlung wäre der so ermittelte Bedarf ebf. mit dem Faktor 0,8 malzunehmen, da auf diese Weise eine Punktwertstabilisierung erreicht werden soll.
Soweit die Beklagte Leistungen einer besonderen Inanspruchnahme nach Ziffern 01100 bis 01110 EBM 2005 und dringende Hausbesuche nach Ziffern 01411 und 01412 EBM 2005 entgegen den Vorgaben im BRLV in das Regelleistungsvolumen einbezieht, hält die Kammer dies für rechtswidrig (vgl. SG Marburg, Urt. v. 30.01.2008 – S 12 KA 49/07 -). Bei einer Neubescheidung bzgl. des Honoraranspruchs für das Quartal II/05 wird die Beklagte dies zu beachten haben.
Im Übrigen war der Honorarbescheid für das Quartal II/05 nach Abgabe des Teilanerkenntnisses der Beklagten nicht zu beanstanden. Diesbezüglich hat der Kläger den Honorarbescheid auch nicht weiter angegriffen.
Nach allem war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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