L 5 KA 5574/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KA 3482/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 5574/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. November 2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Streichung von Ansätzen der Gebührennummer (GNR) 19 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM) im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Gesamthonorarabrechnungen des Klägers für die Quartale 2/02 bis 4/02 im Streit.

In den hier streitigen Quartalen 2/02 bis 4/02 war der Kläger als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in L. niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Nach Prüfung der Richtigkeit seiner Honorarabrechnungen in den streitigen Quartalen strich die damalige Kassenärztliche Vereinigung Nordwürttemberg (KV Nordwürttemberg), Rechtsvorgängerin der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, insgesamt 314 Ansätze der GNR 19 EBM (Fremdanamnese bei kommunikationsgestörten Patienten) mit der Begründung, die Erhebung der Fremdanamnese bei krankheitsbedingter Kommunikationsstörung nach GNR 19 EBM sei nicht zeitgleich neben der psychiatrischen Behandlung durch verbale Intervention nach GNR 822 EBM abrechenbar (Quartal 2/02: Streichung von 111 Ansätzen, Bescheid 19. September 2002; Quartal 3/02: Streichung von 102 Ansätzen, Bescheid vom 10. Dezember 2002 und Quartal 4/02: Streichung von 101 Ansätzen, Bescheid vom 27. Februar 2003). Daneben wurden auch noch andere GNR jeweils sachlich-rechnerisch berichtigt.

Hiergegen erhob der Kläger jeweils Widerspruch mit der Begründung, entgegen der Auffassung der Beklagten sei nach der ihm vorliegenden Gebührenordnung mit Kommentar (Wetzel/Liebold) für die GNR 19 EBM kein Ausschluss bei der GNR 822 oder 820 oder 823 zu entnehmen, weshalb die Streichung somit unzulässig sei. Die Leistung nach GNR 19 könne von Ärzten aller Fachgebiete abgerechnet werden. Auf dem Gebiet der Nervenheilkunde komme es sehr häufig vor, dass Patienten erheblich kommunikationsgestört seien. Die Erhebung einer Fremdanamnese und/oder die Unterweisung und Führung von Bezugspersonen sei dabei ein ganz wesentlicher Bestandteil der laufenden Behandlung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2003 wies der Vorstand der damaligen KV Nordwürttemberg die Widersprüche aufgrund seiner Sitzung am 2. Juni 2003 hinsichtlich der hier streitigen GNR 19 EBM zurück. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, bei der GNR 19 EBM müsse eine erhebliche Kommunikationsstörung vorliegen, die auf psychische, hirnorganische oder krankheitsbedingte Ursachen rückführbar sein müsse. Unter Berücksichtigung auch entsprechender Rechtsprechung des SG Stuttgart (S 5 KA 1500/01) seien hier unter Kommunikationsstörungen im Sinne der GNR 19 EBM allein Störungen der verbalen Kommunikation zu verstehen, und zwar bezogen auf die Kommunikation zwischen dem Arzt und dem Kranken. Liege jedoch eine Kommunikationsstörung im Sinne der Leistung nach GNR 19 EBM vor, sei eine verbale Interaktion zwischen Patient und Arzt nicht möglich. Gesprächsleistungen, die einer verbalen Interaktion bedürften, könnten folglich neben der Leistung nach GNR 19 EBM nicht abgerechnet werden. Durch den Ansatz der GNR 822 EBM habe der Kläger jedoch dokumentiert, dass eine verbale Interaktion mit den Patienten möglich gewesen sei. Daher scheide der Ansatz der GNR 19 EBM aus und sei die Streichung zu Recht erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger am 30. Juni 2003 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dem Wortlaut der Leistungslegende nach GNR 19 EBM sei eindeutig ein genereller Ausschluss des Ansatzes dieser GNR neben der Leistung nach GNR 822 EBM nicht zu entnehmen. Die Schlussfolgerung der Beklagten, dass bei Vorliegen einer Kommunikationsstörung im Sinne der Leistung nach GNR 19 EBM eine verbale Interaktion zwischen Arzt und Patient nicht möglich sei, sei falsch. So sei z. B. bei krankheitsbedingten erheblichen Kommunikationsstörungen (z. B. Demenzpatienten oder auch Patienten nach einem Schlaganfall) eine Unterhaltung in begrenztem Umfang durchaus gegeben. Eine therapeutische Zuwendung in Form von positiver Verstärkung und Bestätigung sei meistens möglich, auch wenn der Patient aufgrund von krankheitsbedingten Wortfindungsstörungen nicht richtig oder gezielt antworten könne. Auch bei psychischen Erkrankungen sei zu berücksichtigen, dass, wenn ein solcher Patient in die Sprechstunde komme, es Bereiche seines Erlebens gebe, die krankheitsbedingt übertrieben oder auch viel zu schwach dargestellt würden, weil er dafür wegen seiner Erkrankungen ein anderes Erleben habe. Hierdurch komme es auch zu wahnhaften Verkennungen oder beispielsweise zu einer negativistischen Sichtweise. Der Patient könne den Schweregrad seiner Erkrankung nicht immer richtig einschätzen. Man spreche dann auch von fehlender Krankheitseinsicht. Diese Verkennungen führten zu einer Kommunikationsstörung mit seiner Umwelt. Andererseits sei der Patient in der Lage, ein Gespräch zu führen und therapeutische Anweisungen zu empfangen. Die Kommunikationsstörung beziehe sich nicht komplett auf die gesamte verbale Äußerungsfähigkeit oder Aufmerksamkeit des Patienten, sondern betreffe nur Teilbereiche, die jedoch zu schwerwiegenden Verhaltensweisen führen könne. Stelle sich nun ein solcher Patient allein in der Praxis vor, könne es vorkommen, dass dieser im Gespräch einen völlig unauffälligen Eindruck hinterlasse. Für kurze Augenblicke und unter der besonderen Bedingung eines Arztgespräches könnten Krankheitssymptome nicht erkannt werden. Dieser Patient wolle sich nicht krank zeigen oder fühle sich nicht krank. Wenn hierzu aber die Bezugsperson befragt werden könne, könne man dann ein völlig anderes Bild erhalten, z. B. dass der Patient sich zu Hause ständig einschließe wegen Verfolgungsängsten, nichts esse, völlig isoliert sei. Es liege also eine schwere krankheitsbedingte Kommunikationsstörung vor, ohne dass diese im Gespräch erkennbar sei. Der Klägerbevollmächtigte hat an dieser Stelle noch fünf Fallschilderungen vorgelegt, denen zu entnehmen sei, dass hier Leistungen sowohl nach GNR 19 EBM als auch nach GNR 822 EBM sinnvollerweise hätten erfolgen müssen. Zur Begründung ist ferner auf ein Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 8. September 2004 verwiesen worden, woraus sich ergebe, dass die Leistung nach der GNR 19 EBM nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil die Leistung nach GNR 822 EBM möglich und notwendig gewesen sei.

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat darauf verwiesen, dass die Leistungsinhalte der GNR 19 EBM und 822 EBM sich gegenseitig ausschlössen und nicht nebeneinander abgerechnet werden könnten. Voraussetzung für die GNR 19 EBM sei eine erhebliche Störung der verbalen Kommunikation. Dagegen sei eine einigermaßen intakte verbale Kommunikationsfähigkeit Abrechnungsvoraussetzung für die GNR 822 EBM. Folglich handele es sich hier um unvereinbare Gegensätze. Hieran ändere auch eine von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mitgeteilte Auffassung nichts, da letztlich die Kompetenz zur Auslegung der Leistungslegende bei den Sozialgerichten liege und das SG Stuttgart habe auch bereits diese Auffassung bestätigt. Im Übrigen sprächen auch die vorgelegten Falldarstellungen nach Ansicht der Beklagten für eine erhebliche Kommunikationsstörung im Sinne der GNR 19 EBM. Im Übrigen seien die Streichungen nicht wegen Nichterfüllung des Leistungsinhalts der GNR 19 EBM, sondern wegen der Unvereinbarkeit der Erfüllung der Leistungsinhalte der GNR 19 EBM und der GNR 822 EBM erfolgt. Zwar könnte nach den Allgemeinen Bestimmungen die jeweils höher bewertete Leistung berechnet werden, soweit die Berechnung von Leistungen nebeneinander ausgeschlossen sei. Zwar sei die GNR 19 EBM mit 500 Punkten bewertet, während die GNR 822 EBM nur mit 320 Punkten bewertet sei. Doch sei festzustellen, dass in den entsprechenden Behandlungsfällen die GNR 822 EBM mehrfach und häufig auch in Kombination mit der GNR 823 EBM angesetzt worden sei. Da der Wert der Leistungen nach den GNR 822 und 823 EBM den der GNR 19 EBM übersteige, sei entsprechend der Allgemeinen Bestimmungen die GNR 19 EBM zu streichen gewesen.

Das SG hat mit Urteil vom 16. November 2005 die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass kein Anspruch des Klägers auf Vergütung der hier gestrichenen Ansätze der GNR 19 EBM bestehe. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen zur sachlich-rechnerischen Berichtigung und der ständigen Rechtsprechung des BSG zur Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnung und der einzelnen Leistungslegenden sei das SG zu der Überzeugung gekommen, dass die hier vorgenommenen Streichungen der Ansätze der GNR 19 EBM rechtmäßig seien. Voraussetzung für die Berechnung einer Leistung nach GNR 19 EBM sei nach dem eindeutigen Wortlaut der Leistungslegende die Erhebung einer Fremdanamnese und/oder die Unterweisung und Führung einer Bezugsperson, beide Alternativen jedoch bezogen auf einen Kranken, der psychisch, hirnorganisch oder sonst krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestört sei. Eine krankheitsbedingte Kommunikationsstörung im Sinne der GNR 19 EBM könne nur dann gegeben sein, wenn eine verbale Kommunikation zwischen dem Kranken und dem Arzt ohne die in der Leistungslegende genannten Gründe grundsätzlich möglich wäre, sie in der konkreten Untersuchungssituation aber aus den in der Leistungslegende genannten Ursachen nicht oder nicht hinreichend möglich sei (Hinweis auf eine Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. Oktober 2000 - L 5 KA 1268/00 sowie weitere Urteile des SG vom 16. Mai 2002 - S 5 KA 1500/01 und S 5 KA 69/02 sowie vom 15. Mai 2002 - S 10 KA 5277/00). Weiter hat das SG darauf verwiesen, dass neben den Fällen der "formal verbalen" Kommunikationsstörung, in denen der Patient nicht (z. B. Sprachverlust) oder kaum verständlich (z. B. Taubheit) sprechen könne, es gerade bei psychisch oder hirnorganisch Erkrankten Fälle gäbe, in denen der Patient zwar durchaus sprechen könne, gleichwohl aber aufgrund seiner Erkrankung eine sinnvolle verbale Interaktion zwischen Arzt und Patient hinsichtlich der Anamneseerhebung nicht erfolge bzw. erfolgen könne. Auch in diesen Fällen einer "inhaltlich verbalen" Kommunikationsstörung sei der Arzt - ebenso wie Patienten, die nicht oder kaum verständlich sprechen könnten - gezwungen, eine Fremdanamnese durchzuführen, um überhaupt eine vernünftige Anamnese erheben zu können. Insoweit teile das SG die Auffassung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in ihrer Stellungnahme vom 8. September 2004, dass es nicht Voraussetzung zur Abrechnung der GNR 19 EBM sei, dass eine organische Störung der Sprache oder des Gehörgangs vorliege. Eine erhebliche Kommunikationsstörung im Sinne der GNR 19 EBM könne daher - neben den bereits in der Leistungslegende beschriebenen Erkrankungen wie Taubheit und Sprachverlust - beispielsweise bei Demenzerkrankungen, psychischen Störungen wie Autismus oder bei einem apoplektischen Insult mit entsprechenden Folgen oder einem Unfall mit nachfolgender Unmöglichkeit einer Kommunikation mit dem Kranken oder einer derart gravierenden Beeinträchtigung der Kommunikationsfähigkeit, dass der Arzt zu einer sachgerechten Beurteilung und Behandlung der Erkrankung fremder anamnestischer Angaben bedürfe, vorliegen. Die Leistung nach GNR 822 EBM setze dagegen voraus, dass der Kranke zu einer sinnvollen verbalen Kommunikation fähig sei und die verbale Intervention nicht als Monolog des Arztes verstanden werden dürfe. Eine "gezielte Einwirkung" auf krankhafte Gedankenabläufe, Motivationslage oder die Selbstinterpretation des Patienten könne nämlich naturgemäß nur im Dialog mit dem Kranken erfolgen. Sei aber eine (sinnvolle) verbale Kommunikation mit dem Patienten möglich, scheide der Ansatz der GNR 19 EBM neben der GNR 822 EBM im Behandlungsfall von vornherein aus. Auch der Leistungsinhalt der zweiten Fallvariante der GNR 19 EBM (Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en)) sei nicht erfüllt. Auch die Unterweisung und Führung der Bezugsperson setze voraus, dass ein Patient behandelt werde, bei dem eine erhebliche Kommunikationsstörung im dargelegten Sinne bestehe. Das SG hat die Sprungrevision zum Bundessozialgericht zugelassen, da es der Auffassung war, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, da nämlich noch eine Vielzahl von Verfahren beim SG bezüglich dieser Streitfrage anhängig seien.

Der Kläger hat gegen das seinen Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 1. Dezember 2005 zugestellte Urteil am 29. Dezember 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt die Klägerbevollmächtigte aus, das SG fordere zwar beim Ansatz der GNR 19 EBM nicht ausschließlich das Vorliegen einer rein "formal verbalen" Kommunikationsstörung, sondern lasse auch eine "inhaltlich verbale" Kommunikationsstörung ausreichen. Es erfasse damit aber doch nicht den gesamten mit der Leistungslegende der GNR 19 EBM bereits nach dem Wortlaut klar definierten Regelungstatbestand. Nach dem Wortlaut der Leistungslegende könne die fragliche Leistung berechnet werden für die Erhebung einer Fremdanamnese über einen ... erheblich kommunikationsgestörten Kranken und/oder die Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson. Durch die Verwendung des Wortes oder könne daher die GNR 19 EBM berechnet werden sowohl bei der Erhebung einer Fremdanamnese als auch - alternativ - der Unterweisung und Führung einer Bezugsperson. Die Schlussfolgerung des Gerichts, dass in beiden Fällen eine erhebliche Kommunikationsstörung vorliegen müsse, lasse sich dem Wortlaut der Bestimmung nicht entnehmen. Abgesehen davon habe das SG die Bedeutung des Begriffs der Kommunikationsstörung auch verkannt. Insoweit wiederholt die Klägerbevollmächtigte den Vortrag aus dem Klageverfahren hinsichtlich der Kommunikationsfähigkeiten von etwa Demenzpatienten und psychisch Erkrankten und verweist nochmals auf die seinerzeit bereits vorgelegten Fallschilderungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. November 2005 aufzuheben sowie die Gesamthonorarabrechnungsbescheide für die Quartale 2/02 bis 4/02 mit den ergänzenden Berichtigungsbescheiden in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 insoweit abzuändern, als dem Kläger in diesen Quartalen insgesamt 314 Ansätze der GNR 19 EBM gestrichen wurden, sowie die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger diese Leistungen zu vergüten.

hilfsweise, die Revision zuzulassen

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und weist darauf hin, dass die Leistungen nach der GNR 19 EBM Störungen der verbalen Kommunikation voraussetzten, wohingegen der Leistungsinhalt der GNR 822 die Fähigkeit des Patienten zu einer verbalen Kommunikation voraussetze. Hiermit handele es sich um unvereinbare Gegensätze. Entweder bestehe bei einem Patienten eine erhebliche verbale Kommunikationsstörung oder diese bestehe eben nicht. Durch die Abrechnung der GNR 822 habe der Kläger selbst dokumentiert, dass mit dem Patienten eine Kommunikation möglich gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 500 EUR ist überschritten. Im Streit stehen Kürzungen im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung in Höhe von 6.631,05 EUR.

II.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn ein Anspruch des Klägers auf Vergütung der hier gestrichenen 314 Ansätze der GNR 19 EBM besteht nicht.

Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 Satz 1 und 2 EKV-Ä obliegt den Kassenärztlichen Vereinigungen die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Dies gilt insbesondere für die Anwendung des Regelwerkes. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der leicht abweichende Wortlaut des § 34 EKV-Ä enthält in der Sache keine andere Regelung. Nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V ergangenen (zum damaligen Zeitpunkt noch maßgeblichen) HVM der KV Nordwürttemberg (Rechtsvorgängerin der Beklagten) sind für die Abrechnungen die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen sowie die autonomen Satzungsnormen der Beklagten maßgebend (jetzt wortgleich geregelt in § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Honorarverteilungsvertrages -HVV-). Nach § 7 Abs. 1 HVM (jetzt § 7 Abs. 1 HVV) prüft die Beklagte die eingereichten Abrechnungen in formaler Hinsicht. Bei dieser Prüfung ist u.a. darauf zu achten, ob die Bestimmungen der Gebührenordnungen beachtet und die richtigen Gebührenordnungsnummern angesetzt worden sind.

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind, hier also die GNR 19 EBM neben der GNR 822 EBM.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist für die Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnung in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegende maßgeblich (vgl. BSG SozR 3-5533 Nr. 505 Nr. 1 S 3; BSG SozR 4-5533 Nr. 40 Nr. 1 RdNr. 6; s zuletzt Urteil vom 28. April 2004 - B 6 KA 19/03 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Das vertragliche Regelwerk dient nämlich dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5 S 22 ff sowie SozR 3-5555 § 10 Nr. 1 S 4 zum zahnärztlichen Bereich), und es ist vorrangig Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst, darin auftretende Unklarheiten zu beseitigen. Ergänzend ist es statthaft, zur Klarstellung des Wortlauts der Leistungslegende eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen vorzunehmen (vgl. BSG SozR 3-5533 Nr. 115 Nr. 1 S 3; s auch BSG SozR aaO Nr. 2145 Nr. 1 S 3). Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (vgl. BSG SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 S 6). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden (vgl. BSG SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 S. 5; SozR 3-5555 § 10 Nr. 1 S. 4; SozR 3-5533 Nr. 2449 Nr. 2 S. 7).

Unter Berücksichtigung der oben dargestellten, von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze, ist der Senat der Überzeugung, dass die hier streitigen Ansätze der GNR 19 EBM zutreffend gestrichen wurden, da eine Abrechnung neben der GNR 822 EBM nicht möglich war.

Die Leistungslegende der mit 500 Punkten bewerteten GNR 19 EBM hatte in den hier streitigen Quartalen folgenden Wortlaut: Erhebung der Fremdanamnese, gegebenenfalls bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z. B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en), einmal im Behandlungsfall.

Die Leistungslegende der mit 320 Punkten bewerteten GNR 822 EBM hatte in den streitigen Quartalen folgenden Wortlaut: Psychiatrische Behandlung zur Reintegration eines Erwachsenen mit psychopathologisch definiertem Krankheitsbild durch syndrombezogene verbale Intervention als therapeutische Konsequenz aus den dokumentierten Ergebnissen der selbst erbrachten Leistung nach Nummer 820.

Nach dem Wortlaut der Leistungslegende setzt damit die Berechnungsfähigkeit der Erhebung der Fremdanamnese nach GNR 19 EBM voraus, dass ein Patient behandelt wird, der krankheitsbedingt, hirnorganisch oder psychisch erheblich kommunikationsgestört ist, der also aus einem der drei genannten, einander nicht notwendig ausschließenden Gründen diejenigen Informationen dem Arzt nicht selbst geben kann, die ein Patient, der an vergleichbaren Störungen nicht leidet, dem behandelnden Arzt selbst verschaffen könnte (siehe Beschluss des BSG vom 16. Mai 2001 - B 6 KA 4/01 B - mit dem das BSG das Urteil des erkennenden Senats vom 25. Oktober 2000 - L 5 KA 1268/00 - bestätigt hat). Die Erhebung der Fremdanamnese (erste Fallgruppe der GNR 19 EBM) findet statt, wenn - entsprechend der Bedeutung von Anamnese als "das Erfragen ... der Vorgeschichte einer Krankheit durch den Arzt" (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 19. Auflage 1986) - die Krankengeschichte nicht vom Kranken selbst, sondern von einem Dritten erfragt wird, der Auskunft über den Kranken geben kann. Die Fremdanamnese tritt in diesen Fällen an die Stelle einer sonst unmittelbar zwischen Patient und Arzt bestehenden Auskunftsbeziehung. Daraus ergibt sich, dass gerade die Kommunikationsstörung die Fremdanamnese erforderlich machen muss. Daraus folgt weiter, da die Krankengeschichte stets verbal "erfragt" wird und bei dem Patienten auch eine Selbstbeobachtungsgabe voraussetzt, dass unter Kommunikationsstörungen im Sinne der hier zu beurteilenden Leistungslegende allein Störungen der verbalen Kommunikation zu verstehen sind, und zwar bezogen auf die Kommunikation zwischen dem Kranken und dem Arzt (so der erkennende Senat in seinem Urteil vom 25. Oktober 2000 L 5 KA 1268/00 -). D. h. mit anderen Worten, eine krankheitsbedingte Kommunikationsstörung im Sinne der GNR 19 EBM kann deshalb nur gegeben sein, wenn eine verbale Kommunikation zwischen dem Kranken und dem Arzt ohne die in der Leistungslegende genannten Gründen grundsätzlich möglich wäre, sie in der konkreten Untersuchungssituation aber aus den in der Leistungslegende genannten Ursachen nicht (ausreichend) möglich ist.

Zutreffend hat unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des BSG bzw. des erkennenden Senats bereits das SG darauf verwiesen, dass die Störung der verbalen Kommunikation nicht allein auf Fälle der "formal verbalen" Kommunikationsstörung begrenzt ist. Denn in der Tat würde bei einer Einengung der Kommunikationsstörung auf eine rein "formal verbale" Kommunikationsstörung nämlich fast kein Anwendungsbereich für psychisch oder hirnorganisch bedingte Kommunikationsstörungen verbleiben, die jedoch ausdrücklich in der Leistungslegende der GNR 19 EBM aufgeführt sind. D. h. weiter, neben den Fällen der "formal verbalen" Kommunikationsstörung, in denen der Patient nicht (z. B. Sprachverlust) oder kaum verständlich (z. B. Taubheit) sprechen kann, gibt es gerade bei psychisch oder hirnorganisch Erkrankten Fälle, in denen der Patient zwar durchaus sprechen kann, gleichwohl aber aufgrund seiner Erkrankung eine sinnvolle verbale Interaktion zwischen Arzt und Patient hinsichtlich der Anamneseerhebung nicht erfolgt, bzw. erfolgen kann. Eine erhebliche Kommunikationsstörung kann daher, wie vom SG weiter zutreffend bereits ausgeführt, im Sinne der GNR 19 EBM - neben den bereits in der Leistungslegende beschriebenen Erkrankungen wie Taubheit und Sprachverlust - beispielsweise auch bei - den von der Klägerbevollmächtigten ausdrücklich genannten - Demenzerkrankungen (vgl. Kölner Kommentar zum EBM, Stand Oktober 2001, Anmerkung 1 zu GNR 19 EBM, Seite 184), bei psychischen Störungen wie Autismus oder bei einem apoplektischen Insult mit entsprechenden Folgen oder auch einem Unfall mit nachfolgender Unmöglichkeit einer Kommunikation mit dem Kranken oder einer derart gravierenden Beeinträchtigung der Kommunikationsfähigkeit, dass der Arzt zu einer sachgerechten Beurteilung und Behandlung der Erkrankung fremder anamnestischer Angaben bedarf (siehe Kölner Kommentar a.a.O.), vorliegen.

Wie bereits weiter vom SG zutreffend ausgeführt erfordert die Leistung nach GNR 822 EBM im Rahmen der psychiatrischen Behandlung eines Erwachsenen mit psychopathologisch definierten Krankheitsbild anstelle oder in Ergänzung zu einer Pharmakotherapie eine begleitende psychiatrische verbale Intervention, um möglichst ein Verbleiben des Kranken in seinem persönlichen Umfeld zu erreichen und stationäre Behandlungen zu vermeiden (siehe Kölner Kommentar zum EBM, Stand Oktober 2003, Anmerkung 2 zur GNR 822 EBM). Unter einer syndrombezogenen verbalen Intervention ist dabei die gezielte Einwirkung auf krankhafte Gedankenabläufe, auf die Motivationslage und auf die Selbstinterpretation des Patienten zu verstehen, Beratungen, intensive Gespräche oder Erörterungen erfüllen nicht den Leistungsinhalt der GNR 822 (siehe Kölner Kommentar a.a.O., Anmerkung 4). Voraussetzung für die Erbringung und Abrechnung der Leistung nach GNR 822 EBM ist damit, dass der Kranke zu einer sinnvollen verbalen Kommunikation fähig ist und die verbale Intervention nicht als Monolog des Arztes verstanden werden darf. Zutreffend hat das SG darauf verwiesen, dass eine "gezielte Einwirkung" auf krankhafte Gedankenabläufe, Motivationslage oder die Selbstinterpretation des Patienten naturgemäß nur im Dialog mit dem Kranken erfolgen kann. Der Kläger hat mit dem Ansatz der GNR 822 EBM dokumentiert, dass er mit diesen Patienten ohne Zuhilfenahme von Begleit- oder Bezugspersonen - wenn auch unter Umständen erschwert - eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation durchführen konnte. Wenn aber eine (sinnvolle) verbale Kommunikation mit dem Patienten möglich ist, scheidet in der Tat der Ansatz der GNR 19 EBM neben der GNR 822 EBM im Behandlungsfall von vornherein aus.

Soweit der Kläger hier nun versucht geltend zu machen, dass es einerseits durchaus Konstellationen geben könne, bei denen mit den betroffenen Patienten zwar eine Unterhaltung in begrenztem Umfang gegeben sei, eine therapeutische Zuwendung in Form von positiver Verstärkung und Bestätigung meistens möglich sei, so etwa bei Demenzpatienten oder auch bei Patienten nach einem Schlaganfall oder sich etwa bei psychisch erkrankten Patienten die Kommunikationsstörung nicht komplett auf die gesamte verbale Äußerungsfähigkeit oder Aufmerksamkeit des Patienten beziehe, sondern nur Teilbereiche beträfe, die jedoch zu schwerwiegenden Verhaltensweisen führen könnten, weshalb in diesen Fällen zwar einerseits eine verbale Interaktion "eingeschränkt" im Sinne der GNR 822 EBM möglich sei, auf der anderen Seite aber auch die Befragung der Bezugspersonen gerade zur Erarbeitung der Anamnese notwendig sei, da die Patienten entweder (wie etwa bei Demenzkranken oder durch Schlaganfall betroffenen Patienten) nicht in der Lage seien sich entsprechend zu artikulieren oder aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Realität verzerrt wahrnehmen und dann auch darstellen würden, führt dies zu keiner anderen Beurteilung der hier streitigen Frage. Zu beachten ist nämlich, dass die GNR 19 EBM voraussetzt, dass hier eine erhebliche Kommunikationsstörung vorliegt. Eine weitere Einschränkung dahingehend, dass "ausreichend" ist, dass die Kommunikationsstörung jedenfalls der Erhebung der Anamnese entgegensteht, im Übrigen aber eine "gewisse" Kommunikation noch möglich ist, ist in der Leistungslegende nicht aufgeführt. Dies heißt mit anderen Worten, immer dann, wenn eine Kommunikationsstörung vorliegt, die es nicht möglich macht, die Anamnese selbst bei dem Patienten zu erheben, also ein Dialog zwischen Arzt und Patient nicht möglich ist, kann dann aber auch im Übrigen kein Dialog zwischen Arzt und Patient, wie es die GNR 822 EBM verlangt, möglich sein. Andersrum formuliert, sobald eine sinnvolle Kommunikation im Sinne von GNR 822 EBM möglich ist, wie sie der Kläger in diesen Fällen durch die entsprechende Abrechnung dokumentiert hat, kann nach dem eindeutigen Wortlaut der Leistungslegende zu GNR 19 EBM nicht mehr von einem dergestalt kommunikationsgestörten Patienten ausgegangen werden, mit dem ein Dialog nicht möglich ist. Dies aber ist gerade Voraussetzung für die Anwendung der GNR 19 EBM. Die vom Kläger gewünschte Differenzierung in eine teilweise Kommunikationsstörung und teilweise Kommunikationsmöglichkeit und dann eine entsprechende Abrechnung beider Gebührennummern nebeneinander ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Leistungslegende nicht möglich. Dies gilt auch für die vom Kläger besonders hervorgehobenen Fälle der Kommunikationsunwilligkeit als Folge oder Begleiterscheinung psychischer Erkrankungen (vgl. dazu die Ausführungen in den klägerischen Schriftsätzen vom 7. Januar2005 und 14. Juni 2006 - Bl. 38 SG-Akte und Bl. 33/34 LSG-Akte). Mit einem Patienten, der von seinem Sprachvermögen und seiner Aufnahmefähigkeit voll kommunikationsfähig ist, der aber aus den Gründen seiner psychischen Erkrankung über bestimmte Wahrnehmungen oder Verhaltensweisen mit dem Arzt nicht sprechen will, ist grundsätzlich eine verbale Kommunikation uneingeschränkt möglich. Fehlende Auskunftsbereitschaft, fehlende oder übertriebene Krankheitseinsicht oder eine verfälschte Darstellung durch Simulation oder Dissimulation sind zudem alltägliche Faktoren, mit denen der Arzt bei jeder Anamneseerhebung rechnen muss, und zwar auch bei Angehörigen, wenn er diese in das Gespräch einbezieht. Dass die Angaben Dritter dazu führen können, dass der Kern einer Erkrankung schneller eruiert wird, ist dem Kläger einzuräumen. Die Einbeziehung eines Dritten in ein auf der Gesprächsebene unproblematisches oder sogar flüssiges Gespräch vermag aber nicht die Voraussetzungen von GNR 19 EBM zu erfüllen, weil eine Kommunikationsstörung bei der Gesprächsführung, vergleichbar derjenigen, die bei einem Tauben oder einer Person mit Sprachverlust auftritt, in diesen Fällen nicht vorliegt.

Nichts anderes gilt im Übrigen auch für die zweite Fallvariante der GNR 19 EBM, nämlich die Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en). Denn auch dies setzt genauso voraus, dass eine erhebliche Kommunikationsstörung vorliegt, die es gerade unmöglich macht, einen "normalen" Dialog zwischen Arzt und Patient führen zu können.

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Zum einen handelt es sich bei den hier streitigen Gebührennummern um ausgelaufenes Recht, das seit dem 1. April 2005 durch den neuen EBM 2000plus ersetzt worden ist, zum anderen sind die hier streitigen Problemen bei der Rechtsanwendung allein mit dem insoweit nicht auslegungsfähigen Wortlaut der streitigen Gebührennummern zu beantworten.
Rechtskraft
Aus
Saved