Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2934/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2861/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Juni 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2004 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtzüge zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Der 1963 geborene Kläger hat den Beruf des Zimmermanns erlernt und ist als solcher bis heute versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 29.10.2003 stellte der Kläger gestützt auf ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. O., wonach bei ihm ein chronisch rezidivierendes Schmerzsyndrom im Bereich der Wirbelsäule und der Kniegelenke besteht und auf Grund dessen eine berufliche Veränderung durchgeführt bzw. Umschulungsmaßnahmen eingeleitet werden sollten, einen Antrag auf berufliche Rehabilitation. Durch die Jahre hätten sich seine Kniegelenke und die Wirbelsäule abgenützt. In ein paar Jahren könne er den Beruf des Zimmermanns nicht mehr ausüben.
Mit Bescheid vom 30.01.2004 lehnte die Beklagte, nachdem sie ein ärztliches Gutachten des Dr. O. eingeholt hatte, den Antrag ab. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei, nachdem er weiterhin in der Lage sei, eine Beschäftigung als Zimmermann auszuüben, nicht erheblich gefährdet oder gemindert.
Im Rahmen des dagegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, dass sich sein Gesundheitszustand in den nächsten Jahren eher verschlechtern werde.
Die Beklagte veranlasste hierauf eine Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden Dr. S. von der Ärztlichen Dienststelle in R ... Bei der Begutachtung gab der Kläger unter anderem an, er leide seit einem halben Jahr unter Gleichgewichtsstörungen. Der Schwindel trete überwiegend bei schnellen Kopfwendungen auf. Unter fortlaufender Behandlung sei eine Besserung eingetreten. Dr. S. diagnostizierte unter Berücksichtigung einer arbeitsmedizinischen Untersuchung der W. B.-B. und eines Arztbriefes des Orthopäden Dr. D. eine ISG-Reizung rechts bei Beinlängendifferenz und Beckenverwringung, eine Wirbelsäulenskoliose und eine Chondropathia patellae beidseits. Die beklagten Schwindelerscheinungen seien nach Angaben des Klägers abgeklärt worden. Die Beschwerden seien den Gleichgewichtsorganen der Innenohren zuzuschreiben. Da sich eine bessernde Tendenz einstelle und die bisherige Tätigkeit auf dem Dachstuhl nicht habe unterbrochen werden müssen, sei am ehesten davon auszugehen, dass es sich um ein parainfektiöses Geschehen handele, was bei jüngeren Menschen eine häufigere Ursache für passager auftretende Schwindelerscheinungen sei. Dr. S. kam zu dem Ergebnis, der ausgeübte Beruf des Zimmermanns erscheine nicht erheblich gefährdet. Eine Umschulung könne sich aufgrund der bei einem Beruf mit geringerer körperlicher Belastung eintretenden Inaktivierung unter Umständen kontraproduktiv auswirken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2004 wies die Beklagte hierauf den Widerspruch zurück.
Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) mit der er sein Begehren weiterverfolgte. Er gab an, seine Knie hätten sich verschlechtert und am Ellenbogengelenk rechts sei eine Operation durchgeführt worden.
Das SG hörte zunächst den Orthopäden Dr. M. als sachverständigen Zeugen. Dr. M. führte aus, er habe beim Kläger seit Dezember 2003 eine radiale Epicondylopathie, eine Funktionseinschränkung des rechten Ellbogens und ein rezidivierendes BWS- und LWS-Syndrom diagnostiziert. Am 24.11.2004 sei eine Denervierungsoperation sowie Ellbogengelenksrevision durchgeführt worden. Inwieweit sich die Ellbogengelenksbeweglichkeit wieder normalisiere, bleibe abzuwarten. Wegen der Beschwerden von Seiten der Brust- und Lendenwirbelsäule sei der Beruf als Zimmermann mit Arbeiten in Nässe und Zugluft und verbunden mit schwerem Heben sowie häufigem Bücken sicherlich nicht geeignet. Er fügte den Operationsbericht über die am 24.11.2004 durchgeführte Operation im Klinikum M. bei.
Für die Beklagte äußerte sich hierzu der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G., der eine fachorthopädische Begutachtung empfahl.
Hierauf beauftragte das SG den Orthopäden Dr. K. mit der Erstattung eines Gutachtens. Der Arzt, dem der Kläger ebenfalls u.a. über Gleichgewichtsstörungen und Schwindelerscheinungen bei schnellen Kopfbewegungen berichtete, stellte als Diagnosen 1. ein chronisch rezidivierendes zervikales, thoracales und lumbales Wirbelsäulensyndrom bei leicht S-förmiger Wirbelsäulenskoliose, Beckentiefstand rechts und SIG-Reizung rechts, myofasciales Wirbelsäulensyndrom, 2. eine Chondropathia patellae beidseits, 3. eine operativ behandelte Epicondylitis humeri radialis rechts, lokales Rezidiv und 4. eine Praearthrosis coxae beidseits. Die praesacralen leichtgradigen Bandscheibenschäden würden die Belastbarkeit der Wirbelsäule einschränken. Arbeiten, die mit anhaltendem Stehen und ausschließlich gebückter oder exzentrischer (vor allem in vornüber gebeugter Haltung) Körperhaltung einhergehen würden, seien zu unterlassen. Tätigkeiten im Beruf des Zimmermanns und auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten vollschichtig durchgeführt werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.06.2005 wies das SG die Klage ab. Gestützt auf die Beurteilung von Dr. S. und Dr. K. liege beim Kläger eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht vor. Er könne den Beruf des Zimmermanns noch vollschichtig ausüben.
Hiergegen richtet sich die am 01.07.2005 eingelegte Berufung des Klägers. Er hat ausgeführt, er sei mit dem Gutachten von Dr. K. nicht einverstanden. Sein Allgemeinzustand, der Schwindel, der Rücken und die Knieprobleme hätten sich verschlechtert. Hinzu kämen jetzt auch noch Probleme mit der Hüfte und durch die im Jahr 2004 durchgeführte Ellenbogenoperation seien die Schmerzen nicht besser geworden. Insgesamt würden seine Schmerzen immer schlimmer. Aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, lasse er sich aber nicht krankschreiben. Bereits 1989 habe ihm ein Orthopäde eine Umschulung empfohlen. Ergänzend hat er auf seit längerem bestehende Gleichgewichtsstörungen hingewiesen und Atteste des Arztes für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Dr. K., der beim Kläger einen gutartigen Lagerungsschwindel des rechten Ohres, der sich immer wieder durch Schwindelanfälle in heftiger Form äußere, bestätigt hat, vorgelegt.
Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Juni 2005 sowie den Bescheid vom 30. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst Dr. K., Dr. M. und den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. K. hat mitgeteilt, er behandle den Kläger seit 1994, zuletzt am 28.12.2005. Der Kläger habe unter anderem des öfteren Schwindelbeschwerden, zuletzt auch am 28.12.2005, vorgetragen. Bezüglich der Schwindelbeschwerden habe im Januar 2001 ein gutartiger Lagerungsschwindel diagnostiziert werden können. Die Beschwerden hätten durch wiederholte Lagerungsmanöver nach Semont weitestgehend gebessert werden können. Es müsse jedoch stets mit unvorhersehbaren und heftigen Drehschwindel-Anfällen im Rahmen einer abrupten Körperbewegung gerechnet werden. Deshalb habe er am 28.12.2005 attestiert, dass der Kläger seinen Beruf als Dachdecker mit Exposition in gefährlichen Regionen aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Schwindelbeschwerden nicht ausüben sollte. Dr. M. hat ausgeführt, der Kläger habe im Jahr 2005 über zunehmende Schmerzen im rechten Ellbogen nach erfolgter Operation geklagt. Klinisch sei die Streckung endgradig eingeschränkt mit Schmerzangabe trotz Tragens einer Bandage. Desweiteren bestünden Schmerzen an beiden Kniegelenken sowie im Lendenwirbelsäulenbereich. Die LWS-Beweglichkeit sei endgradig schmerzhaft eingeschränkt. Es bestehe ein Druckschmerz am lumbosacralen Übergang beidseits und eine Tonusvermehrung der paravertebralen Rückenstrecker. An den Kniegelenken sei bei freier Beweglichkeit ein Reiben retropatellar und ein Druckschmerz über der lateralen Patellafacette sowie einen Patellaanpress- und Verschiebeschmerz feststellbar. Dr. R. hat bekundet, der Kläger klage seit August 1998 über eine Schwindelsymptomatik. Seither werde er diesbezüglich mit Unterbrechungen behandelt. Der Kläger könne auf keinen Fall die Tätigkeit eines Zimmermanns mehr ausüben. Es bestünde für ihn die Gefahr, vom Dach abzustürzen. Der Arzt hat Arztbriefe des Arztes für HNO-Heilkunde Dr. N., des Radiologen Dr. R. und der Ärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. und Dr. K. vorgelegt.
Im Anschluss daran hat der Senat Dr. S., U.-K und A. für HNO-Heilkunde in U., mit der Erstattung eines HNO-ärztlichen Gutachtens beauftragt. Dr. S., dem der Kläger den Schwindel als Schwankschwindel mit einer Fallneigung nach rechts mit einer unterschiedlichen Zeitdauer von einigen Minuten bis zu einem ganztägig vorhandenen "Unsicherheitsgefühl" schilderte, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel bei Kopfdrehung nach rechts, eine hochtonbetonte Innenohrschwerhörigkeit beidseits, die rein rechnerisch als Normalhörigkeit zu bezeichnen sei, und ein intermittierend auftretender, kompensierter Tinnitus Grad 1, rechts mehr als links, vorliegt. Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel rechts sei von drei unabhängigen Hals-Nasen-Ohren Ärzten diagnostiziert worden, er gelte als gesichert. Die Ursache dieser Erkrankung, die relativ häufig sei, scheine ein Umlagern von Otokonien zu sein, die im Bogengang lägen und durch die raschen Kopfbewegungen "verrutschen", dadurch eine Flüssigkeitswelle auslösen und die Sinuszellen so reizen würden, dass das Schwindelgefühl dadurch provoziert werde und auftrete. Da aufgrund dieser Gleichgewichtsstörung eine deutlich erhöhte Sturz- und Unfallgefahr bestehe, seien insbesondere Arbeiten auf einer Leiter sowie auf Baugerüsten nicht möglich. Es bestehe daher eine hundertprozentige Arbeitsunfähigkeit für diese Arbeiten. Die Arbeitsunfähigkeit bestehe, solange die peripher-vestibuläre Störung feststellbar bzw. noch nicht vollständig kompensiert sei, dies heiße konkret, solange der entsprechende Rotationsnystagmus nach rechts mit Cresdendo-Decrescendo-Charakter durch eine rasche Kopfbewegung nach rechts auslösbar sei. Die Entscheidung für die Arbeitsfähigkeit könne nur getroffen werden, wenn bei drei aufeinander folgenden Untersuchungen im Abstand von mindestens einer Woche negative Befunde erhoben würden. Dies sei nur dann möglich, wenn der benigne paroxsysmale Lagerungsschwindel auch suffizient und erfolgreich behandelt werde. Die einfachste Therapie seien so genannte Lagerungsmanöver nach Semont oder das Epley-Manöver. Die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers allgemein sei durch den benignen paroxsysmalen Lagerungsschwindel nicht beeinträchtigt, wenn entweder die auslösenden schnellen Kopfbewegungen nicht aufträten oder der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel durch die oben genannten Therapieformen erfolgreich behandelt worden sei. Eine Umschulung sei nur dann sinnvoll, wenn die Therapiemaßnahmen nicht erfolgreich gewesen seien.
Der Senat hat hierauf eine weitere sachverständige Zeugenauskunft des Dr. K. und der Ärztin für Arbeitsmedizin Dr. H. eingeholt. Dr. K. hat mitgeteilt, dass er bei der letzten Untersuchung am 22.06.2006 keinen Lagerungsschwindel festgestellt habe. Bei dem Kläger bestehe unverändert die Diagnose eines benignen, paroxysmalen Lagerungsschwindels. Das Krankheitsbild werde durch losgelöste Otolithen im rechten Gleichgewichtsorgan ausgelöst und könne zu unvorhersehbarem Schwindel führen. Nach Angaben des Klägers seien die Schwindelanfälle in letzter Zeit eher selten gewesen. Der Kläger sei selbständig in der Lage, das Befreiungsmanöver nach Semont vorzunehmen. Dr. H. hat ausgeführt, der Kläger habe im Jahr 2006 über Kniegelenksbeschwerden, Rückenbeschwerden, Beschwerden seitens des rechten Ellbogens, über einen gelegentlich auftretenden Hautausschlag am Unterarm und einen seit einigen Jahren auftretenden Schwindel geklagt. Aufgrund des Befundes von Seiten des Schwindels sei der Kläger wegen der Absturzgefährdung zur Zeit nicht geeignet, eine Tätigkeit als Zimmermann auszuüben. Aus prognostischen Gründen seien auch die bestehenden Lendenwirbelsäulen- sowie Kniegelenksbeschwerden für die Tätigkeit als Zimmermann ungünstig.
Auf erneute Nachfrage des Senats hat Dr. K. geantwortet, dass er den Kläger im Jahr 2006 nur einmalig wegen des Schwindels untersucht habe. Im Rahmen dieser Untersuchung sei das Lagerungsmanöver nach Semont durchgeführt worden, ohne dass bei dem Kläger ein Lagerungsschwindel auslösbar gewesen sei. Bei Patienten mit gutartigem Lagerungsschwindel sei jedoch auch nach monatelangem beschwerdefreiem Intervall von unerwarteten Lagerungsschwindelattacken auszugehen. Inwiefern dies beim jeweiligen Patienten eintreten werde, könne nicht prognostiziert werden. Er habe dem Kläger empfohlen, berufliche Tätigkeiten mit gefährlicher Exposition auf Dächern nicht mehr auszuüben.
Dr. M. hat auf erneute Anfrage dargelegt, dass der Kläger über zeitweilige Schmerzen im rechten Ellbogen und in letzter Zeit wieder verstärkt über Schmerzen von Seiten der Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke klage. Er habe eine Gonarthrose, ein chronifiziertes lumbales Schmerzsyndrom, eine radiale Epicondylopathie und den Verdacht auf eine Myralgie des linken Oberschenkels diagnostiziert und eine neurologische Abklärung veranlasst. Nachgereicht hat Dr. M. Arztbriefe des Dr. S., der zusammenfassend zu dem Ergebnis kam, beim Kläger liege ein sensibles Wurzelkompressionssyndrom S1 links mit pseudoradikulärer Komponente vor, und der Radiologin Dr. S., die bei der Computertomographie der Lendenwirbelsäule eine altersentsprechende untere Lendenwirbelsäule befundete.
Für die Beklagte hat sich hierzu Dr. G. dahingehend geäußert, dass dem beim Kläger auftretenden Schwindel mit dem von Dr. S. geäußerten Prozedere begegnet werden könne. Der Bewertung von Dr. M. im Bereich der Wirbelsäule stehe die computertomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule, bei der weder eine Einengung der Neuroforamina noch des Spinalkanals oder ein Bandscheibenvorfall habe gesehen werden könne, entgegen. Die beschriebene Sensibilitätsminderung am linken Oberschenkel sei nicht definitiv abgeklärt, sie habe aber im Hinblick auf die Funktionalität des linken Beines keine so weitgehende Auswirkung, dass hierdurch kein Treppensteigen, Leitersteigen oder Tätigkeiten auf Gerüsten mehr möglich wäre.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Gerichtsbescheid des SG vom 14.06.2005 ist daher aufzuheben. Die Beklagte ist zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf berufliche Rehabilitation gemäß §§ 9, 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sind im Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
In Ansehung dieser rechtlichen Gegebenheiten sind dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren. Der Kläger ist in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kann die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden.
Ursächlich für die geminderte Erwerbsfähigkeit des Klägers als Zimmermann ist der beim Kläger vorliegende benigne paroxysmale Lagerungsschwindel, der übereinstimmend von Dr. K., Dr. S. und Dr. N. diagnostiziert wurde, so dass hieran nach den Ausführungen von Dr. S., denen der Senat folgt, kein Zweifel besteht. Der Schwindel, an dem der Kläger schon mehrere Jahre leidet, wird durch losgelöste Otolithen (bzw. Otokonien), die im Bogengang des Ohres liegen und durch rasche Kopfbewegungen verrutschen, ausgelöst. Er tritt als Fallneigung nach rechts auf. Die Zeitdauer ist unterschiedlich von einigen Minuten bis zu einem "Unsicherheitsgefühl", welches ganztägig vorhanden ist. Aufgrund dieser Erkrankung sind dem Kläger Tätigkeiten, die mit Absturzgefahr oder mit Arbeiten an laufenden Maschinen verbunden sind, nicht mehr möglich. Deswegen hat eine Tätigkeit als Zimmermann auf Dächern, Leitern und Gerüsten zu unterbleiben, da hierbei eine erhöhte Sturz- und Unfallgefahr besteht. Der Senat übersieht insoweit nicht, dass der Schwindel durch Lagerungsmanöver nach Semont gut therapierbar ist. Der Kläger ist auch in der Lage, diese Lagerungsmanöver durchzuführen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Schwindel aufgrund der losgelösten Otolithen, die nach wie vor vorhanden sind, durch eine schnelle Kopfbewegung jederzeit wieder ausgelöst werden kann. Eine Heilung der eigentlichen Grunderkrankung durch die Lagerungsmanöver ist, wie sich aus den sachverständigen Zeugenauskünften von Dr. K. ergibt, und was auch daraus deutlich wird, dass der Kläger schon jahrelang immer wieder unter Schwindelerscheinungen leidet, obwohl er die Lagerungsmanöver nach Auftreten des Schwindels jeweils durchführt, nicht möglich. Es handelt sich nicht - wie Dr. G. meint - um ein individuelles Risiko des Klägers. Es besteht stets die Gefahr, dass der Schwindel auftritt und der Kläger stürzt. Etwas anders ergibt sich auch nicht unter Beachtung der Tatsache, dass die Schwindelattacken beim Kläger nach der letzten sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. K. zur Zeit seltener auftreten. Dies bedeutet nicht, dass der Schwindel geheilt wäre und nicht mehr auftreten würde, er ist nur seltener. Dies genügt, dass eine Tätigkeit, die mit Absturzgefahr verbunden ist, nicht mehr durchführbar ist. Insoweit ist auch zu beachten, dass die Schwindelerscheinungen nach den Ausführungen von Dr. S. und Dr. K. durch eine rasche Kopfbewegung ausgelöst werden. Bei der Tätigkeit eines Zimmermanns sind rasche Kopfbewegungen, sei es zur Ausübung der Tätigkeit oder auch zur Gefahrenabwehr, nicht zu vermeiden. Der Senat verkennt insoweit auch nicht, dass der Kläger trotz dieser schon mehrere Jahre auftretenden Schwindelerscheiniungen weiterhin als Zimmermann arbeitet. In der Tat ist der Kläger bei Auftreten der Schwindelerscheinungen nach den Ausführungen von Dr. S. arbeitsunfähig. Dr. K. hält eine Tätigkeit als Zimmermann nicht mehr für möglich. Eine Krankmeldung erfolgte bisher nur deshalb nicht, weil der Kläger um seinen Arbeitsplatz fürchtet.
Durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, kann die Erwerbsfähigkeit des Klägers wieder hergestellt werden. Arbeiten, die nicht auf Dächern, Leitern, Gerüsten oder an laufenden Maschinen zu verrichten sind, sind dem Kläger möglich.
Nachdem die Schwindelerkrankung des Klägers zu einem Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben des Klägers führt, kann dahingestellt bleiben, ob sich ein solcher Anspruch auch auf die beim Kläger vorliegenden orthopädischen Beschwerden stützen ließe. Dies könnte unter Beachtung der Tatsache, dass Dr. K. in seinem Gutachten Arbeiten, die mit anhaltendem Stehen und Arbeiten, welche mit exzentrischer Körperhaltung (vor allem in vornüber gebeugter Haltung) einhergehen, ausgeschlossen hat, der Fall sein, denn die Tätigkeit des Zimmermanns ist überwiegend im Stehen bzw. Hocken zu verrichten. Auch vornüber gebeugte Haltungen beim Fertigen eines Dachstuhles dürften nicht zu vermeiden sein.
Damit ist der Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Leistungen auf Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtzüge zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Der 1963 geborene Kläger hat den Beruf des Zimmermanns erlernt und ist als solcher bis heute versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 29.10.2003 stellte der Kläger gestützt auf ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. O., wonach bei ihm ein chronisch rezidivierendes Schmerzsyndrom im Bereich der Wirbelsäule und der Kniegelenke besteht und auf Grund dessen eine berufliche Veränderung durchgeführt bzw. Umschulungsmaßnahmen eingeleitet werden sollten, einen Antrag auf berufliche Rehabilitation. Durch die Jahre hätten sich seine Kniegelenke und die Wirbelsäule abgenützt. In ein paar Jahren könne er den Beruf des Zimmermanns nicht mehr ausüben.
Mit Bescheid vom 30.01.2004 lehnte die Beklagte, nachdem sie ein ärztliches Gutachten des Dr. O. eingeholt hatte, den Antrag ab. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei, nachdem er weiterhin in der Lage sei, eine Beschäftigung als Zimmermann auszuüben, nicht erheblich gefährdet oder gemindert.
Im Rahmen des dagegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, dass sich sein Gesundheitszustand in den nächsten Jahren eher verschlechtern werde.
Die Beklagte veranlasste hierauf eine Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden Dr. S. von der Ärztlichen Dienststelle in R ... Bei der Begutachtung gab der Kläger unter anderem an, er leide seit einem halben Jahr unter Gleichgewichtsstörungen. Der Schwindel trete überwiegend bei schnellen Kopfwendungen auf. Unter fortlaufender Behandlung sei eine Besserung eingetreten. Dr. S. diagnostizierte unter Berücksichtigung einer arbeitsmedizinischen Untersuchung der W. B.-B. und eines Arztbriefes des Orthopäden Dr. D. eine ISG-Reizung rechts bei Beinlängendifferenz und Beckenverwringung, eine Wirbelsäulenskoliose und eine Chondropathia patellae beidseits. Die beklagten Schwindelerscheinungen seien nach Angaben des Klägers abgeklärt worden. Die Beschwerden seien den Gleichgewichtsorganen der Innenohren zuzuschreiben. Da sich eine bessernde Tendenz einstelle und die bisherige Tätigkeit auf dem Dachstuhl nicht habe unterbrochen werden müssen, sei am ehesten davon auszugehen, dass es sich um ein parainfektiöses Geschehen handele, was bei jüngeren Menschen eine häufigere Ursache für passager auftretende Schwindelerscheinungen sei. Dr. S. kam zu dem Ergebnis, der ausgeübte Beruf des Zimmermanns erscheine nicht erheblich gefährdet. Eine Umschulung könne sich aufgrund der bei einem Beruf mit geringerer körperlicher Belastung eintretenden Inaktivierung unter Umständen kontraproduktiv auswirken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2004 wies die Beklagte hierauf den Widerspruch zurück.
Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) mit der er sein Begehren weiterverfolgte. Er gab an, seine Knie hätten sich verschlechtert und am Ellenbogengelenk rechts sei eine Operation durchgeführt worden.
Das SG hörte zunächst den Orthopäden Dr. M. als sachverständigen Zeugen. Dr. M. führte aus, er habe beim Kläger seit Dezember 2003 eine radiale Epicondylopathie, eine Funktionseinschränkung des rechten Ellbogens und ein rezidivierendes BWS- und LWS-Syndrom diagnostiziert. Am 24.11.2004 sei eine Denervierungsoperation sowie Ellbogengelenksrevision durchgeführt worden. Inwieweit sich die Ellbogengelenksbeweglichkeit wieder normalisiere, bleibe abzuwarten. Wegen der Beschwerden von Seiten der Brust- und Lendenwirbelsäule sei der Beruf als Zimmermann mit Arbeiten in Nässe und Zugluft und verbunden mit schwerem Heben sowie häufigem Bücken sicherlich nicht geeignet. Er fügte den Operationsbericht über die am 24.11.2004 durchgeführte Operation im Klinikum M. bei.
Für die Beklagte äußerte sich hierzu der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G., der eine fachorthopädische Begutachtung empfahl.
Hierauf beauftragte das SG den Orthopäden Dr. K. mit der Erstattung eines Gutachtens. Der Arzt, dem der Kläger ebenfalls u.a. über Gleichgewichtsstörungen und Schwindelerscheinungen bei schnellen Kopfbewegungen berichtete, stellte als Diagnosen 1. ein chronisch rezidivierendes zervikales, thoracales und lumbales Wirbelsäulensyndrom bei leicht S-förmiger Wirbelsäulenskoliose, Beckentiefstand rechts und SIG-Reizung rechts, myofasciales Wirbelsäulensyndrom, 2. eine Chondropathia patellae beidseits, 3. eine operativ behandelte Epicondylitis humeri radialis rechts, lokales Rezidiv und 4. eine Praearthrosis coxae beidseits. Die praesacralen leichtgradigen Bandscheibenschäden würden die Belastbarkeit der Wirbelsäule einschränken. Arbeiten, die mit anhaltendem Stehen und ausschließlich gebückter oder exzentrischer (vor allem in vornüber gebeugter Haltung) Körperhaltung einhergehen würden, seien zu unterlassen. Tätigkeiten im Beruf des Zimmermanns und auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten vollschichtig durchgeführt werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.06.2005 wies das SG die Klage ab. Gestützt auf die Beurteilung von Dr. S. und Dr. K. liege beim Kläger eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht vor. Er könne den Beruf des Zimmermanns noch vollschichtig ausüben.
Hiergegen richtet sich die am 01.07.2005 eingelegte Berufung des Klägers. Er hat ausgeführt, er sei mit dem Gutachten von Dr. K. nicht einverstanden. Sein Allgemeinzustand, der Schwindel, der Rücken und die Knieprobleme hätten sich verschlechtert. Hinzu kämen jetzt auch noch Probleme mit der Hüfte und durch die im Jahr 2004 durchgeführte Ellenbogenoperation seien die Schmerzen nicht besser geworden. Insgesamt würden seine Schmerzen immer schlimmer. Aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, lasse er sich aber nicht krankschreiben. Bereits 1989 habe ihm ein Orthopäde eine Umschulung empfohlen. Ergänzend hat er auf seit längerem bestehende Gleichgewichtsstörungen hingewiesen und Atteste des Arztes für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Dr. K., der beim Kläger einen gutartigen Lagerungsschwindel des rechten Ohres, der sich immer wieder durch Schwindelanfälle in heftiger Form äußere, bestätigt hat, vorgelegt.
Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Juni 2005 sowie den Bescheid vom 30. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst Dr. K., Dr. M. und den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. K. hat mitgeteilt, er behandle den Kläger seit 1994, zuletzt am 28.12.2005. Der Kläger habe unter anderem des öfteren Schwindelbeschwerden, zuletzt auch am 28.12.2005, vorgetragen. Bezüglich der Schwindelbeschwerden habe im Januar 2001 ein gutartiger Lagerungsschwindel diagnostiziert werden können. Die Beschwerden hätten durch wiederholte Lagerungsmanöver nach Semont weitestgehend gebessert werden können. Es müsse jedoch stets mit unvorhersehbaren und heftigen Drehschwindel-Anfällen im Rahmen einer abrupten Körperbewegung gerechnet werden. Deshalb habe er am 28.12.2005 attestiert, dass der Kläger seinen Beruf als Dachdecker mit Exposition in gefährlichen Regionen aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Schwindelbeschwerden nicht ausüben sollte. Dr. M. hat ausgeführt, der Kläger habe im Jahr 2005 über zunehmende Schmerzen im rechten Ellbogen nach erfolgter Operation geklagt. Klinisch sei die Streckung endgradig eingeschränkt mit Schmerzangabe trotz Tragens einer Bandage. Desweiteren bestünden Schmerzen an beiden Kniegelenken sowie im Lendenwirbelsäulenbereich. Die LWS-Beweglichkeit sei endgradig schmerzhaft eingeschränkt. Es bestehe ein Druckschmerz am lumbosacralen Übergang beidseits und eine Tonusvermehrung der paravertebralen Rückenstrecker. An den Kniegelenken sei bei freier Beweglichkeit ein Reiben retropatellar und ein Druckschmerz über der lateralen Patellafacette sowie einen Patellaanpress- und Verschiebeschmerz feststellbar. Dr. R. hat bekundet, der Kläger klage seit August 1998 über eine Schwindelsymptomatik. Seither werde er diesbezüglich mit Unterbrechungen behandelt. Der Kläger könne auf keinen Fall die Tätigkeit eines Zimmermanns mehr ausüben. Es bestünde für ihn die Gefahr, vom Dach abzustürzen. Der Arzt hat Arztbriefe des Arztes für HNO-Heilkunde Dr. N., des Radiologen Dr. R. und der Ärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. und Dr. K. vorgelegt.
Im Anschluss daran hat der Senat Dr. S., U.-K und A. für HNO-Heilkunde in U., mit der Erstattung eines HNO-ärztlichen Gutachtens beauftragt. Dr. S., dem der Kläger den Schwindel als Schwankschwindel mit einer Fallneigung nach rechts mit einer unterschiedlichen Zeitdauer von einigen Minuten bis zu einem ganztägig vorhandenen "Unsicherheitsgefühl" schilderte, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel bei Kopfdrehung nach rechts, eine hochtonbetonte Innenohrschwerhörigkeit beidseits, die rein rechnerisch als Normalhörigkeit zu bezeichnen sei, und ein intermittierend auftretender, kompensierter Tinnitus Grad 1, rechts mehr als links, vorliegt. Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel rechts sei von drei unabhängigen Hals-Nasen-Ohren Ärzten diagnostiziert worden, er gelte als gesichert. Die Ursache dieser Erkrankung, die relativ häufig sei, scheine ein Umlagern von Otokonien zu sein, die im Bogengang lägen und durch die raschen Kopfbewegungen "verrutschen", dadurch eine Flüssigkeitswelle auslösen und die Sinuszellen so reizen würden, dass das Schwindelgefühl dadurch provoziert werde und auftrete. Da aufgrund dieser Gleichgewichtsstörung eine deutlich erhöhte Sturz- und Unfallgefahr bestehe, seien insbesondere Arbeiten auf einer Leiter sowie auf Baugerüsten nicht möglich. Es bestehe daher eine hundertprozentige Arbeitsunfähigkeit für diese Arbeiten. Die Arbeitsunfähigkeit bestehe, solange die peripher-vestibuläre Störung feststellbar bzw. noch nicht vollständig kompensiert sei, dies heiße konkret, solange der entsprechende Rotationsnystagmus nach rechts mit Cresdendo-Decrescendo-Charakter durch eine rasche Kopfbewegung nach rechts auslösbar sei. Die Entscheidung für die Arbeitsfähigkeit könne nur getroffen werden, wenn bei drei aufeinander folgenden Untersuchungen im Abstand von mindestens einer Woche negative Befunde erhoben würden. Dies sei nur dann möglich, wenn der benigne paroxsysmale Lagerungsschwindel auch suffizient und erfolgreich behandelt werde. Die einfachste Therapie seien so genannte Lagerungsmanöver nach Semont oder das Epley-Manöver. Die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers allgemein sei durch den benignen paroxsysmalen Lagerungsschwindel nicht beeinträchtigt, wenn entweder die auslösenden schnellen Kopfbewegungen nicht aufträten oder der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel durch die oben genannten Therapieformen erfolgreich behandelt worden sei. Eine Umschulung sei nur dann sinnvoll, wenn die Therapiemaßnahmen nicht erfolgreich gewesen seien.
Der Senat hat hierauf eine weitere sachverständige Zeugenauskunft des Dr. K. und der Ärztin für Arbeitsmedizin Dr. H. eingeholt. Dr. K. hat mitgeteilt, dass er bei der letzten Untersuchung am 22.06.2006 keinen Lagerungsschwindel festgestellt habe. Bei dem Kläger bestehe unverändert die Diagnose eines benignen, paroxysmalen Lagerungsschwindels. Das Krankheitsbild werde durch losgelöste Otolithen im rechten Gleichgewichtsorgan ausgelöst und könne zu unvorhersehbarem Schwindel führen. Nach Angaben des Klägers seien die Schwindelanfälle in letzter Zeit eher selten gewesen. Der Kläger sei selbständig in der Lage, das Befreiungsmanöver nach Semont vorzunehmen. Dr. H. hat ausgeführt, der Kläger habe im Jahr 2006 über Kniegelenksbeschwerden, Rückenbeschwerden, Beschwerden seitens des rechten Ellbogens, über einen gelegentlich auftretenden Hautausschlag am Unterarm und einen seit einigen Jahren auftretenden Schwindel geklagt. Aufgrund des Befundes von Seiten des Schwindels sei der Kläger wegen der Absturzgefährdung zur Zeit nicht geeignet, eine Tätigkeit als Zimmermann auszuüben. Aus prognostischen Gründen seien auch die bestehenden Lendenwirbelsäulen- sowie Kniegelenksbeschwerden für die Tätigkeit als Zimmermann ungünstig.
Auf erneute Nachfrage des Senats hat Dr. K. geantwortet, dass er den Kläger im Jahr 2006 nur einmalig wegen des Schwindels untersucht habe. Im Rahmen dieser Untersuchung sei das Lagerungsmanöver nach Semont durchgeführt worden, ohne dass bei dem Kläger ein Lagerungsschwindel auslösbar gewesen sei. Bei Patienten mit gutartigem Lagerungsschwindel sei jedoch auch nach monatelangem beschwerdefreiem Intervall von unerwarteten Lagerungsschwindelattacken auszugehen. Inwiefern dies beim jeweiligen Patienten eintreten werde, könne nicht prognostiziert werden. Er habe dem Kläger empfohlen, berufliche Tätigkeiten mit gefährlicher Exposition auf Dächern nicht mehr auszuüben.
Dr. M. hat auf erneute Anfrage dargelegt, dass der Kläger über zeitweilige Schmerzen im rechten Ellbogen und in letzter Zeit wieder verstärkt über Schmerzen von Seiten der Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke klage. Er habe eine Gonarthrose, ein chronifiziertes lumbales Schmerzsyndrom, eine radiale Epicondylopathie und den Verdacht auf eine Myralgie des linken Oberschenkels diagnostiziert und eine neurologische Abklärung veranlasst. Nachgereicht hat Dr. M. Arztbriefe des Dr. S., der zusammenfassend zu dem Ergebnis kam, beim Kläger liege ein sensibles Wurzelkompressionssyndrom S1 links mit pseudoradikulärer Komponente vor, und der Radiologin Dr. S., die bei der Computertomographie der Lendenwirbelsäule eine altersentsprechende untere Lendenwirbelsäule befundete.
Für die Beklagte hat sich hierzu Dr. G. dahingehend geäußert, dass dem beim Kläger auftretenden Schwindel mit dem von Dr. S. geäußerten Prozedere begegnet werden könne. Der Bewertung von Dr. M. im Bereich der Wirbelsäule stehe die computertomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule, bei der weder eine Einengung der Neuroforamina noch des Spinalkanals oder ein Bandscheibenvorfall habe gesehen werden könne, entgegen. Die beschriebene Sensibilitätsminderung am linken Oberschenkel sei nicht definitiv abgeklärt, sie habe aber im Hinblick auf die Funktionalität des linken Beines keine so weitgehende Auswirkung, dass hierdurch kein Treppensteigen, Leitersteigen oder Tätigkeiten auf Gerüsten mehr möglich wäre.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Gerichtsbescheid des SG vom 14.06.2005 ist daher aufzuheben. Die Beklagte ist zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf berufliche Rehabilitation gemäß §§ 9, 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sind im Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
In Ansehung dieser rechtlichen Gegebenheiten sind dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren. Der Kläger ist in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kann die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden.
Ursächlich für die geminderte Erwerbsfähigkeit des Klägers als Zimmermann ist der beim Kläger vorliegende benigne paroxysmale Lagerungsschwindel, der übereinstimmend von Dr. K., Dr. S. und Dr. N. diagnostiziert wurde, so dass hieran nach den Ausführungen von Dr. S., denen der Senat folgt, kein Zweifel besteht. Der Schwindel, an dem der Kläger schon mehrere Jahre leidet, wird durch losgelöste Otolithen (bzw. Otokonien), die im Bogengang des Ohres liegen und durch rasche Kopfbewegungen verrutschen, ausgelöst. Er tritt als Fallneigung nach rechts auf. Die Zeitdauer ist unterschiedlich von einigen Minuten bis zu einem "Unsicherheitsgefühl", welches ganztägig vorhanden ist. Aufgrund dieser Erkrankung sind dem Kläger Tätigkeiten, die mit Absturzgefahr oder mit Arbeiten an laufenden Maschinen verbunden sind, nicht mehr möglich. Deswegen hat eine Tätigkeit als Zimmermann auf Dächern, Leitern und Gerüsten zu unterbleiben, da hierbei eine erhöhte Sturz- und Unfallgefahr besteht. Der Senat übersieht insoweit nicht, dass der Schwindel durch Lagerungsmanöver nach Semont gut therapierbar ist. Der Kläger ist auch in der Lage, diese Lagerungsmanöver durchzuführen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Schwindel aufgrund der losgelösten Otolithen, die nach wie vor vorhanden sind, durch eine schnelle Kopfbewegung jederzeit wieder ausgelöst werden kann. Eine Heilung der eigentlichen Grunderkrankung durch die Lagerungsmanöver ist, wie sich aus den sachverständigen Zeugenauskünften von Dr. K. ergibt, und was auch daraus deutlich wird, dass der Kläger schon jahrelang immer wieder unter Schwindelerscheinungen leidet, obwohl er die Lagerungsmanöver nach Auftreten des Schwindels jeweils durchführt, nicht möglich. Es handelt sich nicht - wie Dr. G. meint - um ein individuelles Risiko des Klägers. Es besteht stets die Gefahr, dass der Schwindel auftritt und der Kläger stürzt. Etwas anders ergibt sich auch nicht unter Beachtung der Tatsache, dass die Schwindelattacken beim Kläger nach der letzten sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. K. zur Zeit seltener auftreten. Dies bedeutet nicht, dass der Schwindel geheilt wäre und nicht mehr auftreten würde, er ist nur seltener. Dies genügt, dass eine Tätigkeit, die mit Absturzgefahr verbunden ist, nicht mehr durchführbar ist. Insoweit ist auch zu beachten, dass die Schwindelerscheinungen nach den Ausführungen von Dr. S. und Dr. K. durch eine rasche Kopfbewegung ausgelöst werden. Bei der Tätigkeit eines Zimmermanns sind rasche Kopfbewegungen, sei es zur Ausübung der Tätigkeit oder auch zur Gefahrenabwehr, nicht zu vermeiden. Der Senat verkennt insoweit auch nicht, dass der Kläger trotz dieser schon mehrere Jahre auftretenden Schwindelerscheiniungen weiterhin als Zimmermann arbeitet. In der Tat ist der Kläger bei Auftreten der Schwindelerscheinungen nach den Ausführungen von Dr. S. arbeitsunfähig. Dr. K. hält eine Tätigkeit als Zimmermann nicht mehr für möglich. Eine Krankmeldung erfolgte bisher nur deshalb nicht, weil der Kläger um seinen Arbeitsplatz fürchtet.
Durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, kann die Erwerbsfähigkeit des Klägers wieder hergestellt werden. Arbeiten, die nicht auf Dächern, Leitern, Gerüsten oder an laufenden Maschinen zu verrichten sind, sind dem Kläger möglich.
Nachdem die Schwindelerkrankung des Klägers zu einem Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben des Klägers führt, kann dahingestellt bleiben, ob sich ein solcher Anspruch auch auf die beim Kläger vorliegenden orthopädischen Beschwerden stützen ließe. Dies könnte unter Beachtung der Tatsache, dass Dr. K. in seinem Gutachten Arbeiten, die mit anhaltendem Stehen und Arbeiten, welche mit exzentrischer Körperhaltung (vor allem in vornüber gebeugter Haltung) einhergehen, ausgeschlossen hat, der Fall sein, denn die Tätigkeit des Zimmermanns ist überwiegend im Stehen bzw. Hocken zu verrichten. Auch vornüber gebeugte Haltungen beim Fertigen eines Dachstuhles dürften nicht zu vermeiden sein.
Damit ist der Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Leistungen auf Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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