L 10 U 4822/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 171/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4822/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. September 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Adeno-Karzinoms des Dickdarms als Berufskrankheit (BK).

Der am 1947 geborene Kläger besuchte nach Abschluss der Volksschule eine Handelsschule und erwarb die Mittlere Reife. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Danach arbeitete er in der Buchhaltung und bildete sich zum Steuerbevollmächtigten weiter. Im Jahr 1980 gründete er eine eigene Praxis und legte 1986 die Übergangsprüfung zum Steuerberater ab. Nach Weiterbildung zum vereidigten Buchprüfer war er ab 1988 bis zu seiner Erkrankung als solcher tätig. Es erfolgten wegen eines im Januar 1999 festgestellten Adeno-Karzinoms des Dickdarms am 27. Januar 1999 eine Rechtshemicolektomie und von Februar bis Juli 1999 insgesamt sechs Zyklen einer adjuvanten Chemotherapie.

Im elterlichen Unternehmen (bis 1974 Firma F. X. B., Bau- und Möbelschreinerei, Fensterbau, danach bis Februar 1999 Firma F. X. B. Isolierglasfabrik), an dem er später als Mitgesellschafter beteiligt war, half er nach eigenen Angaben schon ab 1952 als Jugendlicher und Schüler. Von 1961 bis 1991 arbeitete er nebenberuflich ca. drei Stunden sowie ab 1991 etwa eine Stunde täglich, zu 40% im Maschinensaal sowie im Bereich der Spänesilos und des Bankraums, zu 30% in der Lackiererei und Holzimprägnierung und zu 30% in der Isolierglasfabrikation. Außerdem reinigte er (bis 1975) das Lokomobil, eine Art Dampfmaschine. Der Lackierbereich war ca. 40 qm groß und bis 1990 erfolgte die Lüftung nur über die Fenster. Ab 1991 war eine Trockenabsaugung mit ca. 6 qm Filterfläche eingebaut. Verarbeitet wurden Nitrolacke, Acryllacke und bis 1965 auch Wasserbeizen, die selbst angemischt wurden. Es wurde häufig gestrichen und teilweise auch mit der Becherpistole lackiert. Als Reinigungsmittel diente Nitroverdünnung. Unter anderem hatte der Kläger Kontakt mit den aliphatischen Kohlenwasserstoffen n-Hexan und n-Heptan, den Alkoholen Methanol, Ethanol und Isopropanol, den Ketonen Butanon-2, 2-Hexanon, MEK und MIBK sowie mit den aromatischen Kohlenwasserstoffen Benzol, Toluol, Xylol und Styrol. Außerdem hatte er Kontakt zu Holzstäuben sowie bei der Reinigung des Lokomobils bis 1975 mit Verbrennungsrückständen. An den Einsatz von Asbest, Eternit und Trichlorethylen (Tri) konnte er sich bei einer Befragung vom 25. Mai 2000 nicht erinnern. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der beruflichen Belastung wird auf die Angaben des Klägers (Bl. 40 f. der Verwaltungsakten) und den Bericht des Technischen Aufsichtsbeamten Dr. Schm. der Beklagten vom 2. Juni 2000 verwiesen, dem auch vom Kläger vorgelegte (20) Aktenordner mit allen Produkten, die für den Betrieb gekauft worden waren, vorlagen (Bl. 144 ff. der Verwaltungsakten).

Nachdem Prof. Dr. K. hinsichtlich des Dickdarmkarzinoms zum Ergebnis gelangt war, weder die berufliche Exposition noch das Krankheitsbild könnten eine BK begründen und RMD Dr. Ho. sich dem in seiner gewerbeärztlichen Feststellung angeschlossen hatte, lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 27. Oktober 2000 und Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2000 ab, die Dickdarmerkrankung als Listenerkrankung nach der Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen und verneinte auch eine wie eine BK zu entschädigende Erkrankung nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Deswegen hat der Kläger am 16. Januar 2001 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Wegen eines weiteren Verfahrens, mit welchem der Kläger die Anerkennung und Entschädigung eines hirnorganischen Psychosyndroms als BK begehrt, was die Beklagte gleichfalls abgelehnt hat, ist nach erfolglosem Klageverfahren ein derzeit ruhendes Berufungsverfahren beim Senat anhängig (L 10 U 126/ 05).

Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Dickdarmerkrankung sei auf seine nebenberufliche Tätigkeit in der Schreinerei sowie Fenster- und Isolierglasbearbeitung in den Jahren 1961 bis 1999 wie auch seine Mithilfe im Kindesalter und während seiner Schulzeit ab 1952 zurückzuführen. Hierzu hat er nochmals die durchgeführten Arbeiten dargelegt, Stoffe angegeben, mit denen er Kontakt hatte, und die Arbeitsbedingungen beschrieben.

Die Beklagte ist dem Begehren entgegengetreten. Bei der Befragung durch die Abteilung Prävention habe sich der Kläger an Kontakt zu Tri nicht erinnern können, weswegen schon der Beweis eines Kontaktes hiermit nicht erbracht sei. Auch eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen und Asbest sei nicht bewiesen. Im Hinblick auf die vom Kläger vorgelegten 20 Aktenordner mit allen Arbeitsprodukten des Betriebs sei die Beiziehung weiterer Sicherheitsdatenblätter nicht erforderlich.

Das SG hat die behandelnden Ärzte Prof. Dr. Z. und Prof. Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Die Frage, ob das Dickdarmkarzinom durch Einwirkungen von Holzstaub oder Leimen, Klebern, Lösemitteln, Lacken, Holzschutzmitteln, Imprägniermitteln, 3 M-Kleber, Ätznatronlauge, Arti-Räucherbeize, Flexomer Orimer No. 300, Formaldehyd, Joniozell AE Niessen Augsburg, Lindan, Nitroverdünner, PCP, Thiokol, Tri, Xyladecor oder Xylamon verursacht sei, haben sie verneint. Prof. Dr. Z. hat geäußert, nach der derzeitigen Lehrmeinung bestehe beim Colon-Karzinom eine hohe genetische Disposition und spielten Ernährungsgewohnheiten eine bedeutsame Rolle. Außerdem gebe es Ko-Morbiditäten wie Colitis ulcerosa, familiäre Polyposis adenomatosa u. a. Prof. Dr. B. hat über die erhobenen Befunde berichtet und ausgeführt, die Ursachen von Dickdarmtumoren seien multifaktoriell. An erster Stelle stünden Nahrungsgewohnheiten, wobei insbesondere die Karzinogenese durch Gallensäuren im Zusammenhang mit hoher Fettaufnahme in der Nahrung anzuschuldigen seien. Außerdem seien ursächlich für die Entstehung von Dickdarmtumoren chronisch entzündliche Erkrankungen des Darmes, wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa sowie die Polyposis coli. Bei Arbeitern der Zellstoff- sowie der Papierindustrie und auch bei Schreinern seien Magen-Darm-Tumoren nach langjähriger Holzstaubexposition beschrieben. Der zweifelsfreie ätiologische Zusammenhang sei jedoch kaum herzustellen, da die lebensbedingten Umstände (Nahrungsfaktoren) quantitativ und qualitativ die wesentlichen Effekte bedingen dürften. Berichte über mögliche Zusammenhänge von Dickdarmkarzinomen mit der Exposition einzelner der genannten Berufsstoffe seien in der "Weltliteratur" extrem rar. Insgesamt sei die Entstehung von Dickdarmkarzinomen in Einzelfällen durch eine langjährige und intensive Exposition gegenüber Zementstaub, Blei bei Arbeitern in der bleiverarbeitenden Industrie sowie Asbest beschrieben. Dagegen spiele die Entstehung und Exposition durch Nitrosamine bei gastrointestinalen Tumoren eine höhere Rolle, verstärkt durch die Co-Exposition gegenüber Nikotin und Alkohol. Da Nitrosamine jedoch in hohem Maß nahrungsbedingt entstünden (Benzpyrene) sei eine Abgrenzung gegenüber einer möglichen beruflichen Exposition praktisch nicht möglich. Zu Formaldehyd gebe es lediglich Berichte als Co-Agens im Zusammenhang mit hoher Holzstaubexposition bei der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen im Nasalraum. Für die anderen oben genannten Agentien ließen sich auch in der "Weltliteratur" ebenfalls keine Hinweise für die Zusammenhänge zwischen der Entstehung eines Dickdarmkarzinoms und der Exposition herstellen.

Außerdem hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Sachverständigengutachten des PD Dr. R. und - nach kritischen Einwänden des Klägers - dessen ergänzende Stellungnahme eingeholt. Er ist davon ausgegangen, dass der Kläger Sägearbeiten und Schleifarbeiten an Holz- und Kunststoffen, Grundierungsarbeiten, Streich- und Spritzarbeiten mit Holzschutzmitteln und Farben verrichtete, mit dem Reinigen von Fensterrahmen und Beschlägen mit Lösungsmitteln und Glaswolle, Beizarbeiten, Hobelarbeiten, Kesselreinigung und Stumpfschweißen beschäftigt war und verschiedene Hölzer, Leime, Kleber, Lösemittel, Lacke, Holzschutzmittel, Imprägniermittel, 3-M-Klember, Ätznatronlauge, Arti-Räucherbeize, Flexomer Orimer No. 300, Formaldehyd, Joniozell AE Niessen Augsburg, Lindan, Nitroverdünner, PCP, Thiokol, Trichloraethylen, Xyladecor, Xylamon verarbeitete. Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, das Dach der Fabrikhalle sei mit Fulgurit-Asbest-Platten gedeckt gewesen, ist er im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, die Erkrankung sei nicht beruflich bedingt. Die Prädisposition für ein Kolonkarzinom sei vorwiegend genetisch bedingt. Daneben spielten exogene Faktoren durchaus eine Rolle. Ein erhöhtes Risiko stelle eine ballaststoffarme, kalorien-, fleisch- und fettreiche Ernährung, Bewegungsmangel sowie starker Nikotin- und Alkohol-Genuss dar. Über weitere Umweltfaktoren gebe es in der Literatur wenig Studien. Ob Holzstaub einen Einfluss auf die Inzidenz von Kolonkarzinomen habe, werde kontrovers diskutiert, ebenso der Einfluss von Asbest. Zwar gebe es Hinweise auf eine erhöhte Inzidenz bei Arbeitern aus der Zementindustrie, die gleichzeitig Asbest ausgesetzt gewesen seien, allerdings sei hier die Abgrenzung von anderen Einflussfaktoren nicht möglich. Außerdem gebe es Kohortenstudien, die keinen Zusammenhang zwischen Asbest und kolorektalen Karzinomen herstellen könnten. Ein Einfluss der anderen vom Kläger verwendeten Arbeitsstoffe auf die Inzidenz von Dickdarmkrebs sei in der Literatur nicht beschrieben. Somit ergebe sich abschließend keine Evidenz, dass das Kolonkarzinom auf einen der Arbeitsstoffe zurückgeführt werden könne oder durch diese verschlimmert worden sei.

Mit Urteil vom 16. September 2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Urteils des SG verwiesen.

Gegen das am 6. November 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. Dezember 2003 Berufung eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, das SG stütze sich zu Unrecht auf "Auskünfte der Beklagten zur Arbeitsanamnese" und die sachverständigen Zeugen sowie das Sachverständigengutachten. Das SG hätte die benannten Arbeitsstoffe auf potenzielle schädigende Wirkungen untersuchen sowie Inhaltsstoffe und potenziell schädigende Wirkungen der benannten Arbeitsstoffe bzw. Produkte und der Arbeitsgänge bzw. Verarbeitungsgänge abklären müssen. Danach hätte es klären müssen, ob sie das Karzinom ausgelöst haben. Insbesondere hätte es die Sicherheitsdatenblätter beizuziehen und den zeitlichen und qualitativen Umfang der jeweiligen Expositionen ermitteln müssen. Auch hätte es weitere toxikologische und/oder umwelt- oder arbeitsmedizinische Gutachten einholen müssen. PD Dr. R. sei "nur" Internist und nicht kompetent, allein alle entscheidende Fragen zu beantworten. Außerdem sei er - der Kläger - Asbest, Schmier- und Imprägnierstoffen, Holzschutzmitteln sowie Lösungsmitteln und Metallrauch ausgesetzt gewesen und habe er Jahrzehnte in einem "asbestkontaminierten" Werkstatt- und Bürogebäude gearbeitet. Er hat unter anderem zwei Ordner mit Unterlagen über von der Firma bezogene Arbeitsstoffe, ein Gutachten vom 16. August 1966 zu Baumängeln (Rissbildung an den Asbestplatten auf dem Dach) sowie ein anlässlich an der Zwangsversteigerung erstelltes Gutachten von Dipl.-Ing. Sch. vom 8. August 2002 mit ergänzendem Gutachten von Dipl.-Geol. L. vom 8. August 2002 und Analyseprotokolle des Dipl.-Chem. K. vom 30. Juli 2002 vorgelegt.

Der Kläger beantragt (siehe Schriftsatz vom 23. März 2006),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. September 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Dezember 2000 aufzuheben und festzustellen, dass das Adeno-Karzinom des Dickdarms eine Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV ist, hilfsweise wie eine Berufskrankheit gem. § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch zu entschädigen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, Ermittlungsergebnisse zu Art und Umfang der Belastungen lägen soweit möglich vor und seien bereits in den Verwaltungsakten enthalten. Hierzu hat die Beklagte Unterlagen aus dem Verfahren wegen Feststellung eines hirnorganischen Psychosyndroms als BK vorgelegt, nämlich Berichte des Dr. Schm. vom 2. Oktober 2001 sowie 25. April und 13. September 2002. Der Vollbeweis für eine berufliche Exposition gegenüber Asbest oder Eternit im Sinne der Verarbeitung sowie gegenüber Tri, Blei, aromatischen Aminen und Methanol von relevantem Ausmaß sei zu verneinen. Die Asbestdeckung eines Gebäudes sei nicht mit der Verarbeitung von Asbest zu vergleichen. Art und Ausmaß der Arbeitsstoffexposition sei nur relativ gering gewesen. Das Gutachten von PD Dr. R. sei nicht widerlegt und Prof. Dr. B. sei als Onkologe besonders sachkundig für die Bewertung der ihm gestellten Fragen. Er verneine ausreichend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich Formaldehyd. Unabhängig vom fehlenden Vollbeweis bezüglich einer Asbestexposition fehlten auch neuere Erkenntnisse über die mögliche Verursachung der bestehenden Erkrankung durch Asbest. Hierzu hat sie Auskünfte des HVBG vom 29. Januar und 1. Februar 2002 vorgelegt. Auch bezüglich Benzol gebe es keine hinreichend medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verursachung der vorliegenden Erkrankung. Dies gelte auch für aromatische Amine, bezüglich der eine Exposition nicht nachgewiesen sei.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat ein weiteres Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. H. eingeholt. Im Wesentlichen ausgehend von den Angaben des Klägers sowie unter der Prämisse, dass der Kläger Thiokol aus den zu sanierenden Fenstern herausgeschnitten, die Fenster mit der Drahtbürste von den Isolierungsresten reinigte und Fenster mittels Kartusche mit Thiokol ausspritzte, ist er zum Ergebnis gelangt, das Adeno-Karzinom des Dickdarms sei durch das berufliche Arbeiten mit PCB-haltigem Thiokol verursacht. Eine berufliche Thiokol-Belastung habe von 1961 bis 1991 vorgelegen. In tierexperimentellen Studien zur kanzerogen Wirkung von polychlorierten Biphenylen (PCB) sei der Nachweis krebserzeugender Wirkung im Gastrointestinaltrakt von Ratten erfolgt und während einer Schulsanierung bei PCB-Belastung habe sich bei Lehrern und Lehrerinnen ein gehäuftes Auftreten von Colon-Karzinomen ergeben. Hierzu hat er eine Studie über erhobene PCB-Blutwerte bei Lehrern und Schülern von Köster, veröffentlicht in Umwelt - Medizin - Gesellschaft, 14, 4/2001 vorgelegt. Eine berufliche Verursachung der Erkrankung durch die anderen Stoffe hat er verneint.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Dies hat der Kläger auch getan.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)). Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII).

Eine der in der Anlage zur BKV erfassten Erkrankungen, die auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen ist, liegt beim Kläger nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei dem hier geltend gemachten Adeno-Karzinom des Dickdarms nicht um eine von Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) der Anlage zur BKV erfasste und mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf berufliche Einwirkungen zurückzuführende Erkrankung.

Durch die unbestimmte Bezeichnung von BKen als "Erkrankungen durch ..." will der Verordnungsgeber alle denkbaren Krankheiten zu BKen erklären, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind, ohne dass insoweit weitere Einschränkungen gemacht werden (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R -).

Voraussetzung für die Anerkennung und ggf. Entschädigung einer Erkrankung als BK ist in diesen Fällen zum einen, dass der schädigende Stoff ("Listenstoff") generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zum anderen muss die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen des Listenstoffs wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht. Der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit gilt jedenfalls für den konkret-individuellen Kausalzusammenhang zwischen der mit der versicherten Tätigkeit in innerem Zusammenhang stehenden Verrichtung und der schädigenden Einwirkung ("haftungsbegründende Kausalität") und zwischen dieser und dem Eintritt der Erkrankung ("haftungsausfüllende Kausalität").

Diese Voraussetzungen sind bei dem beim Kläger vorliegenden als Adeno-Karzinom nicht erfüllt. Zwar erachtet Prof. Dr. H. diese Erkrankung als eine solche im Sinne der Nr. 1302 der Anlage zur BKV und sieht sie durch berufliche Einwirkungen verursacht, doch ist sein Sachverständigengutachten insofern nicht überzeugend.

Prof. Dr. H. geht hinsichtlich der beruflichen Einwirkungen von einem unzutreffenden Sachverhalt, nämlich von einer falschen Dauer der Einwirkungen des Dichtungsmittels Thiokol aus und es ist auch fraglich und nicht bewiesen, dass der Kläger dabei in nennenswertem Umfang überhaupt PCB ausgesetzt war, insbesondere wie lange dieser Stoff in Thiokol Verwendung fand. Im Übrigen fehlt es auch an dem erforderlichen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Einwirkungen durch Thiokol bzw. PCB und dem Adeno-Karzinom. Allein der Hinweis auf die Studie von Köster und der Nachweis von Erkrankungen bei Ratten genügt angesichts der Tatsache, dass Darmkrebs überwiegend nahrungsbedingt entsteht, nicht.

Der Vollbeweis einer relevanten beruflichen Exposition gegnüber PCB ist nicht erbracht. Prof. Dr. H. geht insofern von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. So berücksichtigt er nicht, dass der Umgang mit Thiokol-Fugenmasse - wie von der Beklagten nachvollziehbar dargelegt und durch die Stellungnahme von Dr. Schm. und die PCB-Richtlinie NRW (Runderlass des Ministeriums für Bauen und Wohnen NRW vom 03. Juli 1996), wonach schon in den 50er bzw. 60er Jahren größere Mengen von Thikol-Fugenmasse PCB-frei waren, belegt - nicht zwingend auf eine PCB-Belastung am Arbeitsplatz schließen lässt, schon gar nicht hinsichtlich eines konkreten Umfangs. Andererseits ist auch nach den von Prof. Dr. H. vorgelegten Veröffentlichung von Köster und der dort wiedergegebenen Auffassung, u. a. des Umweltbundesamtes, eine über die Hauptquelle, nämlich die Nahrung, hinausgehende nennenswerte Gesamtbelastung des Organismus durch PCB erst ab einer sehr hohen Raumluftkonzentration (über 1000 ng/m³) und bei einem achtstündigen Aufenthalt zu bejahen. Dies war beim Kläger nicht der Fall. Bezüglich der Entfernung alter Isolierungen und Aufbringen von Thiokol als Dichtungsmasse steht nach dem Ergebnis der auf Angaben des Klägers beruhenden Ermittlungen des TAD fest, dass der Kläger bis 1991 maximal 30 bis unter 60 und ab 1991 unter 20 Minuten pro Tag als Helfer im Isolierglasbau tätig war, wobei ein Teil dieser Zeit auch auf das Reinigen der Kunststoffstege mit Nitroverdünnung und Spiritus entfielen. Die späteren, nicht bewiesenen Angaben des Klägers hat Prof. Dr. H. kritiklos zu Grunde gelegt bzw. unterstellt. Unabhängig von dem zeitlich geringen Umfang der Anwendung von Thiokol ist nicht berücksichtigt, dass auch die Raumgröße gegen eine erhebliche/ausreichende relevante Exposition spricht und dass bei alter, spröde gewordener Dichtungsmasse der Weichmacheranteil drastisch gesunken ist und deshalb keine erhöhte Belastung mit PCB (soweit es als Weichmacher überhaupt Verwendung gefunden hat) mehr vorliegen konnte.

Das von Prof. Dr. H. beschriebene negative Ergebnis der Blutuntersuchung in Bezug auf PCB spricht nach der Veröffentlichung von Köster ebenfalls gegen eine erhöhte PCB-Belastung.

Unabhängig vom erforderlichen Expositionsnachweis entspricht die Beurteilung von Prof. Dr. H. auch nicht den medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Verursachung des hier vorliegenden Krankheitsbildes durch PCB. Nach der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme von Dr. M. ist eine kanzerogene Wirkung von PCB in Bezug auf das hier vorliegende Krankheitsbild zu verneinen (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 995, 1149 ff sowie Mehrtens/Perlebach, Die BKV, M 1302 und 1301). Prof. Dr. H. stützt sich bei seiner Beurteilung im Wesentlichen auf die oben genannte Veröffentlichung von Köster. In dieser Untersuchung wird sowohl auf Seite 1 als auch auf der letzten Seite ausdrücklich ausgeführt, dass es bisher an Untersuchungen zu den gesundheitlichen Auswirkungen von PCB fehlt und dass eine Neubewertung von PCB vorzunehmen ist. Daraus mag zwar weiterer Forschungsbedarf abzuleiten sein, doch liegen noch keine ausreichend gesicherten medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse für einen Zusammenhang vor. Überdies kann angesichts der Häufigkeit von Colon-Karzinomen, die überwiegend als durch die Ernährung verursacht angesehen werden, bei sechs Erkrankungsfällen bei einer Gruppe von 80 Personen nicht von hinreichenden gesicherten Erkenntnissen bezogen auf eine wesentliche Risikoerhöhung gesprochen werden. Die daneben erwähnte Studie zu Tierversuchen (Ratten) datieren aus den 80er Jahren und früher und haben - soweit ersichtlich - keine weitere Bestätigung, insbesondere in neuerer Zeit, gefunden. Außerdem sind Ergebnisse von Tierversuchen nicht ohne weiteres für die Beurteilung der Entstehung von Erkrankungen beim Menschen übertragbar.

Die Darmerkrankung des Klägers stellt auch keine sonstige Listenerkrankung i. S. der BKV dar. Insbesondere ist der Vollbeweis auch für eine berufliche Exposition auf Arbeitstoffe im Sinne Nr. 1301 der Anlage zur BKV (Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine) - zumal keine Erkrankung der Harnwege vorliegt - nicht erbracht. Auch Prof. Dr. H. , dem vom Kläger vorgelegte Ordner zur Verfügung gestanden haben, hat keine berufliche Exposition auf Arbeitsstoffe im Sinne der Nr. 1301 der Anlage zur BKV gesehen. Unabhängig hiervon ist darauf hinzuweisen, dass Unterlagen über von der Firma bezogene Stoffe weder beweisen, dass der Kläger mit ihnen in Kontakt kam, noch gar (im Hinblick auf seine nur zeitweilige Tätigkeit in dem Betrieb) das Ausmaß einer Exposition belegen können. Außerdem ist nach der Aussage von Prof. Dr. B. gegenüber dem SG zu berücksichtigen, dass die Abgrenzung einer möglichen beruflichen Exposition im Verhältnis zu Nitrosaminen praktisch nicht möglich ist, weil diese quantitativ gesehen in hohem Ausmaß nahrungsbedingt entstehen (Benzpyrene). Auch unter Berücksichtigung der Kommentierung von Mehrtens/Perlebach (aaO, M 1301) sind gesicherte medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Verursachung des hier streitbefangenen Krankheitsbildes durch aromatische Amine fraglich. Das Adeno-Karzinom ist auch nicht wie eine BK anzuerkennen und zu entschädigen. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen (sog. gruppentypische Risikoerhöhung). Mit dieser Regelung soll nicht in der Art einer "Generalklausel" erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK zu entschädigen ist (BSG, Urteil vom 4. Juni 2002, B 2 U 20/01 R m.w.N.). Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten. Das Tatbestandsmerkmal der gruppentypischen Risikoerhöhung ist erfüllt (s. BSG, a.a.O.), wenn die Personengruppe, zu der der Kläger zu zählen ist, durch die Arbeit Einwirkungen ausgesetzt war oder ist, mit denen die übrige Bevölkerung nicht in diesem Maße in Kontakt kam oder kommt (Einwirkungshäufigkeit) und die geeignet war oder ist, die beim Kläger vorliegende Erkrankung hervorzurufen (generelle Geeignetheit). Das Erfordernis einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen bezieht sich auf das allgemeine Auftreten einer Krankheit innerhalb dieser Gruppe. Auf eine Verursachung der Krankheit durch die gefährdende Tätigkeit im Einzelfall kommt es dabei nicht an. Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um dann daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt. Ist im Ausnahmefall die gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht mit der im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung derartiger Krankheitsbilder zum Nachweis einer größeren Anzahl gleichartiger Gesundheitsstörungen zu belegen, da etwa aufgrund der Seltenheit der Erkrankung medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können, kann zur Feststellung der generellen Geeignetheit der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der betreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten, sowie auf frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten wie BKen nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Die gruppenspezifische Risikoerhöhung muss sich in jedem Fall letztlich aus "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGB VII) ergeben. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es muss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln; nicht erforderlich ist, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus. Grundsätzlich sind medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse dann "neu" i.S. von § 9 Abs. 2 SGB VII (s. BSG, a.a.O.), wenn sie bei der letzten Änderung der BKV - für den vorliegenden Fall ist auf den Erlass der letzten Fassung der BKV am 5. September 2002 abzustellen - noch nicht berücksichtigt wurden. Dies ist stets der Fall, wenn die Erkenntnisse erst nach Erlass der letzten BKV bzw. etwaiger Änderungsverordnungen bekannt geworden sind. Nicht berücksichtigt vom Verordnungsgeber und somit "neu" sind aber auch diejenigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, die trotz Vorhandenseins bei Erlass der letzten BKV oder einer Änderungsverordnung vom Verordnungsgeber entweder nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erkennbar geprüft worden sind. Als neu in diesem Sinne gelten daher solche medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr, die nach erkennbarer Prüfung vom Verordnungsgeber als noch unzureichend bewertet wurden und deswegen eine Aufnahme der betreffenden Krankheit in die BK-Liste scheitert. Allerdings erweisen sich dann solche bereits überprüften Erkenntnisse wiederum als neu, wenn sie sich nach diesem Zeitpunkt zusammen mit weiteren, später hinzukommenden Erkenntnissen zur BK-Reife verdichtet haben. Eine derartige Verdichtung ist anzunehmen, wenn dem Verordnungsgeber ausreichende, regelmäßig von einer herrschenden Meinung getragene medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die geeignet wären, die Einführung einer neuen BK i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zu tragen. Die vorstehenden Voraussetzungen sind gleichfalls nicht erfüllt.

Bei der Frage nach neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII, der von Prof. Dr. H. "ersatzweise" für anwendbar erachtet wird, sind bloße Mindermeinungen von einzelnen Sachverständigen nicht ausreichend, vielmehr muss die überwiegende Mehrheit der medizinischen Sachverständigen zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangen (vgl. Mehrtens/Perlebach, aaO, E § 9 SGB VII, 32.3.). Die auf Seite 31 von Prof. Dr. H. weiter genannten Veröffentlichungen betreffen zum Teil nur Tierversuche und unabhängig davon nicht das hier speziell streitbefangene Krankheitsbild. Dies ergibt sich für den Senat nachvollziehbar aus dem von der Beklagten vorgelegten Bericht von Dr. Schm. vom 25. Mai 2005 sowie der Stellungnahme von Dr. M. vom 15. Juni 2005.

Ungeachtet dessen fehlt es zur Überzeugung des Senats auch hier bereits an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Entstehung der Erkrankung durch berufliche Einwirkungen im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität.

Bezüglich Asbest ist zunächst festzustellen, dass der Kläger selbst kein Asbest verarbeitet hat. Eine Asbestexposition besteht alltäglich durch Luft für die gesamte Bevölkerung. Ohne exzessive Asbestexposition ist ein ursächlicher Zusammenhang zu verneinen. Mangels eigener Verarbeitung durch den Berufungskläger erbringt die geltend gemachte Beschaffenheit der Decke am Arbeitsplatz keinen Vollbeweis für eine exzessive Asbestexposition. Im Übrigen verneinte Prof. Dr. H. in Bezug auf Asbest hinreichend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse für einen Ursachenzusammenhang mit der Erkrankung. Nach den Ausführungen von PD Dr. R. wird diese Frage nur kontrovers diskutiert und bestehen keine hinreichend gefestigten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse. Auch Prof. Dr. B. spricht nur von Beschreibungen von Einzelfällen. Auch Holzstäube sind nach dem Gutachten von Prof. Dr. H. nach gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen als Ursachen des streitbefangenen Krankheitsbildes zu verneinen. Schlussendlich haben sowohl Prof. Dr. B. wie auch Prof. Dr. Z. und PD Dr. R. einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang der geltend gemachten Erkrankung mit Einwirkungen durch Holzstaub, Leime, Kleber, Lösemittel, Lacke, Holzschutzmittel, Imprägniermittel, 3 M-Kleber, Ätznatronlauge, Arti-Räucherbeize, Flexomer Orimer No. 300, Formaldehyd, Joniozell AE Niessen Augsburg, Lindan, Nitroverdünner, PCP, Thiokol, Tri, Xyladecor oder Xylamon verneint. Dies erscheint in Hinblick auf die häufig ernährungsbedingt ausgelöste Erkrankung eines Adeno-Karzinoms des Dickdarms schlüssig und überzeugend. Soweit der Kläger weitere Ermittlungen, insbesondere auch zur möglichen Kanzerogenität der Produkte, die der Betrieb jemals erwarb, angeregt hat, lehnt der Senat dies ab. Ungeachtet dessen, dass es sich insofern um einen Ausforschungsbeweis handelt, ist ohnehin nicht konkret feststellbar, mit welchen dieser Produkte der Kläger überhaupt, für welche Dauer und in welcher Konzentration in Kontakt kam, nachdem er nur stundenweise im Betrieb in verschiedenen Bereichen eingesetzt war. Außerdem ergibt sich angesichts des häufigen ernährungsbedingten Auftretens von Darmkarzinomen auch aus den vorliegenden ärztlichen Äußerungen kein Anhalt für einen möglichen ursächlichen Zusammenhang und damit für weitere Erfolg versprechende Ermittlungen.

Da somit das SG zu Recht die Klage abgewiesen hat, ist die Berufung zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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