Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 963/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 121/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die KV ist grundsätzlich berechtigt, die konkrete Beschlussfassung über die Höhe der Umlage an die einzelne Notdienstgemeinschaft zu delegieren. Es müssen jedoch verfahrensmäßige Mindeststandards eingehalten werden. Sieht die Satzung eine Genehmigung des zuständigen Geschäftsausschusses vor, so hat diese schriftlich zu erfolgen (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 09.11.2005 – S 12 KA 35/05 –; v. 29.08.2007– S 12 KA 575/06 –).
1. Der Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erhebung einer Umlage für die Notfalldienstzentrale A Stadt in den Quartalen I bis III/04 in Höhe von insgesamt 2.250,00 EUR.
Der Kläger ist als Facharzt für Anästhesiologie mit Praxissitz in A-Stadt seit 26.10.1999 zugelassen. Zuvor war er in Baden-Württemberg als Vertragsarzt zugelassen. Im Jahr 2008 wurde ihm die Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entzogen, wogegen er Widerspruch eingelegt hat.
Nach dem Protokoll der Vollversammlung niedergelassener Ärzte A-Stadt am 21.10.2003 beschloss die Versammlung, dass die Umlage für den ärztlichen Notdienst pro Kopf erhoben werde (nicht umsatzbezogen). Weiterhin beschloss die Versammlung, dass für die Notdienstzentrale eine Rücklage gebildet werden müsse für zunächst zwei Folgequartale. Für 2003 betrage die Umlage 50,00 EUR pro Kopf und Monat, die Umlage für 2002, 2003 und 2004 werde als Vorauszahlung auf 5 Raten verteilt, beginnend mit der Abschlagszahlung Dezember 2003 in Höhe von 750,00 EUR, sie werde dann quartalsweise erhoben.
Mit Bescheid vom 04.04.2005 teilte die Beklagten dem Kläger mit, sein Honorarkonto weise eine Überzahlung in Höhe von 2.250,00 EUR auf. Dieser Betrag resultiere aus Umlagen für die Notfalldienstzentrale A-Stadt in den Quartalen I bis III/04. Zudem habe der Kläger keine Abrechnungen für diese Quartale eingereicht. Dieser Betrag werde nunmehr gemäß § 50 SGB X zurückgefordert.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 06.06.2005, bei der Beklagten am 09.06. eingegangen, Widerspruch ein. Er trug vor, die Beträge seien unbegründet und die genannten Zeiträume unrichtig. Er sei bereit, an der Notfallversorgung teilzunehmen. Für die Vergangenheit könnten aber von ihm nicht Geldleistungen gefordert werden, ohne ihm Gelegenheit zu geben, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Es sei gegen die Notdienstordnung verstoßen worden seit dem Jahre 2000. Er verlange die Zusendung der den Bescheiden zugrunde liegenden Unterlagen, damit er sie einem Rechnungsprüfer seines Vertrauens zur Durchsicht vorlegen könne. Eine Klärung sei ihm bisher verweigert worden. Zu der für kurz vor Weihnachten letzten Jahres angekündigten Vollversammlung der Notärztegemeinschaft sei er nie eingeladen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006, dem Kläger am 21.09. zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach § 8 Abs. 3 der Notdienstordnung seien für die Finanzierung des organisierten Bereitschaftsdienstes, soweit die nach Abs. 1 bei Betrieb von Bereitschaftszentralen und Bereitschaftsdienstleitstellen zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend seien, des Weiteren zu erheben: a) ein Abzug eines angemessenen Betriebskostenanteils von mindestens 15 %, höchstens 35 %, bezogen auf die im Rahmen des Bereitschaftsdienstes von den Notdienstärzten erarbeiteten Honorare und im Falle einer weiteren Unterdeckung b) eine Umlage von allen der Bereitschaftsdienstgemeinschaft angeschlossenen niedergelassenen Vertragsärzten. Anstelle eines Betriebskostenabzuges nach a) sei es alternativ möglich, für die Finanzierung des Bereitschaftsdienstes ausschließlich eine Umlage gemäß b) bei den Mitgliedern der Bereitschaftsdienstgemeinschaft zu erheben. In der Mitgliederversammlung der Bereitschaftsdienstversammlung A-Stadt vom 21. Oktober 2003 sei von den anwesenden Ärzten einstimmig beschlossen worden, dass eine Umlage in Höhe von 750,00 EUR pro Quartal und Mitglied erhoben werde. Für den Kläger sei die von der Mehrheit der Dienstgemeinschaft getroffene Entscheidung gemäß § 5 Abs. 5 der Notdienstordnung bindend. Die Rückforderung der Überzahlung sei daher zu Recht erfolgt.
Hiergegen hat der Kläger am 17. Oktober 2006 die Klage erhoben. Zur Begründung verweist er auf eine mangelnde Verhältnismäßigkeit, ferner darauf, dass Teile der umgelegten Verluste aus dem Zeitraum vor seiner Niederlassung im Jahre 2000 resultierten, auf massive Verstöße gegen das demokratische Prinzip (geregelt in der Notdienstordnung) und dass ihm die Möglichkeit, die fraglichen Notdienste kostenneutral selbst zu leisten, verwehrt worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf Anfrage der Kammer lediglich unter Datum vom 25.01.2007 mitgeteilt, dass eine schriftliche Genehmigung des Geschäftsausschusses nicht vorliege.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 ist rechtswidrig. Er war daher aufzuheben. Der Kläger ist nicht verpflichtet, eine Umlage der Notfalldienstzentrale A-Stadt für die Quartale I bis III/04 in Höhe von jeweils 750,00 EUR zu leisten.
Nach der hier noch maßgeblichen und ab 01.10.2002 gültigen Notdienstordnung, bekannt gegeben durch die Bekanntmachung vom 20.09.2002 (Teil I) (im Folgenden: NDO), die Satzungsqualität hat, gilt Folgendes:
Soweit die bei Betrieb von Notdienstzentralen und Notdienstleitstellen zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend sind, sind für die Finanzierung des organisierten Notdienstes des Weiteren zu erheben: a) ein Abzug eines angemessenen Betriebskostenanteils von mindestens 15 %, höchstens 35 %, bezogen auf die im Rahmen des Notdienstes von den Notdienstärzten erarbeiteten Honorare und im Falle einer weiteren Unterdeckung, b) eine Umlage von allen der Notdienstgemeinschaft angeschlossenen niedergelassenen Vertragsärzten. Art und Umfang der Umlage und des Betriebskostenabzuges sind von der Versammlung der Notdienstgemeinschaft festzulegen und von dem Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle zu genehmigen. Anstelle eines Betriebskostenabzuges nach Buchstabe a) ist es alternativ aufgrund der Entscheidung der Versammlung der Notdienstgemeinschaft mit Zustimmung des Geschäftsausschusses der zuständigen Bezirksstelle möglich, für die Finanzierung des Notdienstes ausschließlich eine Umlage gemäß Buchstabe b) zu erheben (vgl. § 8 Abs. 3 NDO).
Für die Mitglieder der örtlichen Notdienstgemeinschaft ist mindestens einmal jährlich eine Versammlung durchzuführen. Die im Rahmen dieser Versammlung von der Mehrheit der Notdienstgemeinschaft getroffenen Entscheidungen sind für alle Mitglieder der Notdienstgemeinschaft bindend, wenn eine schriftliche Einladung zu der jeweiligen Versammlung mindestens zwei Wochen vor dem Versammlungstermin, unter Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte, erfolgt ist und in der Versammlung die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder die Entscheidung getroffen hat. Die organisatorische Abwicklung der Versammlung der Notdienstgemeinschaft obliegt dem Notdienst-Obmann oder der für die Notdienstgemeinschaft zuständigen Bezirksstelle, die ebenfalls ein Einberufungsrecht für die Versammlung besitzt. Über das Ergebnis der Versammlung ist eine Niederschrift zu erstellen. Für den Ablauf der Versammlung gilt die Geschäftsordnung der Abgeordnetenversammlung der KV Hessen (§ 5 Abs. 5 NDO).
Ausgehend von der NDO sieht die Kammer die Notdienstgemeinschaften grundsätzlich als berechtigt an, eine Umlage zu erheben. Fasst sie einen entsprechenden Beschluss, so entsteht die Zahlungsverpflichtung mit der Gültigkeit dieses Beschlusses und bedarf es keiner weiteren Umsetzung durch einen Gebührenbescheid oder einer entsprechenden Erhebung im Honorarbescheid. Die NDO ist als gültige Satzung der Beklagten ergangen, sie ist auch veröffentlicht worden. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Gebühren für den Notdienst ist § 81 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 SGB V. Hiernach müssen die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthalten, die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung hier sieht, reicht es aus, wenn die Satzung die grundlegenden Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthält. Eine Satzungsvorschrift auch für den Betrag der Kostenumlage ist nicht erforderlich. Diese kann die Vertreterversammlung vielmehr in anderer Weise normativ regeln (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2004 – B 6 KA 44/03 R -, GesR 2005, 307 ff., hier zitiert nach juris, Rdnr. 102).
Die Kammer hält die Beklagte grundsätzlich auch für berechtigt, die konkrete Beschlussfassung über die Höhe der Umlage an die einzelne Notdienstgemeinschaft zu delegieren. Mit den genannten Bestimmungen hat sie als Satzungsgeberin die grundlegenden Vorgaben in der Satzung selbst getroffen. Der Notdienstgemeinschaft bleibt nur noch ein Spielraum innerhalb der Vorgaben (vgl. a. LSG Hessen, Urt. v. 18.06.2008 – L 4 KA 59/06 und L 4 KA 64/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
Die Notdienstgemeinschaft ist damit berechtigt, durch Herbeiführung eines Beschlusses mit Mehrheit auch die Ärzte zur Umlage zu verpflichten, die damit nicht einverstanden sind oder aber auch an der Versammlung gar nicht teilgenommen haben. Von daher sieht die NDO eine Entscheidung der Versammlung der Notdienstgemeinschaft vor. Eine Verbindlichkeit der Entscheidung setzt aber voraus, dass eine schriftliche Einladung zur jeweiligen Versammlung mindestens zwei Wochen vor dem Versammlungstermin, unter Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte, erfolgt ist und in der Versammlung die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder die Entscheidung getroffen hat. In der Einladung muss demnach klar hervorgehen, welche Art von Beschlüssen gefasst werden sollen, also insbesondere auch, dass über eine Umlage oder über ihre Höhe befunden werden soll. Nur dann ist das einzelne Mitglied der Notdienstgemeinschaft in der Lage zu entscheiden, ob er an der Versammlung teilnehmen will oder es unter Umständen hinnimmt, dass ein Beschluss ohne seine Mitwirkung gefasst wird, der ihn auch rechtlich bindet. Ferner sieht die Notdienstgemeinschaft vor, dass über das Ergebnis der Versammlung eine Niederschrift erstellt wird. Der Beschluss über Art und Umfang der Umlage ist weiter von dem Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle zu genehmigen. Dieser kommt eine Art Aufsichtsbefugnis zu, um zu überwachen, dass das Verfahren auch eingehalten wurde. Diese Regelung erscheint der Kammer durchaus sinnvoll zu sein, da die Notdienstgemeinschaft ausschließlich aus Ärzten besteht und durch die Genehmigungspflicht eine Kontrollmöglichkeit einer Stelle eingebaut wird, die grundsätzlich über weitergehende verfahrensrechtliche Kenntnisse verfügt und die auch Abstand hat zu möglicherweise bestehenden Auseinandersetzungen in einer einzelnen Notdienstgemeinschaft. Die Kammer sieht in dieser Verfahrensordnung ausreichende rechtsstaatliche Verfahrensstandards als gewahrt an. Dabei ist davon auszugehen, dass die Umlage erst nach Genehmigung erhoben werden kann. Die Genehmigung ist darüber hinaus förmlich der Notdienstgemeinschaft mitzuteilen und bei dem Geschäftsausschuss bzw. zukünftig bei dem Nachfolgegremium zu hinterlegen. Eine förmliche Hinterlegung erscheint der Kammer erforderlich zu sein, damit sichergestellt wird, dass der Geschäftsausschuss auch seiner Überwachungs- und Kontrollpflicht nachkommt. Insofern ist auch beim Geschäftsausschuss der Beschluss zu hinterlegen. Damit wahrt die Satzung hinreichend einen Minderheitenschutz durch diese Verfahrensstandards. Die Kammer war sich dabei auch bewusst, dass im Alltag einer Notdienstgemeinschaft keine allzu hohen Anforderungen an Förmlichkeiten gestellt werden dürfen. Zu bedenken war aber von der Kammer insbesondere der Gesichtspunkt, dass Beschlüsse mit bindender Wirkung auch für die Ärzte gelten sollen, die mit dem Mehrheitsbeschluss nicht einverstanden sind. Dabei reicht die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder aus, unabhängig davon, wie viele Ärzte der Notdienstgemeinschaft an der Versammlung teilnehmen (vgl. bereits zum Ganzen Urteil der Kammer v. 09.11.2005 – S 12 KA 35/05 – (rechtskräftig nach Rücknahme der Berufung durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Hessen) www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; Urteil v. 29.08.2007 - S 12 KA 575/06 - (rechtskräftig) www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; vgl. ferner Urteil v. 30.08.2006 – S 12 KA 261/05 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
Eine Genehmigung des zuständigen Geschäftsausschusses der Bezirksstelle Darmstadt, die schon im Hinblick auf die Bedeutung und der Beweissicherung schriftlich zu erfolgen hat, liegt nicht vor, wie die Beklagte unter Datum vom 25.01.2007 gegenüber dem Gericht auf Anfrage mitgeteilt hat. Soweit die Beklagte auf die fehlende Schriftform hinweist, bleibt unklar, in welcher Form wann und wem gegenüber die Genehmigung erteilt werden soll. Hierauf kommt es letztlich aber nicht an, da eine Schriftform nicht vorliegt. Die Genehmigung wurde auch nicht rückwirkend erteilt, so dass hier dahinstehen kann, ob dies mit heilender Rechtswirkung möglich ist. Von daher fehlt es an einer rechtsförmlichen Voraussetzung für die Erhebung der strittigen Umlage und war die Beklagte nicht berechtigt, vom Kläger die strittige Umlage einzufordern. Von daher konnte weiter dahinstehen, ob der Kläger wirksam zur Versammlung am 21.10.2003 eingeladen worden war und ob, falls dies nicht der Fall war, der Beschluss aus diesem Grund bereits rechtswidrig ist. Der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagtenvertreterin geäußerten Auffassung, eine Einladung sehe die Satzung nicht vor, wäre jedenfalls nicht zu folgen gewesen. Dann wäre eine Entscheidung der Notdienstgemeinschaft nicht möglich, da deren Zusammensetzung nicht von Zufälligkeiten oder gar einem Auswahlermessen des einladenden Obmanns abhängen kann. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ferner angegeben, dass er in den acht Jahren seiner Zulassung nur eine einzige Einladung zu einer Sitzung der Notdienstgemeinschaft erhalten hat. Dies zeigt mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Beklagte einen Ausgleich zwischen den Interessen eines Vertragsarztes, der letztlich zu Zahlungen verpflichtet werden kann, und den Interessen der ehrenamtlich geführten Notdienstgemeinschaft nach einem effizienten Verwaltungsverfahren ggf. in einer ergänzenden Regelung zu suchen hat.
Die Beklagte hat sich weder hierzu noch zu der Frage, weshalb die Kammer nunmehr zum dritten Mal die gleiche Rechtsfrage entscheiden musste, geäußert.
Nach allem war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erhebung einer Umlage für die Notfalldienstzentrale A Stadt in den Quartalen I bis III/04 in Höhe von insgesamt 2.250,00 EUR.
Der Kläger ist als Facharzt für Anästhesiologie mit Praxissitz in A-Stadt seit 26.10.1999 zugelassen. Zuvor war er in Baden-Württemberg als Vertragsarzt zugelassen. Im Jahr 2008 wurde ihm die Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entzogen, wogegen er Widerspruch eingelegt hat.
Nach dem Protokoll der Vollversammlung niedergelassener Ärzte A-Stadt am 21.10.2003 beschloss die Versammlung, dass die Umlage für den ärztlichen Notdienst pro Kopf erhoben werde (nicht umsatzbezogen). Weiterhin beschloss die Versammlung, dass für die Notdienstzentrale eine Rücklage gebildet werden müsse für zunächst zwei Folgequartale. Für 2003 betrage die Umlage 50,00 EUR pro Kopf und Monat, die Umlage für 2002, 2003 und 2004 werde als Vorauszahlung auf 5 Raten verteilt, beginnend mit der Abschlagszahlung Dezember 2003 in Höhe von 750,00 EUR, sie werde dann quartalsweise erhoben.
Mit Bescheid vom 04.04.2005 teilte die Beklagten dem Kläger mit, sein Honorarkonto weise eine Überzahlung in Höhe von 2.250,00 EUR auf. Dieser Betrag resultiere aus Umlagen für die Notfalldienstzentrale A-Stadt in den Quartalen I bis III/04. Zudem habe der Kläger keine Abrechnungen für diese Quartale eingereicht. Dieser Betrag werde nunmehr gemäß § 50 SGB X zurückgefordert.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 06.06.2005, bei der Beklagten am 09.06. eingegangen, Widerspruch ein. Er trug vor, die Beträge seien unbegründet und die genannten Zeiträume unrichtig. Er sei bereit, an der Notfallversorgung teilzunehmen. Für die Vergangenheit könnten aber von ihm nicht Geldleistungen gefordert werden, ohne ihm Gelegenheit zu geben, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Es sei gegen die Notdienstordnung verstoßen worden seit dem Jahre 2000. Er verlange die Zusendung der den Bescheiden zugrunde liegenden Unterlagen, damit er sie einem Rechnungsprüfer seines Vertrauens zur Durchsicht vorlegen könne. Eine Klärung sei ihm bisher verweigert worden. Zu der für kurz vor Weihnachten letzten Jahres angekündigten Vollversammlung der Notärztegemeinschaft sei er nie eingeladen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006, dem Kläger am 21.09. zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach § 8 Abs. 3 der Notdienstordnung seien für die Finanzierung des organisierten Bereitschaftsdienstes, soweit die nach Abs. 1 bei Betrieb von Bereitschaftszentralen und Bereitschaftsdienstleitstellen zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend seien, des Weiteren zu erheben: a) ein Abzug eines angemessenen Betriebskostenanteils von mindestens 15 %, höchstens 35 %, bezogen auf die im Rahmen des Bereitschaftsdienstes von den Notdienstärzten erarbeiteten Honorare und im Falle einer weiteren Unterdeckung b) eine Umlage von allen der Bereitschaftsdienstgemeinschaft angeschlossenen niedergelassenen Vertragsärzten. Anstelle eines Betriebskostenabzuges nach a) sei es alternativ möglich, für die Finanzierung des Bereitschaftsdienstes ausschließlich eine Umlage gemäß b) bei den Mitgliedern der Bereitschaftsdienstgemeinschaft zu erheben. In der Mitgliederversammlung der Bereitschaftsdienstversammlung A-Stadt vom 21. Oktober 2003 sei von den anwesenden Ärzten einstimmig beschlossen worden, dass eine Umlage in Höhe von 750,00 EUR pro Quartal und Mitglied erhoben werde. Für den Kläger sei die von der Mehrheit der Dienstgemeinschaft getroffene Entscheidung gemäß § 5 Abs. 5 der Notdienstordnung bindend. Die Rückforderung der Überzahlung sei daher zu Recht erfolgt.
Hiergegen hat der Kläger am 17. Oktober 2006 die Klage erhoben. Zur Begründung verweist er auf eine mangelnde Verhältnismäßigkeit, ferner darauf, dass Teile der umgelegten Verluste aus dem Zeitraum vor seiner Niederlassung im Jahre 2000 resultierten, auf massive Verstöße gegen das demokratische Prinzip (geregelt in der Notdienstordnung) und dass ihm die Möglichkeit, die fraglichen Notdienste kostenneutral selbst zu leisten, verwehrt worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf Anfrage der Kammer lediglich unter Datum vom 25.01.2007 mitgeteilt, dass eine schriftliche Genehmigung des Geschäftsausschusses nicht vorliege.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 ist rechtswidrig. Er war daher aufzuheben. Der Kläger ist nicht verpflichtet, eine Umlage der Notfalldienstzentrale A-Stadt für die Quartale I bis III/04 in Höhe von jeweils 750,00 EUR zu leisten.
Nach der hier noch maßgeblichen und ab 01.10.2002 gültigen Notdienstordnung, bekannt gegeben durch die Bekanntmachung vom 20.09.2002 (Teil I) (im Folgenden: NDO), die Satzungsqualität hat, gilt Folgendes:
Soweit die bei Betrieb von Notdienstzentralen und Notdienstleitstellen zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend sind, sind für die Finanzierung des organisierten Notdienstes des Weiteren zu erheben: a) ein Abzug eines angemessenen Betriebskostenanteils von mindestens 15 %, höchstens 35 %, bezogen auf die im Rahmen des Notdienstes von den Notdienstärzten erarbeiteten Honorare und im Falle einer weiteren Unterdeckung, b) eine Umlage von allen der Notdienstgemeinschaft angeschlossenen niedergelassenen Vertragsärzten. Art und Umfang der Umlage und des Betriebskostenabzuges sind von der Versammlung der Notdienstgemeinschaft festzulegen und von dem Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle zu genehmigen. Anstelle eines Betriebskostenabzuges nach Buchstabe a) ist es alternativ aufgrund der Entscheidung der Versammlung der Notdienstgemeinschaft mit Zustimmung des Geschäftsausschusses der zuständigen Bezirksstelle möglich, für die Finanzierung des Notdienstes ausschließlich eine Umlage gemäß Buchstabe b) zu erheben (vgl. § 8 Abs. 3 NDO).
Für die Mitglieder der örtlichen Notdienstgemeinschaft ist mindestens einmal jährlich eine Versammlung durchzuführen. Die im Rahmen dieser Versammlung von der Mehrheit der Notdienstgemeinschaft getroffenen Entscheidungen sind für alle Mitglieder der Notdienstgemeinschaft bindend, wenn eine schriftliche Einladung zu der jeweiligen Versammlung mindestens zwei Wochen vor dem Versammlungstermin, unter Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte, erfolgt ist und in der Versammlung die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder die Entscheidung getroffen hat. Die organisatorische Abwicklung der Versammlung der Notdienstgemeinschaft obliegt dem Notdienst-Obmann oder der für die Notdienstgemeinschaft zuständigen Bezirksstelle, die ebenfalls ein Einberufungsrecht für die Versammlung besitzt. Über das Ergebnis der Versammlung ist eine Niederschrift zu erstellen. Für den Ablauf der Versammlung gilt die Geschäftsordnung der Abgeordnetenversammlung der KV Hessen (§ 5 Abs. 5 NDO).
Ausgehend von der NDO sieht die Kammer die Notdienstgemeinschaften grundsätzlich als berechtigt an, eine Umlage zu erheben. Fasst sie einen entsprechenden Beschluss, so entsteht die Zahlungsverpflichtung mit der Gültigkeit dieses Beschlusses und bedarf es keiner weiteren Umsetzung durch einen Gebührenbescheid oder einer entsprechenden Erhebung im Honorarbescheid. Die NDO ist als gültige Satzung der Beklagten ergangen, sie ist auch veröffentlicht worden. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Gebühren für den Notdienst ist § 81 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 SGB V. Hiernach müssen die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthalten, die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung hier sieht, reicht es aus, wenn die Satzung die grundlegenden Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthält. Eine Satzungsvorschrift auch für den Betrag der Kostenumlage ist nicht erforderlich. Diese kann die Vertreterversammlung vielmehr in anderer Weise normativ regeln (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2004 – B 6 KA 44/03 R -, GesR 2005, 307 ff., hier zitiert nach juris, Rdnr. 102).
Die Kammer hält die Beklagte grundsätzlich auch für berechtigt, die konkrete Beschlussfassung über die Höhe der Umlage an die einzelne Notdienstgemeinschaft zu delegieren. Mit den genannten Bestimmungen hat sie als Satzungsgeberin die grundlegenden Vorgaben in der Satzung selbst getroffen. Der Notdienstgemeinschaft bleibt nur noch ein Spielraum innerhalb der Vorgaben (vgl. a. LSG Hessen, Urt. v. 18.06.2008 – L 4 KA 59/06 und L 4 KA 64/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
Die Notdienstgemeinschaft ist damit berechtigt, durch Herbeiführung eines Beschlusses mit Mehrheit auch die Ärzte zur Umlage zu verpflichten, die damit nicht einverstanden sind oder aber auch an der Versammlung gar nicht teilgenommen haben. Von daher sieht die NDO eine Entscheidung der Versammlung der Notdienstgemeinschaft vor. Eine Verbindlichkeit der Entscheidung setzt aber voraus, dass eine schriftliche Einladung zur jeweiligen Versammlung mindestens zwei Wochen vor dem Versammlungstermin, unter Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte, erfolgt ist und in der Versammlung die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder die Entscheidung getroffen hat. In der Einladung muss demnach klar hervorgehen, welche Art von Beschlüssen gefasst werden sollen, also insbesondere auch, dass über eine Umlage oder über ihre Höhe befunden werden soll. Nur dann ist das einzelne Mitglied der Notdienstgemeinschaft in der Lage zu entscheiden, ob er an der Versammlung teilnehmen will oder es unter Umständen hinnimmt, dass ein Beschluss ohne seine Mitwirkung gefasst wird, der ihn auch rechtlich bindet. Ferner sieht die Notdienstgemeinschaft vor, dass über das Ergebnis der Versammlung eine Niederschrift erstellt wird. Der Beschluss über Art und Umfang der Umlage ist weiter von dem Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle zu genehmigen. Dieser kommt eine Art Aufsichtsbefugnis zu, um zu überwachen, dass das Verfahren auch eingehalten wurde. Diese Regelung erscheint der Kammer durchaus sinnvoll zu sein, da die Notdienstgemeinschaft ausschließlich aus Ärzten besteht und durch die Genehmigungspflicht eine Kontrollmöglichkeit einer Stelle eingebaut wird, die grundsätzlich über weitergehende verfahrensrechtliche Kenntnisse verfügt und die auch Abstand hat zu möglicherweise bestehenden Auseinandersetzungen in einer einzelnen Notdienstgemeinschaft. Die Kammer sieht in dieser Verfahrensordnung ausreichende rechtsstaatliche Verfahrensstandards als gewahrt an. Dabei ist davon auszugehen, dass die Umlage erst nach Genehmigung erhoben werden kann. Die Genehmigung ist darüber hinaus förmlich der Notdienstgemeinschaft mitzuteilen und bei dem Geschäftsausschuss bzw. zukünftig bei dem Nachfolgegremium zu hinterlegen. Eine förmliche Hinterlegung erscheint der Kammer erforderlich zu sein, damit sichergestellt wird, dass der Geschäftsausschuss auch seiner Überwachungs- und Kontrollpflicht nachkommt. Insofern ist auch beim Geschäftsausschuss der Beschluss zu hinterlegen. Damit wahrt die Satzung hinreichend einen Minderheitenschutz durch diese Verfahrensstandards. Die Kammer war sich dabei auch bewusst, dass im Alltag einer Notdienstgemeinschaft keine allzu hohen Anforderungen an Förmlichkeiten gestellt werden dürfen. Zu bedenken war aber von der Kammer insbesondere der Gesichtspunkt, dass Beschlüsse mit bindender Wirkung auch für die Ärzte gelten sollen, die mit dem Mehrheitsbeschluss nicht einverstanden sind. Dabei reicht die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder aus, unabhängig davon, wie viele Ärzte der Notdienstgemeinschaft an der Versammlung teilnehmen (vgl. bereits zum Ganzen Urteil der Kammer v. 09.11.2005 – S 12 KA 35/05 – (rechtskräftig nach Rücknahme der Berufung durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Hessen) www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; Urteil v. 29.08.2007 - S 12 KA 575/06 - (rechtskräftig) www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; vgl. ferner Urteil v. 30.08.2006 – S 12 KA 261/05 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
Eine Genehmigung des zuständigen Geschäftsausschusses der Bezirksstelle Darmstadt, die schon im Hinblick auf die Bedeutung und der Beweissicherung schriftlich zu erfolgen hat, liegt nicht vor, wie die Beklagte unter Datum vom 25.01.2007 gegenüber dem Gericht auf Anfrage mitgeteilt hat. Soweit die Beklagte auf die fehlende Schriftform hinweist, bleibt unklar, in welcher Form wann und wem gegenüber die Genehmigung erteilt werden soll. Hierauf kommt es letztlich aber nicht an, da eine Schriftform nicht vorliegt. Die Genehmigung wurde auch nicht rückwirkend erteilt, so dass hier dahinstehen kann, ob dies mit heilender Rechtswirkung möglich ist. Von daher fehlt es an einer rechtsförmlichen Voraussetzung für die Erhebung der strittigen Umlage und war die Beklagte nicht berechtigt, vom Kläger die strittige Umlage einzufordern. Von daher konnte weiter dahinstehen, ob der Kläger wirksam zur Versammlung am 21.10.2003 eingeladen worden war und ob, falls dies nicht der Fall war, der Beschluss aus diesem Grund bereits rechtswidrig ist. Der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagtenvertreterin geäußerten Auffassung, eine Einladung sehe die Satzung nicht vor, wäre jedenfalls nicht zu folgen gewesen. Dann wäre eine Entscheidung der Notdienstgemeinschaft nicht möglich, da deren Zusammensetzung nicht von Zufälligkeiten oder gar einem Auswahlermessen des einladenden Obmanns abhängen kann. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ferner angegeben, dass er in den acht Jahren seiner Zulassung nur eine einzige Einladung zu einer Sitzung der Notdienstgemeinschaft erhalten hat. Dies zeigt mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Beklagte einen Ausgleich zwischen den Interessen eines Vertragsarztes, der letztlich zu Zahlungen verpflichtet werden kann, und den Interessen der ehrenamtlich geführten Notdienstgemeinschaft nach einem effizienten Verwaltungsverfahren ggf. in einer ergänzenden Regelung zu suchen hat.
Die Beklagte hat sich weder hierzu noch zu der Frage, weshalb die Kammer nunmehr zum dritten Mal die gleiche Rechtsfrage entscheiden musste, geäußert.
Nach allem war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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