Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 2936/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2709/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. April 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB).
Das Versorgungsamt Rottweil (VA) stellte für den 1947 geborenen Kläger zuletzt mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 den GdB mit 20 fest. Dieser Entscheidung lag die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme der Ärztin F. vom 4. September 1996 zugrunde, in welcher eine Gonarthrose beidseits (Teil-GdB 10), ein Wirbelsäulen-Syndrom und eine Funktionseinschränkung der rechten Schulter (Teil-GdB 10) und eine Schwerhörigkeit beidseits (Teil-GdB 10) in Ansatz gebracht worden war.
Am 29. April 2002 beantragte der Kläger die Neufeststellung seines GdB. Das VA holte die Befundberichte des Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Arztes Dr. G. vom Mai 2002, des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. B. vom 11. Juni 2002 und des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom Juni 2002, welchem der Arztbrief des Radiologen Dr. S. vom 3. Januar 2002 und der ärztliche Entlassungsbericht von Dr. M./Dr. G./Stationsarzt R. von der F.-Klinik B. B. vom 12. September 2000 über die vom 25. Juli bis zum 15. August 2000 durchlaufene stationäre Rehabilitationsmaßnahme beigefügt war, ein. In Auswertung dieser Unterlagen wurde in der vä Stellungnahme vom 19. Juli 2002 eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und beider Schultergelenke (Teil-GdB 10) sowie eine Schwerhörigkeit beidseits (Teil-GdB 10) in Ansatz gebracht und der Gesamt-GdB mit 30 bewertet. Mit Bescheid vom 26. Juli 2002 hob das VA den Bescheid vom 16. Oktober 1996 auf und stellte den GdB mit 30 ab 29. April 2002 fest.
Hiergegen erhob der Kläger am 15. August 2002 Widerspruch. In der vä Stellungnahme vom 25. Oktober 2002 wurde eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10), eine Schwerhörigkeit beidseits (Teil-GdB 10) und eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke (Teil-GdB 10) in Ansatz gebracht und der Gesamt-GdB weiterhin mit 30 bewertet. Hierauf gestützt wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2002 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 15. November 2002 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. G. vom 17. April 2003, von Dr. B. vom 2. Mai 2003 und von Dr. S. vom 13. Mai 2003 ein. Beigefügt waren die Arztbriefe der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Kreiskrankenhauses S. vom 13. September 2002 und 17. März 2003 sowie der ärztliche Entlassungsbericht von Dr. H./S. B. von der F.-Klinik B. B. vom 2. Mai 2003 über die vom 12. März bis zum 9. April 2003 durchlaufene stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Hierzu legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. W. vom 10. September 2003 vor, in welcher eine Kniegelenksendoprothese links (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10), eine Schwerhörigkeit beidseitig (Teil-GdB 10) sowie eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und eine Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 10) in Ansatz gebracht und der Gesamt-GdB weiterhin mit 30 bewertet wurde.
Der Kläger legte den Arztbrief von Dr. B. vom 8. Oktober 2003, in welchem die Ansicht vertreten wurde, der Gesamt-GdB betrage mindestens 50, und das von Dr. G. erstellte Sprachaudiogramm vom 20. November 2003 vor. Daraufhin legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. H. vom 6. November 2003 vor, in welcher die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule nun mit einem Teil-GdB von 20 und damit der Gesamt-GdB mit 40 bewertet wurde. Das hierauf beruhende Vergleichsangebot des Beklagten nahm der Kläger nicht an.
Mit Urteil vom 8. April 2004 änderte das SG den Bescheid vom 26. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2002 ab, verurteilte den Beklagten, den GdB ab 29. April 2002 mit 40 zu bewerten und wies die Klage im Übrigen ab. Das SG stützte sich auf die vä Stellungnahme von Dr. H ... Der Einschätzung von Dr. B., der für die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke einen Teil-GdB von 20 veranschlagt habe, sei nicht zu folgen.
Gegen das ihm am 17. Juni 2004 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 9. Juli 2004 Berufung eingelegt. Streitig und letztendlich ausschlaggebend sei die Frage, ob für die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke ein Teil-GdB von mindestens 20 zu veranschlagen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. April 2004 und den Bescheid vom 6. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2002 aufzuheben und den GdB mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die vä Stellungnahme von Dr. R. vom 25. Oktober 2004 vorgelegt. Grundsätzlich sei für die Funktionsfähigkeit der Arme die Abduktion (Seitwärtsheben) von größerer Bedeutung als die Drehbeweglichkeit (Innenrotation/Außenrotation). Wie sich aus den Befundberichten von Dr. B. vom 11. Juni 2002 sowie 2. Mai und 8. Oktober 2003 und dem ärztlichen Entlassungsbericht der F.-Klinik B. B. vom 2. Mai 2003 ergebe, liege bei einer Abduktionsmöglichkeit von 160 Grad beidseits eine weitgehend unbehinderte Beweglichkeit vor. Weiterhin seien während des Rehabilitationsverfahrens in B. B. vom 12. März bis zum 9. April 2003 sowohl bei seitwärts abgehobenen, wie bei anliegendem Oberarm freie Innendreh- und Außendrehmöglichkeiten dokumentiert. Die von Dr. B. zuletzt in seinem Befundbericht vom 8. Oktober 2003 angegebenen Messwerte bei Innen-/Außenrotation 100/0/30 Grad - bei anliegendem Oberarm gemessen - sprächen im Hinblick auf die in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AP) 1996 veröffentlichten Normwerte von 40-60/0/95 Grad für Außenrotation/Innenrotation bei anliegendem Oberarm (AP 1996, S. 14) für eine freie Einwärtsdrehung und eine allenfalls leichtgradige Einschränkung der Außenrotation. Mit diesen Ergebnissen sei eine Bewertung über einen Teil-GdB von 10 hinaus für die Funktionsbeeinträchtigung in den Schultergelenken nicht begründet.
Der Kläger hat den Arztbrief von Dr. B. vom 27. Juli 2004 (rechte Schulter: Dorsal-Ventralflexion 30/0/120 Grad, Abduktion 150 Grad, Innen-Außenrotation 70/0/40 Grad), von Dr. H. vom 20. Juli 2004 (Beurteilung der Kernspintomographie des rechten Schultergelenks vom 19. Juli 2004: Chronische Ruptur der Supraspinatussehne mit Retraktion, Muskelatrophie, synovialem Reizerguss und subacromialer Bursairritation wie auch Knochenödem im Humeruskopf. Ruptur der langen Bizepssehne intraartikular. Erhebliche, nur gering aktive Akromio-Claviculararthrose) und von Dr. B. vom 18. November 2004 (rechte Schulter: Dorsal-Ventralflexion 30/0/140 Grad, Abduktion 90 Grad, Innen-Außenrotation 80/0/30 Grad; linke Schulter: Dorsal-Ventralflexion 30/0/160 Grad, Abduktion 170 Grad, Innen- und Außenrotation 100/0/30 Grad) vorgelegt. Hierzu hat der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. F. vom 2. März 2005 vorgelegt. Der Bericht des Dr. B. vom 18. November 2004 zeige, dass sich die Funktion des rechten Schultergelenks verschlechtert habe. Ob eine GdB-wirksame Verschlechterung der Funktion des rechten Schultergelenks bleiben werde, könne erst abschließend beurteilt werden, wenn die geplante arthroskopische Behandlung und diesbezügliche Anschlussbehandlungen erfolgt seien.
Der Senat hat den Arztbrief der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Krankenhauses B. vom 9. Juni 2005 über die am 1. Juni 2005 durchgeführte arthroskopische Operation der rechten Schulter beigezogen und die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. B. vom 14. Juni 2005 eingeholt. Hierzu hat der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. F. vom 26. August 2005 vorgelegt.
Der Kläger hat die Arztbriefe von Dr. B. vom 22. November 2005 (rechte Schulter: Dorsal-Ventralflexion 40/0/130 Grad, Abduktion 100 Grad, Innen-Außenrotation 90/0/40 Grad; linke Schulter: Dorsal-Ventralflexion 30/0/130 Grad, Abduktion 160 Grad, Innen-Außenrotation 100/0/40 Grad), von Dr. S. vom 23. November 2005 über die Kernspintomographie des linken Schultergelenks vom 22. November 2005 und von Dr. B. vom 28. November 2005 vorgelegt.
Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 9. Januar und 24. Februar 2006 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG den GdB mit 40 festgestellt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren GdB.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, sind insoweit seit 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den AP 2004 niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AP 2004, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP 2004, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP 2004, 19 Abs. 4, S. 26).
Hier ist insoweit eine wesentliche Änderung der für die Höhe des GdB maßgeblichen Verhältnisse eingetreten, als der GdB zu Recht vom SG von 30 auf 40 heraufgesetzt wurde.
Zwischen den Beteiligten ist es unstreitig, dass der Teil-GdB für die Kniegelenksendoprothese links 30, für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule 20 und die Schwerhörigkeit beidseits 10 beträgt. Auch der Senat ist von der Richtigkeit dieser Bewertung überzeugt und stützt sich insoweit auf die vä Stellungnahme von Dr. H. vom 6. November 2003.
Für die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und die Fingerpolyarthrose ist kein höherer Teil-GdB als 10 zu berücksichtigen.
Nach den AP 2004 (26.18, S. 119) beträgt der GdB bei Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) 10, wenn mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit der Arm nur um 120 Grad zu erheben ist, und 20, wenn der Arm nur um 90 Grad zu erheben ist. Beim Kläger lag ausweislich der Befundberichte und sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. B. eine Abduktion der rechten Schulter zwischen Februar 2001 und September 2002 zwischen 160 und 170 Grad, am 16. September 2002 von 90 Grad, zwischen März 2003 und Juli 2004 zwischen 150 und 160 Grad, am 18. November 2004 von 90 Grad und am 22. November 2005 von 100 Grad vor. Mithin lag eine einen GdB von 20 rechtfertigende Einschränkung der Schulter-Abduktion lediglich im September 2002 und November 2004 vor. Hierin sieht der Senat keine dauerhafte GdB-wirksame Einschränkung, zumal spätestens im März 2003 wieder eine Abduktion zwischen 150 und 160 Grad und im November 2005 wieder eine Abduktion von 100 Grad vorlag. Dasselbe gilt für das linke Schultergelenk. Hier wurde seit Februar 2001 eine Abduktion zwischen 160 und 170 Grad gemessen. Im Übrigen liegt eine einem GdB von 20 entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit nicht vor. Mithin folgt der Senat den vä Stellungnahmen und ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass für die Einschränkung der Schulterbeweglichkeit allenfalls ein dauerhafter GdB von 10 zu vergeben ist.
Unter Berücksichtigung dieser Einzel-GdB-Werte kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht. Insoweit folgt der Senat der vä Stellungnahme von Dr. H. vom 6. November 2003.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Gesamt-GdB von 50 beispielsweise nur angenommen werden kann, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel bzw. bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule (AP 2004, 19 Abs. 2). Ein vergleichbares Ausmaß erreichen die vom Senat festgestellten Funktionsbehinderungen des Klägers nicht.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB).
Das Versorgungsamt Rottweil (VA) stellte für den 1947 geborenen Kläger zuletzt mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 den GdB mit 20 fest. Dieser Entscheidung lag die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme der Ärztin F. vom 4. September 1996 zugrunde, in welcher eine Gonarthrose beidseits (Teil-GdB 10), ein Wirbelsäulen-Syndrom und eine Funktionseinschränkung der rechten Schulter (Teil-GdB 10) und eine Schwerhörigkeit beidseits (Teil-GdB 10) in Ansatz gebracht worden war.
Am 29. April 2002 beantragte der Kläger die Neufeststellung seines GdB. Das VA holte die Befundberichte des Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Arztes Dr. G. vom Mai 2002, des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. B. vom 11. Juni 2002 und des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom Juni 2002, welchem der Arztbrief des Radiologen Dr. S. vom 3. Januar 2002 und der ärztliche Entlassungsbericht von Dr. M./Dr. G./Stationsarzt R. von der F.-Klinik B. B. vom 12. September 2000 über die vom 25. Juli bis zum 15. August 2000 durchlaufene stationäre Rehabilitationsmaßnahme beigefügt war, ein. In Auswertung dieser Unterlagen wurde in der vä Stellungnahme vom 19. Juli 2002 eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und beider Schultergelenke (Teil-GdB 10) sowie eine Schwerhörigkeit beidseits (Teil-GdB 10) in Ansatz gebracht und der Gesamt-GdB mit 30 bewertet. Mit Bescheid vom 26. Juli 2002 hob das VA den Bescheid vom 16. Oktober 1996 auf und stellte den GdB mit 30 ab 29. April 2002 fest.
Hiergegen erhob der Kläger am 15. August 2002 Widerspruch. In der vä Stellungnahme vom 25. Oktober 2002 wurde eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10), eine Schwerhörigkeit beidseits (Teil-GdB 10) und eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke (Teil-GdB 10) in Ansatz gebracht und der Gesamt-GdB weiterhin mit 30 bewertet. Hierauf gestützt wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2002 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 15. November 2002 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. G. vom 17. April 2003, von Dr. B. vom 2. Mai 2003 und von Dr. S. vom 13. Mai 2003 ein. Beigefügt waren die Arztbriefe der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Kreiskrankenhauses S. vom 13. September 2002 und 17. März 2003 sowie der ärztliche Entlassungsbericht von Dr. H./S. B. von der F.-Klinik B. B. vom 2. Mai 2003 über die vom 12. März bis zum 9. April 2003 durchlaufene stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Hierzu legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. W. vom 10. September 2003 vor, in welcher eine Kniegelenksendoprothese links (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10), eine Schwerhörigkeit beidseitig (Teil-GdB 10) sowie eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und eine Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 10) in Ansatz gebracht und der Gesamt-GdB weiterhin mit 30 bewertet wurde.
Der Kläger legte den Arztbrief von Dr. B. vom 8. Oktober 2003, in welchem die Ansicht vertreten wurde, der Gesamt-GdB betrage mindestens 50, und das von Dr. G. erstellte Sprachaudiogramm vom 20. November 2003 vor. Daraufhin legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. H. vom 6. November 2003 vor, in welcher die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule nun mit einem Teil-GdB von 20 und damit der Gesamt-GdB mit 40 bewertet wurde. Das hierauf beruhende Vergleichsangebot des Beklagten nahm der Kläger nicht an.
Mit Urteil vom 8. April 2004 änderte das SG den Bescheid vom 26. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2002 ab, verurteilte den Beklagten, den GdB ab 29. April 2002 mit 40 zu bewerten und wies die Klage im Übrigen ab. Das SG stützte sich auf die vä Stellungnahme von Dr. H ... Der Einschätzung von Dr. B., der für die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke einen Teil-GdB von 20 veranschlagt habe, sei nicht zu folgen.
Gegen das ihm am 17. Juni 2004 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 9. Juli 2004 Berufung eingelegt. Streitig und letztendlich ausschlaggebend sei die Frage, ob für die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke ein Teil-GdB von mindestens 20 zu veranschlagen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. April 2004 und den Bescheid vom 6. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2002 aufzuheben und den GdB mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die vä Stellungnahme von Dr. R. vom 25. Oktober 2004 vorgelegt. Grundsätzlich sei für die Funktionsfähigkeit der Arme die Abduktion (Seitwärtsheben) von größerer Bedeutung als die Drehbeweglichkeit (Innenrotation/Außenrotation). Wie sich aus den Befundberichten von Dr. B. vom 11. Juni 2002 sowie 2. Mai und 8. Oktober 2003 und dem ärztlichen Entlassungsbericht der F.-Klinik B. B. vom 2. Mai 2003 ergebe, liege bei einer Abduktionsmöglichkeit von 160 Grad beidseits eine weitgehend unbehinderte Beweglichkeit vor. Weiterhin seien während des Rehabilitationsverfahrens in B. B. vom 12. März bis zum 9. April 2003 sowohl bei seitwärts abgehobenen, wie bei anliegendem Oberarm freie Innendreh- und Außendrehmöglichkeiten dokumentiert. Die von Dr. B. zuletzt in seinem Befundbericht vom 8. Oktober 2003 angegebenen Messwerte bei Innen-/Außenrotation 100/0/30 Grad - bei anliegendem Oberarm gemessen - sprächen im Hinblick auf die in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AP) 1996 veröffentlichten Normwerte von 40-60/0/95 Grad für Außenrotation/Innenrotation bei anliegendem Oberarm (AP 1996, S. 14) für eine freie Einwärtsdrehung und eine allenfalls leichtgradige Einschränkung der Außenrotation. Mit diesen Ergebnissen sei eine Bewertung über einen Teil-GdB von 10 hinaus für die Funktionsbeeinträchtigung in den Schultergelenken nicht begründet.
Der Kläger hat den Arztbrief von Dr. B. vom 27. Juli 2004 (rechte Schulter: Dorsal-Ventralflexion 30/0/120 Grad, Abduktion 150 Grad, Innen-Außenrotation 70/0/40 Grad), von Dr. H. vom 20. Juli 2004 (Beurteilung der Kernspintomographie des rechten Schultergelenks vom 19. Juli 2004: Chronische Ruptur der Supraspinatussehne mit Retraktion, Muskelatrophie, synovialem Reizerguss und subacromialer Bursairritation wie auch Knochenödem im Humeruskopf. Ruptur der langen Bizepssehne intraartikular. Erhebliche, nur gering aktive Akromio-Claviculararthrose) und von Dr. B. vom 18. November 2004 (rechte Schulter: Dorsal-Ventralflexion 30/0/140 Grad, Abduktion 90 Grad, Innen-Außenrotation 80/0/30 Grad; linke Schulter: Dorsal-Ventralflexion 30/0/160 Grad, Abduktion 170 Grad, Innen- und Außenrotation 100/0/30 Grad) vorgelegt. Hierzu hat der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. F. vom 2. März 2005 vorgelegt. Der Bericht des Dr. B. vom 18. November 2004 zeige, dass sich die Funktion des rechten Schultergelenks verschlechtert habe. Ob eine GdB-wirksame Verschlechterung der Funktion des rechten Schultergelenks bleiben werde, könne erst abschließend beurteilt werden, wenn die geplante arthroskopische Behandlung und diesbezügliche Anschlussbehandlungen erfolgt seien.
Der Senat hat den Arztbrief der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Krankenhauses B. vom 9. Juni 2005 über die am 1. Juni 2005 durchgeführte arthroskopische Operation der rechten Schulter beigezogen und die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. B. vom 14. Juni 2005 eingeholt. Hierzu hat der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. F. vom 26. August 2005 vorgelegt.
Der Kläger hat die Arztbriefe von Dr. B. vom 22. November 2005 (rechte Schulter: Dorsal-Ventralflexion 40/0/130 Grad, Abduktion 100 Grad, Innen-Außenrotation 90/0/40 Grad; linke Schulter: Dorsal-Ventralflexion 30/0/130 Grad, Abduktion 160 Grad, Innen-Außenrotation 100/0/40 Grad), von Dr. S. vom 23. November 2005 über die Kernspintomographie des linken Schultergelenks vom 22. November 2005 und von Dr. B. vom 28. November 2005 vorgelegt.
Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 9. Januar und 24. Februar 2006 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG den GdB mit 40 festgestellt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren GdB.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, sind insoweit seit 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den AP 2004 niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AP 2004, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP 2004, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP 2004, 19 Abs. 4, S. 26).
Hier ist insoweit eine wesentliche Änderung der für die Höhe des GdB maßgeblichen Verhältnisse eingetreten, als der GdB zu Recht vom SG von 30 auf 40 heraufgesetzt wurde.
Zwischen den Beteiligten ist es unstreitig, dass der Teil-GdB für die Kniegelenksendoprothese links 30, für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule 20 und die Schwerhörigkeit beidseits 10 beträgt. Auch der Senat ist von der Richtigkeit dieser Bewertung überzeugt und stützt sich insoweit auf die vä Stellungnahme von Dr. H. vom 6. November 2003.
Für die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und die Fingerpolyarthrose ist kein höherer Teil-GdB als 10 zu berücksichtigen.
Nach den AP 2004 (26.18, S. 119) beträgt der GdB bei Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) 10, wenn mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit der Arm nur um 120 Grad zu erheben ist, und 20, wenn der Arm nur um 90 Grad zu erheben ist. Beim Kläger lag ausweislich der Befundberichte und sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. B. eine Abduktion der rechten Schulter zwischen Februar 2001 und September 2002 zwischen 160 und 170 Grad, am 16. September 2002 von 90 Grad, zwischen März 2003 und Juli 2004 zwischen 150 und 160 Grad, am 18. November 2004 von 90 Grad und am 22. November 2005 von 100 Grad vor. Mithin lag eine einen GdB von 20 rechtfertigende Einschränkung der Schulter-Abduktion lediglich im September 2002 und November 2004 vor. Hierin sieht der Senat keine dauerhafte GdB-wirksame Einschränkung, zumal spätestens im März 2003 wieder eine Abduktion zwischen 150 und 160 Grad und im November 2005 wieder eine Abduktion von 100 Grad vorlag. Dasselbe gilt für das linke Schultergelenk. Hier wurde seit Februar 2001 eine Abduktion zwischen 160 und 170 Grad gemessen. Im Übrigen liegt eine einem GdB von 20 entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit nicht vor. Mithin folgt der Senat den vä Stellungnahmen und ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass für die Einschränkung der Schulterbeweglichkeit allenfalls ein dauerhafter GdB von 10 zu vergeben ist.
Unter Berücksichtigung dieser Einzel-GdB-Werte kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht. Insoweit folgt der Senat der vä Stellungnahme von Dr. H. vom 6. November 2003.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Gesamt-GdB von 50 beispielsweise nur angenommen werden kann, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel bzw. bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule (AP 2004, 19 Abs. 2). Ein vergleichbares Ausmaß erreichen die vom Senat festgestellten Funktionsbehinderungen des Klägers nicht.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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