L 13 RA 249/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 RA 1201/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 RA 249/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. November 2001 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Klage- und Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Beiträge, die dieser zur Nachversicherung des verstorbenen Beamten J. G. B. (B.) für die Zeit vom 1. Oktober 1923 bis 8. Mai 1945 in Höhe von 235.131,84 DM (120.221,00 EUR) an die Beklagte gezahlt hat, als zu Unrecht entrichtet zu erstatten hat.

Der 1900 geborene B. stand im Dienst der Finanzverwaltung des klagenden Landes, zuletzt als Hauptsteuersekretär. Er schied nach Erreichen der Altersgrenze mit Ablauf des 31. Oktober 1965 aus dem Dienstverhältnis aus und bezog anschließend beamtenrechtliche Versorgungsbezüge (Bescheid über die Festsetzung des Ruhegehalts nach dem Landesbeamtengesetz vom 20. Oktober 1965) B. war mit der 1901 geborenen J. B. verheiratet, die 1983 verstarb. 1996 heiratete B. die 1947 geborene C. M. S., die britische Staatsangehörige ist. B. verstarb 1997 in S ... Im Jahre 1997 hatte er vom Kläger Versorgungsbezüge in Höhe von 39.255,61 DM bezogen, zuletzt 3.575,11 DM monatlich.

Seine Witwe, die spätere Beigeladene (im Folgenden: Beigeladene), beantragte beim Kläger am 30. November 1997 sinngemäß Versorgungsleistungen. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1997 äußerte der Kläger, Sterbegeld und Hinterbliebenenbezüge stünden der Beigeladenen nicht zu (Hinweis auf § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG)). Allerdings könnte ihr ein Unterhaltsbeitrag in Höhe des Witwengeldes zu gewähren sein; im Übrigen solle sie prüfen, ob ein Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe. Auf Antrag gewährte der Kläger der Beigeladenen mit Bescheid vom 13. Januar 1998 gleichwohl Sterbegeld in Höhe von 7.150,62 DM. Mit Bescheid vom 2. Februar 1998 versagte der Kläger ihr auch einen Unterhaltsbeitrag nach § 22 Abs. 1 BeamtVG. Der Anspruch auf Witwengeld bestehe nicht, weil die Ehe erst nach Eintritt in den Ruhestand geschlossen worden sei und der Ehepartner zur Zeit der Eheschließung das 65. Lebensjahr bereits vollendet habe (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG). Auch der Anspruch auf Gewährung eines Unterhaltsbeitrags nach § 22 Abs. 1 BeamtVG sei nicht erfüllt, weil die besonderen Umstände des vorliegenden Falles die volle Versagung rechtfertigten. Am 4. März erhob die Beigeladene Widerspruch gegen diese Entscheidung, der im bestandskräftig gewordenen Widerspruchsbescheid vom 15. März 1998 ohne Erfolg blieb. Anschließend leitete der Kläger die Prüfung der Nachversicherung ein und erteilte die Nachversicherungsbescheinigung vom 29. September 1998:. B. sei als beim Land Baden-Württemberg versicherungsfrei beschäftigt gewesener Beamter, für dessen Hinterbliebene ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht bestehe, in der Rentenversicherung nachzuversichern, weil ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltend gemacht werden könne. Als Nachversicherungszeitraum ist die Zeit vom 1. Oktober 1923 bis 8. Mai 1945 und vom 21. Oktober 1946 bis 31. Oktober 1965 mit beitragspflichtigen Einnahmen von mehr als 2,8 Millionen DM bescheinigt. Empfänger der Beitragszahlung sei die Beklagte. Die Nachversicherungsbescheinigung, welche keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, wurde an die Beklagte und die Beigeladene übersandt. Im Anschreiben an die Beklagte vom 29. September 1998 teilte der Kläger mit, dass er für B. Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 574.863,50 DM zahlen werde. Der Kläger zahlte den angekündigten Betrag am 14. Oktober 1998 an die Beklagte.

Auf Hinweis des Klägers stellte die Beigeladene am 6. Oktober 1998 bei der Beklagten den Antrag auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des B. Die Beklagte bewilligte der Beigeladenen mit Bescheid vom 15. Februar 1999 aus den Nachversicherungsbeiträgen, die für die Zeit ab 21. Oktober 1946 gezahlt worden waren, große Witwenrente ab 1. Dezember 1997 in Höhe von zunächst 850,24 DM. Dem Bescheid war der Hinweis beigefügt, dass der Versicherungsverlauf vom 25. Oktober 1916 bis 8. Mai 1945 noch ungeklärte Zeiten aufweise. Die Beigeladene erhob Widerspruch gegen den Rentenbescheid.

Zuvor hatte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 11. Februar 1999 gebeten, die Entscheidung über die Nachversicherung für die Zeit vor 21. Oktober 1946 nochmals zu überprüfen. B. habe als Steuersekretär im Dienst der Reichsfinanzverwaltung gestanden, am 8. Mai 1945 mit der Kapitulation des Deutschen Reiches seinen Dienstherrn verloren und damit zum Personenkreis des G 131 gehört. Eine Nachversicherung sei seinerzeit nicht durchzuführen gewesen, weil B. durch Übernahme ins Beamtenverhältnis rechtsgleich wiederverwendet worden sei. Der Kläger lehnte gegenüber der Beigeladenen durch Bescheid vom 23. Juni 1999 die fiktive Nachversicherung nach § 72 G 131 i.V.m. dem Dienstrechtlichen Kriegsfolgenabschlussgesetz (DkfAG) ab, weil B. nicht zum Personenkreis des Art. 131 des Grundgesetzes (GG) gehört habe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Beigeladenen vom 8. Juli 1999 blieb im Widerspruchsbescheid vom 12. November 1999 ebenso wie das sich anschließende Klageverfahren beim Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart ohne Erfolg (17 K 5443/99; rechtskräftig gewordenes Urteil vom 8. August 2001). Das VG nahm ebenfalls an, dass B. nicht zum Personenkreis des Art. 131 GG gehört habe.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 1999 forderte der Kläger die gezahlten Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 574.863,50 DM zurück. Die Nachversicherung sei zu Unrecht erfolgt, weil B. entgegen der ursprünglichen Annahme nicht zu den Personen gehört habe, die nach § 8 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nachzuversichern seien. Er sei weder ohne Anspruch auf Versorgung aus der Beschäftigung als Beamter ausgeschieden noch habe er einen Anspruch auf Versorgung verloren. Schließlich sei B. nicht aus der versicherungsfreien Beschäftigung als Beamter durch Tod ausgeschieden. Mit Rentenbescheid vom 1. März 2000 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Beigeladenen ohne Berücksichtigung der Zeit vom 1. Oktober 1923 bis 8. Mai 1945 neu und zahlte diese ab 1. April 2000 in Höhe von monatlich 959,79 DM. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 7. Februar 2000 den Antrag des Klägers auf Erstattung der Nachversicherungsbeiträge ab. Die Erstattung der Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 21. Oktober 1946 bis 31. Oktober 1965 sei nach § 26 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) ausgeschlossen, weil sie aus den Beiträgen der Beigeladenen Rente bewilligt und gezahlt habe. Die Beigeladene erhielt eine Durchschrift dieses Bescheids.

Hiergegen hat der Kläger am 3. März 2000 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage mit dem Begehren erhoben, die Beklagte unter Bescheidaufhebung zu verpflichten, ihm die für B. gezahlten Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 574.863,50 DM zu erstatten. Zur Begründung hat er vorgetragen, aus dem Zusammenhang zwischen § 8 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB VI sei ersichtlich, dass mit dem Merkmal "Ausscheiden durch Tod" nur das unversorgte Ausscheiden gemeint sei. Unversorgt schieden aber nicht diejenigen Beamten aus, die nach der Zurruhesetzung Versorgungsbezüge erhielten. Ruhestandsbeamte seien bei ihrem Tode nicht nachzuversichern, wenn ihre Hinterbliebenen nach beamtenrechtlichen Vorschriften unversorgt blieben. B. hätte von Anfang an nicht nachversichert werden dürfen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. Juni 2000 die Klage zurückgenommen, soweit sie auf Erstattung der für die Zeit ab 1946 gezahlten Beiträge in Höhe von 321.631,66 DM gerichtet war. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Zur Begründung hat sie vorgetragen, nach § 8 Abs. 2 SGB VI sei auch der Beamte nachzuversichern, nach dessen Tod ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht geltend gemacht werden könne. Dies ergebe sich auch aus § 72b G 131, denn nach dieser Vorschrift bestehe die Nachversicherungspflicht, wenn ein durch Wiederverwendung begründetes Dienstverhältnis ende, ohne dass aus diesem Hinterbliebenenversorgung gewährt werde. Sinn der Nachversicherung sei es, denjenigen, denen ein Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften nicht zustehe, über die Nachversicherung unter den Schutz der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung zu stellen. Die Beklagte hat das Protokoll der Arbeitsgruppe des Fachausschusses für Versicherung und Rente des VDR vom 22. August 2000 vorgelegt, worin die Auffassung vertreten wird, dass nach dem Tode eines Versorgungsempfängers eine Nachversicherung durchzuführen sei, wenn die Witwe keinen Anspruch auf Witwengeld oder Unterhaltsbeitrag habe. Das SG hat mit Beschluss vom 26. Oktober 2000 die Witwe des B. zum Rechtsstreit beigeladen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Das SG hat mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 26. November 2001 den Bescheid vom 7. Februar 2000 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die für B. vom 1. Oktober 1923 bis 8. Mai 1945 in Höhe von 253.231,84 DM gezahlten Nachversicherungsbeiträge an den Kläger zu erstatten. Wegen der Begründung wird auf das der Beklagten am 21. Dezember 2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG Bezug genommen.

Gegen das Urteil hat die Beklagte am 21. Januar 2002 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Kläger habe eine durch Zahlung der Beiträge auch umgesetzte Nachversicherungsbescheinigung erlassen, wonach auch die Zeit vom 1. Oktober 1923 bis 8. Mai 1945 nachzuversichern sei. Seine Pflicht zur Nachversicherung ihrer Zeiten ergebe sich aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI. Danach seien Personen nachzuversichern, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden seien. Beim Ausscheiden durch Tod erfolge eine Nachversicherung nur, wenn ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltendgemacht werden könne. Der Wortlauf der Vorschrift stelle allein auf das Ausscheiden des Beamten und nicht auf den Tod des Ruhestandsbeamten ab. Indes ergebe sich aus dem Zweck der Vorschrift, dass eine Nachversicherung erfolgen müsse, wenn ein Ruhestandsbeamter sterbe und seine Witwe keinen Anspruch auf Witwengeld oder Unterhaltsbeitrag habe. Der Auffassung des SG, wenn eine Witwe keinen Anspruch nach dem Versorgungsrecht habe, könne ein entsprechender Anspruch auf Nachversicherung nicht begründet werden, sei nicht zu folgen. Das Recht der Nachversicherung richte sich nicht nach dem BeamtVG, sondern nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Danach bestehe der Anspruch auf Hinterbliebenenrente unabhängig von der Dauer der Ehe. Auch die Beamten, deren Hinterbliebene ohne Anspruch auf Versorgung seien, seien in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern. Die zu entscheidende Rechtsfrage sei allerdings zwischen den zuständigen Bundesministerien streitig, ihre Rechtsauffassung werde durch den VDR bestätigt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Februar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Entscheidung des SG sei zu folgen. Die Regelungen des BeamtVG, wonach Witwen unter bestimmten Umständen die Versorgung versagt werden könne, verfolgten den Zweck, den Dienstherrn vor ungerechtfertigten Versorgungsleistungen zu schützen. Dieser Schutzzweck würde leerlaufen, wenn die Versorgung über den Umweg der Nachversicherung des Ruhestandsbeamten, der im vorliegenden Falle bereits 37 Jahre lang Ruhegehalt bezogen habe, wiederhergestellt würde und der Dienstherr Nachversicherungsbeiträge leisten müsste.

Der Berichterstatter hat am 27. Juni 2002 mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert.

Im Übrigen wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Verwaltungsakten des Klägers (Versorgungs- und Nachversicherungsakten), die Klageakten des Sozialgerichts (S 3 RA 1201/00) sowie die Berufungsakten (L 13 RA 249/02) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, der wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes über 5.000,- EUR Berufungsbeschränkungen nicht entgegenstehen (§§ 143, 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Gegenstand der zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. BSG SozR 3-2600 § 8 Nr. 4) ist der Bescheid vom 7. Februar 2000, mit dem die Beklagte dem Kläger gegenüber das Begehren auf Erstattung der Nachversicherungsbeiträge abgelehnt hat. Gegen den die Erstattung ablehnenden Bescheid konnte der Kläger ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens Klage erheben (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 3 SGG; BSG SozR 3-2400 § 26 Nr. 13 m.w.N.). Nach Teilrücknahme der Klage ist nur noch die Erstattung der für die Zeit vom 1. Oktober 1923 bis 20. Oktober 1946 gezahlten Beiträge in Höhe von 253.231,84 DM (=120.221,00 EUR) streitig.

Das SG hat den angefochtenen Bescheid zu Recht aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die für B. gezahlten Beiträge in Höhe von 253.231,84 DM (=120.221,00 EUR) zu erstatten. Diese Beiträge hat der Kläger zu Unrecht entrichtet. Der angefochtene Bescheid ist allerdings nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte über den Anspruch auf Beitragserstattung dem Kläger gegenüber nicht durch Verwaltungsakt entscheiden dürfte. Über einen solchen auf § 26 Abs. 1 SGB IV beruhenden Anspruch ist auch gegenüber Körperschaften des öffentlichen Rechts, die insoweit als Arbeitgeber handeln, durch Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl. BSG SozR 3-2400 § 6 Nr. 13 m.w.N.).

1. Nach § 26 Abs 2 SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat.

Die Grundvoraussetzung für eine Beitragserstattung ist nach § 26 Abs. 2 SGB IV erfüllt. Der Kläger hat die von ihm getragenen Nachversicherungsbeiträge zu Unrecht gezahlt Diese sind ohne rechtlichen Grund entrichtet, weil die Voraussetzungen für einen Beitragsanspruch der Beklagten nicht vorgelegen haben. Voraussetzung eines solchen Anspruchs wäre nach § 184 Abs. 1 SGB VI der Eintritt des sogenannten Nachversicherungsfalls, denn Nachversicherungsbeiträge sind vom Schuldner zu zahlen, "wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind". Ob diese eingetreten sind, ergibt sich nicht unmittelbar aus § 184 Abs. 1 SGB VI, vielmehr ist insoweit auf die allgemeine Regelung des § 8 SGB VI zurückzugreifen (vgl. BSG SozR 3-2600 § 8 Nr. 4 S. 10 ff). Es handelt sich hier auch nicht um einen die Anwendung des SGB VI vorschreibenden Altfall i.S.d. § 233 SGB VI.

Nach § 8 Abs. 1 SGB VI sind auch Personen versichert, die nachversichert sind (Nr. 1). Nachversichert werden Personen (vgl. § 8 Abs. 2 SGB VI) , die als Beamte oder Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst (Nr. 1) versicherungsfrei waren oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben und Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs. 2 SGB VI) nicht gegeben sind. Die Nachversicherung erstreckt sich auf den Zeitraum, in dem die Versicherungsfreihit oder die Befreiung von der Versicherungspflicht vorgelegen hat (Nachversicherungszeitraum; vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Bei einem Ausscheiden durch Tod erfolgt eine Nachversicherung nur, wenn ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltend gemacht werden kann (§ 8 Abs. 2 Satz 3 SGB VI).

Die versicherungsfreie Beschäftigung des B. vom 1. Oktober 1923 bis 31. Oktober 1965 war nicht gemäß § 8 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern. Zwar war B. als Beamter auf Lebenszeit einschließlich der Zeit der Ausübung des Wehrdienstes nach den damals geltenden Vorschriften versicherungsfrei (jetzt: § 5 Abs. 1 SGB VI). Er ist aber mit Ablauf des 31. Oktober 1965 mit Versorgungsanspruch und damit nicht unversorgt aus der Beschäftigung ausgeschieden, so dass er seinerzeit nicht nachzuversichern war (§ 9 AVG A.F.). B. ist nicht ohne Anspruch auf Versorgung ausgeschieden, denn er hatte als Ruhestandsbeamter i.S.d. § 49 f. Landesbeamtengesetz (LBG) vom 1. November 1965 bis zu seinem Tode im November 1997 Anspruch auf Versorgungsbezüge und hat solche zuletzt in Höhe von 3.575,11 DM/brutto/monatlich bezogen. Ein Beitragsanspruch der Beklagten ist auch nicht später entstanden. Zwar dürften in dem Schutzbereich des § 8 Abs. 2 SGB VI auch die Beamten einzubeziehen sein, die während des Ruhestands die Versorgungsbezüge verlieren (zum früheren Recht vgl. BSGE 24, 106, 112). B. hat den Anspruch auf Versorgung aber nicht in diesem Sinne verloren, weil ein solcher bis zu seinem Tode bestanden hat.

Auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB VI liegen nicht vor. Die Vorschrift regelt den speziellen hier nicht vorliegenden Fall des unversorgten Ausscheidens aus der versorgungsfreien Beschäftigung durch Tod und sichert in diesem Fall die Nachversicherung zu Gunsten der Hinterbliebnen nur, wenn ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltend gemacht werden kann. Nicht erfasst wird hingegen der Fall, dass der versorgte Ruhestandsbeamte stirbt, dieser also den Anspruch auf Versorgung durch Tod verliert. Auf diesen Sachverhalt ist die Vorschrift nicht entsprechend anzuwenden. Zutreffend hat auch die Vorinstanz eine entsprechende Anwendung mit dem klaren, lediglich an das unversorgte Ausscheiden in § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB VI anknüpfenden und sich dieser Vorschrift gegenüber als grundsätzlich eng auszulegende Sondervorschrift darstellenden § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB VI, der ebenfalls auf das Ausscheiden des Beschäftigten durch Tod abstellenden Vorgängervorschrift des § 9 Abs. 6 Satz 1 AVG, dem § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 11/4124 S. 152) entsprechen sollte, sowie mit dem aufgrund genereller Vermutung andersartigen Schutzbedürfnis der Hinterbliebenen beim infolge Tod unversorten Ausscheiden der versicherungsfreien Person aus der Beschäftigung einerseits oder bei Tod des versorgten Ruhestandsbeamten andererseits abgelehnt.

Fraglich erscheint bereits, ob die Beigeladene unversorgt, d.h. ohne beamtenrechtliche Versorgung geblieben ist, denn sie hat durch Bescheid vom 13. Januar 1998 immerhin Sterbegeld nach § 18 BeamtVG und damit Leistungen der Hinterbliebenenversorgung (§ 16 Nr. 2 BeamtVG) erhalten.

Auch die Zwecke der §§ 16 f. BeamtVG sprechen gegen die weite Auslegung des § 8 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SGB VI. Das Versorgungsrecht stellt dem Grunde nach die Hinterbliebenenversorgung sicher. Die einschlägigen Versorgungstatbestände sind in §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG geregelt. Wird diese aufgrund der Gegebenheiten im Einzelfall versagt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG), greift die spezielle Norm des § 22 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, wonach ergänzend ein angemessener Unterhaltsbeitrag gewährt werden kann. Ein Nachversicherungsfall liegt nicht vor. Der Gesetzgeber wollte die Versorgung der Hinterbliebenen von Ruhestandsbeamten in den eng begrenzten Fällen ausschließen, wenn nach den gewählten objektiven Kriterien typisierend von einer ehelichen Bindung zum Zwecke der Begründung von Versorgungsanwartschaften ausgegangen werden kann und wegen bestimmter Besonderheiten auch die Zahlung eines Unterhaltsbeitrags nicht gerechtfertigt erscheint. Das System der Begrenzung der Versorgungslasten in §§ 19, 22 BeamtVG würde leer laufen, wenn die Betroffenen über die Nachversicherung Ansprüche im System der gesetzlichen Rentenversicherung begründen könnten und der Dienstherr Nachversicherungsbeiträge anstelle der Versorgung zahlen müsste. Es fehlt in diesen Fällen auch an einer ausfüllungsbedürftigen Lücke im Gesetz, denn die Sicherung der Hinterbliebenen in §§ 19 f. BeamtVG bedarf nicht der Ergänzung durch das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte vermag sich für ihre vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und dem früheren Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung geteilte Auffassung auch nicht auf die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 8 SGB VI (BT-Drs. 11/4124 S. 152 f.) zu berufen. Völlig unergiebig sind zunächst die darin enthaltenen speziell § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB VI betreffenden Ausführungen. Kein Beleg ist auch der zu § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB VI gemachte Hinweis, dass der Begriff der Versorgung auch die Versorgung etwaiger Hinterbliebenen erfasse. Damit wurde klargestellt, dass bei der Frage, ob eine Person durch Tod ohne Anspruch auf Versorgung aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden ist, auch die Versorgung der Hinterbliebenen zu berücksichtigen ist. Die Auffassung, dass nicht nur beim todesbedingten unversorgten Ausscheiden aus dem aktiven Beschäftigungsverhältnis, sondern auch beim Wegfall der Versorgung infolge Tod die Nachversicherung durchzuführen ist, kann auch nicht mit § 184 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI begründet werden; die Vorschrift macht lediglich deutlich, dass die Nachversicherung ausschließender Anspruch auf Versorgung - grundsätzlich nur ein unwiderruflicher lebenslanger Anspruch ist, die Nachversicherung also durch einen nur widerruflichen Anspruch auf Versorgung nicht ausgeschlossen wird.

2. Die Bescheinigung über die reale Nachversicherung (vgl. § 185 Abs. 3 SGB VI) vom 29. September 1998 steht der Erstattung der Beiträge nicht entgegen, denn diese ist anders als eine Bescheinigung über die fiktive Nachversicherung (vgl. § 72 G 131; § 99 AKG; vgl. auch BSG SozR 7130 § 99 Nr. 5; BSG SozR 2200 § 1260c Nrn. 11 und 12) kein Verwaltungsakt, der konstitutiv und bindend über die Voraussetzungen der Nachversicherung entscheidet. Vielmehr vollzieht sich die Nachversicherung - wie der Beitragseinzug bei versicherungspflichtig Beschäftigten - im allgemeinen durch schlichtes Verwaltungshandeln (vgl. BSGE 32, 71 f.; BayLSG, Urteil vom 11. Juli 1979 - L 13 An 178/78 -). Die die Nachversicherung auslösende Bescheinigung dient lediglich der Information des Rentenversicherungsträgers und des von der Nachversicherung Begünstigten, dass und deshalb Beiträge nachgezahlt werden. Die fiktive Nachversicherung nach § 72 G 131 war, wie zwischen den Beteiligten durch Urteil des VG vom 8. August 2001 rechtskräftig feststeht, nicht durchzuführen.

3. Die Beiträge sind in Höhe von 253.231,84 DM zu Unrecht entrichtet und zu erstatten, weil keine Nachversicherung durchzuführen war (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. Oktober 2002, L 8 RA 78/01). § 26 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB IV steht der Erstattung nicht entgegen, denn die Beklagte hat die für die Zeit vor dem 21. Oktober 1946 gezahlten Nachversicherungsbeiträge der der Beigeladenen gezahlten Hinterbliebenenrente gerade nicht zu Grunde gelegt und hat auch nicht für die Zeit vom 1. Oktober 1923 bis 8. Mai 1945 sonstige Leistungen erbracht. Sie hat dies abgelehnt und die Auffassung vertreten, anstelle der realen Nachversicherung müsse die fiktive Nachversicherung nach § 72 G 131 treten. Die Beklagte ist auch nicht rechtlich verpflichtet, die Witwenrente für die streitigen Zeiträume zu erbringen, denn der Beigeladenen steht insoweit ein Rentenanspruch nicht zu. Die Beklagte ist auch nicht aufgrund des Schreibens vom 9. August 1999 an die Beigeladene, in dem sie erklärt hat, ihr stehe die fiktive oder alternativ die reale Nachversicherung zu, die Zeiten vor dem 8. Mai 1945 seien nicht geklärt, verpflichtet, die Witwenrente unter Berücksichtigung der geleisteten Beitragszeiten zu gewähren. Die Beklagte hat damit keine bestimmte Leistung zugesagt, sondern die Beigeladene bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, das diese beim Kläger geführt hat, vertrösten wollen. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Zeiten ungeklärt sind, so dass die Beigeladene das Schreiben nicht als Zusage zum Erlass eines Rentenbescheids, sondern als Zwischennachricht verstehen musste.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 4 SGG in der hier anzuwendenden vor dem 2. Januar 2002 geltenden Fassung des SGG. Da der Rechtsstreit bis zum 1. Januar 2002 vor dem Sozialgericht rechtshängig geworden sind, ergeht die Kostengrundentscheidung auf der Grundlage des § 193 SGG in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung; § 197a SGG i.d.F. des 6. SGGÄndG vom 17. August 2001 (BGBl. I. S. 2144) ist insoweit nicht anzuwenden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die in beiden Instanzen keine Anträge gestellt hat, sind nicht zu erstatten.
Rechtskraft
Aus
Saved