L 11 KR 5021/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 4201/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5021/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von seit dem 22.01.2004 angefallenen Fahrkosten zur ambulanten physiotherapeutischen Behandlung sowie deren weitere Übernahme streitig.

Die 1963 geborene, in F. wohnhafte Klägerin leidet seit über zehn Jahren an persistierenden lumboischialgiformen Beschwerden mit inkomplettem Wurzelreizsyndrom L 4 und L 5 rechts mit einer Therapieresistenz gegenüber allen erdenklichen und möglichen Therapieverfahren. Sie ist in Folge dessen seit März 2001 berufsunfähig und erhält von der Ärztlichen Versorgungsanstalt eine Berufsunfähigkeitsrente. Vom Versorgungsamt F. wurde ab 1999 ein Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz von 50 sowie eine Gehbehinderung (Merkzeichen "G") anerkannt. Sie lässt sich deswegen zweimal wöchentlich in der Physiotherapiepraxis der Sporttraumatologie sowie des E.-K.-Bades in M. (Bewegungsbad) behandeln.

Am 23.01.2004 beantragte sie unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung die Übernahme von Fahrkosten. Der Facharzt für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie Dr. S. hielt danach eine Krankenbeförderung mit dem Taxi von ihrer Wohnung zur dauerhaften Physiotherapie und ins Thermalbad für erforderlich, da die Klägerin an einem chronischen lumbalen Schmerzsyndrom Stadium III bei Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation leide.

Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 28. Januar 2004 unter Hinweis auf die Neuregelungen des GKV-Modernisierungsgesetzes ab, da die Klägerin keine der Voraussetzungen erfülle.

Auf Intervention der Hauptperson der schwerbehinderten Menschen beim Sozialministerium überprüfte die Beklagte den Antrag erneut. Die Klägerin trug hierzu ergänzend vor, mit öffentlichen Verkehrsmitteln benötige sie ca. drei Stunden, wobei mehrfaches Umsteigen und das Zurücklegen mehrerer Laufstrecken erforderlich sei. Diesen Anforderungen sei sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr gewachsen. Sie verfüge auch nicht über ein eigenes Fahrzeug, so dass die Verwendung eines Taxis erforderlich sei. Die Beklagte lehnte den Antrag wiederum mit Bescheid vom 03. Juni 2004 ab.

Daraufhin intervenierte die Klägerin persönlich und trug vor, ihr Antrag sei formelhaft ohne Eingehen auf ihre persönliche Situation abgelehnt worden. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dr. M. führte aus, bei der Klägerin seien die Voraussetzungen für die Erstattung von Fahrkosten bei ambulanten Behandlungen nach den Richtlinien des Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten/-transporten und Rettungsfahrten vom 22.01.2004 nicht erfüllt. Die Kostenerstattung könne danach bei einer Grunderkrankung erfolgen, welche mit einem Therapieschema mit hoher Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum behandelt werden müsse und wo eine Beförderung zur Vermeidung von Schäden an Leib und Leben unerlässlich sei. Diese Voraussetzungen seien im Fall der Klägerin nicht zu erkennen, so dass die Kostenübernahme nicht befürwortet werden könne.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2004 die Kostenübernahme ab. Da die Klägerin keine Leistungen der Pflegeversicherung Stufe II oder III erhalte und auch die erforderlichen Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis nicht festgestellt seien, bestehe die Möglichkeit der Übernahme der Fahrkosten nur, wenn die Klägerin von einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sei und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfe sowie die Beförderung zur Vermeidung von Schäden an Leib und Leben unerlässlich sei.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin unter Vorlage weiterer Atteste von Prof. Dr. M., Dr. S. sowie des Physiotherapeuten S ... Die Beklagte schaltete erneut den MDK ein. Nachdem Dr. E. eine vergleichbare Einschränkung der Mobilität bei der Klägerin ausschloss, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004 zurück.

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, wegen ihrer operationsbedingten chronischen Wirbelsäulen- und Schmerzerkrankung benötige sie regelmäßige ambulante Physiotherapie. Für diese müsse sie eine erhebliche Wegstrecke zurücklegen. Der einfache Fahrtweg betrage bei mehrmaligem Umsteigen mindestens 1,5 Stunden. Da sie auf die Verwendung von zwei Gehstöcken bzw. eines Gehwagens angewiesen sei, sei ihr dies aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Der Transport in einem Taxi sei deswegen aus gesundheitlichen Gründen erforderlich.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die Gutachterin des MDK Dr. E. ergänzend sowie den behandelnden Arzt Prof. Dr. M. als sachverständige Zeugen befragt.

Dr. E. führte aus, die Klägerin leide an einem chronisch lumbalen Schmerzsyndrom bei Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation L 4/5 und dorsoventraler Spondylodese L4/S1 1999. Im Februar 2002 sei eine Medikamentenpumpe zur Linderung der Beschwerden implantiert worden. Die dadurch erforderliche regelmäßige krankengymnastische Behandlung sei nicht mit der einer Chemotherapie oder Dialyse vergleichbar, da die Unterlassung dieser Behandlungsmaßnahmen mittelfristig mit dem Weiterleben nicht vereinbar sei. Auch liege bei der Klägerin kein GdB mit dem Merkmal AG, BL oder H vor, ebenso sei keine Einstufung in Pflegestufe II oder III erfolgt. Auch eine vergleichbare Einschränkung der Mobilität sei nicht erkennbar. Schließlich wäre eine ausschließliche Transportmöglichkeit mit dem Taxi oder auch nur die dringende Notwendigkeit dazu nicht vorgetragen.

Prof. Dr. M. vom Interdisziplinären Schmerzzentrum des U.klinikums F. führte aus, dass die schmerzbedingte Bewegungseinschränkung der gesamten Wirbelsäule der Klägerin ohne pathologische Befunde, die die Schmerzen erklären könnten, und mit Therapieresistenz gegenüber allen erdenklichen und möglichen Verfahren zu einer Bewegungsvermeidungsstrategie und damit zu einer Fehlhaltung der gesamten Wirbelsäule geführt habe. Seines Erachtens mache Physiotherapie als regelmäßige, langfristige, quasi Dauertherapie zwei bis dreimal in der Woche bei der Behandlung des chronifizierten Schmerzes, wie er bei der Klägerin diagnostiziert worden sei, keinen Sinn. Dies sei die Meinung der überwiegenden schmerzdiagnostischen und -therapeutischen Einrichtungen. Denn die Physiotherapie sei für sich alleine keine therapeutische Option, sondern gewinne nur im Rahmen einer multimodalen Therapie, d.h. zusammen mit psychologischen Schmerzbewältigungsprogrammen, Erlernen und Aktivieren von eigenen Ressourcen, Fortführung der psychologischen und psychiatrischen Behandlung zusammen mit medikamentöser und organbezogener Therapie, Bedeutung. Deswegen würden physiotherapeutische Maßnahmen nur stoßweise durchgeführt und zwar konzentriert und intensiv für eine begrenzte Zeit mit Intervall. Zwischen den physiotherapeutischen Stoßtherapien erfolge die Aktivierung der eigenen Möglichkeiten und die Fortführung eines eigenen Übungsprogramms und Trainingseinheiten. Im Intervall müssten natürlich alle hierdurch entstehenden Kosten übernommen werden, da mit der aktuellen Gangstörung weite Fußmärsche oder Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich seien.

Mit Urteil vom 13. Juni 2006, der Klägerin zugestellt am 29. August 2006, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen nach den verabschiedeten Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Weder werde bei ihr eine Dialysebehandlung noch onkologische Strahlen- oder Chemotherapie durchgeführt, noch seien bei ihr die Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" anerkannt oder sie in die Pflegestufe II oder III eingestuft worden. Es liege auch kein vergleichbarer Fall vor, der zur Genehmigung der Kostenübernahme berechtige. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nicht fest, dass die Behandlung nach einem Therapieschema erfolge, welches eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweise. Der Sachverständige Prof. Dr. M. habe zwar die Kostenübernahme befürwortet, weil der Klägerin die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. zu Fuß nicht zumutbar sei, er habe jedoch dargelegt, dass die Physiotherapie als regelmäßige und langfristige Dauertherapie keinen Sinn mache. Sie sei lediglich intervallweise für einen Zeitraum von ca. drei bis vier Wochen injiziert. Die Erforderlichkeit einer längerfristigen Behandlung mit hoher Behandlungsfrequenz, vergleichbar der Dialysebehandlung oder der onkologischen Behandlung, sei deshalb nicht gegeben.

Mit ihrer dagegen am 02. Oktober 2006 beim SG eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, bei jeder kürzeren Therapiepause komme es zu einer deutlichen Beschwerdezunahme, die nur mühsam wieder rückgängig gemacht werden könne. Wenn sie zur Therapie mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahre, gingen die jeweils erarbeiteten Effekte und Erfolge größtenteils schon durch die anschließende Rückfahrt von mindestens anderthalb Stunden verloren. Ein schonenderer Transport ohne Umstiege und weitere körperliche Belastungen werde daher den Therapieerfolg sichern und vermutlich langfristig sogar eine Verkürzung der Gesamttherapiedauer bewirken. Sie habe das Urteil des SG tatsächlich erst am 30. August 2006 in Händen gehalten und am 30. September 2006 ihre Berufung in den Briefkasten des SG Freiburg eingeworfen, so dass sie davon ausgegangen sei, dass diese Berufungseinlegung nach der Rechtsmittelbelehrung ausreichend sei. Es müsse ihr deswegen jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juni 2006 sowie den Bescheid vom 30. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Übernahme der Fahrkosten zur ambulanten physiotherapeutischen Behandlung zu genehmigen und die seit dem 22. Januar 2004 angefallenen Kosten zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass sich die Klägerin selbst nicht mit dem Personenkreis der schwer kranken Personen vergleichen wolle. Diesen Patienten würden im übrigen auch nur die Fahrkosten zur jeweiligen Schwerpunktbehandlung, nicht aber zur ambulanten Physiotherapie erstattet werden. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei zwar mit Anstrengungen verbunden und Taxifahrten könnten zumindest zeitweise medizinisch sinnvoll sein. Daraus erwachse aber kein grundsätzlicher Fahrkostenanspruch. Erst wenn ein solcher überhaupt bestehe, könne über den Umfang der Leistung entschieden werden. Bei der Klägerin sei indessen kein Grund ersichtlich, warum die Notwendigkeit einer Fahrt bis ans andere Ende der Stadt notwendig sei, um physiotherapeutische Behandlung zu erhalten. In Freiburg im Breisgau praktizierten mehr als einhundert Physiotherapeuten. Wenn man die Suche auf die Postleitzahl der Klägerin eingrenze, so verblieben immer noch genügend Behandler. Die Beklagte hat hierzu verschiedene Internetadressen benannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) formgerecht eingereichte Berufung der Klägerin vom 02.10.2006 ist zwar statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da sie einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst. Sie ist aber bereits verfristet nach § 151 Abs. 1 SGG i.V.m. § 64 Abs. 2 SGG. Denn Fristende für die Einlegung der Berufung war, nachdem der Klägerin das Urteil vom 13. Juni 2006 ausweislich des Einlieferungsbelegs der Deutschen Post AG am 29. August 2006 zugestellt wurde, der 29. September 2006. Der Klägerin ist aber nach § 67 Abs. 1 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie die Berufungsfrist unverschuldet versäumt hat. Eine Verfahrensfrist ist dann ohne Verschulden versäumt, wenn ein Beteiligter im prozessualen Verkehr diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaft Prozessführenden nach den gesamten Umständen zuzumuten ist, also die Versäumnis der Verfahrensfrist demnach auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeidbar gewesen ist. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass ihr das Einschreiben zwar am 29.08.2006 zugestellt wurde, sie das Urteil aber erst am 30.08.2006 abgeholt und deswegen von diesem Datum als Stichtag für die Berufungsfrist ausgegangen ist. Sie hätte daraufhin ausgehend von diesem Fristbeginn noch rechtzeitig am 30.09.2006 ihre Berufungsschrift in den Briefkasten des SG eingeworfen. Da das Urteil mit Übergabeeinschreiben vom 29. September 2006 zugestellt wurde, war für den Senat glaubhaft, dass die Klägerin dies erst am Folgetag abholen konnte, weswegen das bekundete Datum unrichtig ist.

Die damit insgesamt zulässige Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Genehmigung für Taxitransporte von und zur ambulanten Physiotherapie bzw. Erstattung der Fahrkosten.

Streitgegenstand ist dabei nicht der Ausgangsbescheid vom 28. Januar 2004 oder der wiederholende Bescheid vom 03. Juni 2004, sondern ausschließlich der Bescheid vom 30. Juli 2004, da die Beklagte nach Einschaltung des MDK in eine erneute Sachprüfung eingetreten ist (ständige Rechtssprechung des Senats).

Im Rahmen des abschließend Ansprüche auf Fahrkosten regelnden § 60 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) kommt als Anspruchsgrundlage allein § 60 Abs 1 Satz 3 SGB V in Betracht. Nach der Gesamtsystematik befasst sich nur diese Rechtsnorm mit der Übernahme von Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer allein als solche erforderlichen ambulanten Behandlung. Danach übernimmt die Krankenkasse seit dem 01.01.2004 Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V festgelegt hat.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin in Auswertung der sachverständigen Zeugenaussage von Prof. Dr. M. sowie der Ausführungen von Dr. E. auch zur Überzeugung des Senats nicht.

Nach § 8 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinie - Krankentransport-RL - i.d.F. vom 22.01.2004) ist für eine Verordnung und eine Genehmigung Voraussetzung, dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist und dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Daneben kann nach Abs. 3 die Fahrt zur ambulanten Behandlung für Versicherte verordnet und genehmigt werden, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" oder einen Einstufungsbescheid gemäß dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in die Pflegestufe II oder III bei der Verordnung vorlegen. Fehlt ein solcher Nachweis, können die Krankenkassen auf ärztliche Verordnung die Fahrten zur ambulanten Behandlung genehmigen, wenn die Versicherten von einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen (Satz 2).

Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 erfüllt die Klägerin unzweifelhaft nicht, da sie lediglich schwerbehindert mit dem Merkzeichen "G" ist und auch nicht pflegebedürftig nach Stufe II oder III.

Bei der Klägerin liegen auch nicht die Ausnahmefälle, die in Anlage 2 der Richtlinie geregelt sind, vor. Solche Ausnahmefälle sind eine Dialysebehandlung sowie eine onkologische Strahlen- oder Chemotherapie. An einer solchen gravierenden Grunderkrankung fehlt es bei der Klägerin, die lediglich an lumboischialgiformen Beschwerden mit inkomplettem Wurzelreizsyndrom L 4 und L 5 rechts leidet.

Bei der Klägerin liegt schließlich auch keine diesen Kriterien vergleichbare Beeinträchtigung der Mobilität vor und sie bedarf auch nicht einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum. Die Klägerin wird zwar mit einem Therapieschema behandelt, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist. Die Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf beeinträchtigt sie aber nicht in einer Weise, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Vielmehr fehlt es gerade an der zwingenden medizinischen Notwendigkeit der Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussage von Prof. Dr. M., der eine medizinische Notwendigkeit für die Physiotherapie bei der Klägerin als regelmäßige und langfristige Dauertherapie ausgeschlossen hat. Diese ist nur intervallweise indiziert. Außerdem kann sich die Klägerin mit Hilfe von Gehstöcken bzw. einen Rollator noch fortbewegen.

Dessen ungeachtet scheidet der Leistungsanspruch der Klägerin schon deswegen aus, weil Behandlungsalternativen im unmittelbaren Wohnumfeld der Klägerin bestehen, die sie ohne weiteres mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann, ohne den Behandlungszweck der Physiotherapie zu gefährden. Hierauf hat die Beklagte zu Recht mit ihrer Berufungserwiderung hingewiesen und der Klägerin auch verschiedene Möglichkeiten benannt, sich über Behandlungsalternativen zu informieren.

Die gesetzeskonforme Konkretisierung der Ausnahmen nach § 60 Abs 1 Satz 3 SGB V durch die Krankentransport-RL ist nicht aufgrund ranghöheren Rechts erweiternd auszulegen. Schon der systematische Zusammenhang zwischen § 60 Abs 1 Satz 1 und Satz 3 SGB V zeigt, dass in allen Fällen die Fahrten im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sein müssen, um einen Anspruch auf Übernahme der Kosten zu begründen. Auch die Gesetzesmaterialien verdeutlichen, dass zur Neuordnung der Finanzierung u.a. Fahrkosten in der ambulanten Versorgung grundsätzlich nicht mehr erstattet werden sollten und Ausnahmen nur nach Genehmigung durch die Krankenkassen gelten (BT-Drucks 15/1525 S. 76 f und S 94 f). Die Regelung wollte die Möglichkeit für Krankenkassen ausschließen, Fahrkosten zur ambulanten Behandlung bereits generell in Härtefällen zu übernehmen. Mit der Änderung des Satzes 1 in Abs 1 wird stärker als bisher auf die medizinische Notwendigkeit der im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Krankenkassenleistung erforderlichen Fahrt abgestellt. Situationen, in denen es letztlich nicht medizinische, sondern lediglich finanzielle Gründe sind, auf die sich Patienten berufen können, wie es bei der Klägerin der Fall ist, sollten danach gerade nicht mehr zu einer Übernahme der Fahrkosten führen.

Ein abweichendes Ergebnis zu Gunsten der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem Verfassungsrecht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26.09.2006, B 1 KR 20/05 R, SGb 2006, 662). Vielmehr erlaubt es das Grundgesetz, die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf einen abgeschlossenen Katalog zu begrenzen. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG ( vgl. z.B. SozR 4-2500 § 27 Nr. 7 ) im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ( vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 5. März 1997 - 1 BvR 1071/95 - NJW 1997, 3085 ; BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = NZS 2006, 84 , 87 = MedR 2006, 164 = NJW 2006, 891 ). Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die GKV den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden ( § 2 Abs 1 Satz 1 SGB V ). Nur das, was in diesen Leistungskatalog fällt, hat die GKV ihren Versicherten zu leisten. Dazu gehört die Übernahme von Fahrkosten aus finanziellen Gründen gerade nicht.

Nach alledem war deshalb die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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