Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 P 4010/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3575/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Kosten der Anrufung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anlage eines rollstuhlgerechten Weges zum Verlassen des Hauses.
Die am 1921 geborene Klägerin ist die Witwe und Alleinerbin ihres am 09. Mai 2006 verstorbenen Ehemannes Paul König. Dieser war als Bahnbeamter im Ruhestand Versicherungsnehmer einer privaten Pflegepflichtversicherung bei der Gemeinschaft privater Versicherungsunternehmen (GPV), der sich die Beklagte für die Durchführung der privaten Pflegeversicherung für ihre Mitglieder bedient. Es gelten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (MB-PPV). Die Klägerin, die als Ehefrau mitversichert war, musste sich wegen einer Wirbelkörperfraktur im August 2000 in stationäre Behandlung begeben. Es verblieb ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit Spinalkanalstenose. Nach der Heimkehr im November 2000 war ihr Treppensteigen mit Begleitpersonen nur noch über höchstens zwei bis drei Stufen möglich, die Überwindung der zwölf Treppenstufen zum Verlassen des Hauses blieb gehindert. Aufgrund Gutachten vom 16. November 2006 wurde Pflegestufe I ab Juni 2000 zugestanden. Die erforderlichen Pflegehilfsmittel wie Standardschieberollstuhl, Toilettenstuhl, Bettpfanne und Rollator stellte die Beklagte leihweise zur Verfügung. Mit Schreiben vom 18. Januar 2001 gewährte sie einen Zuschuss für den Abbau der Türschwellen innerhalb der Wohnung in Höhe von DM 310,59 (DM 345,10 abzüglich 10 v.H. Eigenbeteiligung).
Für den Weg von der Eingangstür des von der Klägerin und ihrem Ehemann bewohnten Hauses zur Straße sind zwei Treppen mit mehreren Stufen zu überwinden, eine Treppe mit fünf Stufen von der Eingangstür sowie eine Treppe mit elf Stufen zur öffentlichen Straße. Um das Tragen über die Stufen zu vermeiden, ließ der Ehemann einen etwa sechs Meter langen und ca. ein Meter breiten Weg zu einem Nachbargrundstück anlegen, dessen Überquerung zur Straße den Eheleuten erlaubt wurde. Die Gesamtkosten beliefen sich auf DM 3.000,54 (Maurer- und Pflasterarbeiten mit Mehrwertsteuer DM 2.320,00, Materialkosten DM 546,82, Schuttmulde DM 133,72). Mit am 29. Dezember 2000 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben bat der Ehemann um Erstattung dieser Kosten. Das MEDICPROOF-Gutachten nach Hausbesuch des Herrn S.-S. vom 18. Januar 2001 enthielt den Hinweis, wohnumfeldverbessernde Maßnahmen seien nur Veränderungen innerhalb des Hauses oder im Eingangsbereich, nicht jedoch etwa die Pflasterung von Zugangswegen. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 12. Februar 2001 die Übernahme der beantragten Kosten ab. Der Ehemann wandte mit Schreiben vom 04. März 2001 ein, die Maßnahme erleichtere die häusliche Pflege erheblich und gewährleiste die selbstständige Lebensführung. Seine Ehefrau könne direkt aus dem Rollstuhl mit den Gehstöcken ins Auto steigen, was für Besuche bei Ärzten und Therapeuten notwendig sei. Die Beförderung über die zwölf Treppenstufen koste jedes Mal DM 165,80. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 14. März 2001 eine Leistung endgültig ab. Die Errichtung von Zugangswegen außerhalb des unmittelbaren Eingangsbereichs sei keine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes im Sinne des § 40 Abs. 4 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI).
Der Ehemann erhob am 06. September 2001 Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe (12 K 2274/01), die dieses mit Beschluss vom 10. Oktober 2001 an das Sozialgericht Karlsruhe (SG) verwies. Geltend gemacht wurde, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müssten Zuschüsse zu solchen Maßnahmen gewährt werden, die bewirkten, dass der Betroffene möglichst lange zu Hause gepflegt werden könne. Durch die bereits getätigte Maßnahme sei es möglich, ohne Beanspruchung eines Pflegedienstes die Fahrten zum Arzt durchführen zu können. Damit werde eine selbstständige Lebensführung wiederhergestellt. Zum Abriss der Treppe und zum Einbau einer Rollstuhlrampe wäre mindestens der gleiche Betrag erforderlich gewesen. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten wäre freilich eine mobile Rampe nicht einsetzbar gewesen. Vorgelegt wurde der ärztliche Befundbericht des Internisten Dr. B. vom 23. Februar 2002.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Zu den zu leistenden Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gehörten nicht solche außerhalb des Eingangsbereichs. Im Übrigen sei die Beklagte nur subsidiär für Leistungen zuständig, möglicherweise sei der Träger der Sozialhilfe vorrangig zuständig. Die Rechtsprechung des BSG habe sich stets nur mit Maßnahmen im Haus oder im Eingangsbereich befasst. Die Bezuschussung von hypothetischen Kosten zum Abriss der Treppe sei nicht möglich. Der Katalog möglicher wohnumfeldverbessernder Maßnahmen des Gemeinsamen Rundschreibens vom 28. Oktober 1996 in der Fassung vom 09. Juli 1999 enthalte die hier begehrte Maßnahme zu Recht nicht. Es handele sich nicht um eine Maßnahme zur Verbesserung der Pflegesituation.
Durch Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2004 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Auffassung der Beklagten, Maßnahmen außerhalb des unmittelbaren Eingangsbereichs zählten nicht mehr zum Wohnumfeld, sei nicht zu beanstanden. Das Verlassen des Hauses zum Besuch von Ärzten zu ermöglichen, zähle nicht zu den Aufgaben der Pflegeversicherung.
Gegen den am 23. Juli 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Ehemann am 20. August 2004 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er hat vorgetragen, der Begriff des "Wohnumfeldes" sei schon nach allgemeinem Sprachgebrauch so zu verstehen, dass er einen über die Wohnung hinausgehenden Bereich meine. Es werde nicht nur von der "Wohnung" im engeren Sinne gesprochen. Mit der Maßnahme werde eine "Käfighaltung" vermieden und eine Verbindung zur Außenwelt ermöglicht. Dies gehöre zur möglichst selbstständigen Lebensführung. Es müssten regelmäßig vier Ärzte besucht werden. Außerdem würden die notwendigen Einkaufsgänge ermöglicht, ohne dass jedes Mal kostspielige Hilfe gerufen werden müsse. Die fünf Stufen vor dem Hauseingang könne sie noch mit Hilfe ihres Ehemannes überwinden. Falls dies unmöglich werden sollte, müsse an dieser Treppe eine in den streitigen Weg mündende Rampe errichtet werden. Der streitige Weg erspare die Überwindung von weiteren elf Stufen der zweiten Treppe. Dass das Durchfahrtsrecht beim Nachbargrundstück nicht rechtsförmlich abgesichert sei, müsse angesichts freundschaftlicher Beziehungen unerheblich bleiben. Dass die Schaffung eines behindertengerechten Parkplatzes ausgeschlossen sei, sei mit der hier begehrten Maßnahme nicht vergleichbar. Zumindest die Kosten in Höhe derjenigen einer Treppenrampe müssten bezuschusst werden. Die Klägerin hat Lagepläne des Grundstücks und Fotografien der Treppen und des gebauten Weges vorgelegt. Sie hat in der mündlichen Verhandlung den Klageantrag um die zehnprozentige Eigenbeteiligung reduziert.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr EUR 1.380,74 zu bezahlen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Antrag vom 29. Dezember 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Kosten der Anrufung des Verwaltungsgerichts der Klägerin aufzuerlegen.
Sie verweist darauf, dass die Klägerin zum Verlassen der Wohnung auch nach der Anlage des umstrittenen Weges eine mehrstufige Außentreppe überwinden müsse. Der Begriff der Maßnahme zur Verbesserung des Wohnumfeldes werde überzogen. Es bestehe keine Verpflichtung, Zufahrtswege zu Häusern einzurichten, zumal hier noch der rechtlich nicht gesicherte Umweg über das Nachbargrundstück erforderlich sei. Nochmals sei auf die Richtlinien des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Pflegekassen zu verweisen. Die dort getroffene Abgrenzung werde in der Kommentarliteratur geteilt. Ein positiv verbeschiedener Vergleichsfall sei auch aus der Rechtsprechung nicht bekannt. Nachdem die hier streitige Maßnahme vor Antragstellung getätigt worden sei, bestehe auch keine "Aufrechnungslage" bezüglich eines möglicherweise zustehenden Treppenfahrzeugs. Die Kosten für Krankentransporte müssten über die Krankenversicherung abgerechnet werden.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten vorprozessualen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid im Ergebnis zu Recht entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen rollstuhlgerechten Weg zum Verlassen des Hauses besteht.
Beklagte des Rechtsstreits ist die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten. Sie führt einen Rechtsstreit aus dem privaten Pflegeversicherungsverhältnis in gewillkürter Prozessstandschaft für die Gemeinschaft privater Versicherungsunternehmen, die der Versicherer ist (vgl. BSG SozR 3-3300 § 23 Nr. 5; SozR 3-3300 § 40 Nr. 3 zur Postbeamtenkrankenkasse).
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des streitigen Betrages beurteilt sich hinsichtlich der privaten Pflegepflichtversicherung nach § 178b Abs. 4 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in Verbindung mit dem bestehenden Versicherungsvertrag. Diesem Versicherungsvertrag liegen die MB/PPV 1996 in Verbindung mit dem Tarif PV zugrunde. Nach § 4 Abs. 7 Satz 4 MB-PPV können für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds der versicherten Person, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, gemäß Nr. 4.3 des Tarifs PV subsidiär finanzielle Zuschüsse gezahlt werden, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung der versicherten Person wiederhergestellt wird. Nach Nr. 4.3 des Tarifs PV sind unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit vom Einkommen der versicherten Person die Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds auf früher DM 5.000,00, jetzt EUR 2.557,00 je Maßnahme begrenzt. Da der verstorbene Ehemann der Klägerin als Ruhestandsbeamter beihilfeberechtigt war, ist maßgeblich die Tarifstufe PVB mit einer Begrenzung der Tarifleistungen auf 30 v.H ...
Mit der vertraglichen Regelung ist das gesetzliche Gebot des § 23 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 SGB XI umgesetzt, dass Vertragsleistungen nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels (des SGB XI) gleichwertig sein müssen. Gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI können die Pflegekassen subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von EUR 2.557,00 (früher DM 5.000,00) je Maßnahme nicht übersteigen (Satz 3). Nach der Begründung zum Regierungsentwurf (Bundestags-Drucksache 12/5262 S. 114) hat der Gesetzgeber in erster Linie an Umbaumaßnahmen in der Wohnung (Verbreiterung von Türen, Einbau einer behindertengerechten Dusche oder eines Treppenliftes) und an technische Hilfen wie Haltegriffe oder mit dem Rollstuhl unterfahrbare Einrichtungsgegenstände gedacht. Die Vorschrift des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI ist dahin auszulegen, dass es sich um eine Hilfe der sozialen Pflegeversicherung zur Vermeidung von Pflege in einem Pflegeheim handelt. Die Regelung ist Ausdruck des allgemeinen Vorrangs der häuslichen Pflege vor der stationären Pflege (§ 3 SGB XI) und des Grundsatzes, dass die Leistungen der Pflegeversicherung dem Pflegebedürftigen helfen sollen, trotz des Pflegebedarfs ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können (§ 2 Abs 1 Satz 1 SGB XI), und dass die Pflegekassen bei der Leistungsgewährung den Wünschen des Berechtigten im Rahmen der Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit nach Möglichkeit entsprechen sollen (§ 2 Abs 2 und 3 SGB XI sowie § 33 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB I -). Im Hinblick auf das Gebot der Gleichwertigkeit der Leistungen in der privaten Pflegepflichtversicherung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 SGB XI kann für die private Pflegepflichtversicherung keine andere Auslegung herangezogen werden.
Die Voraussetzungen für eine Versicherungsleistung einer Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds sind hinsichtlich der Anlage des streitigen Weges nicht gegeben. Der Senat lässt offen, ob die Auffassung der Beklagten, Maßnahmen außerhalb des Wohnbereichs oder außerhalb des Eingangsbereichs/Treppenhauses seien nicht zuschussfähig, zutreffend ist. Jedenfalls vermag der Senat nicht festzustellen, dass durch den streitigen Weg die Pflege der Klägerin ermöglicht oder erheblich erleichtert wird. Die begehrte Maßnahme muss objektiv erforderlich sein, um die Pflege im häuslichen Umfeld überhaupt erst durchführen zu können oder zu einer erheblichen Erleichterung bei der Pflege zu führen (vgl. BSG SozR 3-3300 § 40 Nr. 4). Durch den streitigen Weg ist eine wesentliche Änderung der örtlichen Gegebenheiten nicht eingetreten. Denn der Klägerin ist trotz der Anlage des streitigen Weges ein Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI) ohne Inanspruchnahme anderweitiger Hilfe nicht möglich. Sie muss fünf Stufen einer Treppe, die unmittelbar an der Haustür liegt (siehe hierzu die von der Klägerin vorgelegten Fotografien Nrn. 3 und 4, Blatt 38 und 39 der LSG-Akte), überwinden, um den zu dem Nachbargrundstück angelegten Weg überhaupt erreichen zu können. Aus diesem Grund vermag der Senat auch nicht festzustellen, dass eine selbstständige Lebensführung der Klägerin wiederhergestellt wird.
Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Erstattung des geltend gemachten Betrages nicht gegeben sind, muss die Beklagte auch nicht erneut über den Erstattungsantrag entscheiden.
Ein Anspruch auf Erstattung des geltend gemachten Betrages ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Anspruch der Klägerin auf "Beihilfeleistungen" entsprechend den Richtlinien "Dauernder Pflegebedürftigkeit" der Beklagten. Die Voraussetzungen für den Zuschuss für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds nach Nr. 6.7.2 dieser Richtlinien entsprechen denen der vertraglichen Regelung bzw. des § 40 Abs. 4 SGB XI. Da das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit in vollem Umfang an das Sozialgericht verwiesen hat und diese Verweisung für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit hinsichtlich des Rechtswegs nach § 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) bindend ist, war auch hierüber zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG und § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG.
Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Kosten der Anrufung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anlage eines rollstuhlgerechten Weges zum Verlassen des Hauses.
Die am 1921 geborene Klägerin ist die Witwe und Alleinerbin ihres am 09. Mai 2006 verstorbenen Ehemannes Paul König. Dieser war als Bahnbeamter im Ruhestand Versicherungsnehmer einer privaten Pflegepflichtversicherung bei der Gemeinschaft privater Versicherungsunternehmen (GPV), der sich die Beklagte für die Durchführung der privaten Pflegeversicherung für ihre Mitglieder bedient. Es gelten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (MB-PPV). Die Klägerin, die als Ehefrau mitversichert war, musste sich wegen einer Wirbelkörperfraktur im August 2000 in stationäre Behandlung begeben. Es verblieb ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit Spinalkanalstenose. Nach der Heimkehr im November 2000 war ihr Treppensteigen mit Begleitpersonen nur noch über höchstens zwei bis drei Stufen möglich, die Überwindung der zwölf Treppenstufen zum Verlassen des Hauses blieb gehindert. Aufgrund Gutachten vom 16. November 2006 wurde Pflegestufe I ab Juni 2000 zugestanden. Die erforderlichen Pflegehilfsmittel wie Standardschieberollstuhl, Toilettenstuhl, Bettpfanne und Rollator stellte die Beklagte leihweise zur Verfügung. Mit Schreiben vom 18. Januar 2001 gewährte sie einen Zuschuss für den Abbau der Türschwellen innerhalb der Wohnung in Höhe von DM 310,59 (DM 345,10 abzüglich 10 v.H. Eigenbeteiligung).
Für den Weg von der Eingangstür des von der Klägerin und ihrem Ehemann bewohnten Hauses zur Straße sind zwei Treppen mit mehreren Stufen zu überwinden, eine Treppe mit fünf Stufen von der Eingangstür sowie eine Treppe mit elf Stufen zur öffentlichen Straße. Um das Tragen über die Stufen zu vermeiden, ließ der Ehemann einen etwa sechs Meter langen und ca. ein Meter breiten Weg zu einem Nachbargrundstück anlegen, dessen Überquerung zur Straße den Eheleuten erlaubt wurde. Die Gesamtkosten beliefen sich auf DM 3.000,54 (Maurer- und Pflasterarbeiten mit Mehrwertsteuer DM 2.320,00, Materialkosten DM 546,82, Schuttmulde DM 133,72). Mit am 29. Dezember 2000 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben bat der Ehemann um Erstattung dieser Kosten. Das MEDICPROOF-Gutachten nach Hausbesuch des Herrn S.-S. vom 18. Januar 2001 enthielt den Hinweis, wohnumfeldverbessernde Maßnahmen seien nur Veränderungen innerhalb des Hauses oder im Eingangsbereich, nicht jedoch etwa die Pflasterung von Zugangswegen. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 12. Februar 2001 die Übernahme der beantragten Kosten ab. Der Ehemann wandte mit Schreiben vom 04. März 2001 ein, die Maßnahme erleichtere die häusliche Pflege erheblich und gewährleiste die selbstständige Lebensführung. Seine Ehefrau könne direkt aus dem Rollstuhl mit den Gehstöcken ins Auto steigen, was für Besuche bei Ärzten und Therapeuten notwendig sei. Die Beförderung über die zwölf Treppenstufen koste jedes Mal DM 165,80. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 14. März 2001 eine Leistung endgültig ab. Die Errichtung von Zugangswegen außerhalb des unmittelbaren Eingangsbereichs sei keine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes im Sinne des § 40 Abs. 4 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI).
Der Ehemann erhob am 06. September 2001 Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe (12 K 2274/01), die dieses mit Beschluss vom 10. Oktober 2001 an das Sozialgericht Karlsruhe (SG) verwies. Geltend gemacht wurde, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müssten Zuschüsse zu solchen Maßnahmen gewährt werden, die bewirkten, dass der Betroffene möglichst lange zu Hause gepflegt werden könne. Durch die bereits getätigte Maßnahme sei es möglich, ohne Beanspruchung eines Pflegedienstes die Fahrten zum Arzt durchführen zu können. Damit werde eine selbstständige Lebensführung wiederhergestellt. Zum Abriss der Treppe und zum Einbau einer Rollstuhlrampe wäre mindestens der gleiche Betrag erforderlich gewesen. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten wäre freilich eine mobile Rampe nicht einsetzbar gewesen. Vorgelegt wurde der ärztliche Befundbericht des Internisten Dr. B. vom 23. Februar 2002.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Zu den zu leistenden Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gehörten nicht solche außerhalb des Eingangsbereichs. Im Übrigen sei die Beklagte nur subsidiär für Leistungen zuständig, möglicherweise sei der Träger der Sozialhilfe vorrangig zuständig. Die Rechtsprechung des BSG habe sich stets nur mit Maßnahmen im Haus oder im Eingangsbereich befasst. Die Bezuschussung von hypothetischen Kosten zum Abriss der Treppe sei nicht möglich. Der Katalog möglicher wohnumfeldverbessernder Maßnahmen des Gemeinsamen Rundschreibens vom 28. Oktober 1996 in der Fassung vom 09. Juli 1999 enthalte die hier begehrte Maßnahme zu Recht nicht. Es handele sich nicht um eine Maßnahme zur Verbesserung der Pflegesituation.
Durch Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2004 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Auffassung der Beklagten, Maßnahmen außerhalb des unmittelbaren Eingangsbereichs zählten nicht mehr zum Wohnumfeld, sei nicht zu beanstanden. Das Verlassen des Hauses zum Besuch von Ärzten zu ermöglichen, zähle nicht zu den Aufgaben der Pflegeversicherung.
Gegen den am 23. Juli 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Ehemann am 20. August 2004 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er hat vorgetragen, der Begriff des "Wohnumfeldes" sei schon nach allgemeinem Sprachgebrauch so zu verstehen, dass er einen über die Wohnung hinausgehenden Bereich meine. Es werde nicht nur von der "Wohnung" im engeren Sinne gesprochen. Mit der Maßnahme werde eine "Käfighaltung" vermieden und eine Verbindung zur Außenwelt ermöglicht. Dies gehöre zur möglichst selbstständigen Lebensführung. Es müssten regelmäßig vier Ärzte besucht werden. Außerdem würden die notwendigen Einkaufsgänge ermöglicht, ohne dass jedes Mal kostspielige Hilfe gerufen werden müsse. Die fünf Stufen vor dem Hauseingang könne sie noch mit Hilfe ihres Ehemannes überwinden. Falls dies unmöglich werden sollte, müsse an dieser Treppe eine in den streitigen Weg mündende Rampe errichtet werden. Der streitige Weg erspare die Überwindung von weiteren elf Stufen der zweiten Treppe. Dass das Durchfahrtsrecht beim Nachbargrundstück nicht rechtsförmlich abgesichert sei, müsse angesichts freundschaftlicher Beziehungen unerheblich bleiben. Dass die Schaffung eines behindertengerechten Parkplatzes ausgeschlossen sei, sei mit der hier begehrten Maßnahme nicht vergleichbar. Zumindest die Kosten in Höhe derjenigen einer Treppenrampe müssten bezuschusst werden. Die Klägerin hat Lagepläne des Grundstücks und Fotografien der Treppen und des gebauten Weges vorgelegt. Sie hat in der mündlichen Verhandlung den Klageantrag um die zehnprozentige Eigenbeteiligung reduziert.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr EUR 1.380,74 zu bezahlen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Antrag vom 29. Dezember 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Kosten der Anrufung des Verwaltungsgerichts der Klägerin aufzuerlegen.
Sie verweist darauf, dass die Klägerin zum Verlassen der Wohnung auch nach der Anlage des umstrittenen Weges eine mehrstufige Außentreppe überwinden müsse. Der Begriff der Maßnahme zur Verbesserung des Wohnumfeldes werde überzogen. Es bestehe keine Verpflichtung, Zufahrtswege zu Häusern einzurichten, zumal hier noch der rechtlich nicht gesicherte Umweg über das Nachbargrundstück erforderlich sei. Nochmals sei auf die Richtlinien des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Pflegekassen zu verweisen. Die dort getroffene Abgrenzung werde in der Kommentarliteratur geteilt. Ein positiv verbeschiedener Vergleichsfall sei auch aus der Rechtsprechung nicht bekannt. Nachdem die hier streitige Maßnahme vor Antragstellung getätigt worden sei, bestehe auch keine "Aufrechnungslage" bezüglich eines möglicherweise zustehenden Treppenfahrzeugs. Die Kosten für Krankentransporte müssten über die Krankenversicherung abgerechnet werden.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten vorprozessualen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid im Ergebnis zu Recht entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen rollstuhlgerechten Weg zum Verlassen des Hauses besteht.
Beklagte des Rechtsstreits ist die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten. Sie führt einen Rechtsstreit aus dem privaten Pflegeversicherungsverhältnis in gewillkürter Prozessstandschaft für die Gemeinschaft privater Versicherungsunternehmen, die der Versicherer ist (vgl. BSG SozR 3-3300 § 23 Nr. 5; SozR 3-3300 § 40 Nr. 3 zur Postbeamtenkrankenkasse).
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des streitigen Betrages beurteilt sich hinsichtlich der privaten Pflegepflichtversicherung nach § 178b Abs. 4 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in Verbindung mit dem bestehenden Versicherungsvertrag. Diesem Versicherungsvertrag liegen die MB/PPV 1996 in Verbindung mit dem Tarif PV zugrunde. Nach § 4 Abs. 7 Satz 4 MB-PPV können für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds der versicherten Person, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, gemäß Nr. 4.3 des Tarifs PV subsidiär finanzielle Zuschüsse gezahlt werden, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung der versicherten Person wiederhergestellt wird. Nach Nr. 4.3 des Tarifs PV sind unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit vom Einkommen der versicherten Person die Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds auf früher DM 5.000,00, jetzt EUR 2.557,00 je Maßnahme begrenzt. Da der verstorbene Ehemann der Klägerin als Ruhestandsbeamter beihilfeberechtigt war, ist maßgeblich die Tarifstufe PVB mit einer Begrenzung der Tarifleistungen auf 30 v.H ...
Mit der vertraglichen Regelung ist das gesetzliche Gebot des § 23 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 SGB XI umgesetzt, dass Vertragsleistungen nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels (des SGB XI) gleichwertig sein müssen. Gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI können die Pflegekassen subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von EUR 2.557,00 (früher DM 5.000,00) je Maßnahme nicht übersteigen (Satz 3). Nach der Begründung zum Regierungsentwurf (Bundestags-Drucksache 12/5262 S. 114) hat der Gesetzgeber in erster Linie an Umbaumaßnahmen in der Wohnung (Verbreiterung von Türen, Einbau einer behindertengerechten Dusche oder eines Treppenliftes) und an technische Hilfen wie Haltegriffe oder mit dem Rollstuhl unterfahrbare Einrichtungsgegenstände gedacht. Die Vorschrift des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI ist dahin auszulegen, dass es sich um eine Hilfe der sozialen Pflegeversicherung zur Vermeidung von Pflege in einem Pflegeheim handelt. Die Regelung ist Ausdruck des allgemeinen Vorrangs der häuslichen Pflege vor der stationären Pflege (§ 3 SGB XI) und des Grundsatzes, dass die Leistungen der Pflegeversicherung dem Pflegebedürftigen helfen sollen, trotz des Pflegebedarfs ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können (§ 2 Abs 1 Satz 1 SGB XI), und dass die Pflegekassen bei der Leistungsgewährung den Wünschen des Berechtigten im Rahmen der Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit nach Möglichkeit entsprechen sollen (§ 2 Abs 2 und 3 SGB XI sowie § 33 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB I -). Im Hinblick auf das Gebot der Gleichwertigkeit der Leistungen in der privaten Pflegepflichtversicherung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 SGB XI kann für die private Pflegepflichtversicherung keine andere Auslegung herangezogen werden.
Die Voraussetzungen für eine Versicherungsleistung einer Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds sind hinsichtlich der Anlage des streitigen Weges nicht gegeben. Der Senat lässt offen, ob die Auffassung der Beklagten, Maßnahmen außerhalb des Wohnbereichs oder außerhalb des Eingangsbereichs/Treppenhauses seien nicht zuschussfähig, zutreffend ist. Jedenfalls vermag der Senat nicht festzustellen, dass durch den streitigen Weg die Pflege der Klägerin ermöglicht oder erheblich erleichtert wird. Die begehrte Maßnahme muss objektiv erforderlich sein, um die Pflege im häuslichen Umfeld überhaupt erst durchführen zu können oder zu einer erheblichen Erleichterung bei der Pflege zu führen (vgl. BSG SozR 3-3300 § 40 Nr. 4). Durch den streitigen Weg ist eine wesentliche Änderung der örtlichen Gegebenheiten nicht eingetreten. Denn der Klägerin ist trotz der Anlage des streitigen Weges ein Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI) ohne Inanspruchnahme anderweitiger Hilfe nicht möglich. Sie muss fünf Stufen einer Treppe, die unmittelbar an der Haustür liegt (siehe hierzu die von der Klägerin vorgelegten Fotografien Nrn. 3 und 4, Blatt 38 und 39 der LSG-Akte), überwinden, um den zu dem Nachbargrundstück angelegten Weg überhaupt erreichen zu können. Aus diesem Grund vermag der Senat auch nicht festzustellen, dass eine selbstständige Lebensführung der Klägerin wiederhergestellt wird.
Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Erstattung des geltend gemachten Betrages nicht gegeben sind, muss die Beklagte auch nicht erneut über den Erstattungsantrag entscheiden.
Ein Anspruch auf Erstattung des geltend gemachten Betrages ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Anspruch der Klägerin auf "Beihilfeleistungen" entsprechend den Richtlinien "Dauernder Pflegebedürftigkeit" der Beklagten. Die Voraussetzungen für den Zuschuss für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds nach Nr. 6.7.2 dieser Richtlinien entsprechen denen der vertraglichen Regelung bzw. des § 40 Abs. 4 SGB XI. Da das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit in vollem Umfang an das Sozialgericht verwiesen hat und diese Verweisung für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit hinsichtlich des Rechtswegs nach § 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) bindend ist, war auch hierüber zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG und § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG.
Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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