L 6 SB 3584/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 SB 5075/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3584/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. April 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers.

Das Versorgungsamt Stuttgart (VA) hatte bei dem 1949 geborenen Kläger zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 1996 den GdB mit 30 seit November 1994 und mit 20 seit Januar 1996 festgestellt. Dieser Entscheidung lagen die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. C. vom 16. Februar 1996, der Bescheid der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (BG) vom 30. Januar 1996 über die Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. September 1994 sowie der Entlassungsbericht des B. Hospitals S. vom 20. Oktober 1994 zugrunde. Als Behinderungen wurden eine erhebliche Schmerzsymptomatik bei Gibbuswinkel des 12. Brustwirbelkörpers und ausbleibender Blockwirbelbildung nach konservativ behandelter Brustwirbelkörper-12-Kompressionsfraktur mit ventraler Abstützungsreaktion und Keilwirbelbildung des Brustwirbelkörpers 12 mit Pseudarthrosebildung sowie eine erhebliche Destruktion der oberen Deckplatte mit tiefgehendem Einbruch in den Wirbelkörper und einer Imprimierung der Deckplatte des 11. Brustwirbelkörpers berücksichtigt.

Nachdem das VA den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 13. Februar 1997 nach Einholung der ärztlichen Befundscheine von Dr. P. vom 19. März 1997 sowie des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. N. vom 15. April 1997 und Auswertung der vä Stellungnahme von Dr. M. vom 6. Mai 1997 mit Bescheid vom 25. Juni 1997 unter zusätzlicher Berücksichtigung von Kreislaufregulationsstörungen als Behinderung abgelehnt hatte, beantragte der Kläger am 4. Oktober 2001 erneut die Neufeststellung seines GdB. Das VA holte den ärztlichen Befundschein des Orthopäden Dr. Z. vom 21. Januar 2002, welchem mehrere Arztbriefe beigefügt waren, ein. Dr. Sc. brachte in der vä Stellungnahme vom 25. Februar 2002 als Behinderungen anerkannte BG-Unfallfolgen (Teil-GdB 20), funktionelle Kreislaufstörungen (Teil-GdB 10) sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Hüftgelenke und einen Bandscheibenschaden (Teil-GdB 30) in Ansatz und bewertete den Gesamt-GdB mit 40. Hierauf gestützt stellte das VA mit Bescheid vom 6. März 2002 den GdB des Klägers mit 40 seit 4. Oktober 2001 fest.

Hiergegen erhob der Kläger am 22. März 2002 Widerspruch. Es lägen in mehreren Wirbelsäulenabschnitten gravierende degenerative Schäden vor, deren Folgen als mittelgradig bis schwer einzustufen seien. Außerdem liege ein chronifiziertes Schmerzsyndrom vor. Dr. G. brachte in der vä Stellungnahme vom 1. August 2002 als Behinderungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 30), einen mit Verformung verheilten Wirbelbruch (Teil-GdB 20), eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke (Teil-GdB 10) sowie funktionelle Kreislaufstörungen (Teil-GdB 10) in Ansatz und bewertete den Gesamt-GdB weiterhin mit 40. Daher wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2002 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 21. Oktober 2002 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Seit seinem Arbeitsunfall aus dem Jahre 1994 habe er wegen des Bruchs des 11. und 12. Brustwirbelkörpers massive Probleme beim Sitzen und könne längere Gehstrecken von mehr als knapp 1 km nicht mehr bewältigen. Seit Ende des Jahres 2000 sei ein Bandscheibenvorfall im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule hinzugekommen, worauf es zu einer Parese des rechten Beines gekommen sei. Seither bestünden auch massive Schmerzen beim Liegen. Die daneben bestehende Coxalgie, vor allem auf der rechten Seite, rechtfertige ebenfalls eine Anhebung des GdB.

Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. P. vom 13. März 2003 und Dr. Z. vom 6. November 2003 ein. Dr. P. führte unter Vorlage des Arztbriefs des Städtischen Krankenhauses Sindelfingen vom 4. Oktober 2001 und des ärztlichen Entlassungsberichts der Kliniken für Rehabilitation W., D., B. H. vom 19. November 2001 aus, er habe den Kläger u. a. wegen Lumboischialgien, einer Hypercholesterinämie, eines Verdachts auf eine Refluxoesophagitis, eines Erschöpfungssyndroms und einer erektilen Dysfunktion beraten bzw. behandelt. Dr. Z. beschrieb eine Sklerose der rechten Ileosacralfuge, eine geringe Arthrose der rechten Hüfte, häufige Lumboischialgien sowie thorakale Beschwerden und schloss sich der vä Stellungnahme vom 1. August 2002 an.

Sodann holte das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das orthopädische Gutachten von Dr. G. vom 25. Januar 2004 ein. Er bewertete den GdB für das Halswirbelsäulen-Syndrom mit 10, die chronische Dorsalgie mit 50 sowie die Lumboischialgie beidseits mit 30 und den Gesamt-GdB mit 50.

Hierzu legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. F. vom 16. April 2004 vor, wonach durch die bisherige Bewertung den schweren funktionellen Auswirkungen im Bereich von zwei Abschnitten der Wirbelsäule angemessen Rechnung getragen worden sei.

Sodann holte das SG von Amts wegen das orthopädisch-unfallchirurgische Gutachten von Dr. D. vom 28. Juni 2004 ein. Er bewertete den GdB für den in Keilwirbelbildung knöchern fest konsolidierten ehemaligen stabilen Kompressionsbruch des 12. Brustwirbelkörpers mit ventraler Abstützreaktion zum 11. Brustwirbelkörper und daraus resultierender allenfalls endgradig eingeschränkter Rück-Neig-Beweglichkeit der Brustwirbelsäule mit 10, die Beugekontraktur im linken Daumenendgelenk von 10 Grad und endgradig eingeschränkte Beugung nach Strecksehnen-Durchtrennung im Jahre 1964 mit 0, die etwa 13 %-ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule bei radiologisch dokumentierten altersentsprechenden Verschleißerscheinungen mit 10, die diskrete Rundrückenbildung der Brustwirbelsäule nach durchgemachter Scheuermann’scher Erkrankung (Schmorl’sche Knötchen der Grund- und Deckplatten in der mittleren und beinnahen Brustwirbelsäule) mit 0 sowie den kernspintomographisch dokumentierten in der Mitte und rechts seitlich liegenden kleinen Bandscheibenvorfall L 5/S 1 mit Tangierung der segmentalen Nervenwurzel S 1, daraus resultierenden gelegentlichen Lumboischialgien rechts bei freier Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, ohne Nachweis sensibler oder motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen seitens lumbaler (die Lendenwirbelsäule betreffender) spinaler Nerven am Gutachtenstag und kernspintomographisch dokumentierten diskret vermehrten Verschleißerscheinungen mit 10 und den Gesamt-GdB mit 30. Insgesamt könnten die Funktionseinschränkungen der drei Wirbelsäulenabschnitte allenfalls mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem bzw. mit mittelschweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten gleichgesetzt werden.

Das SG holte die Stellungnahme von Dr. G. vom 25. März 2005 ein, in welcher dieser bei seiner Beurteilung blieb.

Der Beklagte legte die vä Stellungnahme von MedDir. D. vom 13. Juli 2005 vor, in welcher dieser die bisherige vä Bewertung bestätigtete.

Der Kläger legte den Entlassbericht der R.-Klinik B. W. vom 20. Juli 2005 vor. Hierzu führte Dr. W. in der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme vom 5. Oktober 2005 aus, es liege allenfalls eine mittelgradige Bewegungseinschränkung in einem Wirbelsäulenabschnitt, der Lendenwirbelsäule, vor.

Mit Urteil vom 24. April 2006 wies das SG die Klage ab. Die von Dr. G. erhobenen Bewegungsausmaße, welche nur in geringem Umfang von den von Dr. D. erhobenen abwichen, vermögen einen Wirbelsäulenschaden mit besonders schweren funktionellen Auswirkungen nicht zu belegen. Vielmehr könnten die erhobenen Bewegungsausmaße allenfalls eine endgradig eingeschränkte Rück-Neig-Beweglichkeit bei im Übrigen gegebener freier Beweglichkeit der Brustwirbelsäule belegen, was im Übrigen mit dem Befund im Rahmen der Krankenhausbehandlung in der R.-Klinik B. W. übereinstimme. Auch liege entgegen der Einschätzung von Dr. G. kein solches außergewöhnliches Schmerzsyndrom vor, das einen GdB-Wert von über 30 begründen könne. Daher könne dahinstehen, ob im Bereich der Lendenwirbelsäule mittelgradige funktionelle Auswirkungen vorlägen. Eine Funktionsbehinderung im Bereich der Hüftgelenke liege nicht vor, da der Kläger gegenüber Dr. G. und Dr. D. diesbezüglich keine Beschwerden geäußert habe. Die funktionellen Kreislaufstörungen des Klägers seien zutreffend mit einem GdB von 10 bewertet worden.

Gegen das ihm am 7. Juli 2006 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 18. Juli 2006 Berufung eingelegt. Unter Vorlage des Befundberichts des Orthopäden Dr. G. vom 24. Juli 2006 hat er ausgeführt, in immer kürzeren Abständen trete eine Segmentstörung und Instabilitätssymptomatik auf. Außerdem hat er vorgetragen, es bestünden Magenbeschwerden, depressive Verstimmungszustände sowie Hals- und Stimmbandbeschwerden mit einem sich hieraus entwickelnden Räusperzwang.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. April 2006 aufzuheben, den Bescheid vom 6. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2002 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, seinen GdB mit mindestens 50 ab 4. Oktober 2001 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Stellungnahme von Dr. D. vom 16. Oktober 2006 eingeholt. Er hat ausgeführt, die unterschiedliche Einschätzung der Wirbelsäulenfunktion zwischen Dr. G. und ihm resultiere zum einen aus unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen und zum anderen hauptsächlich aus der unterschiedlichen Wertung der subjektiven Schmerzsymptomatik des Klägers. Seitens der Lendenwirbelsäule müsse eine Korrektur seiner GdB-Einschätzung vorgenommen werden, wenn tatsächlich - wie von Dr. G. in seiner Bescheinung vom 24. Juli 2006 ausgeführt - eine Instabilität im Bewegungssegment L 5/S 1 vorliegen sollte.

Sodann hat der Senat die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. G. vom 30. Oktober 2006 eingeholt. Dieser hat u. a. die Arztbriefe der Radiologen Dr. T./Dr. K. vom 19. Januar 2004 und 9. Mai 2006, des Kreiskrankenhauses B. vom 23. Juni 2005, den ärztlichen Entlassungsbericht der R. Kliniken W. vom 1. September 2006 sowie den von ihm erstellten Röntgenbefund vom 30. Oktober 2006 vorgelegt und ausgeführt, die Veränderungen in Form einer thorakolumbalen Fehlstellung mit sekundärer Einschränkung der Beweglichkeit mit Arthrosen der Wirbelgelenke und einer lumbosakralen Fehlhaltung mit degenerativen Veränderungen der Bandscheiben L 4/5 und L 5/S 1, Arthrosen der Wirbelgelenke, intermittierenden Nervenirritationen und ausgeprägten lumbosakralen Beschwerden seien mittelgradig.

Der Kläger hat den vorläufigen Entlassungsbericht der R. Kliniken W. vom 16. August 2006 vorgelegt.

Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme von Dr. D. vom 20. November 2006 eingeholt. Da Dr. G. über eine Instabilität im Bewegungssegment L 5/S 1 nicht mehr berichtet habe und das Kernspintomogramm der Lendenwirbelsäule vom 8. Mai 2006 keinen Nachweis einer Spinalkanalstenosierung erbracht habe, sei der GdB für die Gesundheitsstörung der Wirbelsäule unverändert mit 30 einzuschätzen.

Der Senat hat die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. P. vom 18. Dezember 2006 eingeholt. Dieser hat u. a. die Arztbriefe des Facharztes für Urologie S. vom 19. Mai 2003, des Internisten und Gastroenterologen Dr. L. vom 1. Dezember 2003, des Arztes für Pathologie PD Dr. R. vom 1. Dezember 2003, von Dr. G. vom 9. Dezember 2003, 11. Mai 2005 und 26. April 2006, der Chirurgischen Klinik des Kreiskrankenhauses L. vom 3. Dezember 2003, der Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie Dr. Z. vom 11. Januar 2005, des Radiologen Dr. H. vom 25. Januar 2005, des Pathologen Dr. W. vom 11. Januar 2005, des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Heilkunde Dr. N. vom 12. Mai 2005, des HNO-Arztes Dr. F. vom 13. Juni 2005, der HNO-Ärzte Dres. L.-D. und D. vom 17. Oktober 2005 sowie des Hautarztes Dipl. med. G.-E. vom 18. Februar 2006 vorgelegt, über seine hausärztliche Betreuung berichtet und ausgeführt, der Kläger leide dauerhaft an einem chronischen Schmerz bei degenerativem Wirbelsäulensyndrom und einer erektilen Dysfunktion.

Der Senat hat den Beteiligten zuletzt am 20. Dezember 2006 mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte den GdB des Klägers mit Bescheid vom 6. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2002 nicht mit mindestens 50 festgestellt und das SG die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 24. April. 2006 abgewiesen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht richtet sich der Antrag auf Neufeststellung des GdB nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).

In materieller Hinsicht richtet die Feststellung des GdB nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die seit dem 1. Juli 2001 an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Eine solche Feststellung ist nicht zu treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid, einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidungen zuständigen Dienststellen getroffen worden ist, es sei denn, dass der behinderte Mensch ein Interesse an anderweitiger Feststellung glaubhaft macht. Eine solche bereits getroffene Feststellung gilt zugleich als Feststellung des GdB (§ 69 Abs. 2 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.

Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP haben zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP, 19 Abs. 4, S. 26).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 40.

Beim Kläger liegt im Wesentlichen eine Wirbelsäulensymptomatik vor. Nach den AP beträgt der GdB für Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) 30, mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten 30 bis 40, mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70 Grad nach Cobb]) 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit 80 bis 100 (AP, 26.18, Seite 116). Beim Kläger handelt es sich nicht um einen Wirbelsäulenschaden mit besonders schweren funktionellen Auswirkungen, welcher einen GdB von 50 bedingt. Der Senat stützt sich dabei auf das Gutachten von Dr. D. vom 28. Juni 2004 und dessen Stellungnahmen vom 16. Oktober und 20. November 2006. Die bildgebenden Verfahren ergaben im Bereich der Halswirbelsäule einen altersentsprechenden Verschleißzustand, im Bereich der Brustwirbelsäule einen knöchern fest konsolidierten stabilen ehemaligen Kompressionsbruch des 12. Brustwirbelkörpers sowie im Bereich der Lendenwirbelsäule einen kleinen in der Mitte und rechts seitlich liegenden Bandscheibenvorfall L 5/S 1 mit Tangierung der segmentalen Nervenwurzel S 1 und geringfügige Verschleißerscheinungen. Die Funktionsprüfung der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte ergab in Bezug auf die Halswirbelsäule eine freie Vor-Neig- und Rück-Neig-Beweglichkeit, eine beidseits endgradig eingeschränkte Dreh-Beweglichkeit, eine endgradig eingeschränkte Rechts-Neig-Beweglichkeit bei einer um ein Viertel eingeschränkten Links-Neig-Beweglichkeit, im Bereich der Brustwirbelsäule eine freie Vor-Neig-Beweglichkeit bei allenfalls endgradig eingeschränkter Rück-Neig-Beweglichkeit und eine beidseits freie Dreh- und Seit-Neig-Beweglichkeit sowie im Bereich der Lendenwirbelsäule eine freie Entfaltbarkeit. Daher kann nicht von besonders schweren, funktionellen Auswirkungen ausgegangen werden. Weder liegt eine Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, noch eine anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäule umfasst, oder eine schwere Skoliose vor. Vielmehr handelt es sich allenfalls um einen Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, für den die AP höchstens einen GdB von 30 bis 40 vorsehen. Daher war für den Senat die Einschätzung von Dr. G. in seinem Gutachten vom 25. Januar 2004 und dessen Stellungnahme vom 25. März 2005, der GdB betrage für den Wirbelsäulenschaden des Klägers 50, nicht nachvollziehbar.

Nach Überzeugung des Senats ist kein GdB für die Beugekontraktur im linken Daumengelenk zu vergeben, da diesbezüglich ausweislich des Gutachtens von Dr. D. nur eine endgradig eingeschränkte Beugungsfähigkeit vorliegt. Dasselbe gilt für die Hüftgelenke. Insoweit hat Dr. D. eine seitengleiche vollständige Beweglichkeit beschrieben und hat Dr. G. eine Coxalgie verneint.

Für die Kreislaufstörungen beträgt der GdB 10. Insoweit verweist der Senat auf die vä Stellungnahme von Dr. G. vom 1. August 2002. Weitere dauerhafte relevante Erkrankungen auf internistischem Fachgebiet liegen nach Einschätzung des Senats nicht vor. Denn Dr. P. hat in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 18. Dezember 2006 zwar Behandlungen wegen einer Gastritis, unklarer Oberbauchbeschwerden, einer akuten Bronchitis, eines grippalen Infektes, eines Verdachtes auf einen Harnwegsinfekt und Prostataschmerzen beschrieben, diese Krankheitserscheinungen jedoch nicht als dauerhaft angesehen.

Dasselbe gilt für die von Dr. P. erwähnte erektile Dysfunktion. Aus dem Arztbrief des Facharztes für Urologie S. vom 19. Mai 2003 ergibt sich mangels Nachweis eines erfolglosen Therapieversuches keine relevante Funktionsbeeinträchtigung des Klägers. Auch rechtfertigt die von Dr. N. in seinem Arztbrief vom 12. Mai 2005 diagnostizierte hyperfunktionelle Dysphonie keine GdB-Erhöhung. Insoweit geht aus den Arztbriefen von Dr. F. vom 13. Juni 2005 sowie Dres. L.-D. und D. vom 17. Oktober 2005 keine relevante Funktionseinschränkung hervor.

Somit beträgt der Gesamt-GdB des Klägers nicht mehr als 40.

Daher hat der Beklagte den GdB des Klägers mit Bescheid vom 6. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2002 zu Recht nicht mit mindestens 50 festgestellt und das SG die hiergegen erhobene Klage zutreffend mit Urteil vom 24. April. 2006 abgewiesen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen
Rechtskraft
Aus
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