Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3077/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 4083/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Juni 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Witwerrente.
Der 1924 geborene Kläger war seit 1962 mit der 1928 geborenen Maria S. (Versicherte) verheiratet. Aus der Ehe ging die 1965 geborene Tochter R.-M. hervor. Am 16. September 2004 verstarb die Versicherte. Sie bezog zuletzt bis zu ihrem Tod von der Beklagten eine Altersrente in Höhe von monatlich 305,52 EUR netto. Der Kläger bezog von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente in Höhe von monatlich 1.271,37 EUR netto und hatte zusätzlich Versorgungsbezüge in Höhe von 564,00 EUR netto.
Am 22. Dezember 2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Witwerrente. Unter dem 25. Januar 2005 teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Beklagten auf Anfrage mit, dass eine Erklärung zur Anwendung des alten Hinterbliebenenrechts im Versicherungskonto des Klägers gespeichert sei, eine Kopie hiervon jedoch auch in den verfilmten Unterlagen nicht vorliege. Mit Bescheid vom 3. Februar 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass wegen einer am 2. Dezember 1988 gemeinsam mit der Versicherten abgegebenen Erklärung das bis zum 31. Dezember 1985 geltende Hinterbliebenenrentenrecht für den Kläger weiter gelte. Danach bestehe ein Anspruch auf Witwerrente nur, wenn die Verstorbene den Familienunterhalt im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten habe. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da das Einkommen des Klägers das seiner Ehefrau vor dem Tode deutlich überstiegen habe. Von einer Bewertung der Haushaltstätigkeit sei abgesehen worden, da der Kläger und seine Frau nicht mehr berufstätig und somit im gleichen Umfang zur Haushaltstätigkeit verpflichtet gewesen seien.
Am 10. März 2005 erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er könne sich die Abgabe einer solchen Erklärung zum damaligen Zeitpunkt nicht vorstellen, zumal er damals so gut wie blind gewesen sei. Es sei auch zu fragen, welchen Sinn die Weitergeltung des bis 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts gehabt habe. Er sei auch mit der Bewertung der Haushaltstätigkeit nicht einverstanden. Wegen einer Invalidität habe er seine Ehefrau im Haushalt nur sehr wenig unterstützen können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch unter Berücksichtigung der überwiegenden Haushaltstätigkeit durch die Versicherte habe deren Beitrag zum Familieneinkommen weniger als die Hälfte betragen. Sie habe den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tode somit nicht überwiegend bestritten.
Hiergegen richtet sich die am 24. November 2005 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er wolle gerne eine Ablichtung der Erklärung haben, um die Richtigkeit überprüfen zu können. Ihm sei bekannt, dass er aufgrund seiner Einkommensverhältnisse nur das sogenannte "Sterbevierteljahr" als Leistung beantragen könne.
Mit Urteil vom 29. Juni 2006 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Witwerrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Witwerrente nach dem "neuen", seit 1. Januar 1986 geltenden Hinterbliebenenrecht (§ 46 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)). Das SG sei nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Eheleute durch eine schriftliche Erklärung vom 2. Dezember 1988 unwiderruflich die Fortgeltung der am 31. Dezember 1985 geltenden Rechtsvorschriften mit der Folge bestimmt hätten, dass allein nunmehr das in § 303 SGB VI geregelte "alte" Hinterbliebenenrecht Anwendung finden könne. Eine derartige Erklärung sei weder im Original noch in Kopie vorhanden. Im Versicherungskonto der Ehefrau bei der Beklagten sei lediglich ein elektronischer Eintrag "Erklärung der Ehegatten gemäß § 303 SGB VI" eingefügt worden. Die Beklagte trage für das Vorliegen der Erklärung, einer anspruchsvernichtenden Einwendung, die objektive Beweislast. Zwar sei der elektronische Eintrag im Kontenspiegel ein erhebliches Indiz für die eingetragene Tatsache, ein Nachweis im Rechtssinne werde dadurch freilich nicht erbracht. Auch zu einer Umkehr der Beweislast führe der Eintrag nicht, da dies allenfalls dann erfolge, wenn der Kläger durch sein Verhalten die Sachaufklärung der entscheidungserheblichen Fragen vereitelt habe. Der Beklagten sei es durch Aufbewahrung der Erklärung auf einfache Weise möglich gewesen, den Nachweis über die Erklärungsabgabe zu führen. Solange die Beklagte nicht sicherstelle, dass die behauptete Erklärungsabgabe in vollem Umfang rekonstruiert werden könne, müsse sie in Kauf nehmen, dass jeder Zweifel am tatsächlichen Ablauf zu ihren Lasten gehe. Der Kläger gebe an, zum damaligen Zeitpunkt so gut wie blind gewesen zu sein. Eine Überprüfung, ob dennoch tatsächlich eine Erklärung mit der gegebenenfalls erforderlichen Unterschrift von ihm vorgelegen habe, sei nur aufgrund des elektronischen Eintrags nicht möglich.
Gegen das ihr am 3. August 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. August 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass nach den Regeln des Anscheinsbeweises der Beweis geführt sei, dass eine Erklärung der Ehegatten gemäß § 303 SGB VI abgegeben worden sei. Durch den Anscheinsbeweis werde der volle Beweis erbracht, solange nicht konkrete Tatsachen festgestellt würden, die einen von der Typik abweichenden Verlauf ernsthaft als möglich erscheinen ließen und damit die Überzeugung des Gerichts erschütterten (unter Hinweis auf Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. April 1964 - 12 RJ 340/61 - Sozialrecht SGG § 128 Nr. 69; BSG, Beschluss vom 14. August 1989 - 5 BJ 33/89 - (juris); LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Dezember 1988 - L 12 J 1187/86). Der Eingang dieser Erklärung sei im Versicherungskonto der Verstorbenen im Schlüssel 1449 dokumentiert. Danach sei die Erklärung am 2. Dezember 1988 eingegangen und es sei auch die Versicherungsnummer des Ehemannes gespeichert worden, die erst durch diese Erklärung bekannt geworden sei. Auf die erstinstanzlich aufgezeigte Verfahrensweise (Zweizug-Verfahren) werde besonders hingewiesen. Ergänzend sei zu beachten, dass die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mitgeteilt habe, dass auch im Konto des Klägers die Erklärung zur Anwendung des alten Hinterbliebenenrechts gespeichert worden sei. Dies alles spreche dafür, dass eine entsprechende Erklärung abgegeben worden und auch eingegangen sei. Zur Entkräftung des Anscheinsbeweises reiche nicht aus, dass sich der Kläger die Abgabe einer solchen Erklärung nicht vorstellen könne. Im Übrigen sei zu bedenken, dass der Gesetzgeber eine Aufbewahrungspflicht sämtlicher Antragsunterlagen über Jahrzehnte hinweg nicht vorgesehen habe. Sie überstiege auch die Archivkapazitäten der Rentenversicherungsträger erheblich. Die Beklagte sehe sich in ihrer Auffassung bestärkt durch ein Urteil des SG Ulm vom 4. April 2006 (S 2 R 2812/05), das in einer gleichgelagerten Rechtssache abweichend vom SG Konstanz entschieden habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sei nicht in der Lage, zu den weit zurückliegenden Vorgängen Stellung zu nehmen. Er sehe es aber als Betrug an, wenn eine Versicherung - noch dazu eine Zwangsversicherung - es ohne Hinweis hinnehme, dass sich ein Versicherter mit einer falschen Entscheidung Schaden zufüge.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Rentenakte der Beklagten, den Auszug aus der Rentenakte des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, die Akten des SG Konstanz und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach erteiltem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstands 500,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwerrente.
Maßgebend für den geltend gemachten Rentenanspruch ist entgegen der Auffassung des SG nicht § 46 SGB VI, sondern § 303 SGB VI. Haben die Ehegatten bis zum 31. Dezember 1988 eine wirksame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts abgegeben, besteht nach dieser Vorschrift Anspruch auf eine Witwerrente unter den sonstigen Voraussetzungen des geltenden Rechts nur, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten hat. Die Voraussetzungen einer solchen Erklärung sind in den gleichlautenden Übergangsregelungen in Art. 2 § 18 Abs. 3 Satz 1 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG), Art. 2 § 17a Abs. 3 Satz 1 Angestelltenrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) geregelt (Gesetz vom 11. Juli 1985, BGBl. I 1450). Nach diesen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden Stichtagsregelungen (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. Februar 1987 - 1 BvR 79/86 -; 27. März 1987 - 1 BvR 1284/86 - und vom 6. Juni 1988 - 1 BvR 1517/87 - SozR 5750 Art. 2 § 18 ArVNG Nr. 1, 2 und 4) konnten Ehegatten gegenüber dem für einen der Ehegatten zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum 31. Dezember 1988 übereinstimmend erklären, dass für sie die am 31. Dezember 1985 geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer anzuwenden sind, wenn 1. beide Ehegatten vor dem 1. Januar 1936 geboren sind und 2. ihre Ehe vor dem 1. Januar 1986 geschlossen worden ist. Der Kläger und die Versicherte waren nach diesen Vorschriften unstreitig zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung berechtigt. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises ist davon auszugehen, dass sie am 2. Dezember 1988 auch tatsächlich eine entsprechende Erklärung abgegeben haben, so dass § 303 SGB VI zur Anwendung kommt.
Die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins (prima-facie-Beweis) sind auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. Urteil vom 21. November 1958 - 5 RKn 33/57 - BSGE 8, 247; Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - BSGE 12, 246; Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 54; Urteil vom 24. Oktober 1974 - 11 RA 170/73 - DAngVers 1975, 75; Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 VG 5/96 R - BSGE 81, 288 = Breith 99, 357, 362; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 128 Rdnr. 9 ff). Der Anscheinsbeweis setzt einen Sachverhalt voraus, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hinweist und rechtfertigt, besondere Umstände des Einzelfalls in ihrer Bedeutung zurücktreten zu lassen. Es handelt sich um auf der Lebenserfahrung beruhende Schlüsse, dass gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder dass umgekehrt bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten (BSG, Urteil vom 21. Juli 1992 - 4/1 RA 63/90 - SozR 3-2200 § 1255 Nr. 4 = Breith 93, 291; Urteil vom 4. Februar 1998, a.a.O.). Grundsätzlich ist den Unterlagen und Aufzeichnungen des Versicherungsträgers der Beweis des ersten Anscheins beizumessen hinsichtlich des in ihnen festgehaltenen Verwaltungshandels (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1974, a.a.O.; Bayer. LSG, Urteil vom 22. November 2000 - L 13 RA 33/00 - (juris)). Das gilt insbesondere bei schematischen, häufig vorkommenden Vorgängen. Der Anscheinsbeweis beeinflusst nicht die objektive Beweislast, sondern erleichtert die Beweiswürdigung. Er ist ein Weg, auf dem das Gericht Tatsachen feststellen kann und verhindert somit eine Beweislastentscheidung.
Nach den dargestellten Grundsätzen kann davon ausgegangen werden, dass die hier vorliegende elektronische Speicherung des Eingangs der gemeinsamen Erklärung über die Anwendung des alten Hinterbliebenenrechts am 2. Dezember 1988 im Versicherungskonto sowohl des Klägers als auch der Versicherten darauf beruht, dass tatsächlich eine entsprechende Erklärung vorgelegen hat. Nach der von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Weisung Nr. 3/1986 für die übereinstimmende Erklärung der Ehegatten zur Weitergeltung des alten Hinterbliebenenrechts war unter Punkt 5.4 ausgeführt, dass die zuständige Rentengruppe den Eingang der übereinstimmenden Erklärung im Versicherungskonto des Berechtigten durch Eingabe des Arbeitsauftrages (AA) 0221 im Zweizug-Verfahren zu dokumentieren habe. Als Datum der Erklärung sei der Tag zu speichern, an dem die Erklärung beim Rentenversicherungsträger oder bei einer anderen zur Entgegennahme berechtigten amtlichen Stelle eingegangen sei. Durch die fehlerfreie Verarbeitung des AA 0221 - Abrufformat - werde das Vorliegen der übereinstimmenden Erklärung mit Hilfe des Schlüssels 1449 im Konto dokumentiert und ein maschinelles Bestätigungsschreiben erstellt. Dieses werde im Einfachdruck erstellt und direkt durch die Abteilung 1 versandt. Das Partnerkonto werde über das Vorliegen der Erklärung durch einen DSRV-Datensatz informiert. Aufgrund dieses so genannten Zweizug-Verfahrens wird der Sachverhalt somit durch zwei verschiedene Personen unabhängig voneinander im Konto eingegeben und entsprechend dokumentiert. Die eine Person stellt die Daten durch maschinellen Arbeitsauftrag ins Konto, eine weitere Person ruft diese Daten nach Überprüfung ab. Damit kann nach dem normalen Geschehensablauf ausgeschlossen werden, dass eine Verwechslung bezüglich der Versicherungsnummer auftritt, denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass zwei Bearbeiter genau denselben Buchungsfehler machen. Bei dieser Verarbeitung der übereinstimmenden Erklärung der Ehegatten handelt es sich um einen typischen Geschehensablauf. Die Eintragung unter dem Schlüssel 1449 im Versicherungskonto lässt daher den Schluss zu, dass auch eine entsprechende Erklärung vorgelegen hat. Nicht entscheidend ist daher, dass der Antrag in seiner ursprünglichen Form nicht mehr reproduziert werden kann.
Der Anscheinsbeweis ist vorliegend nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger geltend macht, er könne sich die Abgabe einer derartigen Erklärung nicht vorstellen. Damit bestreitet der Kläger nicht einmal substantiiert, dass er eine entsprechende Erklärung abgegeben hat. Auch sein Vortrag, er sei zum damaligen Zeitpunkt nahezu blind gewesen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Kläger hat insoweit ausgeführt, fehlgeschlagene Augenoperationen hätten dazu geführt, dass er 1984 eine Erwerbsminderungsrente habe in Anspruch nehmen müssen. Im Berufungsverfahren hat er ergänzend ausgeführt, er sehe nur mit dem rechten Auge mit Hilfe einer Kontaktlinse. Angesichts dessen, dass der Kläger auch im Jahr 1984 seinen Rentenantrag unterschrieben hat - dieser Antrag ist mikroverfilmt und daher erhalten - ist nicht ersichtlich, warum der Kläger im Jahr 1988 zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung nicht in der Lage gewesen sein sollte. Hinzu kommt, dass unter damaligen Gesichtspunkten die Abgabe dieser Erklärung keineswegs von vornherein sinnlos erscheinen musste. Insbesondere hatte die Versicherte damals keine eigenen Versicherungsbeiträge und keine eigenen Rentenansprüche, vorgemerkt waren nur Kindererziehungszeiten. Wie die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG ausgeführt hat, wurde damals in derartigen Fällen, in denen kein eigener Rentenanspruch besteht, dazu geraten, das alte Witwenrecht gelten zu lassen. Der Vorteil liegt darin, dass bei Wahl des alten Hinterbliebenenrechts eine Einkommensanrechnung im Gegensatz zum neuen Recht nicht erfolgt (vgl. §§ 314 Abs. 1, 97 SGB VI; generell zu Fallgestaltungen, bei denen die Option für die Fortgeltung des alten Rechts günstiger war: Michaelis/Blümlein/Heller, DAngVers 1985, 273; Ruland, NJW 1986, 20). Erst in den Neunziger Jahren hat die Klägerin durch Rückzahlung der Heiratserstattung eigene Rentenansprüche erworben. Auch insoweit ist die damalige Sachlage nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Dass sich die Wahl der Geltung des alten Hinterbliebenenrechts im Nachhinein aufgrund späterer Entwicklungen (Rückzahlung der Heiratserstattung, Vorversterben der Versicherten) für den Kläger als ungünstig erweist, kann zu keiner anderen Beurteilung führen.
Die Voraussetzungen für einen Witwerrentenanspruch nach § 303 SGB VI sind nicht erfüllt, denn die Versicherte hat den Lebensunterhalt der Familie in dem letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod nicht überwiegend bestritten (vgl. grundlegend BSG, Urteil vom 23. März 1961 - 4 RJ 13/60 - BSGE 14, 129). Die Versicherte hat den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten, wenn ihr Unterhaltsbeitrag unter Einschluss der Hausarbeit mehr als die Hälfte der gesamten Unterhaltsleistungen ausgemacht hat. Ausreichend ist nach dem Wortlaut jeder noch so geringe Differenzbetrag, es ist nicht erforderlich, dass er wirtschaftlich ins Gewicht fällt (BSG, Urteil vom 27. Februar 1980 - 1 RJ 44/79 - SozR 2200 § 1266 Nr. 14). Der insoweit maßgebliche letzte wirtschaftliche Dauerzustand beginnt mit der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitglieds und endet mit dem Tod der Versicherten (BSG, Urteil vom 1. Februar 1984 - 5b RJ 56/83 - SozR 2200 § 1266 Nr. 23). Der Kläger hatte zuletzt Einkünfte in Höhe von 1.835,37 EUR netto monatlich, die Versicherte in Höhe von 305,52 EUR. Bei der Versicherten ist zusätzlich noch der Wert der Haushaltstätigkeit hinzuzurechnen. Dieser ist nach seinem wirtschaftlichen Wert zu bemessen, wobei zunächst Art und Umfang der objektiv erforderlichen Arbeiten festzustellen sind und dann zu ermitteln ist, welche familienfremden Hilfskräfte hierfür in Frage kommen und wie sie zu entlohnen sind (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand 1. März 2007, § 303 SGB VI Rdnr. 37 ff. m.w.N.). Derartige genaue Erhebungen sind hier nicht erforderlich, denn schon bei überschlägiger Berechnung zeigt sich, dass die Versicherte deutlich weniger als die Hälfte zum Unterhalt beigesteuert hat. Nach Auskunft des Sozialministeriums Baden-Württemberg (W-26 Verwaltungsakte) betrug der Tariflohn für eine Hausangestellte ab März 2004 brutto 1.177,00 EUR (ungelernt) bis 1408,00 EUR (qualifiziert). Selbst wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, dass für einen Zwei-Personenhaushalt eine Vollzeitkraft erforderlich sei, zeigt schon die Gegenüberstellung des Netto-Einkommens des Klägers mit den fiktiven Brutto-Bezügen der Versicherten (zuzüglich Rente), dass letztere deutlich niedriger sind. Damit hat die Versicherte den Familienunterhalt nicht überwiegend bestritten, sodass ein Rentenanspruch des Klägers nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Witwerrente.
Der 1924 geborene Kläger war seit 1962 mit der 1928 geborenen Maria S. (Versicherte) verheiratet. Aus der Ehe ging die 1965 geborene Tochter R.-M. hervor. Am 16. September 2004 verstarb die Versicherte. Sie bezog zuletzt bis zu ihrem Tod von der Beklagten eine Altersrente in Höhe von monatlich 305,52 EUR netto. Der Kläger bezog von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente in Höhe von monatlich 1.271,37 EUR netto und hatte zusätzlich Versorgungsbezüge in Höhe von 564,00 EUR netto.
Am 22. Dezember 2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Witwerrente. Unter dem 25. Januar 2005 teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Beklagten auf Anfrage mit, dass eine Erklärung zur Anwendung des alten Hinterbliebenenrechts im Versicherungskonto des Klägers gespeichert sei, eine Kopie hiervon jedoch auch in den verfilmten Unterlagen nicht vorliege. Mit Bescheid vom 3. Februar 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass wegen einer am 2. Dezember 1988 gemeinsam mit der Versicherten abgegebenen Erklärung das bis zum 31. Dezember 1985 geltende Hinterbliebenenrentenrecht für den Kläger weiter gelte. Danach bestehe ein Anspruch auf Witwerrente nur, wenn die Verstorbene den Familienunterhalt im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten habe. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da das Einkommen des Klägers das seiner Ehefrau vor dem Tode deutlich überstiegen habe. Von einer Bewertung der Haushaltstätigkeit sei abgesehen worden, da der Kläger und seine Frau nicht mehr berufstätig und somit im gleichen Umfang zur Haushaltstätigkeit verpflichtet gewesen seien.
Am 10. März 2005 erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er könne sich die Abgabe einer solchen Erklärung zum damaligen Zeitpunkt nicht vorstellen, zumal er damals so gut wie blind gewesen sei. Es sei auch zu fragen, welchen Sinn die Weitergeltung des bis 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts gehabt habe. Er sei auch mit der Bewertung der Haushaltstätigkeit nicht einverstanden. Wegen einer Invalidität habe er seine Ehefrau im Haushalt nur sehr wenig unterstützen können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch unter Berücksichtigung der überwiegenden Haushaltstätigkeit durch die Versicherte habe deren Beitrag zum Familieneinkommen weniger als die Hälfte betragen. Sie habe den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tode somit nicht überwiegend bestritten.
Hiergegen richtet sich die am 24. November 2005 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er wolle gerne eine Ablichtung der Erklärung haben, um die Richtigkeit überprüfen zu können. Ihm sei bekannt, dass er aufgrund seiner Einkommensverhältnisse nur das sogenannte "Sterbevierteljahr" als Leistung beantragen könne.
Mit Urteil vom 29. Juni 2006 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Witwerrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Witwerrente nach dem "neuen", seit 1. Januar 1986 geltenden Hinterbliebenenrecht (§ 46 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)). Das SG sei nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Eheleute durch eine schriftliche Erklärung vom 2. Dezember 1988 unwiderruflich die Fortgeltung der am 31. Dezember 1985 geltenden Rechtsvorschriften mit der Folge bestimmt hätten, dass allein nunmehr das in § 303 SGB VI geregelte "alte" Hinterbliebenenrecht Anwendung finden könne. Eine derartige Erklärung sei weder im Original noch in Kopie vorhanden. Im Versicherungskonto der Ehefrau bei der Beklagten sei lediglich ein elektronischer Eintrag "Erklärung der Ehegatten gemäß § 303 SGB VI" eingefügt worden. Die Beklagte trage für das Vorliegen der Erklärung, einer anspruchsvernichtenden Einwendung, die objektive Beweislast. Zwar sei der elektronische Eintrag im Kontenspiegel ein erhebliches Indiz für die eingetragene Tatsache, ein Nachweis im Rechtssinne werde dadurch freilich nicht erbracht. Auch zu einer Umkehr der Beweislast führe der Eintrag nicht, da dies allenfalls dann erfolge, wenn der Kläger durch sein Verhalten die Sachaufklärung der entscheidungserheblichen Fragen vereitelt habe. Der Beklagten sei es durch Aufbewahrung der Erklärung auf einfache Weise möglich gewesen, den Nachweis über die Erklärungsabgabe zu führen. Solange die Beklagte nicht sicherstelle, dass die behauptete Erklärungsabgabe in vollem Umfang rekonstruiert werden könne, müsse sie in Kauf nehmen, dass jeder Zweifel am tatsächlichen Ablauf zu ihren Lasten gehe. Der Kläger gebe an, zum damaligen Zeitpunkt so gut wie blind gewesen zu sein. Eine Überprüfung, ob dennoch tatsächlich eine Erklärung mit der gegebenenfalls erforderlichen Unterschrift von ihm vorgelegen habe, sei nur aufgrund des elektronischen Eintrags nicht möglich.
Gegen das ihr am 3. August 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. August 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass nach den Regeln des Anscheinsbeweises der Beweis geführt sei, dass eine Erklärung der Ehegatten gemäß § 303 SGB VI abgegeben worden sei. Durch den Anscheinsbeweis werde der volle Beweis erbracht, solange nicht konkrete Tatsachen festgestellt würden, die einen von der Typik abweichenden Verlauf ernsthaft als möglich erscheinen ließen und damit die Überzeugung des Gerichts erschütterten (unter Hinweis auf Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. April 1964 - 12 RJ 340/61 - Sozialrecht SGG § 128 Nr. 69; BSG, Beschluss vom 14. August 1989 - 5 BJ 33/89 - (juris); LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Dezember 1988 - L 12 J 1187/86). Der Eingang dieser Erklärung sei im Versicherungskonto der Verstorbenen im Schlüssel 1449 dokumentiert. Danach sei die Erklärung am 2. Dezember 1988 eingegangen und es sei auch die Versicherungsnummer des Ehemannes gespeichert worden, die erst durch diese Erklärung bekannt geworden sei. Auf die erstinstanzlich aufgezeigte Verfahrensweise (Zweizug-Verfahren) werde besonders hingewiesen. Ergänzend sei zu beachten, dass die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mitgeteilt habe, dass auch im Konto des Klägers die Erklärung zur Anwendung des alten Hinterbliebenenrechts gespeichert worden sei. Dies alles spreche dafür, dass eine entsprechende Erklärung abgegeben worden und auch eingegangen sei. Zur Entkräftung des Anscheinsbeweises reiche nicht aus, dass sich der Kläger die Abgabe einer solchen Erklärung nicht vorstellen könne. Im Übrigen sei zu bedenken, dass der Gesetzgeber eine Aufbewahrungspflicht sämtlicher Antragsunterlagen über Jahrzehnte hinweg nicht vorgesehen habe. Sie überstiege auch die Archivkapazitäten der Rentenversicherungsträger erheblich. Die Beklagte sehe sich in ihrer Auffassung bestärkt durch ein Urteil des SG Ulm vom 4. April 2006 (S 2 R 2812/05), das in einer gleichgelagerten Rechtssache abweichend vom SG Konstanz entschieden habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sei nicht in der Lage, zu den weit zurückliegenden Vorgängen Stellung zu nehmen. Er sehe es aber als Betrug an, wenn eine Versicherung - noch dazu eine Zwangsversicherung - es ohne Hinweis hinnehme, dass sich ein Versicherter mit einer falschen Entscheidung Schaden zufüge.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Rentenakte der Beklagten, den Auszug aus der Rentenakte des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, die Akten des SG Konstanz und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach erteiltem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstands 500,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwerrente.
Maßgebend für den geltend gemachten Rentenanspruch ist entgegen der Auffassung des SG nicht § 46 SGB VI, sondern § 303 SGB VI. Haben die Ehegatten bis zum 31. Dezember 1988 eine wirksame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts abgegeben, besteht nach dieser Vorschrift Anspruch auf eine Witwerrente unter den sonstigen Voraussetzungen des geltenden Rechts nur, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten hat. Die Voraussetzungen einer solchen Erklärung sind in den gleichlautenden Übergangsregelungen in Art. 2 § 18 Abs. 3 Satz 1 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG), Art. 2 § 17a Abs. 3 Satz 1 Angestelltenrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) geregelt (Gesetz vom 11. Juli 1985, BGBl. I 1450). Nach diesen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden Stichtagsregelungen (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. Februar 1987 - 1 BvR 79/86 -; 27. März 1987 - 1 BvR 1284/86 - und vom 6. Juni 1988 - 1 BvR 1517/87 - SozR 5750 Art. 2 § 18 ArVNG Nr. 1, 2 und 4) konnten Ehegatten gegenüber dem für einen der Ehegatten zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum 31. Dezember 1988 übereinstimmend erklären, dass für sie die am 31. Dezember 1985 geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer anzuwenden sind, wenn 1. beide Ehegatten vor dem 1. Januar 1936 geboren sind und 2. ihre Ehe vor dem 1. Januar 1986 geschlossen worden ist. Der Kläger und die Versicherte waren nach diesen Vorschriften unstreitig zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung berechtigt. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises ist davon auszugehen, dass sie am 2. Dezember 1988 auch tatsächlich eine entsprechende Erklärung abgegeben haben, so dass § 303 SGB VI zur Anwendung kommt.
Die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins (prima-facie-Beweis) sind auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. Urteil vom 21. November 1958 - 5 RKn 33/57 - BSGE 8, 247; Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - BSGE 12, 246; Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 54; Urteil vom 24. Oktober 1974 - 11 RA 170/73 - DAngVers 1975, 75; Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 VG 5/96 R - BSGE 81, 288 = Breith 99, 357, 362; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 128 Rdnr. 9 ff). Der Anscheinsbeweis setzt einen Sachverhalt voraus, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hinweist und rechtfertigt, besondere Umstände des Einzelfalls in ihrer Bedeutung zurücktreten zu lassen. Es handelt sich um auf der Lebenserfahrung beruhende Schlüsse, dass gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder dass umgekehrt bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten (BSG, Urteil vom 21. Juli 1992 - 4/1 RA 63/90 - SozR 3-2200 § 1255 Nr. 4 = Breith 93, 291; Urteil vom 4. Februar 1998, a.a.O.). Grundsätzlich ist den Unterlagen und Aufzeichnungen des Versicherungsträgers der Beweis des ersten Anscheins beizumessen hinsichtlich des in ihnen festgehaltenen Verwaltungshandels (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1974, a.a.O.; Bayer. LSG, Urteil vom 22. November 2000 - L 13 RA 33/00 - (juris)). Das gilt insbesondere bei schematischen, häufig vorkommenden Vorgängen. Der Anscheinsbeweis beeinflusst nicht die objektive Beweislast, sondern erleichtert die Beweiswürdigung. Er ist ein Weg, auf dem das Gericht Tatsachen feststellen kann und verhindert somit eine Beweislastentscheidung.
Nach den dargestellten Grundsätzen kann davon ausgegangen werden, dass die hier vorliegende elektronische Speicherung des Eingangs der gemeinsamen Erklärung über die Anwendung des alten Hinterbliebenenrechts am 2. Dezember 1988 im Versicherungskonto sowohl des Klägers als auch der Versicherten darauf beruht, dass tatsächlich eine entsprechende Erklärung vorgelegen hat. Nach der von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Weisung Nr. 3/1986 für die übereinstimmende Erklärung der Ehegatten zur Weitergeltung des alten Hinterbliebenenrechts war unter Punkt 5.4 ausgeführt, dass die zuständige Rentengruppe den Eingang der übereinstimmenden Erklärung im Versicherungskonto des Berechtigten durch Eingabe des Arbeitsauftrages (AA) 0221 im Zweizug-Verfahren zu dokumentieren habe. Als Datum der Erklärung sei der Tag zu speichern, an dem die Erklärung beim Rentenversicherungsträger oder bei einer anderen zur Entgegennahme berechtigten amtlichen Stelle eingegangen sei. Durch die fehlerfreie Verarbeitung des AA 0221 - Abrufformat - werde das Vorliegen der übereinstimmenden Erklärung mit Hilfe des Schlüssels 1449 im Konto dokumentiert und ein maschinelles Bestätigungsschreiben erstellt. Dieses werde im Einfachdruck erstellt und direkt durch die Abteilung 1 versandt. Das Partnerkonto werde über das Vorliegen der Erklärung durch einen DSRV-Datensatz informiert. Aufgrund dieses so genannten Zweizug-Verfahrens wird der Sachverhalt somit durch zwei verschiedene Personen unabhängig voneinander im Konto eingegeben und entsprechend dokumentiert. Die eine Person stellt die Daten durch maschinellen Arbeitsauftrag ins Konto, eine weitere Person ruft diese Daten nach Überprüfung ab. Damit kann nach dem normalen Geschehensablauf ausgeschlossen werden, dass eine Verwechslung bezüglich der Versicherungsnummer auftritt, denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass zwei Bearbeiter genau denselben Buchungsfehler machen. Bei dieser Verarbeitung der übereinstimmenden Erklärung der Ehegatten handelt es sich um einen typischen Geschehensablauf. Die Eintragung unter dem Schlüssel 1449 im Versicherungskonto lässt daher den Schluss zu, dass auch eine entsprechende Erklärung vorgelegen hat. Nicht entscheidend ist daher, dass der Antrag in seiner ursprünglichen Form nicht mehr reproduziert werden kann.
Der Anscheinsbeweis ist vorliegend nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger geltend macht, er könne sich die Abgabe einer derartigen Erklärung nicht vorstellen. Damit bestreitet der Kläger nicht einmal substantiiert, dass er eine entsprechende Erklärung abgegeben hat. Auch sein Vortrag, er sei zum damaligen Zeitpunkt nahezu blind gewesen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Kläger hat insoweit ausgeführt, fehlgeschlagene Augenoperationen hätten dazu geführt, dass er 1984 eine Erwerbsminderungsrente habe in Anspruch nehmen müssen. Im Berufungsverfahren hat er ergänzend ausgeführt, er sehe nur mit dem rechten Auge mit Hilfe einer Kontaktlinse. Angesichts dessen, dass der Kläger auch im Jahr 1984 seinen Rentenantrag unterschrieben hat - dieser Antrag ist mikroverfilmt und daher erhalten - ist nicht ersichtlich, warum der Kläger im Jahr 1988 zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung nicht in der Lage gewesen sein sollte. Hinzu kommt, dass unter damaligen Gesichtspunkten die Abgabe dieser Erklärung keineswegs von vornherein sinnlos erscheinen musste. Insbesondere hatte die Versicherte damals keine eigenen Versicherungsbeiträge und keine eigenen Rentenansprüche, vorgemerkt waren nur Kindererziehungszeiten. Wie die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG ausgeführt hat, wurde damals in derartigen Fällen, in denen kein eigener Rentenanspruch besteht, dazu geraten, das alte Witwenrecht gelten zu lassen. Der Vorteil liegt darin, dass bei Wahl des alten Hinterbliebenenrechts eine Einkommensanrechnung im Gegensatz zum neuen Recht nicht erfolgt (vgl. §§ 314 Abs. 1, 97 SGB VI; generell zu Fallgestaltungen, bei denen die Option für die Fortgeltung des alten Rechts günstiger war: Michaelis/Blümlein/Heller, DAngVers 1985, 273; Ruland, NJW 1986, 20). Erst in den Neunziger Jahren hat die Klägerin durch Rückzahlung der Heiratserstattung eigene Rentenansprüche erworben. Auch insoweit ist die damalige Sachlage nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Dass sich die Wahl der Geltung des alten Hinterbliebenenrechts im Nachhinein aufgrund späterer Entwicklungen (Rückzahlung der Heiratserstattung, Vorversterben der Versicherten) für den Kläger als ungünstig erweist, kann zu keiner anderen Beurteilung führen.
Die Voraussetzungen für einen Witwerrentenanspruch nach § 303 SGB VI sind nicht erfüllt, denn die Versicherte hat den Lebensunterhalt der Familie in dem letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod nicht überwiegend bestritten (vgl. grundlegend BSG, Urteil vom 23. März 1961 - 4 RJ 13/60 - BSGE 14, 129). Die Versicherte hat den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten, wenn ihr Unterhaltsbeitrag unter Einschluss der Hausarbeit mehr als die Hälfte der gesamten Unterhaltsleistungen ausgemacht hat. Ausreichend ist nach dem Wortlaut jeder noch so geringe Differenzbetrag, es ist nicht erforderlich, dass er wirtschaftlich ins Gewicht fällt (BSG, Urteil vom 27. Februar 1980 - 1 RJ 44/79 - SozR 2200 § 1266 Nr. 14). Der insoweit maßgebliche letzte wirtschaftliche Dauerzustand beginnt mit der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitglieds und endet mit dem Tod der Versicherten (BSG, Urteil vom 1. Februar 1984 - 5b RJ 56/83 - SozR 2200 § 1266 Nr. 23). Der Kläger hatte zuletzt Einkünfte in Höhe von 1.835,37 EUR netto monatlich, die Versicherte in Höhe von 305,52 EUR. Bei der Versicherten ist zusätzlich noch der Wert der Haushaltstätigkeit hinzuzurechnen. Dieser ist nach seinem wirtschaftlichen Wert zu bemessen, wobei zunächst Art und Umfang der objektiv erforderlichen Arbeiten festzustellen sind und dann zu ermitteln ist, welche familienfremden Hilfskräfte hierfür in Frage kommen und wie sie zu entlohnen sind (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand 1. März 2007, § 303 SGB VI Rdnr. 37 ff. m.w.N.). Derartige genaue Erhebungen sind hier nicht erforderlich, denn schon bei überschlägiger Berechnung zeigt sich, dass die Versicherte deutlich weniger als die Hälfte zum Unterhalt beigesteuert hat. Nach Auskunft des Sozialministeriums Baden-Württemberg (W-26 Verwaltungsakte) betrug der Tariflohn für eine Hausangestellte ab März 2004 brutto 1.177,00 EUR (ungelernt) bis 1408,00 EUR (qualifiziert). Selbst wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, dass für einen Zwei-Personenhaushalt eine Vollzeitkraft erforderlich sei, zeigt schon die Gegenüberstellung des Netto-Einkommens des Klägers mit den fiktiven Brutto-Bezügen der Versicherten (zuzüglich Rente), dass letztere deutlich niedriger sind. Damit hat die Versicherte den Familienunterhalt nicht überwiegend bestritten, sodass ein Rentenanspruch des Klägers nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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