L 9 R 5254/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1203/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5254/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. September 2006 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 8. Februar 2006 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1945 geborene und verheiratete Klägerin - eine griechische Staatsangehörige -, die keinen Beruf erlernt hatte, war nach ihren Angaben zunächst vom 18. Juni 1961 oder vom 20. September 1963 bis zum April 1967 - unterbrochen von Zeiten der Schwangerschaft und Erziehung ihres am 30. Mai 1966 in Deutschland geborenen Sohnes G. - im Bundesgebiet (D.) als Arbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 25. September 2001 hieß es dazu, die Klägerin habe mitgeteilt, die von 1963 bis 1967 geleisteten Beiträge seien ihr erstattet worden. In einer zusätzlich von der Beklagten eingeholten und der damaligen LVA Westfalen unter dem 1. Oktober 2001 erstatteten Auskunft hieß es dazu, ein Vorgang für die Klägerin sei nicht zu ermitteln.

Im Folgenden kehrte die Klägerin am 6. April 1967 wieder nach Griechenland zurück, wo sie in der Landwirtschaft tätig war und am 7. März 1968 in G. ihren Sohn D. zur Welt brachte , bevor sie am 18. August 1970 erneut ins Bundesgebiet einreiste und in Ludwigshafen am 29. Juli 1971 ihre Tochter C. zur Welt brachte. Hier war sie vom 1. Januar 1972 bis zum 15. Januar 1973 erneut als Arbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Die damals entrichteten Versicherungsbeiträge erstattete die Landesversicherungsanstalt R.-P. der 1973 wieder nach Griechenland zurück gewanderten Klägerin auf ihren Antrag vom 19. Februar 1975 mit Bescheid vom 23. Mai 1975. In Griechenland war die Klägerin daraufhin vom 1. Januar 1974 bis zum 31. Juli 2002 im System für die Landwirtschaft (OGA) sozialversichert.

Mit Bescheiden vom 21. März 2002, 15. Mai 2002 und vom 2. März 2005 anerkannte die Beklagte auf Antrag der Klägerin folgende Zeiträume als Erziehungszeiten: 1. für den am 30. Mai 1966 in Deutschland geborenen Sohn G. die Zeit vom 1. Juni bis zum 1. September 1966 als Kindererziehungszeit sowie die Zeiten vom 30. Mai bis zum 1. September 1966 und vom 18. August 1970 bis zum 10. Januar 1972 als Berücksichtigungszeit. Gleichzeitig lehnte sie die Anerkennung weiterer Kindererziehungs- (vom 2. September 1966 bis zum 31. Mai 1967) und Berücksichtigungszeiten (vom 2. September 1966 bis zum 17. August 1970 und vom 11. Januar 1972 bis zum 29. Mai 1976) wegen Erziehung im Ausland ab, 2. für den am 7. März 1968 in Griechenland geborenen Sohn D., unter Ablehnung aller anderen Zeiträume wegen Auslandserziehung, die Zeit vom 18. August 1970 bis zum 10. Januar 1972 als Berücksichtigungszeit und 3. für die am 29. Juli 1971 geborene Tochter C. die Zeit vom 1. August 1971 bis zum 20. Januar 1972 als Kindererziehungszeit und den Zeitraum vom 29. Juli 1971 bis zum 20. Januar 1972 als Berücksichtigungszeit, nachdem die Stadt L. für diesen Zeitraum den Aufenthalt der Tochter im Bundesgebiet melderechtlich bestätigt hatte.

Am 8. August 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten über die OGA die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Unter Anerkennung folgender Gesundheitsstörungen - Bluthochdruckkrankheit, Bandscheibenleiden L 4/5 mit rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen, beginnende Gonarthrose beidseitig, Anpassungsstörung und Varikosis der unteren Extremitäten - lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 4. März 2005 mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten von sechs und mehr Stunden ausüben.

Nachdem die Klägerin gegen den Bescheid vom 4. März 2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben hatte (S 10 R 1777/05), setzte das Sozialgericht das Verfahren bis zum Abschluss des vorgreiflichen Vorverfahrens mit Beschluss vom 14. Juni 2005 aus. Daraufhin führte die Beklagte das Widerspruchsverfahren durch, das mit dem Ergehen des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2006 seinen Abschluss fand. Mit dem Widerspruchsbescheid wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid als unbegründet zurück. Im Widerspruchsbescheid wies die Beklagte darauf hin, den Erwerbsminderungsrentenantrag vom 8. August 2002 zugleich als Altersrentenantrag anzusehen und der Klägerin insoweit noch weitere Mitteilung zu machen.

Im Folgenden lehnte die Beklagte es mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 8. Februar 2006 ab, der Klägerin Rente wegen Alters aus der deutschen Rentenversicherung unter Berücksichtigung der EWG-Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 zu gewähren, weil die auf die Wartezeit anrechenbaren deutschen Zeiten nur zehn, und damit weniger als die erforderliche Zeit von zwölf Monaten, betrage.

Im Weiteren nahm das Sozialgericht das unter S 10 R 1777/05 geführte Klageverfahren auf Antrag der Klägerin unter dem neuen Aktenzeichen S 10 R 1203/06 wieder auf und führte es fort. Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten wies das Sozialgericht die Klage sodann durch Gerichtsbescheid vom 19. September 2006 als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen führte das Sozialgericht aus: Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente seien nicht gegeben. Es fehle an rentenrechtlich relevanten Beitragszeiten der Klägerin im Bundesgebiet. Die Beiträge für die Zeit ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung von 1972 bis 1973 seien ihr antragsgemäß erstattet worden. Weitere geltend gemachte Beitragszeiten versicherungspflichtiger Beschäftigung im Bundesgebiet - während der sechziger Jahre in A./We. - seien nicht nachgewiesen, wie sich aus der Mitteilung der damals zuständigen Landesversicherungsanstalt Westfalen von 1. Oktober 2001 ergebe. Eigenständige rentenrechtliche Relevanz erlangten deshalb nur noch die von der Beklagten zutreffend anerkannten zehn Monate - vom 1. Juni bis zum 1. September 1966 und vom 1. August 1971 bis zum 20. Januar 1972 - , die mit Pflichtbeiträgen für Kindererziehung belegt seien. Da der Zeitraum der danach anerkannten Kindererziehungszeiten im Bundesgebiet aber weniger als ein Jahr ausmache, sei die Beklagte nach europäischem Sozialrecht - Art. 46 Abs. 2 VO(EWG) Nr. 1408/71 - nicht verpflichtet aufgrund allein dieser Zeiten Leistungen zu erbringen. Etwas anderes folge auch aus dem nationalen Recht nicht. Anspruch auf Erwerbsminderungsrente habe grundsätzlich nur, wer während der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung nachweisen könne. Der Fünfjahreszeitraum verlängere sich zwar um seit dem 1. Januar 1984 durchgehend belegte Anwartschaftserhaltungszeiten oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten sei. Solche Tatbestände erfülle die Klägerin aber offensichtlich nicht. Schließlich seien auch die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, dass eine etwaige Erwerbsminderung bei der Klägerin aufgrund eines Tatbestandes eingetreten sei, durch den die Wartezeit vorzeitig erfüllt worden sei. Allerdings seien die anerkannten Kindererziehungszeiten vom griechischen Versicherungsträger OGA zu berücksichtigen. Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 2. Oktober 2006 zugestellt.

Am 19. Oktober 2006 hat die Klägerin Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt.

Die Klägerin ist nunmehr der Auffassung, ihr stehe wegen der deutschen Kindererziehungszeiten ab Antragstellung Altersrente in gesetzlicher Höhe zu.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. September 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2005 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2006 sowie den Bescheid vom 8. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung, hilfsweise wegen Alters ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 8. Februar 2006 abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, diejenigen des Sozialgerichts Stuttgart im erstinstanzlichen Verfahren (S 10 R 1777/05 und S 10 R 1203/06) sowie auf diejenigen des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. September 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2005 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2006 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gegen die Beklagte als deutschen Rentenversicherungsträger. Insoweit fehlt es bereits am Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, wie vom Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid ebenso ausführlich wie zutreffend dargestellt worden ist. Angesichts des weiteren Umstands, dass die Berufung nicht begründet worden ist und neue Beweistatsachen nicht zu Tage getreten sind, wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen und Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch soweit die Klägerin im Berufungsvortrag erstmals hilfsweise die Gewährung einer Altersrente begehrt, kann ihr Antrag schon aus formalen Gründen keinen Erfolg haben. Die Beklagte hat den Erwerbsminderungsrentenantrag der Klägerin vom 8. August 2002 nachträglich zwar zugleich als einen Antrag auf Altersrente aufgefasst und darüber unter dem 8. Februar 2006 einen ablehnenden Bescheid erteilt. Dieser rechtsförmliche und mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung versehene Bescheid aber ist bestandskräftig geworden, da die Klägerin dagegen keinen Widerspruch erhoben hat. Eine Überprüfung ist deswegen im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht möglich.

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 96 SGG. Diese Vorschrift bestimmt, dass, wird nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens wird. Denn der von der Beklagten der Klägerin am 8. Februar 2006 erteilte ablehnende Altersrentenbescheid ändert den zuvor ergangenen ablehnenden Erwerbsminderungsrentenbescheid vom 4. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2006 weder ab noch ersetzt er ihn. Es handelt sich vielmehr um zwei selbständige, unabhängig voneinander geltend gemachte Ansprüche unterschiedlicher Art, die inhaltlich nichts miteinander zu tun haben. Der Erwerbsminderungsrente kommt Lohnersatzfunktion zu, die Altersrente hingegen hat den allgemeinen Zweck der Altersicherung nach Abschluss des Erwerbslebens. Dem entsprechend hängen sie von unterschiedlichen Voraussetzungen ab (vgl. näher Pawlak, in Hennig, SGG, Kommentar, Loseblatt, 1998, § 96 Rn. 140 m. w. N der Rechtsprechung). Demgemäß hat das erstinstanzliche Gericht im angefochtenen Gerichtsbescheid der prozessualen Streitlage entsprechend auch allein über die hier streitgegenständliche Frage der Erwerbsminderung entschieden.

Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, ist unabhängig von Vorstehendem zur Vermeidung weiteren Streits allerdings darauf hinzuweisen, dass die ablehnende Entscheidung der Beklagten, der Klägerin keine Altersrente zu gewähren (Bescheid vom 8. Februar 2006) auch in der Sache inhaltlich nicht zu beanstanden sein dürfte. Die Beklagte stellt insoweit zu Recht darauf ab, dass nach Art. 48 VO (EWG) Nr. 1408/71 kein Anspruch auf eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung besteht, weil die auf die Wartezeit anrechenbaren Zeiten weniger als zwölf Monate betragen. Zu berücksichtigen ist nämlich hier nur der, der Klägerin zuerkannte und mit Pflichtbeiträgen belegte Zeitraum für Zeiten der Kindererziehung von insgesamt 10 Monaten. Anders als die der Klägerin darüber hinaus zuerkannten Anrechnungs- (2 Monate) und Berücksichtigungszeiten (12 Monate) kommt nur den Pflichtbeitragszeiten eigenständig rentenbegründender Charakter zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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