Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 482/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2053/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. März 2005 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 08. Juli 2005 wird abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Verrechnung eines Teils eines Anspruchs auf Rentennachzahlung mit Beitragsforderungen der beigeladenen W. B.-Berufsgenossenschaft (jetzt Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft - BG BAU -).
Die Beigeladene hatte gegen den Kläger bestandskräftig festgestellte Beitragsforderungen für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten in Höhe von 1.021,61 DM (Bescheid vom 07.10.1991 - Widerspruchsbescheid vom 23.06.1992 -) zuzüglich Säumniszuschlägen.
Mit Schreiben vom 27.10.1998 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung der Beitragsforderung einschließlich Nebenkosten in Höhe von insgesamt 1.988,51 DM.
Auf den Rentenantrag des Klägers vom Dezember 2001 bewilligte ihm die Beklagte nach medizinischer Sachaufklärung Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab 01.12.2001 bis 31.12.2003, welche ab Juli 2002 monatlich 961,23 EUR betrug (Bescheid vom 05.06.2002). Von der zunächst einbehaltenen Rentennachzahlung für die Zeit vom 01.12.2001 bis 31.07.2002 in Höhe von 7.565,59 EUR überwies die Beklagte an die T. Krankenkasse zur Erfüllung des von dieser geltend gemachten Erstattungsbetrages für gezahltes Krankengeld (01.12.2001 bis 07.05.2002) 4.930,44 EUR. Hiervon unterrichtete die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 01.07.2002 unter Hinweis darauf, dass die verbleibende Nachzahlung von 2.635,15 EUR vorerst einbehalten werde.
Nachdem der Kläger um Stellungnahme zum Grund der Einbehaltung bat, verwies die Beklagte auf das Verrechnungsersuchen der Beigeladenen vom Oktober 1998 und den Wortlaut der Verrechnungsvorschrift des § 51 Abs. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I).
Die Beigeladene teilte auf Anfrage der Beklagten im Juli 2002 mit, dass die Restforderung einschließlich Kosten und Zinsen am 31.05.2002 EUR 1.289.46 betrage.
Mit Bescheid vom 22.07.2002 verrechnete die Beklagte gegen die Rentennachzahlung in Höhe von 2.635,15 EUR aus dem Rentenbescheid einmalig 1.289,46 EUR. Der Restbetrag von 1.345,69 EUR wurde dem Kläger ausbezahlt.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, ihm liege keinerlei Forderung der Beigeladenen vor, schon gar nicht in einer solchen Höhe.
Die Beigeladene bestätigte der Beklagten auf Anfrage, dass fast alle Beitrags- und Säumniszuschlagsbescheide durch Postzustellungsurkunde oder den Gerichtsvollzieher zugestellt worden seien. Soweit noch keine Zustellung erfolgt sei, werde bestätigt, dass diese Bescheide bekannt gegeben worden und bestandskräftig geworden seien und keine Verjährung eingetreten sei. Aufgrund der Vielzahl der Bescheide werde von der Übersendung der jeweiligen Kopien abgesehen.
Die Beklagte übersandte eine Mehrfertigung dieses Schreibens dem Kläger mit dem Hinweis, dass er sich wegen der Forderung mit der Beigeladenen in Verbindung setzen möge.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück: Nach §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I sei eine Aufrechnung bzw. Verrechnung der Rente mit der Forderung der Beigeladenen zulässig. Auch die Rentennachzahlung gehöre zu den laufenden Leistungen im Sinne der Aufrechnungs- bzw. Verrechnungsvorschriften. Die Beklagte habe weder ihr Ermessen missbraucht noch die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufrechnung bzw. Verrechnung fehlerhaft angewandt.
Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) mit der Begründung, von einer angeblichen Pfändung sei er weder von der Beklagten noch von der Beigeladenen benachrichtigt oder informiert worden. Die Pfändung/Forderung sei auch vollkommen unberechtigt und weder in der Höhe noch in der Sache gerechtfertigt und begründet. Schon die ursprüngliche Zustellung der Forderung sei nicht in Ordnung gewesen, da er nicht allein Zahlungspflichtiger gewesen sei. Gegen die Forderung der Beigeladenen sei u. a. auch deshalb Widerspruch eingelegt worden, über den nie entschieden worden sei. Zum Zeitpunkt des eventuellen Entstehens der fiktiven Forderung sei er überhaupt nur zu einem Achtel Mitbesitzer bzw. Eigentümer des Bauobjektes und das auch nur in einer weiteren Gütergemeinschaft gewesen. Ihm sei auch nicht bekannt, wie sich die angebliche Forderung zusammensetze und wie ein solch hoher Betrag im Verhältnis zur Bausumme überhaupt habe zustande kommen können. Im Zusammenhang mit der völlig unberechtigten, nicht nachvollziehbaren und somit unrechtmäßigen Forderung seien auch die verlangten Säumniszuschläge nicht berechtigt. Der einbehaltene Rentenbetrag sei ihm unverzüglich auszuzahlen, da er diesen sowohl zum Lebensunterhalt als auch zur ordentlichen/wirtschaftlichen Haushaltsführung dringend benötige. Mit seiner Rente müsse er den Unterhalt seines minderjährigen schulpflichtigen Kindes abdecken. Seine geringe Erwerbsunfähigkeitsrente sei deshalb nicht pfändbar.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Für den Nachzahlungszeitraum der laufenden Rentenleistung brauche die Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht geprüft zu werden, da diese nicht rückwirkend eintreten könne. Der Kläger habe ab August 2002 seine Rente laufend und die restliche Nachzahlung erhalten. Da es sich bei der Forderung um geschuldete Sozialversicherungsbeiträge handle, seien die Pfändbarkeitsgrenzen der Anlage zu § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) unerheblich. Die Rechtmäßigkeit der Forderung sowie die Zustellung der entsprechenden Bescheide sei bestätigt worden.
Das SG lud mit Beschluss vom 26.02.2004 die W. B.-Berufsgenossenschaft zum Verfahren bei.
Die Beigeladene ergänzte gegenüber der Beklagten ihr Verrechnungsersuchen vom 27.12.1998. Zum Zeitpunkt der Verrechnung habe eine fällige Forderung gegen den Kläger in Höhe von 1.264,46 EUR bestanden. Zur Zeit bestehe noch ein Rückstand in Höhe von 15,- EUR. Eine Verrechnung dieser noch offenen Forderung solle derzeit nicht durchgeführt werden. Im Verfahren machte sie geltend, die Verrechnungsermächtigung habe sich auf den Beitragsbescheid vom 07.10.1991, auf die Säumniszuschlagbescheide für die Jahre 1992 bis 2002 und auf die Kosten der Zwangsvollstreckung bezogen. Alle Bescheide seien im Zeitpunkt der Verrechnungsermächtigung bestandskräftig gewesen. Der Widerspruch des Klägers gegen den Beitragsbescheid vom 07.10.1991 sei mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.1992 zurückgewiesen worden. Der Widerspruchsbescheid sei dem Kläger am 26.06.1992 zugestellt worden. Da der Kläger keine Klage erhoben habe, seien die Bescheide bestandskräftig geworden. Die Beigeladene legte das Schreiben an die Beklagte vom 16.03.2004, den Beitragsbescheid mit einer Beitragsschuld in Höhe von 1.021,61 DM für die Zeit von 1989 bis 1990, den Widerspruchsbescheid vom 23.06.1992 und die Postzustellungsurkunde vom 26.06.1992 sowie die Säumniszuschlagbescheide 1992 bis 2002 vor und erläuterte die Forderung (1.264,46 EUR zum Zeitpunkt der Verrechnung).
Mit Urteil vom 18.03.2005, dem Kläger zugestellt am 21.04.2005, hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 22.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2003 auf und verurteilte die Beklagte, über die Verrechnung erneut zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen führte das SG im wesentlichen aus, die Voraussetzungen der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I seien bis auf einen Betrag von 25,- EUR (Differenzbetrag von 1.289,46 EUR und 1.264,46 EUR) erfüllt. Der Differenzbetrag ergebe sich daraus, dass die Beigeladene in ihrem Verrechnungsersuchen vom 11. Juli 2002 einen Betrag aus Beitragsrückstand, Säumniszuschlägen und Kosten der Zwangsvollstreckung von insgesamt 1.289,46 EUR geltend gemacht und im Klageverfahren unter Vorlage der entsprechenden Bescheide die zum Zeitpunkt der Verrechnung fällige Forderung auf 1.264,46 EUR reduziert habe. Diese Forderung sei gegen den Kläger von der Beigeladenen rechtsverbindlich festgestellt worden, da der Kläger wegen der Beitragsforderung keine Klage und hinsichtlich der übrigen Bescheide keine Widersprüche erhoben habe. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheide obliege nicht der Beklagten und auch nicht dem Gericht, sondern der Beigeladenen. Entsprechende Einwände seien bei rechtsverbindlich gewordenen Bescheiden nur im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zulässig. Die in § 51 Abs. 2 SGB I zulässige betragsmäßige Grenze sei nicht überschritten worden. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er sozialhilfebedürftig geworden sei. Auch lägen keine Hinweise dafür vor, dass der Kläger tatsächlich Sozialhilfe in Anspruch genommen habe. Der Verrechnungsbetrag habe auch nicht die Hälfte des noch verbliebenen Nachzahlungsbetrags überschritten. Mit dem angegriffenen Bescheid der Beklagten sei der Kläger über die Verrechnung in Kenntnis gesetzt worden, diese Vorgehensweise sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe jedoch ihr Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt (§ 52 SGB I i. V. m. § 39 SGB I). Mit ihrer Formulierung im Widerspruchsbescheid "bei der Verrechnung seien weder ihr Ermessen missbraucht noch die gesetzlichen Bestimmungen fehlerhaft angewandt worden" habe die Beklagte ihr Ermessen nicht tatsächlich ausgeübt. Ermessenserwägungen bezüglich der finanziellen Situation des Klägers seien jedoch erforderlich gewesen, zumal er darauf hingewiesen habe, dass er das Geld zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes dringend benötige. Da das Gericht das Ermessen nicht für die Beklagte ausüben dürfe, sei der Verrechnungsbescheid aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine neue ermessensfehlerfreie Entscheidung zu treffen. Bei dieser Sachlage könne dahinstehen, ob der Bescheid der Beklagten schon deshalb aufzuheben gewesen sei, weil die Beklagte von einem zu hohen Verrechnungsbetrag ausgegangen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 20.05.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, das Verrechnungsersuchen der Beigeladenen sei rechtswidrig, da der Bescheid schon im Vorfeld rechtswidrig gewesen und auch deshalb nie rechtskräftig geworden sei. Auch die Frage einer eventuellen Verjährung müsse geprüft werden. Das Verrechnungsersuchen sei im übrigen im Laufe des Verfahrens nachgeschoben worden, so dass die Zulässigkeit fraglich sei. Die Beklagte habe das Ermessen überhaupt nicht ausgeübt. Auch bei einer Nachzahlung müsse die Hilfsbedürftigkeit geprüft werden. Er selbst habe über Monate kein Geld bekommen und somit auch keine Leistung erhalten. Entgegen der Entscheidung des SG sei ihm der Betrag aus der Nachzahlung bis heute nicht gezahlt worden. Auch der Betrag zur Verrechnung stimme nicht, da eindeutig zu viel berechnet worden sei.
Die Beklagte hat den aufgrund des Urteils des SG erlassenen Verrechnungsbescheid vom 08.07.2005 und den Rentenbescheid vom 05.06.2002 vorgelegt und vorgetragen, sie habe die Entscheidung des SG durch Anhörung vom 03.06.2005 und Bescheiderteilung unter Beachtung der Berichtigung des Verrechnungsersuchens seitens der Beigeladenen umgesetzt. Der Kläger habe auf die Anhörung nicht reagiert, es seien insbesondere keinerlei Nachweise zur wirtschaftlichen Situation bzw. Hilfebedürftigkeit eingereicht worden.
Die Beigeladene hat wiederholt, dass zum Zeitpunkt des Verrechnungsersuchens am 27.10.1998 alle Bescheide bestandskräftig gewesen seien. Beiträge seien aufgrund der Nachweise über ausgeführte nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten erhoben worden. Die geleisteten Helferstunden habe der Kläger selbst nachgewiesen. Der Kläger sei als Bauherr beitragspflichtig gewesen. Das Verrechnungsersuchen sei mit Schreiben vom 27.10.1998 in der Fassung des Schreibens vom 16.03.2004 vorgenommen worden. Ein erneutes Verrechnungsersuchen im Bezug auf Säumniszuschläge für das Jahr 2002 (Säumniszuschlagbescheid vom 12.02.2003) habe die Beigeladene mit Schreiben vom 28.04.2005 vorgenommen. Die Beigeladene hat die Baugenehmigung vom 29.07.1987, Stundenachweise vom 10.04.1990, 06.07.1990 und 16.08.1991, ihr Schreiben an die Beklagte vom 28.04.2005 sowie den Säumniszuschlagsbescheid vom 12.02.2003 beigefügt.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert (vgl. Niederschrift vom 13.12.2006). Die Beigeladene hat sich bereit erklärt, auf die 15,- EUR Säumniszuschlag für das Jahr 2002 zu verzichten und dem Kläger unter Berücksichtigung des von der Beklagten überwiesenen Betrages von 1289,46 EUR 25,- EUR zurückzuerstatten, so dass es bei dem ursprünglichen Verrechnungsbetrag von 1.264,46 EUR verbleibe.
Der Kläger beantragt - sinngemäß -,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. März 2005, soweit die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet wurde, sowie den Bescheid vom 8. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Betrag von 1.264,46 EUR an ihn auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt teilweise sinngemäß,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat auf Anfrage mitgeteilt, dass die dem Kläger zugesagte Erstattung von 25,- EUR am 12.02.2007 auf das Konto des Klägers vorgenommen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch statthaft ( §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG), da die verrechnete Beitragsforderung der Beigeladenen den Beschwerdewert von 500,00 EUR übersteigt. Die damit insgesamt zulässige Berufung des Klägers und seine Klage sind, soweit er nicht durch die von der Beigeladenen vorgenommene Rückerstattung von 25 EUR klaglos gestellt wurde, jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits und damit des Berufungsverfahrens ist nur noch der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2005, denn durch diesen hat die Beklagte (dem SG-Urteil entsprechend) erneut die Verrechnung eines Teils des Anspruchs des Klägers auf Rentennachzahlung mit der zur Verrechnung gestellten Beitragsforderung der Beigeladenen vorgenommen. Der Bescheid vom 08.07.2005 hat den ursprünglich beim SG angefochtenen Bescheid vom 22.07.2002/ Widerspruchsbescheid vom 24.01.2003 ersetzt und ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Über den Bescheid vom 08.07.2005 entscheidet der Senat jedoch nicht kraft Berufung, sondern kraft Klage (vgl. BSG vom 19.06.1997 - 13 RJ 23/97; BSG SozR 3 -1500 § 54 Nr. 18).
Das vom Kläger mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte, auf Aufhebung des Bescheides vom 08.07.2005 sowie des SG - Urteils, soweit die Beklagte nur zur Neubescheidung verpflichtet wurde und damit inzident die weitergehende Klage auf Auszahlung des Betrages von 1289,46 EUR abgewiesen wurde, gerichtete Begehren konnte keinen Erfolg haben. Der Bescheid vom 08.07.2005 erweist sich als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung des streitigen Nachzahlungsbetrages in Höhe von noch 1264,46 EUR, da sein Zahlungsanspruch durch Verrechnung erloschen ist.
Rechtsgrundlage für die Verrechnung ist § 52 SGB I. Danach kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist.
Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind.
Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird ( § 51 Abs. 2 SGB I in der bis 31.12.2004 gültigen Fassung). Seit 01. Januar 2005 ist der Nachweis einer Hilfebedürftigkeit nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) oder dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) erforderlich ( § 52 Abs. 2 SGB I n.F.). Bei dieser Aufrechnung ist der zuständige Träger nicht an die Pfändungsgrenzen des § 54 Abs. 2 und 4 SGB I gebunden. Die Privilegierung von Beitragsansprüchen in § 51 Abs. 2 SGB I lässt sich mit der Funktionsfähigkeit der Leistungsträger rechtfertigen. Da diese ihre Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch ausschließlich oder im wesentlichen durch Beiträge finanzieren, kommt der (pünktlichen) Zahlung dieser Beiträge entscheidende Bedeutung zu.
Die Beklagte hat die Verrechnung zulässig in Form eines Verwaltungsaktes erklärt. Der Senat folgt damit der Rechtsprechung des 7., 10., 11., 13. und 14. Senats des Bundessozialgerichts - BSG - (BSGE 64,22; BSGE 53,209; BSGE 66, 63; BSG SozR 3-1200 § 52 SGB I Nr. 3, 32; SozR 3-1200 § 51 SGB I Nr. 5) sowie der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht (Seewald in Kasseler Kommentar § 52 RdNr. 14; Hauck-Noftz, SGB I K § 51 RdNr. 5 und K § 52 RdNr. 8; Wannagat SGB I § 51 AT RdNr. 20, § 52 AT RdNr. 9, jeweils m.w.N.; Wehrhahn "Auf- und Verrechnung durch Verwaltungsakt?" in SG b 8/07, 468 f; anderer Ansicht Krauskopf, Soziale Krankenversicherung-Pflegeversicherung, § 52 SGB I RdNr. 21 unter Hinweis u.a. auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 24.07.2003, SozR 4-1200 § 52 Nr. 1). Die Verrechnungserklärung greift mit dem kraft Gesetzes eintretenden Erlöschen der wechselseitigen Forderungen unmittelbar in die durch Verwaltungsakt begründete Rechtsstellung des Klägers ein, indem seine aus der Rentenbewilligung monatlich erwachsenden Zahlungsansprüche zum Erlöschen gebracht werden. Das Institut der Verrechnung ist ein sozialrechtliches Spezifikum, der ermächtigte Leistungsträger wird aufgrund einer spezifisch öffentlich rechtlichen Befugnis (§ 52 SGB I) tätig, so dass die Verrechnungserklärung gegenüber dem Leistungsberechtigten eine hoheitliche Maßnahme, mithin einen Verwaltungsakt darstellt (BSGE 54, 208, 209 = SozR 1200 § 52 Nr. 6). Da die Erklärung in das Leistungsrecht des Berechtigten eingreift, ist er vorher anzuhören.
Der Auffassung des 4. Senats, dass die sozialrechtliche Verrechnung lediglich als rechtsgeschäftliche Ausübung zu qualifizieren ist, vermag sich der Senat nicht anzuschließen (so auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.08.2002, NZS 2003, 158; Bayrisches LSG, Urteil vom 21.09.2005 - L 13 R 4215/03 und LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.12.2005 - L 28 AL 209/04 -). Offengelassen wurde diese Frage in BSG, Urteil vom 12.07.1990 - 4 RA 47/88 - BSGE 67,143, im Urteil des 5. Senats des BSG vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R, in dem eine bescheidmäßig erklärte Verrechnung völlig unangetastet blieb, zugleich aber die Frage nach der Verwaltungsakt-Befugnis offengelassen wurde, sowie zuletzt in der Entscheidung vom 27.03.2007 - B 13 RJ 43/05 R -.
Aufrechnung bzw. Verrechnung erfordern sowohl das Vorliegen einer Aufrechnungs- Verrechnungslage als auch einer wirksamen Aufrechnungs- /Verrechnungserklärung. Die Forderung des auf- bzw. verrechnenden Leistungsträgers (Gegenforderung) muss mithin entstanden und fällig sein, während die gleichartige Forderung, mit der auf- bzw. verrechnet werden soll (Hauptforderung) bereits entstanden und erfüllbar sein muss. Der die Verrechnungserklärung abgebende Sozialleistungsträger muss ferner von dem forderungsberechtigten Leistungsträger wirksam ermächtigt worden sein.
Die Beklagte war von der Beigeladenen schriftlich ermächtigt, deren einziehbaren und nicht verjährten Ansprüche gegen den Kläger auf Zahlung von Beiträgen einschließlich Säumniszuschlägen und Kosten mit der von der Beklagten gewährten Rente wegen Erwerbsminderung zu verrechnen. Die Wirksamkeit der Verrechnung scheitert nicht an dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der aufzurechnenden Forderung (vgl. dazu BSG Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R-). Art und Umfang der Forderung wurden von der Beigeladenen im Verrechnungsersuchen vom 27.10.1998 (Beitragsrückstände einschließlich Nebenkosten in Höhe von derzeit 1988, 51 DM) in Verbindung mit den Mitteilungen vom 11.07.2002 bzw. 25.07.2002 (Restforderung von 1289,46 EUR) und vom 02.09.2002, dass sämtliche Bescheide bestandskräftig geworden seien und keine Verjährung eingetreten sei, hinreichend bestimmt. Weiter wurde die Forderung der Beigeladenen auf Zahlung der Beiträge für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten mit Schreiben vom 16.03. und 24.03.2004 weiter substantiiert und spezifiziert und die Ermächtigung insoweit ergänzt. Aus dem Beitragsbescheid für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten vom 07.10.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.1992, gegen den der Kläger keine Klage erhoben hatte, so dass er bestandskräftig wurde, sowie den ebenfalls verbindlichen, weil nicht angefochtenen Säumniszuschlagsbescheiden für die Jahre 1992 bis 2001 ergibt sich eine einziehbare Forderung der Beigeladenen von 1264,46 EUR. Diese Forderung war zum Zeitpunkt der Verrechnung noch nicht verjährt, denn bei - wie hier - unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakten beträgt die Verjährungsfrist dreißig Jahre ( § 52 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - sowohl in der bis 31.12.2001 als auch ab 01.01.2002 geltenden Fassung). Im Verrechnungsbescheid vom 08.07.2005 wurde die Forderung der Beigeladenen entsprechend der vorliegenden Bescheide aufgeschlüsselt, so dass für den Kläger klar erkennbar war, welche Beitragsansprüche in der Forderung enthalten waren und durch die Verrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollten. Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass eine Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide der Beigeladenen nicht der Beklagten und damit auch nicht dem Gericht im vorliegenden Verfahren, sondern der Beigeladenen obliegt. Der Kläger kann daher mit seinen Einwendungen gegen die Forderung der Beigeladenen in diesem Verfahren nicht durchdringen, sondern hat lediglich die Möglichkeit, bei der Beigeladenen eine Überprüfung im Rahmen eines Rücknahmeverfahrens ( § 44 SGB X) zu beantragen.
Gemäß § 51 Abs. 2 SGB I ist bei Beitragsansprüchen die Verrechnung bis zur Hälfte des monatlichen Zahlbetrags zulässig. Dies gilt auch für Rentennachzahlungen, denn der Charakter der Altersrente oder Rente wegen Erwerbsminderung als laufende Geldleistung wird durch die Tatsache, dass die Rente bei rückwirkender Gewährung nicht (mehr) in monatlichen Abständen, sondern in einem Betrag zur Auszahlung kommt, nicht berührt. Die (Nach) Zahlung erfolgte zur Erfüllung der im Nachzahlungszeitraum monatlich entstandenen Zahlungsansprüche auf laufende Rente wegen Erwerbsminderung. Diese Grenze wurde vorliegend nicht überschritten. Dabei ist der Hinweis der Beklagten im Bescheid vom 08.07.2005 zutreffend, dass für bereits abgelaufene Rentenzahlungszeiträume, für die noch keine Rentenzahlung erfolgt ist, eine Sozialhilfebedürftigkeit rückwirkend nicht mehr eintreten kann. Hat der Versicherte - wie hier - im Nachzahlungszeitraum seinen Lebensunterhalt bestritten, ohne laufende Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne des BSHG in Anspruch zu nehmen, so standen ihm tatsächlich ausreichende Mittel zur Finanzierung seines Lebensunterhalts zur Verfügung. Der Einbehalt einer Rentennachzahlung, die dem Versicherten noch nicht für seinen laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung stand, kann seine Sozialhilfebedürftigkeit für die Vergangenheit nicht berühren.
Die erforderliche Anhörung des Klägers gemäß § 24 SGB X erfolgte mit Schreiben der Beklagten vom 03.06.2005.
Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hat, ergeben sich keinerlei Hinweise dafür, dass er Sozialhilfe oder Leistungen Dritter in Anspruch nehmen musste oder sonstige Umstände, die im Rahmen der gebotenen Ermessensentscheidung Berücksichtigung finden könnten. Kraft Gesetzes steht der Beklagten im Aussenverhältnis zum Kläger kein Ermessen, sondern nur die Befugnis zur Verrechnung mit der Forderung des ermächtigenden Leistungsträgers zu. Bei der Verwendung des Begriffs "Kann" in §§ 52 SGB I handelt es sich nicht um ein "Ermessens-Kann", sondern um ein sog. "Kompetenz-Kann". Die Vorschrift räumt nicht dem die Verrechnung erklärenden Leistungsträger das Recht ein, eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang die Verrechnung zu erklären ist (vgl. BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R). Unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung, dem Verrechnungsersuchen nachzukommen, verbleiben dem ersuchten und für die Geldleistung zuständigen Leistungsträger indes die Kompetenzen, die § 51 SGB I dem aufrechnenden Leistungsträger überträgt. Er hat damit auch bei der Verrechnung die in § 51 vorgesehene Ermessensentscheidung zu treffen. Bei der notwendigen Billigkeitsprüfung hat er auch die Belange des ermächtigenden Leistungsträgers zu berücksichtigen. Wenn die Beklagte vorliegend die Verrechnung nach eingehender Prüfung für angemessen erachtet hat, zumal der Kläger im Anhörungsverfahren keine Bedenken erhoben hatte, so ist dies im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung ( §§ 39 Abs. 1 SGB I, 54 Abs. 2 Satz 2 SGG) nicht zu beanstanden.
Mit der erneuten Verrechnungserklärung der Beklagten vom 08.07.2005 (vgl. § 388 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) sind die fällige Forderung des Klägers auf Rentennachzahlung und die zur Verrechnung gestellte, fällige und nicht mit Einreden behaftete Beitragsforderung der Beigeladenen ( §§ 387, 390 BGB) in Höhe des streitigen Nachzahlungsbetrages erloschen ( § 389 BGB). Nachdem dem Kläger von der Beigeladenen 25 EUR erstattet wurden, ist er bezüglich des von der Beklagten verrechneten Betrages von 1289,46 EUR, der den tatsächlich zu verrechnenden Betrag um 25 EUR übersteigt, nicht mehr beschwert.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Frage der Zulässigkeit einer Entscheidung durch Verwaltungsakt im vorliegenden Fall für den vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch keine Bedeutung hat. Denn dass die Beklagte die Verrechnung mit Verwaltungsakt durchgeführt hat, hindert die Wirksamkeit der darin enthaltenen, auf die Herbeiführung der materiellen Rechtsfolgen einer Verrechnung (Erlöschen des Zahlungsanspruchs des Klägers) gerichteten Willenserklärung auch nach der vom 4. Senat des BSG vertretenen Ansicht nicht (BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R -).
Die Berufung und die Klage konnten hiernach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil zu der Frage, ob die Beklagte befugt war, die Verrechnung im Wege eines Verwaltungsakts zu erklären, keine einheitliche Rechtsprechung des BSG vorliegt und der Senat von der Rechtsprechung des für die Angestelltenversicherung zuständigen vierten Senats (SozR 4-1200 § 52 Nr. 1) abweicht ( § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Verrechnung eines Teils eines Anspruchs auf Rentennachzahlung mit Beitragsforderungen der beigeladenen W. B.-Berufsgenossenschaft (jetzt Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft - BG BAU -).
Die Beigeladene hatte gegen den Kläger bestandskräftig festgestellte Beitragsforderungen für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten in Höhe von 1.021,61 DM (Bescheid vom 07.10.1991 - Widerspruchsbescheid vom 23.06.1992 -) zuzüglich Säumniszuschlägen.
Mit Schreiben vom 27.10.1998 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung der Beitragsforderung einschließlich Nebenkosten in Höhe von insgesamt 1.988,51 DM.
Auf den Rentenantrag des Klägers vom Dezember 2001 bewilligte ihm die Beklagte nach medizinischer Sachaufklärung Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab 01.12.2001 bis 31.12.2003, welche ab Juli 2002 monatlich 961,23 EUR betrug (Bescheid vom 05.06.2002). Von der zunächst einbehaltenen Rentennachzahlung für die Zeit vom 01.12.2001 bis 31.07.2002 in Höhe von 7.565,59 EUR überwies die Beklagte an die T. Krankenkasse zur Erfüllung des von dieser geltend gemachten Erstattungsbetrages für gezahltes Krankengeld (01.12.2001 bis 07.05.2002) 4.930,44 EUR. Hiervon unterrichtete die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 01.07.2002 unter Hinweis darauf, dass die verbleibende Nachzahlung von 2.635,15 EUR vorerst einbehalten werde.
Nachdem der Kläger um Stellungnahme zum Grund der Einbehaltung bat, verwies die Beklagte auf das Verrechnungsersuchen der Beigeladenen vom Oktober 1998 und den Wortlaut der Verrechnungsvorschrift des § 51 Abs. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I).
Die Beigeladene teilte auf Anfrage der Beklagten im Juli 2002 mit, dass die Restforderung einschließlich Kosten und Zinsen am 31.05.2002 EUR 1.289.46 betrage.
Mit Bescheid vom 22.07.2002 verrechnete die Beklagte gegen die Rentennachzahlung in Höhe von 2.635,15 EUR aus dem Rentenbescheid einmalig 1.289,46 EUR. Der Restbetrag von 1.345,69 EUR wurde dem Kläger ausbezahlt.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, ihm liege keinerlei Forderung der Beigeladenen vor, schon gar nicht in einer solchen Höhe.
Die Beigeladene bestätigte der Beklagten auf Anfrage, dass fast alle Beitrags- und Säumniszuschlagsbescheide durch Postzustellungsurkunde oder den Gerichtsvollzieher zugestellt worden seien. Soweit noch keine Zustellung erfolgt sei, werde bestätigt, dass diese Bescheide bekannt gegeben worden und bestandskräftig geworden seien und keine Verjährung eingetreten sei. Aufgrund der Vielzahl der Bescheide werde von der Übersendung der jeweiligen Kopien abgesehen.
Die Beklagte übersandte eine Mehrfertigung dieses Schreibens dem Kläger mit dem Hinweis, dass er sich wegen der Forderung mit der Beigeladenen in Verbindung setzen möge.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück: Nach §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I sei eine Aufrechnung bzw. Verrechnung der Rente mit der Forderung der Beigeladenen zulässig. Auch die Rentennachzahlung gehöre zu den laufenden Leistungen im Sinne der Aufrechnungs- bzw. Verrechnungsvorschriften. Die Beklagte habe weder ihr Ermessen missbraucht noch die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufrechnung bzw. Verrechnung fehlerhaft angewandt.
Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) mit der Begründung, von einer angeblichen Pfändung sei er weder von der Beklagten noch von der Beigeladenen benachrichtigt oder informiert worden. Die Pfändung/Forderung sei auch vollkommen unberechtigt und weder in der Höhe noch in der Sache gerechtfertigt und begründet. Schon die ursprüngliche Zustellung der Forderung sei nicht in Ordnung gewesen, da er nicht allein Zahlungspflichtiger gewesen sei. Gegen die Forderung der Beigeladenen sei u. a. auch deshalb Widerspruch eingelegt worden, über den nie entschieden worden sei. Zum Zeitpunkt des eventuellen Entstehens der fiktiven Forderung sei er überhaupt nur zu einem Achtel Mitbesitzer bzw. Eigentümer des Bauobjektes und das auch nur in einer weiteren Gütergemeinschaft gewesen. Ihm sei auch nicht bekannt, wie sich die angebliche Forderung zusammensetze und wie ein solch hoher Betrag im Verhältnis zur Bausumme überhaupt habe zustande kommen können. Im Zusammenhang mit der völlig unberechtigten, nicht nachvollziehbaren und somit unrechtmäßigen Forderung seien auch die verlangten Säumniszuschläge nicht berechtigt. Der einbehaltene Rentenbetrag sei ihm unverzüglich auszuzahlen, da er diesen sowohl zum Lebensunterhalt als auch zur ordentlichen/wirtschaftlichen Haushaltsführung dringend benötige. Mit seiner Rente müsse er den Unterhalt seines minderjährigen schulpflichtigen Kindes abdecken. Seine geringe Erwerbsunfähigkeitsrente sei deshalb nicht pfändbar.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Für den Nachzahlungszeitraum der laufenden Rentenleistung brauche die Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht geprüft zu werden, da diese nicht rückwirkend eintreten könne. Der Kläger habe ab August 2002 seine Rente laufend und die restliche Nachzahlung erhalten. Da es sich bei der Forderung um geschuldete Sozialversicherungsbeiträge handle, seien die Pfändbarkeitsgrenzen der Anlage zu § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) unerheblich. Die Rechtmäßigkeit der Forderung sowie die Zustellung der entsprechenden Bescheide sei bestätigt worden.
Das SG lud mit Beschluss vom 26.02.2004 die W. B.-Berufsgenossenschaft zum Verfahren bei.
Die Beigeladene ergänzte gegenüber der Beklagten ihr Verrechnungsersuchen vom 27.12.1998. Zum Zeitpunkt der Verrechnung habe eine fällige Forderung gegen den Kläger in Höhe von 1.264,46 EUR bestanden. Zur Zeit bestehe noch ein Rückstand in Höhe von 15,- EUR. Eine Verrechnung dieser noch offenen Forderung solle derzeit nicht durchgeführt werden. Im Verfahren machte sie geltend, die Verrechnungsermächtigung habe sich auf den Beitragsbescheid vom 07.10.1991, auf die Säumniszuschlagbescheide für die Jahre 1992 bis 2002 und auf die Kosten der Zwangsvollstreckung bezogen. Alle Bescheide seien im Zeitpunkt der Verrechnungsermächtigung bestandskräftig gewesen. Der Widerspruch des Klägers gegen den Beitragsbescheid vom 07.10.1991 sei mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.1992 zurückgewiesen worden. Der Widerspruchsbescheid sei dem Kläger am 26.06.1992 zugestellt worden. Da der Kläger keine Klage erhoben habe, seien die Bescheide bestandskräftig geworden. Die Beigeladene legte das Schreiben an die Beklagte vom 16.03.2004, den Beitragsbescheid mit einer Beitragsschuld in Höhe von 1.021,61 DM für die Zeit von 1989 bis 1990, den Widerspruchsbescheid vom 23.06.1992 und die Postzustellungsurkunde vom 26.06.1992 sowie die Säumniszuschlagbescheide 1992 bis 2002 vor und erläuterte die Forderung (1.264,46 EUR zum Zeitpunkt der Verrechnung).
Mit Urteil vom 18.03.2005, dem Kläger zugestellt am 21.04.2005, hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 22.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2003 auf und verurteilte die Beklagte, über die Verrechnung erneut zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen führte das SG im wesentlichen aus, die Voraussetzungen der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I seien bis auf einen Betrag von 25,- EUR (Differenzbetrag von 1.289,46 EUR und 1.264,46 EUR) erfüllt. Der Differenzbetrag ergebe sich daraus, dass die Beigeladene in ihrem Verrechnungsersuchen vom 11. Juli 2002 einen Betrag aus Beitragsrückstand, Säumniszuschlägen und Kosten der Zwangsvollstreckung von insgesamt 1.289,46 EUR geltend gemacht und im Klageverfahren unter Vorlage der entsprechenden Bescheide die zum Zeitpunkt der Verrechnung fällige Forderung auf 1.264,46 EUR reduziert habe. Diese Forderung sei gegen den Kläger von der Beigeladenen rechtsverbindlich festgestellt worden, da der Kläger wegen der Beitragsforderung keine Klage und hinsichtlich der übrigen Bescheide keine Widersprüche erhoben habe. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheide obliege nicht der Beklagten und auch nicht dem Gericht, sondern der Beigeladenen. Entsprechende Einwände seien bei rechtsverbindlich gewordenen Bescheiden nur im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zulässig. Die in § 51 Abs. 2 SGB I zulässige betragsmäßige Grenze sei nicht überschritten worden. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er sozialhilfebedürftig geworden sei. Auch lägen keine Hinweise dafür vor, dass der Kläger tatsächlich Sozialhilfe in Anspruch genommen habe. Der Verrechnungsbetrag habe auch nicht die Hälfte des noch verbliebenen Nachzahlungsbetrags überschritten. Mit dem angegriffenen Bescheid der Beklagten sei der Kläger über die Verrechnung in Kenntnis gesetzt worden, diese Vorgehensweise sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe jedoch ihr Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt (§ 52 SGB I i. V. m. § 39 SGB I). Mit ihrer Formulierung im Widerspruchsbescheid "bei der Verrechnung seien weder ihr Ermessen missbraucht noch die gesetzlichen Bestimmungen fehlerhaft angewandt worden" habe die Beklagte ihr Ermessen nicht tatsächlich ausgeübt. Ermessenserwägungen bezüglich der finanziellen Situation des Klägers seien jedoch erforderlich gewesen, zumal er darauf hingewiesen habe, dass er das Geld zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes dringend benötige. Da das Gericht das Ermessen nicht für die Beklagte ausüben dürfe, sei der Verrechnungsbescheid aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine neue ermessensfehlerfreie Entscheidung zu treffen. Bei dieser Sachlage könne dahinstehen, ob der Bescheid der Beklagten schon deshalb aufzuheben gewesen sei, weil die Beklagte von einem zu hohen Verrechnungsbetrag ausgegangen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 20.05.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, das Verrechnungsersuchen der Beigeladenen sei rechtswidrig, da der Bescheid schon im Vorfeld rechtswidrig gewesen und auch deshalb nie rechtskräftig geworden sei. Auch die Frage einer eventuellen Verjährung müsse geprüft werden. Das Verrechnungsersuchen sei im übrigen im Laufe des Verfahrens nachgeschoben worden, so dass die Zulässigkeit fraglich sei. Die Beklagte habe das Ermessen überhaupt nicht ausgeübt. Auch bei einer Nachzahlung müsse die Hilfsbedürftigkeit geprüft werden. Er selbst habe über Monate kein Geld bekommen und somit auch keine Leistung erhalten. Entgegen der Entscheidung des SG sei ihm der Betrag aus der Nachzahlung bis heute nicht gezahlt worden. Auch der Betrag zur Verrechnung stimme nicht, da eindeutig zu viel berechnet worden sei.
Die Beklagte hat den aufgrund des Urteils des SG erlassenen Verrechnungsbescheid vom 08.07.2005 und den Rentenbescheid vom 05.06.2002 vorgelegt und vorgetragen, sie habe die Entscheidung des SG durch Anhörung vom 03.06.2005 und Bescheiderteilung unter Beachtung der Berichtigung des Verrechnungsersuchens seitens der Beigeladenen umgesetzt. Der Kläger habe auf die Anhörung nicht reagiert, es seien insbesondere keinerlei Nachweise zur wirtschaftlichen Situation bzw. Hilfebedürftigkeit eingereicht worden.
Die Beigeladene hat wiederholt, dass zum Zeitpunkt des Verrechnungsersuchens am 27.10.1998 alle Bescheide bestandskräftig gewesen seien. Beiträge seien aufgrund der Nachweise über ausgeführte nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten erhoben worden. Die geleisteten Helferstunden habe der Kläger selbst nachgewiesen. Der Kläger sei als Bauherr beitragspflichtig gewesen. Das Verrechnungsersuchen sei mit Schreiben vom 27.10.1998 in der Fassung des Schreibens vom 16.03.2004 vorgenommen worden. Ein erneutes Verrechnungsersuchen im Bezug auf Säumniszuschläge für das Jahr 2002 (Säumniszuschlagbescheid vom 12.02.2003) habe die Beigeladene mit Schreiben vom 28.04.2005 vorgenommen. Die Beigeladene hat die Baugenehmigung vom 29.07.1987, Stundenachweise vom 10.04.1990, 06.07.1990 und 16.08.1991, ihr Schreiben an die Beklagte vom 28.04.2005 sowie den Säumniszuschlagsbescheid vom 12.02.2003 beigefügt.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert (vgl. Niederschrift vom 13.12.2006). Die Beigeladene hat sich bereit erklärt, auf die 15,- EUR Säumniszuschlag für das Jahr 2002 zu verzichten und dem Kläger unter Berücksichtigung des von der Beklagten überwiesenen Betrages von 1289,46 EUR 25,- EUR zurückzuerstatten, so dass es bei dem ursprünglichen Verrechnungsbetrag von 1.264,46 EUR verbleibe.
Der Kläger beantragt - sinngemäß -,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. März 2005, soweit die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet wurde, sowie den Bescheid vom 8. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Betrag von 1.264,46 EUR an ihn auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt teilweise sinngemäß,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat auf Anfrage mitgeteilt, dass die dem Kläger zugesagte Erstattung von 25,- EUR am 12.02.2007 auf das Konto des Klägers vorgenommen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch statthaft ( §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG), da die verrechnete Beitragsforderung der Beigeladenen den Beschwerdewert von 500,00 EUR übersteigt. Die damit insgesamt zulässige Berufung des Klägers und seine Klage sind, soweit er nicht durch die von der Beigeladenen vorgenommene Rückerstattung von 25 EUR klaglos gestellt wurde, jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits und damit des Berufungsverfahrens ist nur noch der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2005, denn durch diesen hat die Beklagte (dem SG-Urteil entsprechend) erneut die Verrechnung eines Teils des Anspruchs des Klägers auf Rentennachzahlung mit der zur Verrechnung gestellten Beitragsforderung der Beigeladenen vorgenommen. Der Bescheid vom 08.07.2005 hat den ursprünglich beim SG angefochtenen Bescheid vom 22.07.2002/ Widerspruchsbescheid vom 24.01.2003 ersetzt und ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Über den Bescheid vom 08.07.2005 entscheidet der Senat jedoch nicht kraft Berufung, sondern kraft Klage (vgl. BSG vom 19.06.1997 - 13 RJ 23/97; BSG SozR 3 -1500 § 54 Nr. 18).
Das vom Kläger mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte, auf Aufhebung des Bescheides vom 08.07.2005 sowie des SG - Urteils, soweit die Beklagte nur zur Neubescheidung verpflichtet wurde und damit inzident die weitergehende Klage auf Auszahlung des Betrages von 1289,46 EUR abgewiesen wurde, gerichtete Begehren konnte keinen Erfolg haben. Der Bescheid vom 08.07.2005 erweist sich als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung des streitigen Nachzahlungsbetrages in Höhe von noch 1264,46 EUR, da sein Zahlungsanspruch durch Verrechnung erloschen ist.
Rechtsgrundlage für die Verrechnung ist § 52 SGB I. Danach kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist.
Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind.
Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird ( § 51 Abs. 2 SGB I in der bis 31.12.2004 gültigen Fassung). Seit 01. Januar 2005 ist der Nachweis einer Hilfebedürftigkeit nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) oder dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) erforderlich ( § 52 Abs. 2 SGB I n.F.). Bei dieser Aufrechnung ist der zuständige Träger nicht an die Pfändungsgrenzen des § 54 Abs. 2 und 4 SGB I gebunden. Die Privilegierung von Beitragsansprüchen in § 51 Abs. 2 SGB I lässt sich mit der Funktionsfähigkeit der Leistungsträger rechtfertigen. Da diese ihre Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch ausschließlich oder im wesentlichen durch Beiträge finanzieren, kommt der (pünktlichen) Zahlung dieser Beiträge entscheidende Bedeutung zu.
Die Beklagte hat die Verrechnung zulässig in Form eines Verwaltungsaktes erklärt. Der Senat folgt damit der Rechtsprechung des 7., 10., 11., 13. und 14. Senats des Bundessozialgerichts - BSG - (BSGE 64,22; BSGE 53,209; BSGE 66, 63; BSG SozR 3-1200 § 52 SGB I Nr. 3, 32; SozR 3-1200 § 51 SGB I Nr. 5) sowie der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht (Seewald in Kasseler Kommentar § 52 RdNr. 14; Hauck-Noftz, SGB I K § 51 RdNr. 5 und K § 52 RdNr. 8; Wannagat SGB I § 51 AT RdNr. 20, § 52 AT RdNr. 9, jeweils m.w.N.; Wehrhahn "Auf- und Verrechnung durch Verwaltungsakt?" in SG b 8/07, 468 f; anderer Ansicht Krauskopf, Soziale Krankenversicherung-Pflegeversicherung, § 52 SGB I RdNr. 21 unter Hinweis u.a. auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 24.07.2003, SozR 4-1200 § 52 Nr. 1). Die Verrechnungserklärung greift mit dem kraft Gesetzes eintretenden Erlöschen der wechselseitigen Forderungen unmittelbar in die durch Verwaltungsakt begründete Rechtsstellung des Klägers ein, indem seine aus der Rentenbewilligung monatlich erwachsenden Zahlungsansprüche zum Erlöschen gebracht werden. Das Institut der Verrechnung ist ein sozialrechtliches Spezifikum, der ermächtigte Leistungsträger wird aufgrund einer spezifisch öffentlich rechtlichen Befugnis (§ 52 SGB I) tätig, so dass die Verrechnungserklärung gegenüber dem Leistungsberechtigten eine hoheitliche Maßnahme, mithin einen Verwaltungsakt darstellt (BSGE 54, 208, 209 = SozR 1200 § 52 Nr. 6). Da die Erklärung in das Leistungsrecht des Berechtigten eingreift, ist er vorher anzuhören.
Der Auffassung des 4. Senats, dass die sozialrechtliche Verrechnung lediglich als rechtsgeschäftliche Ausübung zu qualifizieren ist, vermag sich der Senat nicht anzuschließen (so auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.08.2002, NZS 2003, 158; Bayrisches LSG, Urteil vom 21.09.2005 - L 13 R 4215/03 und LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.12.2005 - L 28 AL 209/04 -). Offengelassen wurde diese Frage in BSG, Urteil vom 12.07.1990 - 4 RA 47/88 - BSGE 67,143, im Urteil des 5. Senats des BSG vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R, in dem eine bescheidmäßig erklärte Verrechnung völlig unangetastet blieb, zugleich aber die Frage nach der Verwaltungsakt-Befugnis offengelassen wurde, sowie zuletzt in der Entscheidung vom 27.03.2007 - B 13 RJ 43/05 R -.
Aufrechnung bzw. Verrechnung erfordern sowohl das Vorliegen einer Aufrechnungs- Verrechnungslage als auch einer wirksamen Aufrechnungs- /Verrechnungserklärung. Die Forderung des auf- bzw. verrechnenden Leistungsträgers (Gegenforderung) muss mithin entstanden und fällig sein, während die gleichartige Forderung, mit der auf- bzw. verrechnet werden soll (Hauptforderung) bereits entstanden und erfüllbar sein muss. Der die Verrechnungserklärung abgebende Sozialleistungsträger muss ferner von dem forderungsberechtigten Leistungsträger wirksam ermächtigt worden sein.
Die Beklagte war von der Beigeladenen schriftlich ermächtigt, deren einziehbaren und nicht verjährten Ansprüche gegen den Kläger auf Zahlung von Beiträgen einschließlich Säumniszuschlägen und Kosten mit der von der Beklagten gewährten Rente wegen Erwerbsminderung zu verrechnen. Die Wirksamkeit der Verrechnung scheitert nicht an dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der aufzurechnenden Forderung (vgl. dazu BSG Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R-). Art und Umfang der Forderung wurden von der Beigeladenen im Verrechnungsersuchen vom 27.10.1998 (Beitragsrückstände einschließlich Nebenkosten in Höhe von derzeit 1988, 51 DM) in Verbindung mit den Mitteilungen vom 11.07.2002 bzw. 25.07.2002 (Restforderung von 1289,46 EUR) und vom 02.09.2002, dass sämtliche Bescheide bestandskräftig geworden seien und keine Verjährung eingetreten sei, hinreichend bestimmt. Weiter wurde die Forderung der Beigeladenen auf Zahlung der Beiträge für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten mit Schreiben vom 16.03. und 24.03.2004 weiter substantiiert und spezifiziert und die Ermächtigung insoweit ergänzt. Aus dem Beitragsbescheid für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten vom 07.10.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.1992, gegen den der Kläger keine Klage erhoben hatte, so dass er bestandskräftig wurde, sowie den ebenfalls verbindlichen, weil nicht angefochtenen Säumniszuschlagsbescheiden für die Jahre 1992 bis 2001 ergibt sich eine einziehbare Forderung der Beigeladenen von 1264,46 EUR. Diese Forderung war zum Zeitpunkt der Verrechnung noch nicht verjährt, denn bei - wie hier - unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakten beträgt die Verjährungsfrist dreißig Jahre ( § 52 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - sowohl in der bis 31.12.2001 als auch ab 01.01.2002 geltenden Fassung). Im Verrechnungsbescheid vom 08.07.2005 wurde die Forderung der Beigeladenen entsprechend der vorliegenden Bescheide aufgeschlüsselt, so dass für den Kläger klar erkennbar war, welche Beitragsansprüche in der Forderung enthalten waren und durch die Verrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollten. Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass eine Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide der Beigeladenen nicht der Beklagten und damit auch nicht dem Gericht im vorliegenden Verfahren, sondern der Beigeladenen obliegt. Der Kläger kann daher mit seinen Einwendungen gegen die Forderung der Beigeladenen in diesem Verfahren nicht durchdringen, sondern hat lediglich die Möglichkeit, bei der Beigeladenen eine Überprüfung im Rahmen eines Rücknahmeverfahrens ( § 44 SGB X) zu beantragen.
Gemäß § 51 Abs. 2 SGB I ist bei Beitragsansprüchen die Verrechnung bis zur Hälfte des monatlichen Zahlbetrags zulässig. Dies gilt auch für Rentennachzahlungen, denn der Charakter der Altersrente oder Rente wegen Erwerbsminderung als laufende Geldleistung wird durch die Tatsache, dass die Rente bei rückwirkender Gewährung nicht (mehr) in monatlichen Abständen, sondern in einem Betrag zur Auszahlung kommt, nicht berührt. Die (Nach) Zahlung erfolgte zur Erfüllung der im Nachzahlungszeitraum monatlich entstandenen Zahlungsansprüche auf laufende Rente wegen Erwerbsminderung. Diese Grenze wurde vorliegend nicht überschritten. Dabei ist der Hinweis der Beklagten im Bescheid vom 08.07.2005 zutreffend, dass für bereits abgelaufene Rentenzahlungszeiträume, für die noch keine Rentenzahlung erfolgt ist, eine Sozialhilfebedürftigkeit rückwirkend nicht mehr eintreten kann. Hat der Versicherte - wie hier - im Nachzahlungszeitraum seinen Lebensunterhalt bestritten, ohne laufende Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne des BSHG in Anspruch zu nehmen, so standen ihm tatsächlich ausreichende Mittel zur Finanzierung seines Lebensunterhalts zur Verfügung. Der Einbehalt einer Rentennachzahlung, die dem Versicherten noch nicht für seinen laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung stand, kann seine Sozialhilfebedürftigkeit für die Vergangenheit nicht berühren.
Die erforderliche Anhörung des Klägers gemäß § 24 SGB X erfolgte mit Schreiben der Beklagten vom 03.06.2005.
Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hat, ergeben sich keinerlei Hinweise dafür, dass er Sozialhilfe oder Leistungen Dritter in Anspruch nehmen musste oder sonstige Umstände, die im Rahmen der gebotenen Ermessensentscheidung Berücksichtigung finden könnten. Kraft Gesetzes steht der Beklagten im Aussenverhältnis zum Kläger kein Ermessen, sondern nur die Befugnis zur Verrechnung mit der Forderung des ermächtigenden Leistungsträgers zu. Bei der Verwendung des Begriffs "Kann" in §§ 52 SGB I handelt es sich nicht um ein "Ermessens-Kann", sondern um ein sog. "Kompetenz-Kann". Die Vorschrift räumt nicht dem die Verrechnung erklärenden Leistungsträger das Recht ein, eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang die Verrechnung zu erklären ist (vgl. BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R). Unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung, dem Verrechnungsersuchen nachzukommen, verbleiben dem ersuchten und für die Geldleistung zuständigen Leistungsträger indes die Kompetenzen, die § 51 SGB I dem aufrechnenden Leistungsträger überträgt. Er hat damit auch bei der Verrechnung die in § 51 vorgesehene Ermessensentscheidung zu treffen. Bei der notwendigen Billigkeitsprüfung hat er auch die Belange des ermächtigenden Leistungsträgers zu berücksichtigen. Wenn die Beklagte vorliegend die Verrechnung nach eingehender Prüfung für angemessen erachtet hat, zumal der Kläger im Anhörungsverfahren keine Bedenken erhoben hatte, so ist dies im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung ( §§ 39 Abs. 1 SGB I, 54 Abs. 2 Satz 2 SGG) nicht zu beanstanden.
Mit der erneuten Verrechnungserklärung der Beklagten vom 08.07.2005 (vgl. § 388 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) sind die fällige Forderung des Klägers auf Rentennachzahlung und die zur Verrechnung gestellte, fällige und nicht mit Einreden behaftete Beitragsforderung der Beigeladenen ( §§ 387, 390 BGB) in Höhe des streitigen Nachzahlungsbetrages erloschen ( § 389 BGB). Nachdem dem Kläger von der Beigeladenen 25 EUR erstattet wurden, ist er bezüglich des von der Beklagten verrechneten Betrages von 1289,46 EUR, der den tatsächlich zu verrechnenden Betrag um 25 EUR übersteigt, nicht mehr beschwert.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Frage der Zulässigkeit einer Entscheidung durch Verwaltungsakt im vorliegenden Fall für den vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch keine Bedeutung hat. Denn dass die Beklagte die Verrechnung mit Verwaltungsakt durchgeführt hat, hindert die Wirksamkeit der darin enthaltenen, auf die Herbeiführung der materiellen Rechtsfolgen einer Verrechnung (Erlöschen des Zahlungsanspruchs des Klägers) gerichteten Willenserklärung auch nach der vom 4. Senat des BSG vertretenen Ansicht nicht (BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R -).
Die Berufung und die Klage konnten hiernach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil zu der Frage, ob die Beklagte befugt war, die Verrechnung im Wege eines Verwaltungsakts zu erklären, keine einheitliche Rechtsprechung des BSG vorliegt und der Senat von der Rechtsprechung des für die Angestelltenversicherung zuständigen vierten Senats (SozR 4-1200 § 52 Nr. 1) abweicht ( § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
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