Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1718/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 6112/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. September 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Der 1958 geborene Kläger erlernte den Beruf des Gas-Wasser-Installateurs, legte 1988 die Meisterprüfung ab und war mit Unterbrechungen bis Juni 1991 in seinem Beruf beschäftigt. Seither ist er arbeitslos. Eine 1996 begonnene Umschulung zum Bürokaufmann wurde im Januar 1997 abgebrochen. Von November 1999 bis Februar 2000 erfolgte eine Ausbildung zur Fachkraft für Solartechnik in der Elektronikschule T ...
Vom 27.5. bis 6.6.2003 absolvierte der Kläger auf Kosten der Beklagten ein stationäres Heilverfahren in der Klinik am H., Bad W., aus dem er unter den Entlassungsdiagnosen "1. rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom links bei NPP L5/S 1, 2. akute Psychose mit schizoidem Einschlag" als arbeitsunfähig entlassen wurde. Aufgrund der aufgetretenen akuten Psychose könne das jetzige bzw. künftige Leistungsvermögen des Klägers nicht beurteilt werden, die Einleitung für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei momentan sinnlos.
Der Kläger beantragte im November 2003 die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beim Arbeitsamt R., welches den Antrag zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter leitete. Beigefügt war ein Gutachten des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. B., wonach von Seiten der LWS eine Funktionseinschränkung bestehe. Im Rahmen eines Beratungsgesprächs strebte der Kläger zunächst eine Schulung im CAD-Bereich und in der Folge eine Fortbildung zum Gestalter im Handwerk an. Er legte diverse Bewerbungen vor.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. von der Ärztlichen Untersuchungsstelle U ... Dr. L., dem zahlreiche Befundberichte, der HV-Entlassungsbericht der Klinik am H. und das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom August 2003 vorlagen, diagnostizierte 1. anhaltende wahnhafte Störungen, Verdacht auf paranoide Schizophrenie, 2. differentialdiagnostisch paranoide Schizophrenie und 3. Bandscheibenvorfall L5/S1, rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom. Zusammenfassend führte er aus, dass naturgemäß aufgrund der Psychose die Aussichten im Hinblick auf eine erfolgreiche und nachhaltige betriebliche Integration ganz erheblich getrübt seien. Aufwändige und kostspielige Maßnahmen zur beruflichen Reintegration halte er für nicht angezeigt. Eine Eingliederung in eine Werkstatt für psychisch Kranke lehne der Kläger ab. Zur endgültigen Klärung des beruflichen Leistungsvermögens empfehle er ein nervenärztliches Zusatzgutachten bei Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S ... Dr. S. teilte der Beklagten im Januar 2005 mit, dass es ihm aufgrund des Verhaltens des Klägers nicht möglich gewesen sei, den Kläger zu untersuchen. Vom ersten Eindruck liege sicherlich eine schwere Persönlichkeitsstörung, eventuell auch eine querulatorische Entwicklung, vor.
Gestützt auf eine prüfärztliche Stellungnahme von Dr. L. vom Februar 2005, der zufolge die Schwere der Erkrankung eine gewinnbringende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zulasse, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 3.3.2005 mit, dass Leistungen zur Rehabilitation derzeit nicht erfolgversprechend seien, da die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch die beantragte Leistung zur Rehabilitation nicht wesentlich verbessert oder wieder hergestellt werden könne. Nach den Feststellungen liege verminderte Erwerbsfähigkeit auf Zeit bis 31.1.2007 vor. Der Kläger werde daher gebeten, einen förmlichen Rentenantrag zu stellen.
Am 6.4.2005 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und beantragte die Überprüfung der Beurteilung des Dr. L., da er nach einer Umschulung voll auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne. Mit einer Umdeutung seines Reha-Antrages in einen Rentenantrag sei er nicht einverstanden.
Mit Bescheid vom 11.4.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab und wiederholte die im Schreiben vom 3.3.2005 begründete Auffassung, dass nach ihren Feststellungen nicht davon auszugehen sei, dass die Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Ergänzend wies sie darauf hin, dass ggf. eine Eingliederung in eine Werkstatt für behinderte Menschen in Betracht komme.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.5.2005 zurück.
Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) mit der Begründung, er leide weder unter anhaltenden wahnhaften Störungen noch unter einer paranoiden Schizophrenie. Er sei bewusstseinsklar, voll orientiert und fit für den Wiedereintritt in das Erwerbsleben. Er sei ohne weiteres in der Lage, den (durchschnittlichen) Anforderungen am Arbeitsmarkt stand zu halten und eine entsprechende Tätigkeit in Vollzeit aufzunehmen. Bisher eingeholte (Partei-) Gutachten akzeptiere er nicht.
Das SG hörte zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen.
Dr. J.-K., Arzt für Innere Medizin, teilte mit, internistische Erkrankungen lägen beim Kläger nicht vor. Es bestehe eine chronische paranoid-halluzinatorische Psychose, deren medikamentöse Therapie der Kläger jedoch abgelehnt habe.
Dr. S., Arzt für psychotherapeutische Medizin und Innere Medizin/Psychotherapie, berichtete unter Beifügung eines Arztbriefs von Dr. M., Ärztlicher Direktor der Klinik A. s. M., Bad S., über Behandlungen des Klägers von Juni bis Oktober 2005. Es handle sich beim Kläger um eine chronische paranoide Schizophrenie. Durch die paranoide Psychose bestehe zur Zeit keine Erwerbsfähigkeit. Zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit sei aus seiner Sicht eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik notwendig. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei derzeit nicht erfolgversprechend.
Dr. M. bekundete, der Kläger sei vom 19.5. bis 15.6.2005 zu psychotherapeutischen Kriseninterventionsgesprächen bei ihm gewesen. Beim Kläger liege eine chronfizierte paranoid-halluzinatorische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vor. Zum Zeitpunkt der Termine bei ihm sei der Kläger mit Sicherheit nicht in der Lage gewesen, erwerbsfähig zu sein. Durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben könne die Psychose des Klägers weder wesentlich gebessert oder wiederherstellt werden, noch könne hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden. Bei dem Kläger wäre eine antipsychotische medikamentöse Behandlung angezeigt, diese könne jedoch aufgrund des Fehlens von Krankheitseinsicht gegen seinen Willen nicht durchgeführt werden. Er habe daher eine Weiterbehandlung abgelehnt.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. J. ein nervenärztliches Gutachten. Dr. J. kam zu dem Ergebnis, die von Dr. M. diagnostizierte halluzinatorische Psychose habe sich nicht bestätigen lassen. Differentialdiagnostisch sei von einer latent paranoiden Psychose oder von einer querulatorisch paranoiden Persölichkeitsstruktur auszugehen. Es bestehe eine Anpassungsstörung mit verminderter Konfliktfähigkeit für alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Bei einer sofortigen Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess sei von einer schnellen Dekompensation auszugehen. Der anamnestisch bekannte lumbosakrale Bandscheibenvorfall trete zur Zeit nicht in Erscheinung und führe jetzt zu keiner weiteren Leistungsbeeinträchtigung. Aufgrund des jetzigen Befundes bestehe eine Erwerbsfähigkeit von O bis 3 Stunden täglich. Durch eine stationäre psychiatrische Maßnahme könne die Erwerbsfähigkeit des Klägers wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien nicht erforderlich.
Der Kläger legte im weiteren Verfahren noch das Gutachten des Dr. B. vom August 2005 vor.
Mit Urteil vom 19.9.2006, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 3.11.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, die begehrten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kämen hier nicht in Betracht, denn der Kläger leide auch zur Überzeugung der Kammer an einer chronisch paranoid halluzinatorischen Psychose. Aus den ärztlichen Unterlagen bzw. dem Gutachten von Dr. J. ergebe sich, dass beim Kläger eine Krankheitseinsicht fehle und deshalb die eigentlich anzuratende medizinische Rehabilitationsmaßnahme sinnlos erscheine. Der Kläger solle in Erwägung ziehen, ob er nicht die von der Beklagten angebotene befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung in Anspruch nehme und nach deren Wegfall entweder einen neuen Rentenantrag stelle oder doch die auch von Dr. J. angeratene stationäre psychiatrische Maßnahme antrete.
Hiergegen richtet sich die am 1.12.2006 beim SG eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt er vor, er sei zwar nach wie vor nicht der Auffassung, an einer chronifizierten paranoid halluzinatorischen Psychose zu leiden, dennoch sei er bereit, zur Wiedererlangung seiner vollständigen Erwerbsfähigkeit eine psychiatrische Maßnahme anzutreten. Derzeit beziehe er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Gestalt der Grundsicherung. Er wolle jedoch wieder erwerbstätig sein und sei hierzu auch in der Lage. Zur vollen Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit sei er aber auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angewiesen.
Der Kläger beantragt, - teilweise sinngemäß -,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. September 2006 sowie den Bescheid vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. G. vorgelegt, derzufolge Voraussetzung für eine berufliche Wiedereingliederungsmöglichkeit des Klägers eine konsequente Behandlung der festgestellten paranoiden Störung sei.
Der Senat hat Dr. S., Dr. J.-K. und Dr. L., Arzt für Allgemeinmedizin, als sachverständige Zeugen befragt.
Dr. S. hat dargelegt, im Laufe der Behandlung des Klägers von Juni 2005 bis November 2005 habe sich keine Änderung im Gesundheitszustand ergeben. Zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung habe der Kläger unter einer mittelgradigen depressiven Episode bei einer chronischen paranoiden Psychose gelitten. Er habe eine Überweisung zum ambulanten Vorgespräch in der psychiatrischen Institutsambulanz in Z. veranlasst, wo sich der Kläger im Oktober 2005 vorgestellt, aber eine stationäre Behandlung abgelehnt habe. Im Anschluss daran habe er die Therapie wegen Erfolglosigkeit beendet. Durch die paranoide Psychose bestehe zur Zeit keine Erwerbsfähigkeit. Aus seiner Sicht sei eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik notwendig, was vom Kläger aber abgelehnt worden sei.
Dr. J.-K. hat mitgeteilt, der Kläger habe sich bei ihm letztmalig im Mai 2005 vorgestellt.
Dr. L. hat unter Beifügung weiterer Arztunterlagen über Behandlungen des Klägers seit Juni 2005 berichtet und die erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen mitgeteilt. Es handle sich beim Kläger um eine bekannte Psychose teilweise mit Verfolgungswahn, eine medikamentöse Behandlung werde von ihm aber abgelehnt. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich im Laufe der Behandlung nicht wesentlich geändert. Seiner Ansicht nach dürfe es schwierig sein, den Kläger in einen kontinuierlichen Arbeitsalltag zu integrieren. Nach Auffassung der behandelnden Psychotherapeuten Dr. M. und Dr. S. wäre eine medikamentöse Therapie des Klägers angezeigt, diese werde von ihm aber abgelehnt.
Die Beklagte hat hierzu eine weitere ärztliche Stellungnahme des Dr. G. vorgelegt und darauf hingewiesen, dass der Antrag des Klägers auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit Bescheid vom 15.6.2007 abgelehnt worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 155 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und § 33 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sind im Urteil des SG zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Ergänzend ist auf die in § 10 SGB VI geregelten persönlichen Voraussetzungen hinzuweisen. Danach haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe nur dann erfüllt, wenn (Nr. 1) ihre Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und (Nr. 2) bei ihnen voraussichtlich (a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, (b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, (c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.
Der Beklagten ist bezüglich des "ob" der Leistungen zur Teilhabe kein Ermessen eingeräumt. Die sog. Eingangsprüfung ist vielmehr davon abhängig, ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen von § 10, § 11 (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und § 12 SGB VI (kein Leistungsausschluss) vorliegen. Diese Eingangsvoraussetzungen sind vom Gericht uneingeschränkt nachprüfbar. Lediglich die in einem zweiten Schritt zu treffende Entscheidung, "wie" die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durchzuführen sind, d. h. welche Leistungen (Art, Dauer, Umfang, Beginn- und Durchführung) in Betracht kommen, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten.
In vorliegenden Fall ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers zwar erheblich gemindert. In Übereinstimmung mit der Beklagten und dem SG vermag jedoch auch der Senat nicht die darüber hinaus erforderliche Voraussetzung festzustellen, dass diese geminderte Erwerbsfähigkeit entsprechend den vorstehend dargelegten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b SGB VI durch die begehrte Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder durch sie deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann.
Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung ist der Kläger aufgrund der psychischen Symptomatik nicht in der Lage, wettbewerbsfähig auf dem Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Dabei kann offen bleiben, ob es sich beim Kläger um eine chronifizierte paranoid-halluzinatorische Psychose aus dem schizophrenen Personenkreis (so Dr. M.) oder um eine latent paranoide Psychose (so Dr. S. und Dr. J.) handelt. Entscheidend sind die Auswirkungen der psychischen Störung im Erwerbsleben, die im Anschluss an Dr. J. einer über 3-stündigen Tätigkeit arbeitstäglich entgegen stehen. Insoweit sind sich die gehörten Ärzte einig. Nur der Gutachter Dr. B. geht von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers aus. Ungeachtet dessen, dass nicht klar ist, in welchem Zusammenhang dieses Gutachten erstattet wurde und welche Fachkompetenz der Gutachter hat, wird diese Auffassung durch die nervenfachärztlichen Äußerungen der Dres. S. und M. sowie des Sachverständigen Dr. J. widerlegt.
Eine erhebliche Minderung der Leistungsfähigkeit vermag indessen für sich genommen noch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben zu begründen. Vielmehr ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI weiter erforderlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch eine wesentlich Verschlechterung abgewendet werden kann (vgl. dazu ebenfalls BSG, Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 37/05 R). Insoweit handelt es sich um eine (echte) Voraussetzung für die Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Daran fehlt es aber im Falle des Klägers. Denn nach der den Senat überzeugenden übereinstimmenden Beurteilung der behandelnden Ärzte des Klägers, der Kurärzte der Klinik am H., des Gutachters Dr. L. und des Sachverständigen Dr. J. bedarf der Kläger vorrangig einer fachärztlichen (stationären) Behandlung in einer psychiatrischen Klinik (so Dr. S. und Dr. J.) oder im Anschluss an Dr. M. zumindest einer antipsychotischen medikamentösen Behandlung. Hierzu gehört jedoch die Kooperationsbereitschaft des Klägers, an der es bisher mangelt. Der Kläger ist - wie Dr. J. herausgearbeitet hat - nicht introspektionsfähig und ohne Krankheitseinsicht. Es besteht eine Anpassungsstörung mit verminderter Konfliktfähigkeit für alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und der Gefahr einer schnellen Dekompensation bei einer sofortigen Wiedereingliederung. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für den Senat eindeutig die Notwendigkeit einer (stationären) psychiatrischen Behandlung vor jeglicher Rehabilitation (sowohl beruflich wie auch medizinisch). Ohne fachpsychiatrische (stationäre) Behandlung des Klägers ist eine Besserung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit nicht in Sicht und jegliche Rehabilitationsmaßnahme nicht erfolgversprechend. Die berufliche Rehabilitation ist eine final ausgerichtete Leistung der sozialen Sicherung, deren erfolgreicher Abschluss vom Ziel der Eingliederung und nicht allein von der Beseitigung der Behinderung oder deren Ursache her zu beurteilen ist. Sowohl bei der Feststellung der Erforderlichkeit als auch bei der Frage der Eignung und der Erfolgsaussicht handelt es sich um Prognosen, die begleitender Kontrolle bedürfen. Dies bedeutet, dass keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorliegen dürfen, die gegen eine Geeignetheit des Klägers für eine Ausbildung und insbesondere dauerhafte berufliche Eingliederung sprechen. Solange das Krankheitsbild des Klägers nicht erfolgreich im Sinne einer Besserung behandelt worden ist, fehlt es an der bei der beruflichen Rehabilitation erforderlichen Erfolgsaussicht. Durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kann das Krankheitsbild des Klägers und damit seine Leistungsfähigkeit nicht gebessert werden, hierzu ist allein die ärztlicherseits empfohlene (stationäre) psychiatrische Behandlung in der Lage.
Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch wird von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abgewichen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Der 1958 geborene Kläger erlernte den Beruf des Gas-Wasser-Installateurs, legte 1988 die Meisterprüfung ab und war mit Unterbrechungen bis Juni 1991 in seinem Beruf beschäftigt. Seither ist er arbeitslos. Eine 1996 begonnene Umschulung zum Bürokaufmann wurde im Januar 1997 abgebrochen. Von November 1999 bis Februar 2000 erfolgte eine Ausbildung zur Fachkraft für Solartechnik in der Elektronikschule T ...
Vom 27.5. bis 6.6.2003 absolvierte der Kläger auf Kosten der Beklagten ein stationäres Heilverfahren in der Klinik am H., Bad W., aus dem er unter den Entlassungsdiagnosen "1. rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom links bei NPP L5/S 1, 2. akute Psychose mit schizoidem Einschlag" als arbeitsunfähig entlassen wurde. Aufgrund der aufgetretenen akuten Psychose könne das jetzige bzw. künftige Leistungsvermögen des Klägers nicht beurteilt werden, die Einleitung für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei momentan sinnlos.
Der Kläger beantragte im November 2003 die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beim Arbeitsamt R., welches den Antrag zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter leitete. Beigefügt war ein Gutachten des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. B., wonach von Seiten der LWS eine Funktionseinschränkung bestehe. Im Rahmen eines Beratungsgesprächs strebte der Kläger zunächst eine Schulung im CAD-Bereich und in der Folge eine Fortbildung zum Gestalter im Handwerk an. Er legte diverse Bewerbungen vor.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. von der Ärztlichen Untersuchungsstelle U ... Dr. L., dem zahlreiche Befundberichte, der HV-Entlassungsbericht der Klinik am H. und das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom August 2003 vorlagen, diagnostizierte 1. anhaltende wahnhafte Störungen, Verdacht auf paranoide Schizophrenie, 2. differentialdiagnostisch paranoide Schizophrenie und 3. Bandscheibenvorfall L5/S1, rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom. Zusammenfassend führte er aus, dass naturgemäß aufgrund der Psychose die Aussichten im Hinblick auf eine erfolgreiche und nachhaltige betriebliche Integration ganz erheblich getrübt seien. Aufwändige und kostspielige Maßnahmen zur beruflichen Reintegration halte er für nicht angezeigt. Eine Eingliederung in eine Werkstatt für psychisch Kranke lehne der Kläger ab. Zur endgültigen Klärung des beruflichen Leistungsvermögens empfehle er ein nervenärztliches Zusatzgutachten bei Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S ... Dr. S. teilte der Beklagten im Januar 2005 mit, dass es ihm aufgrund des Verhaltens des Klägers nicht möglich gewesen sei, den Kläger zu untersuchen. Vom ersten Eindruck liege sicherlich eine schwere Persönlichkeitsstörung, eventuell auch eine querulatorische Entwicklung, vor.
Gestützt auf eine prüfärztliche Stellungnahme von Dr. L. vom Februar 2005, der zufolge die Schwere der Erkrankung eine gewinnbringende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zulasse, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 3.3.2005 mit, dass Leistungen zur Rehabilitation derzeit nicht erfolgversprechend seien, da die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch die beantragte Leistung zur Rehabilitation nicht wesentlich verbessert oder wieder hergestellt werden könne. Nach den Feststellungen liege verminderte Erwerbsfähigkeit auf Zeit bis 31.1.2007 vor. Der Kläger werde daher gebeten, einen förmlichen Rentenantrag zu stellen.
Am 6.4.2005 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und beantragte die Überprüfung der Beurteilung des Dr. L., da er nach einer Umschulung voll auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne. Mit einer Umdeutung seines Reha-Antrages in einen Rentenantrag sei er nicht einverstanden.
Mit Bescheid vom 11.4.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab und wiederholte die im Schreiben vom 3.3.2005 begründete Auffassung, dass nach ihren Feststellungen nicht davon auszugehen sei, dass die Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Ergänzend wies sie darauf hin, dass ggf. eine Eingliederung in eine Werkstatt für behinderte Menschen in Betracht komme.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.5.2005 zurück.
Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) mit der Begründung, er leide weder unter anhaltenden wahnhaften Störungen noch unter einer paranoiden Schizophrenie. Er sei bewusstseinsklar, voll orientiert und fit für den Wiedereintritt in das Erwerbsleben. Er sei ohne weiteres in der Lage, den (durchschnittlichen) Anforderungen am Arbeitsmarkt stand zu halten und eine entsprechende Tätigkeit in Vollzeit aufzunehmen. Bisher eingeholte (Partei-) Gutachten akzeptiere er nicht.
Das SG hörte zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen.
Dr. J.-K., Arzt für Innere Medizin, teilte mit, internistische Erkrankungen lägen beim Kläger nicht vor. Es bestehe eine chronische paranoid-halluzinatorische Psychose, deren medikamentöse Therapie der Kläger jedoch abgelehnt habe.
Dr. S., Arzt für psychotherapeutische Medizin und Innere Medizin/Psychotherapie, berichtete unter Beifügung eines Arztbriefs von Dr. M., Ärztlicher Direktor der Klinik A. s. M., Bad S., über Behandlungen des Klägers von Juni bis Oktober 2005. Es handle sich beim Kläger um eine chronische paranoide Schizophrenie. Durch die paranoide Psychose bestehe zur Zeit keine Erwerbsfähigkeit. Zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit sei aus seiner Sicht eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik notwendig. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei derzeit nicht erfolgversprechend.
Dr. M. bekundete, der Kläger sei vom 19.5. bis 15.6.2005 zu psychotherapeutischen Kriseninterventionsgesprächen bei ihm gewesen. Beim Kläger liege eine chronfizierte paranoid-halluzinatorische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vor. Zum Zeitpunkt der Termine bei ihm sei der Kläger mit Sicherheit nicht in der Lage gewesen, erwerbsfähig zu sein. Durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben könne die Psychose des Klägers weder wesentlich gebessert oder wiederherstellt werden, noch könne hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden. Bei dem Kläger wäre eine antipsychotische medikamentöse Behandlung angezeigt, diese könne jedoch aufgrund des Fehlens von Krankheitseinsicht gegen seinen Willen nicht durchgeführt werden. Er habe daher eine Weiterbehandlung abgelehnt.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. J. ein nervenärztliches Gutachten. Dr. J. kam zu dem Ergebnis, die von Dr. M. diagnostizierte halluzinatorische Psychose habe sich nicht bestätigen lassen. Differentialdiagnostisch sei von einer latent paranoiden Psychose oder von einer querulatorisch paranoiden Persölichkeitsstruktur auszugehen. Es bestehe eine Anpassungsstörung mit verminderter Konfliktfähigkeit für alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Bei einer sofortigen Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess sei von einer schnellen Dekompensation auszugehen. Der anamnestisch bekannte lumbosakrale Bandscheibenvorfall trete zur Zeit nicht in Erscheinung und führe jetzt zu keiner weiteren Leistungsbeeinträchtigung. Aufgrund des jetzigen Befundes bestehe eine Erwerbsfähigkeit von O bis 3 Stunden täglich. Durch eine stationäre psychiatrische Maßnahme könne die Erwerbsfähigkeit des Klägers wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien nicht erforderlich.
Der Kläger legte im weiteren Verfahren noch das Gutachten des Dr. B. vom August 2005 vor.
Mit Urteil vom 19.9.2006, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 3.11.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, die begehrten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kämen hier nicht in Betracht, denn der Kläger leide auch zur Überzeugung der Kammer an einer chronisch paranoid halluzinatorischen Psychose. Aus den ärztlichen Unterlagen bzw. dem Gutachten von Dr. J. ergebe sich, dass beim Kläger eine Krankheitseinsicht fehle und deshalb die eigentlich anzuratende medizinische Rehabilitationsmaßnahme sinnlos erscheine. Der Kläger solle in Erwägung ziehen, ob er nicht die von der Beklagten angebotene befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung in Anspruch nehme und nach deren Wegfall entweder einen neuen Rentenantrag stelle oder doch die auch von Dr. J. angeratene stationäre psychiatrische Maßnahme antrete.
Hiergegen richtet sich die am 1.12.2006 beim SG eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt er vor, er sei zwar nach wie vor nicht der Auffassung, an einer chronifizierten paranoid halluzinatorischen Psychose zu leiden, dennoch sei er bereit, zur Wiedererlangung seiner vollständigen Erwerbsfähigkeit eine psychiatrische Maßnahme anzutreten. Derzeit beziehe er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Gestalt der Grundsicherung. Er wolle jedoch wieder erwerbstätig sein und sei hierzu auch in der Lage. Zur vollen Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit sei er aber auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angewiesen.
Der Kläger beantragt, - teilweise sinngemäß -,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. September 2006 sowie den Bescheid vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. G. vorgelegt, derzufolge Voraussetzung für eine berufliche Wiedereingliederungsmöglichkeit des Klägers eine konsequente Behandlung der festgestellten paranoiden Störung sei.
Der Senat hat Dr. S., Dr. J.-K. und Dr. L., Arzt für Allgemeinmedizin, als sachverständige Zeugen befragt.
Dr. S. hat dargelegt, im Laufe der Behandlung des Klägers von Juni 2005 bis November 2005 habe sich keine Änderung im Gesundheitszustand ergeben. Zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung habe der Kläger unter einer mittelgradigen depressiven Episode bei einer chronischen paranoiden Psychose gelitten. Er habe eine Überweisung zum ambulanten Vorgespräch in der psychiatrischen Institutsambulanz in Z. veranlasst, wo sich der Kläger im Oktober 2005 vorgestellt, aber eine stationäre Behandlung abgelehnt habe. Im Anschluss daran habe er die Therapie wegen Erfolglosigkeit beendet. Durch die paranoide Psychose bestehe zur Zeit keine Erwerbsfähigkeit. Aus seiner Sicht sei eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik notwendig, was vom Kläger aber abgelehnt worden sei.
Dr. J.-K. hat mitgeteilt, der Kläger habe sich bei ihm letztmalig im Mai 2005 vorgestellt.
Dr. L. hat unter Beifügung weiterer Arztunterlagen über Behandlungen des Klägers seit Juni 2005 berichtet und die erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen mitgeteilt. Es handle sich beim Kläger um eine bekannte Psychose teilweise mit Verfolgungswahn, eine medikamentöse Behandlung werde von ihm aber abgelehnt. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich im Laufe der Behandlung nicht wesentlich geändert. Seiner Ansicht nach dürfe es schwierig sein, den Kläger in einen kontinuierlichen Arbeitsalltag zu integrieren. Nach Auffassung der behandelnden Psychotherapeuten Dr. M. und Dr. S. wäre eine medikamentöse Therapie des Klägers angezeigt, diese werde von ihm aber abgelehnt.
Die Beklagte hat hierzu eine weitere ärztliche Stellungnahme des Dr. G. vorgelegt und darauf hingewiesen, dass der Antrag des Klägers auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit Bescheid vom 15.6.2007 abgelehnt worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 155 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und § 33 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sind im Urteil des SG zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Ergänzend ist auf die in § 10 SGB VI geregelten persönlichen Voraussetzungen hinzuweisen. Danach haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe nur dann erfüllt, wenn (Nr. 1) ihre Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und (Nr. 2) bei ihnen voraussichtlich (a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, (b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, (c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.
Der Beklagten ist bezüglich des "ob" der Leistungen zur Teilhabe kein Ermessen eingeräumt. Die sog. Eingangsprüfung ist vielmehr davon abhängig, ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen von § 10, § 11 (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und § 12 SGB VI (kein Leistungsausschluss) vorliegen. Diese Eingangsvoraussetzungen sind vom Gericht uneingeschränkt nachprüfbar. Lediglich die in einem zweiten Schritt zu treffende Entscheidung, "wie" die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durchzuführen sind, d. h. welche Leistungen (Art, Dauer, Umfang, Beginn- und Durchführung) in Betracht kommen, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten.
In vorliegenden Fall ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers zwar erheblich gemindert. In Übereinstimmung mit der Beklagten und dem SG vermag jedoch auch der Senat nicht die darüber hinaus erforderliche Voraussetzung festzustellen, dass diese geminderte Erwerbsfähigkeit entsprechend den vorstehend dargelegten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b SGB VI durch die begehrte Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder durch sie deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann.
Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung ist der Kläger aufgrund der psychischen Symptomatik nicht in der Lage, wettbewerbsfähig auf dem Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Dabei kann offen bleiben, ob es sich beim Kläger um eine chronifizierte paranoid-halluzinatorische Psychose aus dem schizophrenen Personenkreis (so Dr. M.) oder um eine latent paranoide Psychose (so Dr. S. und Dr. J.) handelt. Entscheidend sind die Auswirkungen der psychischen Störung im Erwerbsleben, die im Anschluss an Dr. J. einer über 3-stündigen Tätigkeit arbeitstäglich entgegen stehen. Insoweit sind sich die gehörten Ärzte einig. Nur der Gutachter Dr. B. geht von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers aus. Ungeachtet dessen, dass nicht klar ist, in welchem Zusammenhang dieses Gutachten erstattet wurde und welche Fachkompetenz der Gutachter hat, wird diese Auffassung durch die nervenfachärztlichen Äußerungen der Dres. S. und M. sowie des Sachverständigen Dr. J. widerlegt.
Eine erhebliche Minderung der Leistungsfähigkeit vermag indessen für sich genommen noch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben zu begründen. Vielmehr ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI weiter erforderlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch eine wesentlich Verschlechterung abgewendet werden kann (vgl. dazu ebenfalls BSG, Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 37/05 R). Insoweit handelt es sich um eine (echte) Voraussetzung für die Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Daran fehlt es aber im Falle des Klägers. Denn nach der den Senat überzeugenden übereinstimmenden Beurteilung der behandelnden Ärzte des Klägers, der Kurärzte der Klinik am H., des Gutachters Dr. L. und des Sachverständigen Dr. J. bedarf der Kläger vorrangig einer fachärztlichen (stationären) Behandlung in einer psychiatrischen Klinik (so Dr. S. und Dr. J.) oder im Anschluss an Dr. M. zumindest einer antipsychotischen medikamentösen Behandlung. Hierzu gehört jedoch die Kooperationsbereitschaft des Klägers, an der es bisher mangelt. Der Kläger ist - wie Dr. J. herausgearbeitet hat - nicht introspektionsfähig und ohne Krankheitseinsicht. Es besteht eine Anpassungsstörung mit verminderter Konfliktfähigkeit für alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und der Gefahr einer schnellen Dekompensation bei einer sofortigen Wiedereingliederung. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für den Senat eindeutig die Notwendigkeit einer (stationären) psychiatrischen Behandlung vor jeglicher Rehabilitation (sowohl beruflich wie auch medizinisch). Ohne fachpsychiatrische (stationäre) Behandlung des Klägers ist eine Besserung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit nicht in Sicht und jegliche Rehabilitationsmaßnahme nicht erfolgversprechend. Die berufliche Rehabilitation ist eine final ausgerichtete Leistung der sozialen Sicherung, deren erfolgreicher Abschluss vom Ziel der Eingliederung und nicht allein von der Beseitigung der Behinderung oder deren Ursache her zu beurteilen ist. Sowohl bei der Feststellung der Erforderlichkeit als auch bei der Frage der Eignung und der Erfolgsaussicht handelt es sich um Prognosen, die begleitender Kontrolle bedürfen. Dies bedeutet, dass keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorliegen dürfen, die gegen eine Geeignetheit des Klägers für eine Ausbildung und insbesondere dauerhafte berufliche Eingliederung sprechen. Solange das Krankheitsbild des Klägers nicht erfolgreich im Sinne einer Besserung behandelt worden ist, fehlt es an der bei der beruflichen Rehabilitation erforderlichen Erfolgsaussicht. Durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kann das Krankheitsbild des Klägers und damit seine Leistungsfähigkeit nicht gebessert werden, hierzu ist allein die ärztlicherseits empfohlene (stationäre) psychiatrische Behandlung in der Lage.
Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch wird von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abgewichen.
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