Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 189/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 6/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 44/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Der RLV-Zuweisungsbescheid der Beklagten vom 27. Mai 2009 für das Quartal III/09 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2010 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Der Streitwert wird auf 5000EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des zugewiesenen Regelleistungsvolumens (RLV) sowie über die Rechtmäßigkeit der dieser Berechnung zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen.
Die Klägerin ist eine radiologische Gemeinschaftspraxis mit Vorhaltung von CT und MRT und seit dem 1.1.2008 in der Zusammensetzung Frau Dr. A., Herr Dr. B. und Herr Dr. C. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Dres. B. und C. betrieben gemeinsam schon seit 2004 eine Praxis an unterschiedlichen Standorten, Frau Dr. A. kam im Januar 2008 dazu. Praxissitz der neuen Gemeinschaftspraxis ist A-Stadt. Nach einigen zeitlichen Verzögerungen hat die Klägerin ihre Praxisräume, für die sie erhebliche Investitionen vorgenommen hatte, im Laufe des Sommers 2009 fertig gestellt und ihre Tätigkeit aufgenommen. Grundlage der Investitionsentscheidung der Klägerin war ein Schreiben der Beklagten vom 02.10.2007, mit folgendem Wortlaut: "Grundsätzlich muss ich erwähnen, dass eine verbindliche Aussage bezüglich der Honorarverteilung im Jahr 2008 nicht möglich ist Somit kann ich nur Angaben machen, wie die Honorarverteilung aussehen würde, wenn sich an den jetzigen Bedingungen nichts grundlegend ändern würde Mit dem 1. Quartal 2008 erlischt Ihr Status "Junge Praxis". Dies bedeutet, dass Sie im Rahmen der Fallzahlbegrenzungsregelung an Ihren eigenen Fallzahlen aus gewissen Vorquartalen gemessen werden (sofern solche vorliegen). Letztendlich haben Sie jedoch immer Anspruch auf die durchschnittliche Fallzahl Ihrer Fachgruppe "
Mit Bescheid vom 09.06.2009 erhielt die Klägerin zudem die Genehmigung, eine Zweigpraxis in X-Stadt zu betreiben.
Die Beklagte wies der Klägerin auf der Grundlage der Fallzahlen aus dem Jahr 2008 mit Bescheid vom 27.05.2009 ein Regelleistungsvolumen in Höhe von 3.700,09 EUR für das Quartal III/09 zu. Es resultiere aus der Multiplikation der für das RLV relevanten Fallzahl aus dem Quartal III/08 mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert. Zur Förderung der Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften für fach- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften wurde ein 10%-iger Aufschlag gewährt. Die Berechnung ergibt sich aus der folgenden Tabelle:
Name RLV-Gruppe RLV-relevante Fallzahl Fallwert Fallwertabstaffellung Altersstrukturquote Aufschlag für BAG RLV
B. Radiologe ohne Vorhaltung von CT und MRT 6 36,90EUR 1 0,9919 1,1 241,57EUR
A., Radiologe ohne Vorhaltung von CT und MRT 10 36,90EUR 1 0,9874 1,1 400,79EUR
C. Radiologe ohne Vorhaltung von CT und MRT 74 36,90EUR 1 1,018 1,1 3.057,73EUR
Gegen den Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Mit Bescheiden vom 7., 9. bzw. 17. September 2009 hat die Antragsgegnerin den Mitgliedern der Klägerin jeweils mit Wirkung zum 29. Juli 2009 die Genehmigung zur Abrechnung von CT- bzw. MRT-Leistungen bzw. für Dr. A ... auch die Genehmigung zu Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie und MR-Angiographie erteilt.
Mit weiterem Bescheid vom 07.09.2009 korrigierte die Beklagte den Bescheid vom 27.05.2009 daraufhin dahingehend, dass das RLV der klägerischen Praxis auf 3.960,25EUR festgelegt wurde. Die Erhöhung ergab sich aus der Anpassung des Fallwertes für Frau Dr. A. auf 59,55EUR aufgrund der geänderten Einstufung in die Gruppe der Radiologen mit Vorhaltung von CT und MRT. Mit weiterem Bescheid vom 08.10.2009 korrigierte die Beklagte das RLV für das Quartal III/09 erneut, diesmal auf 5.860,69EUR, wobei die Einstufung in die RLV-Gruppe und die Fallwertanpassung auch für die Kollegen B. und C. vorgenommen wurde. Beide Korrekturbescheide sind Bestandteil des Widerspruchsverfahrens geworden.
Das Gesamthonorar der Klägerin belief sich nach Abrechnung auf 9.244,12EUR. Die Zahl der abgerechneten Behandlungsfälle lag bei 371. Die Honorarforderung betrug 40.600,00EUR, die Überschreitung des RLV damit 34.739,50EUR. Gegen den Honorarbescheid ist das Widerspruchsverfahren noch anhängig.
Gegen die Zuweisung des Regelleistungsvolumens ab dem Quartal III/09 wendete sich die Antragstellerin zunächst im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Das SG Marburg (Beschluss vom 06.08.2009, Az. S 11 KA 430/09 ER) gab diesem Antrag insoweit statt, als Leistungen im Fachgebiet der Radiologie bis zur Höhe des Fachgruppendurchschnitts zu vergüten seien. Der Bescheid vom 27.05.2009 sei offensichtlich rechtswidrig, weil die vorgenommene Regelung evident gegen Art. 12 GG verstoße und aufgrund des damit verbundenen Ausmaßes der Einschränkungen sogar einem Berufsverbot gleichkomme. Das Ermessen der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Zuweisung des RLV ab dem Zeitpunkt der Vorliegens aller gerätetechnischen Voraussetzungen sei insoweit auf Null reduziert, als aufgrund der Lückenhaftigkeit der untergesetzlichen Vorgaben eine andere Entscheidung als die Zuweisung eines RLV in Höhe des Fachgruppendurchschnitts nicht in Betracht komme. Zwar könne eine Zusicherung im Schreiben vom 2. Oktober 2007 nicht gesehen werden. Gleichwohl sei rechtlich zutreffend, dass die Möglichkeit des Wachstums bis zum Durchschnitt der Fachgruppe auch unter dem Regime des HV 2009 gegeben sein müsse. Eine "Junge Praxis" liege nicht vor, die Antragstellerin sei jedoch als unterdurchschnittlich abrechnende Praxis zu qualifizieren. Für diese enthalte der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 auch in der Gestalt des 20. April 2009 keine Regelung. Die Regelungsbefugnis für "Neuzulassungen von Vertragsärzten" und für "Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform" sei auf die Partner der Gesamtverträge delegiert, die hiervon unzureichend Gebrauch gemacht hätten. Es bestehe insofern eine Regelungslücke, welche vor dem Hintergrund der Grundrechtsrelevanz gefüllt werden müsse. Nach der Rechtsprechung des BSG müssten umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Da die Verpflichtung zur Gewährleistung einer gewissen Wachstumsmöglichkeit nicht allein auf junge Praxen zu beschränken sei, sondern alle Praxen erfasse, deren Umsatz den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe unterschreitet, müssten die für junge Praxen entwickelten Grundsätze für die Antragstellerin entsprechend gelten. Auch Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Patientenzahl dürften nicht gehindert werden, durch Erhöhung der Patientenzahl zumindest einen durchschnittlichen Umsatz zu erzielen. Grundsätzlich sei es auch unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen zumutbar, dass ihr pro Jahr zulässiges Honorarwachstum beschränkt werde. Es seien Wachstumsraten in einer Größenordnung zuzulassen, die es noch gestatteten, den durchschnittlichen Umsatz in absehbarer Zeit zu errechnen. Absehbar in diesem Sinne sei ein Zeitraum von fünf Jahren. Mangels abweichender Regelungen sei es der Antragstellerin nach allgemeinen Regelungen zuzubilligen, sofort bis zum Durchschnitt der Fachgruppe wachsen zu können.
Das Hessische LSG (Beschluss vom 21.12.2009, Az. L 4 KA 77/09 B ER) bestätigte diese Entscheidung insoweit, als der Klägerin für das Quartal III/2009 ein Regelleistungsvolumen auf der Basis der tatsächlich abgerechneten 379 Arztfälle und für das Quartal IV/2009 ein Regelleistungsvolumen auf der Basis von 1.500 Fällen zuerkannt wurde. Auch einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis sei es grundsätzlich zumutbar, dass ihr pro Jahr ein zulässiges Honorarwachstum beschränkt werde, wenn absehbar sei, dass der Fachgruppendurchschnitt innerhalb von fünf Jahren erreicht werde, es sei denn, es seien Umstände glaubhaft gemacht, die eine Sonderregelung rechtfertigten. Eine derartige Sonderregelung sei im vorliegenden Fall gerechtfertigt, da ein außergewöhnlicher Grund im Sinne von Abschnitt II Ziff. 3.4 Satz 3 letzter Spiegelstrich HV 2009 vorliege. Derartige außergewöhnliche Gründe lägen bereits dann vor, wenn über einen längeren Zeitraum eine Praxisführung nur unter eingeschränkten zeitlichen Bedingungen möglich gewesen sei, ohne dass es zu einer Praxisschließung gekommen sei, mit der Folge, dass in den Aufsatzquartalen auskömmliche Fallzahlen nicht zu erbringen waren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 17.02.2010.
Die Klägerin trägt vor, dass das Schreiben der Beklagten vom 02.10.2007 als Zusicherung zu verstehen sei, die einen Anspruch auf Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt beinhalte. Darüber hinaus handele es sich um eine Neugründung, der man insofern das Attribut der "Jungen Praxis" zugestehen müsse. Das untergesetzliche Regelwerk bestehend aus dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008 und dessen Umsetzung durch den Honorarvertrag 2009 (HV 2009) enthalte zudem eine Regelungslücke im Hinblick auf die Behandlung von unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen. Diese Lücke sei durch die Rechtsprechung des BSG zu den Anforderungen von Art. 12 i. V. m. Art. 3 GG sowie den Grundsätze der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu schließen. Darüber hinaus habe das BSG im Urteil vom 03.02.2010, Az. B 6 KA 1/09 R erneut entschieden, dass die Beschlüsse des Bewertungsausschusses an seiner Rechtsprechung zu unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen bzw. Aufbaupraxen zu messen seien. Das zugeteilte RLV sei im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit unangemessen. Ihr sei ein RLV zuzumessen, welches dem Fachgruppendurchschnitt entspreche und dem Umfang der Tätigkeit ab dem Quartal III/09 Rechnung trage. Hierfür sei die Heranziehung des Aufsatzzeitraums 2008 ungeeignet, was sich unmittelbar aus der Höhe des RLV ergebe. Die im Aufsatzzeitraum (Quartal III/08) erzielten Honorarwerte seien deshalb so gering, weil bei allen Partnern der Gemeinschaftspraxis in der Vergangenheit Niederlassungsschwierigkeiten bestanden hätten. Die Finanzierung und Realisierung des radiologischen Zentrums habe auf der Realisierung der Zusicherung der Beklagten mit Schreiben vom 2. Oktober 2007 beruht, wonach ein Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt möglich sei. Basierend auf diesen Eckdaten, sei ein Businessplan mit einem Gesamtinvestitionsvolumen (für Grundstückskauf, Planung und Erstellung eines Praxisneubaus, Gerätekauf, Einstellung und Schulung von Personal) von ca. 6,5 Millionen Euro erstellt worden, auf dessen Grundlage ein entsprechender Kredit aufgenommen worden sei. Im Hinblick auf die notwendigen Praxissitzverlegungen und die Einrichtung eines radiologischen Zentrums könne die Praxis der Klägerin als "Neugründung" bewertet werden. Die Regelungen in Anlage 1 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008, wonach für neu zugelassene Ärzte die durchschnittliche Zahl der kurativ-ambulanten Arztfälle des entsprechenden Vorjahresquartals herangezogen werden könne, habe die Beklagte unter Abschnitt II. Ziff. 3.35 des HV 2009 nicht oder nur unvollkommen umgesetzt. Beide Regelungen sähen nicht vor, wie lange eine Praxis als Neugründung anzusehen sei, bzw. wie Praxen, die erheblich unter dem Fachgruppendurchschnitt liegen, zu behandeln seien. Der Bescheid für das Quartal III/09 sei rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 21. Oktober 1988 – B 6 KA 71/97 R – SozR 3-2500 § 85 Nr. 28, S. 28) sei es mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art 3 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn Vertrags(zahn)ärzte mit unterdurchschnittlicher Fallzahl ihren Umsatz durch eine Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten nicht zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der (Zahn)Arztgruppe steigern könnten. Danach dürften HVM-Vorschriften über die Begrenzung des Fallzahlzuwachses nicht jedes Wachstum der einzelnen Praxis blockieren, ein gewisses, kontinuierliches Fallzahlwachstum müsse vielmehr generell möglich sein (BSG, Urteil vom 11. September 2002 – B 6 KA 30/01 R – SozR 3-2500, § 85, S. 411). Nach ihrer Auffassung dürfe deshalb selbst nach Ablauf eines Fünf-Jahres-Zeitraums die Wachstumsprivilegierung nicht dadurch relativiert werden, dass die Praxis auf ein typischerweise geringeres Punktzahl- bzw. Honorarvolumen in der Aufbauphase zurückgeworfen werde. Das BSG habe das Erreichen des Fachgruppendurchschnitts jedenfalls innerhalb von fünf Jahren für notwendig gehalten. Es sei naheliegend, ihr den Status "Junge Praxis" aufgrund der Genehmigung der Gemeinschaftspraxis zum 13. Dezember 2007 zuzubilligen. Bei den Vorgaben des Bewertungsausschusses handele es sich – entgegen der vom Hessischen LSG vertretenen Auffassung – um keine Wachstums-Regelung im Sinne der Rechtsprechung des BSG. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Möglichkeit, jeweils auf den Fallzahlen des Vorjahresquartals aufzusetzen, allen Praxen zugebilligt werde, also schon von der Logik her nicht auf Jungspraxen oder unterdurchschnittlich abrechnende Praxen zugeschnitten sei, auf die die Rechtsprechung des BSG mit notwendiger Eindeutigkeit abstelle. Zudem könne diese Regelung nur mühsam mit dem Begriff eines "Wachstums" in Verbindung gebracht werden. Unabhängig von der Tatsache, dass Wachstum Kontinuität voraussetze, sei mit dem Grundsatz der Honorargerechtigkeit nicht vereinbar, dass die in Aussicht genommene Regelung dazu führe, dass eine Praxis für den Zeitraum eines Jahres (bzw. bei entsprechendem Wachstum über mehrere Jahre) mit ihren Leistungen völlig unvergütet bleibe. Dies entspreche nicht einer angemessenen Vergütung. Das BSG nehme darüber hinaus stets eine quartalsbezogene und nicht jahresbezogene Betrachtung des Wachstums vor.
Schließlich sei im vorliegenden Verfahren noch zu berücksichtigen, dass der Fallwert für radiologische Praxen mit Vorhaltung von CT und MRT nur einheitlich gebildet werde. Den spezifischen Praxisbesonderheiten werde dabei nicht Rechnung getragen, insbesondere dann nicht, wenn schwerpunktmäßig die kostenintensiven MRT-Leistungen erbracht würden. In der klägerischen Praxis sei der Anteil der Leistungen wie folgt zu gewichten: 70% MRT, 10% CT und 20% konventionelle Radiologie.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten über die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal III/2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass es sich bei dem Schreiben vom 02.10.2007 keineswegs um eine Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X gehandelt habe, da ausdrücklich auf die Bedingung des Fortbestehens der Rechtslage hingewiesen worden sei. Die Passage, auf die sich die Klägerin beziehe, enthalte die ausdrückliche Einschränkung, dass im Rahmen von Fallzahlbegrenzungsregelungen ein Anspruch auf Zugrundelegung der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe bestehe. Streitgegenstand sei jedoch das RLV. Der Honorarvertrag 2009 gewährleiste für die Klägerin eine Wachstumsmöglichkeit durch die Anknüpfung an das jeweilige Vorjahresquartal bis zur Abstaffellung. Für eine Ausnahmeregelung sei kein Raum, da die Klägerin im Aufsatzzeitraum bereits niedergelassen gewesen sei. Von einer jungen Praxis könne nicht mehr ausgegangen werden, da zwei Mitglieder der Gemeinschaftspraxis bereits seit geraumer Zeit zugelassen seien. Die Gemeinschaftspraxis bestehe seit 1. Januar 2008 in gleicher Zusammensetzung, im Quartal III/09 stünden daher Fallzahlen aus dem Aufsatzzeitraum des Quartals III/08 zur Verfügung, weiteren Sonderkonstellationen wie dem Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten, Sicherstellungsgründe und begründete Fälle, insbesondere bei Praxisbesonderheiten, sei Rechnung getragen worden. Gegen die Übertragbarkeit der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung zur fallzahlabhängigen Quotierung und zum Individualbudget spreche, dass die Ermittlung des Regelleistungsvolumens je Arzt durch eine Multiplikation mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert erfolge. Die Darstellung, ein kontinuierliches Fallzahlwachstum sei auf Grundlage des HV 2009 nicht möglich, sei nicht nachvollziehbar. Steigerungen der Fallzahlen von Jahr zu Jahr seien so lange unbegrenzt ermöglicht, bis die vorgesehene Abstaffelung eintrete. Ein kontinuierliches Fallzahlwachstum in zeitlich angemessenem Rahmen sei damit gewährleistet. Innerhalb eines Jahres könnten auch nach der Systematik des HV 2009 durchschnittliche Werte erreicht werden. Entgegen der Auffassung des Hessischen LSG im Beschluss zum Az. L 4 KA 77/09 B ER liege kein außergewöhnlicher Grund gemäß Abschnitt II Ziffer 3.4 letzter Spiegelstrich des HV 2009 vor. Dieser Tatbestand sei nicht anwendbar, da es sich bei der Regelung bereits der Überschrift nach um Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung handele. Da keine Fallwertabstaffelung im streitgegenständlichen Quartal vorgenommen worden sei, könne diese Regelung hier keine Anwendung finden. Außergewöhnliche Gründe könnten im Sachzusammenhang der Reglung nur solche sein, die vom Vertragsarzt nicht verschuldet seien, beispielsweise das explizit genannte Kriterium Krankheit. Derartige unverschuldete Umstände seien bei der Praxisgründung der Klägerin gerade nicht erkennbar. Der Erweiterte Bewertungsausschuss habe den Partnern der Gesamtverträge im Hinblick auf die Vorgaben für Neuzulassungen und die Umwandlungen der Kooperationsform ausdrücklich einen Ermessensspielraum eingeräumt. Auf dieser Grundlage sei Ziffer 3.5 Satz 1 in den HV 2009 eingefügt worden. Schließlich komme eine Erhöhung des RLV auch nicht aufgrund von Praxisbesonderheiten in Betracht. Diese könnten erst angenommen werden, wenn eine Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30% vorliege, was bei der Klägerin nicht der Fall sei.
Die Beteiligten tragen übereinstimmend vor, dass sie die Vorgaben der Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008, 17.10.2008 und 23.10.2008 (im folgenden Beschlüsse 2008) für rechtswidrig halten. Die Beklagte weist jedoch darauf hin, dass sie an diese Vorgaben gebunden sei. Die Klägerin trägt insbesondere vor, dass es nicht in die Zuständigkeit des Bewertungsausschusses falle, das seitens des Gesetzgebers bei der Berücksichtigung der Morbiditätsstruktur vorgegebene Kriterium "Geschlecht" eigenmächtig nicht zu berücksichtigen (Teil F Nr. 3.2.2). Selbstverständlich bestünden Unterschiede in der Morbidität zwischen den Geschlechtern. Die Nichtberücksichtigung des Geschlechts durch den Bewertungsausschuss erfolge willkürlich. Auch die Ermittlung des Orientierungswertes, der HV-Quoten (Teil A Nr. 2.2, Teil B Nr. 1.2) sowie der Veränderungsrate der morbiditätsbedingten Leistungsmenge 2009 (Teil B Nr. 4) sei willkürlich erfolgt und ergebe eine Benachteiligung Hessens. Bei der EBM-Anpassung habe eine fachgruppenspezifische Anpassung erfolgen müssen, was mit der Festlegung einer einheitlichen Quote von 9,7% (Teil A Nr. 2) nicht geschehen sei. Unter dem Strich führe diese EBM-Quote dazu, dass faktisch der Orientierungswert um nahezu 10% abgesenkt worden sei. Diese liege daran, dass die zunächst bestimmte Leistungsmenge um die entsprechende Änderungsrate von 9,7% vermindert worden sei. Der Orientierungswert liege daher genau um diesen EBM-Faktor zu niedrig. Zudem habe es der Bewertungsausschuss in rechtswidriger Weise unterlassen, nach den Vorgaben des Gesetzgebers regionaler Besonderheiten in der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen auf die Prozessakten, insbesondere auch die Sitzungsniederschrift zum Termin vom 24.08.2010, sowie die beigezogenen Prozessakten zum einstweiligen Anordnungsverfahren (SG Marburg, S 11 KA 430/09 und Hessisches LSG, S 4 KA 77/09 B ER, SG Marburg, Beschluss vom 01.09.2010 – S 11 KA 604/10 ER), die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 27.05.2009, geändert durch die Bescheide vom 07.09.2009 und 08.10.2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
A. Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlagen
Die dem HV 2009 (abgeschlossen zwischen der Beklagten und den Hessischen Krankenkassenverbänden gemäß § 87a bis § 87c SGB V für die Zeit ab dem 01.01.2009, im folgenden HVV 2009) zugrunde liegenden Beschlüssen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses vom 27./28.08.2008 sowie vom 17.10.2008 und 23.10.2008 (im folgenden Beschlüsse EBewA 2008), sind ihrerseits zwar teilweise rechtswidrig, verletzen jedoch die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Kammer bestätigt diesbezüglich ihre Auffassung aus dem Grundsatzverfahren zum Az. S 11 KA 340/09, Urteil vom 06.10.2010.
Die Klägerin kann grundsätzlich die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des Bewertungsausschusses im vorliegenden Verfahren auch geltend machen. Der Zuweisungsbescheid für das RLV III/09 an die Klägerin stellt einen Verwaltungsakt dar, der mit Widerspruch und Klage angefochten werden kann. Im Rahmen dieses Verfahrens ist eine inzidente Überprüfung der dem Bescheid zugrunde liegenden Normen vorzunehmen (Engelhard in Noftz u. a., Kommentar zum SGB V, § 87b Rn. 93).
Die Zuweisung des RLV für das streitgegenständliche Quartal III/09 beruht auf den gesetzlichen Vorgaben für die Honorarverteilung, die sich aus §§ 87 ff. SGB V i. V. m. den Beschlüssen EBewA 2008 sowie dem HV 2009 ergeben. Eine Rechtsverletzung der Klägerin ergibt sich aus den Beschlüssen EBewA 2008 jedoch nicht.
Dem Bewertungsausschuss kommt bei der ihm übertragenen Aufgabe der Konkretisierung des Inhalts des Gesetzes Gestaltungsfreiheit zu (so das BSG in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 17.03.2010, Az. B 6 KA 43/08 R; Urteil vom 03.02.2009, Az. B 6 KA 31/08 R) Der Gestaltungsspielraum des BewA ist auch von der Rechtsprechung zu respektieren. Gleichwohl unterliegt der Bewertungsausschuss als untergesetzlicher Normgeber gerichtlicher Kontrolle; er ist an die einfachgesetzlichen Vorgaben ebenso wie an die grundrechtlichen Gewährleistungen in Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG gebunden (BSG, Urteil vom 17.03.2010 – B 6 KA 41/08 R).
Die richterliche Kontrolle untergesetzlicher Normen beschränkt sich jedoch darauf, ob die äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber überschritten wurden. Dies ist erst dann der Fall, wenn die getroffene Regelung in einem "groben Missverhältnis" zu den mit ihr verfolgten legitimen Zwecken steht (BVerfGE 108, 1, 19), d. h. in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (so BVerwGE 125, 384 Rn. 16; vgl. auch BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 6 KA 49/07 R). Die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen des BewA ist somit im Wesentlichen auf die Prüfung beschränkt, ob sich die untergesetzliche Norm auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums eingehalten sind. Der BewA überschreitet den ihm eröffneten Gestaltungsspielraum, wenn sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass seine Entscheidungen von sachfremden Erwägungen getragen sind – etwa weil eine Gruppe von Leistungserbringern bei der Honorierung bewusst benachteiligt wird – oder dass es im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG keinerlei vernünftige Gründe für die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem bzw. für die ungleiche Behandlung von im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalten gibt (BVerfG, Beschluss vom 22.10.2004, SozR 4-2500 § 87 Nr 6 RdNr. 19, 21 m.w.N.). Diese Anforderungen an die Intensität einer gerichtlichen Kontrolle untergesetzlicher Normen bedürfen der Modifizierung, sofern das Normprogramm auf tatsächliche Verhältnisse Bezug nimmt und/oder eine Regelung als sog. "zahlenförmige Norm" getroffen wird. Macht eine Norm tatsächliche Umstände – beispielsweise die bundesdurchschnittlichen Kostenquoten der Arztgruppen in einem bestimmten Jahr – zur Grundlage ihrer Regelung, erstreckt sich die gerichtliche Überprüfung insbesondere darauf, ob die Festlegung frei von Willkür ist. Dies ist der Fall, wenn bei allen Arztgruppen nach denselben Maßstäben verfahren wurde, aber auch dann, wenn weitere Gesichtspunkte – etwa eine unterschiedliche Einkommensentwicklung der Arztgruppen – eine differenzierte Regelung sachlich rechtfertigen. Enthält eine Honorierungsregelung, die als solche keine Grundrechtsbeeinträchtigung von gewisser Intensität betrifft, als Tatbestandsmerkmale Zahlen oder Formeln, haben die Gerichte zu prüfen, ob sachliche Gründe erkennbar sind, welche die getroffene Festlegung als nicht willkürlich erscheinen lassen. Dabei müssen sie Streitpunkten nachgehen und die Einwände der Prozessbeteiligten würdigen. Allerdings darf die gerichtliche Kontrolldichte speziell der Entscheidungen des BewA nicht überspannt werden. Denn der an den Bewertungsausschuss gerichtete gesetzliche Gestaltungsauftrag zur Konkretisierung der Grundlagen der vertragsärztlichen Honorarverteilung umfasst auch den Auftrag zu einer sinnvollen Steuerung des Leistungsgeschehens in der vertragsärztlichen Versorgung. Hierzu bedarf es komplexer Kalkulationen, Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen, die nicht jeden Einzelfall abbilden können, sondern notwendigerweise auf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen angewiesen sind. Die gerichtliche Überprüfung eines komplexen und auch der Steuerung dienenden Regelungsgefüges darf sich deshalb nicht isoliert auf die Bewertung eines seiner Elemente beschränken, sondern muss stets auch das Gesamtergebnis der Regelung mit in den Blick nehmen. Die Richtigkeit jedes einzelnen Elements in einem mathematischen, statistischen oder betriebswirtschaftlichen Sinne ist deshalb nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der gesamten Regelung (BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 6 KA 49/07 R).
Unter Berücksichtigung dieses gerichtlichen Überprüfungsmaßstabes genügt der Beschluss des BewA vom 27./28.08.2008 in großen Teilen den gesetzlichen Anforderungen. In den §§ 87 ff. SGB V werden die Änderungen des Gesundheitssystems durch die Einführung des sog. Gesundheitsfonds durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung im SGB V umgesetzt. Abweichend von der bisherigen Systematik ziehen die Krankenkassen ihre Beiträge zwar weiterhin ein, übertragen sie dann jedoch an den Gesundheitsfonds, § 52 SGB V. Die Mittelzuteilung aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen erfolgt sodann im Rahmen des Risikostrukturausgleichs, § 266 SGB V, unter Berücksichtigung von Morbiditätsgesichtspunkten. Für den Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung bestimmen die §§ 87a-c SGB V sodann, welche Summen von der jeweiligen Krankenkasse den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Finanzierung der vertragsärztlichen Versorgung nach welchen Kriterien zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen dieses Systems legen die §§ 87 bis 87b SGB V in umfangreicher Form die Ausgestaltung des Honorarverteilungssystems fest. § 87c SGB V enthält davon abweichend bzw. dazu ergänzend spezifische Vorgaben für die Übergangsjahre 2009 und 2010.
I. Bildung des Orientierungspunktwertes, Teil A
Für das Jahr 2009 geben §§ 87 Abs. 2e Satz 1 Nr. 1 bis 3, 87c SGB V zunächst die Bildung eines bundesweiten Orientierungspunktwertes vor. Dieser ist rechnerisch durch die Division des Finanzvolumens durch die Leistungsmenge zu ermitteln, § 87c Abs. 1 Satz 2 SGB V. Das Finanzvolumen ergibt sich aus der Summe der bundesweit insgesamt für das Jahr 2008 nach § 85 Abs. 1 SGB V zur entrichtenden Gesamtvergütungen in Euro, welche um die für das Jahr 2009 geltenden Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 SGB V für das gesamte Bundesgebiet zu erhöhen ist, § 87c Abs. 1 Satz 3 SGB V. Die Leistungsmenge ist als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes abzubilden; sie ergibt sich aus der Hochrechnung der dem Bewertungsausschuss vorliegenden aktuellen Abrechnungsdaten, die mindestens 4 Kalendervierteljahre umfassen. Bei dieser Hochrechnung sind Simulationsberechnungen zu den Auswirkungen des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen einheitlichen Bewertungsmaßstabes auf die von den Ärzten abgerechnete Leistungsmenge sowie unterjährige Schwankungen der Leistungsmenge im Zeitverlauf entsprechend der in den Vorjahren zu beobachtenden Entwicklung zu berücksichtigen, § 87c Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB V. Für die Hochrechnung nach Satz 4 übermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen dem Bewertungsausschuss unentgeltlich bis zum 01. Juni 2008 die ihnen vorliegenden aktuellen Daten über die Menge der abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen, die mindestens 4 Kalendervierteljahre umfassen, jeweils nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung und Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen, § 87c Abs. 1 Satz 6 SGB V.
Diese gesetzlichen Vorgaben hat der Bewertungsausschuss in seinen Beschlüssen 2008 in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt. Dabei hat er – da die Daten für das Jahr 2008 noch nicht zur Verfügung standen – auf die Datengrundlage für das Finanzvolumen von 2007 zurückgegriffen und jeweils die Grundlohnsummensteigerung für die Jahre 2008 und 2009 in seine Berechnungen mit einbezogen. Das Gericht hält den von den gesetzlichen Vorgaben abweichenden Rückgriff auf die Zahlen des Jahres 2007 in Anbetracht des gesetzlich vorgegebenen Zeitpunktes der Beschlussfassung für nicht zu beanstanden, zumal die Grundlohnsummensteigerungen für die Jahre 2008 und 2009 Berücksichtigung fanden und es sich um das letzte vollständig abgerechnete Leistungsjahr gehandelt hat.
EBM-Quote
Darüber hinaus hat der EBewA die EBM-Auswirkungen zum 01.01.2008 in gesetzeskonformer Weise mit einer Quote von 9,7% in seine Berechnungen einbezogen. Der Bewertungsausschuss hat die Berechnungsweise dieser Quote auf der Grundlage eines Vergleichs der Punktzahl je Behandlungsfall in den Quartalen I/07 und I/08 vorgenommen. Dabei wurde zwar nur das Datenmaterial aus zwei Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) berücksichtigt. Dies war jedoch darauf zurückzuführen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung das komplette Datenmaterial für das Quartal I/08 nicht aus allen KVen vorlag und so nur auf der Basis der Vorabübermittlung der Daten aus zwei KVen überhaupt Daten gewonnen werden konnten. Das Gericht hält dieses Vorgehen insbesondere auch deshalb für nicht zu beanstanden, da sich auch retrospektiv – nach Vorlage sämtlicher Daten – kein Anpassungsbedarf für die EBM-Quote ergeben hat. Eine fachgruppenspezifische Berechnung – wie sie die Klägerin fordert – ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Bildung einer einheitlichen Quote für alle Fachgruppen liegt zur Überzeugung des Gerichts im Rahmen des Gestaltungsspielraums des BewA.
HVV-Quote
Das Gericht ist zweifelsfrei der Überzeugung, dass die Berücksichtigung einer bundeseinheitlichen sog. HVV-Quote in Teil A der Beschlüsse BewA 2008 sowie auch deren Berechnung keinen rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Konformität mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 87c Abs. 1 S. 6 SGB V begegnet. Insbesondere kann das Gericht – entgegen des Vortrags der Klägerin – keine willkürliche Festlegung erkennen. Durch die Multiplikation der Leistungsmenge des Jahres 2007 mit der HVV-Quote hat der Bewertungsausschuss die gesetzliche Vorgabe berücksichtigt, dass sachlich-rechnerische Berichtigungen sowie die Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen in die Berechnung einzubeziehen sind. Sinn und Zweck der Bildung einer bundeseinheitlichen HVV-Quote war, dass unterschiedliche Verteilungseffekte und Honorarverteilungsgrundsätze der Vergangenheit der Kassenärztlichen Vereinigung zu einer bundesdurchschnittlichen einheitlichen Berechnung des anerkannten Leistungsbedarfes herangezogen werden, mit dem Ziel einer zukünftigen Vereinheitlichung der vertragsärztlichen Vergütung bundesweit zu erreichen.
Die rechnerische Ermittlung der Quoten erfolgte durch Bildung eines Quotienten aus der Netto- und Bruttoleistungsmenge für jede KV. Die Bruttoleistungsmenge entspricht dabei der insgesamt regional abgerechneten Leistungsmenge. Die Nettoleistungsmenge berechnet sich durch Addition der Leistungsmengen, die im Rahmen der regionalen Honorarverteilung mit einem nicht abgestaffelten Punktwert vergütet wurden und der Leistungsmenge, die sich aus dem Verhältnis aus abgestaffeltem und vollem Punktwert ergibt. Das Gericht geht nicht davon aus, dass auch die zu abgestaffelten Punktwerten vergüteten Leistungen als vollwertige Leistungen in die Berechnung mit einbezogen werden mussten, da dies dem gesetzlichen Zweck der Berücksichtigung der Honorarbegrenzungsmaßnahmen zuwider laufen würde. Der BewA musste daher für Hessen gerade nicht eine HVV-Quote von 99,4% berücksichtigen, sondern hat zutreffend die auf dem von Hessen gelieferten Datenmaterial beruhende Quote von 94,21% errechnet. Aus dieser Übersicht ergibt sich auch zweifelsfrei die Richtigkeit der Berechnung der bundeseinheitlichen HVV-Quote von zunächst 90,59% im Beschluss des EBewA vom 27./28.8.2008. Das Gericht hält es auch für richtig, dass diese Quote – nachdem ein Fehler im Datenmaterial einer KV entdeckt worden war – auf 90,48% im Beschluss des EBewA vom 23.10.2008 angepasst wurde.
Letztendlich hat der Bewertungsausschuss einen Orientierungspunktwert von 3,5001 Cent in nicht zu beanstandender Weise ermittelt. Vielmehr entspricht die Berechnungsweise den gesetzlichen Vorgaben. Der Klägerin kann in ihrer Argumentation, der Orientierungspunktwert liege faktisch genau um die EBM-Quote zu niedrig, nicht gefolgt werden.
Dass der Orientierungspunktwert damit deutlich unter dem kalkulatorischen Punktwert von 5,11 Cent liegt, ist zwangsläufige Folge der gesetzlich vorgegebenen Systematik. Bei dem Kalkulationspunktwert handelt es sich lediglich um eine Rechengröße. Im Übrigen ist der EBewA im Hinblick auf die Abweichungen seiner Beobachtungspflicht nachgekommen, indem er mit Beschluss vom 20. Mai 2009 das Institut des BewA mit einer Überprüfung der Kalkulationsgrundlagen des EBM beauftragt hat.
II. Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung, Teil B
Neu im System der Honorarverteilung unter dem Regime des Gesundheitsfonds ist die Bildung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung nach § 87a Abs. 3, § 87c Abs. 4 SGB V. Ziel dieser neuen Regelungssystematik ist eine Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen, da diese für zusätzliche Leistungen, die aus einem Anstieg des Behandlungsbedarfs der Versicherten herrühren auch rückwirkend noch mehr Honorar zur Verfügung stellen müssen (BT Drucksache 16/3100 Seite 88). Nach den gesetzlichen Vorgaben berechnet sich die Gesamtvergütung, die jede Krankenkasse an die Kassenärztliche Vereinigung zu zahlen hat, aus dem Produkt des Behandlungsbedarf jedes Versicherten, der Zahl der Versicherten, sowie den regionalen Punktwerten nach der Euro-Gebührenordnung. Für das Jahr 2009 bestimmt sich der mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundene Behandlungsbedarf abweichend von § 87a Abs. 3 Satz 1 SGB V für jede Krankenkasse wie folgt:
Für jede Krankenkasse ist die im Jahr 2008 voraussichtlich erbrachte Menge der vertragsärztlichen Leistungen je Versicherten der jeweiligen Krankenkasse um die vom Bewertungsausschuss unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß § 87a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB V zu schätzende bundesdurchschnittliche Veränderungsrate der morbiditätsbedingten Leistungsmenge je Versichertem des Jahres 2008 gegenüber dem Vorjahr anzupassen und mit der voraussichtlichen Zahl der Versicherten der Krankenkassen im Jahr 2009 zu multiplizieren. Die im Jahr 2008 voraussichtlich erbrachte Menge der vertragsärztlichen Leistungen ergibt sich aus der Hochrechnung der den Vertragsparteien vorliegenden aktuellen Daten über die Menge der abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen, die mindestens 4 Kalendervierteljahre umfassen, jeweils nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung und Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen; bei der Hochrechnung sind Simulationsberechnungen zu den Auswirkungen bis zum 01. Januar 2008 in Kraft getretenen einheitlichen Bewertungsmaßstabes auf die von den Ärzten abgerechnete Leistungsmenge sowie unterjährige Schwankungen der Leistungsmenge im Zeitverlauf entsprechend der in den Vorjahren zu beobachtenden Entwicklung zu berücksichtigen, § 87c Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V. Die Kassenärztlichen Vereinigungen übermitteln den in § 87a Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten Verbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen die Daten nach Satz 5 unentgeltlich bis zum 31. Oktober 2008, § 87c Abs. 4 Satz 6 SGB V. Der Bewertungsausschuss seinerseits beschließt bis zum 31. August 2008 ein zwingend zu beachtendes Verfahren zur Berechnung des Behandlungsbedarfs nach den Sätzen 1 bis 4 einschließlich der dafür erforderlichen Daten, § 87c Abs. 5 SGB V.
HVV-Quote
Auf der Grundlage dieser Ermächtigungsnorm hat das Gericht zwar Zweifel daran, dass diese Ermächtigungsnorm in hinreichendem Maße die in Teil B der Beschlüsse BewA 2008 erarbeiteten länderspezifischen HVV-Quoten legitimiert. Die Zweifel nähren sich insbesondere aus dem Umstand, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes eine bundeseinheitliche Quote zu bilden war. Zudem ist auffällig, dass die Regelungen der §§ 87 c Abs. 1 und 4 SGB V wortgleich sind. Damit scheint aus systematischen Erwägungen heraus zweifelhaft, warum für die Bildung des Orientierungswertes in Teil A eine bundeseinheitliche HVV-Quote zu bilden sein soll, für die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in Teil B jedoch andere Maßstäbe gelten. Jedoch steht nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass diese Quotenbildung in Teil B in grobem Missverhältnis zu den mit ihr verfolgten legitimen Zwecken gestanden hat und damit willkürlich erfolgt ist. Jedenfalls hat der EBewA mit dieser Quotenbildung nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts die äußersten rechtlichen Grenzen seiner Rechtssetzungsbefugnis überschritten. Die Bildung der länderspezifischen HVV-Quoten ist weder unverhältnismäßig noch unvertretbar sowohl hinsichtlich der einheitlichen Quote für die neuen Bundesländer als auch hinsichtlich der Ausdifferenzierung der Quoten für die alten Bundesländer.
Neue Bundesländer
Für die neuen Bundesländer wurde zum Zwecke der Angleichung des Ost-West-Gefälles in der vertragsärztlichen Vergütung eine einheitlich erhöhte HVV-Quote von 95,17% gebildet. Diese Aufstockung erfolgte jedoch nicht zu Lasten der alten Bundesländer, so dass eine Beschwer der Klägerin nicht resultierte. Dass die Krankenkassen zusätzliches Geld zur Absenkung des Ost-West-Gefälles in das System gegeben haben, mag ungerechtfertigt sein, da dieses Geld offensichtlich zur Verfügung stand und womöglich auch anderweitig und auch zugunsten der Klägerin hätte verwendet werden können. Nach der gesetzlichen Vorgabe gab es jedoch für die Klägerin keinen Anspruch auf eine über der bundesdurchschnittlichen Quote liegende HVV-Quote, sondern das Gesetz sieht ausdrücklich eine am tatsächlichen Leistungsbedarf orientierte Quotenbildung vor, die zu einer bundeseinheitlichen Quote von 90,48% geführt hat.
Alte Bundesländer
Die weitere Ausdifferenzierung dieser einheitlichen Quote in den alten Bundesländern erfolgte anhand des Kriteriums der Ausgaben pro Versichertem in der jeweiligen KV. So hat sich rechnerisch ein Zuschlag von 15% bzw. Abschlag von 8,2% auf die Differenz der KV-spezifischen zur bundesdurchschnittlichen Vergütung je Versichertem ergeben. Hintergrund dieser Anpassung war die Tatsache, dass die stringente Durchführung der Honorarverteilung nach der gesetzlichen Systematik zu Honorarverwerfungen geführt hätte. Das Gericht vermag nachzuvollziehen, dass es KVen gegeben hat, die durch die gesetzliche Regelungssystematik in doppelter Weise negativ betroffen worden sind.
Diese doppelte negative Betroffenheit abzuschmelzen hält das Gericht für einen legitimen Zweck, dem der BewA insbesondere vor dem Hintergrund seines Auftrags zur sinnvollen Steuerung des Leistungsgeschehens Rechnung tragen durfte. Hinzu kommt, dass die Regelung unstreitig nicht Verluste gegenüber den Vergleichszeiträumen für einzelne KVen bedeutet hat, sondern ausschließlich mit der Honorarreform verbundene Zuwächse abgeschwächt wurden. Insoweit hat die Honorarreform gleichwohl eine Vermehrung der zur Verfügung stehenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütung bewirkt, so dass sich die Relation von Maßnahme und Zweck auch unter diesem Aspekt keinesfalls als unverhältnismäßig darstellt. Eine unangemessene Benachteiligung Hessens ergibt sich jedenfalls nicht. Der Beklagten stehen durch die Herabsenkung der hessischen HVV-Quote von 90,48% auf 90,40% 1,6 Mio. EUR weniger zur Verfügung. Dies entsprach hinsichtlich der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung einer Reduzierung des Zuwachses um 0,09%, hinsichtlich der Gesamtvergütung insgesamt einer Reduzierung um 0,07%. Dies erscheint dem Gericht im Hinblick auf den legitimen Zweck der Regelung hinnehmbar.
Das Gericht hält auch die doppelte Berücksichtigung der HVV-Quote – einerseits bei der Berechnung des Orientierungspunktwertes, andererseits bei der Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, in die der Orientierungspunktwert wiederum einfließt – für rechtmäßig. Diese zweifache Berücksichtigung ist im Gesetzeswortlaut ausdrücklich angelegt.
III. Regionale Besonderheiten
Auf der Grundlage des ermittelten Orientierungswertes vereinbaren die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres Punktwerte, die zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden sind, § 87a Abs. 2 Satz 1 SGB V. Aus diesen Punktwerten und dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen gemäß § 87 Abs. 1 SGB V ist eine regionale Gebührenordnung mit Europreisen (regionale Euro-Gebührenordnung) zu erstellen, § 87a Abs. 2 Satz 6 erster Halbsatz SGB V. Bei der Bildung dieser Euro-Gebührenordnung können die Vertragspartner Zu- und Abschläge von den Orientierungswerten vereinbaren um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen, § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V, wobei zwingend die Vorgaben des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 2f) SGB V anzuwenden sind, § 87a Abs. 2 Satz 3 SGB V.
§ 87 Abs. 2f) SGB V bestimmt wiederum, dass der Bewertungsausschuss jährlich bis zum 31. August Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Abs. 2 SGB V festlegt, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den Orientierungswerten nach Abs. 2e Satz 1 abgewichen werden kann. § 87 Abs. 2f) Satz 2 bis Abs. 2g) SGB V am Ende legt sodann das Verfahren für die Bildung der Indikatoren und die zugrunde zu legenden Maßstäbe fest. Abweichend hiervon bestimmt § 87c SGB V für das Jahr 2009, dass – sollte es dem Bewertungsausschuss bis zum 31. August 2008 nicht möglich sein, die zu Erstellung eigener Indikatoren erforderlichen Daten zu erheben und auszuwerten – er die Abweichungen der Wirtschaftskraft eines Bundeslandes von der bundesdurchschnittlichen Wirtschaftskraft mit Hilfe von amtlichen Indikatoren ermitteln kann. Diesem gesetzlichen Auftrag ist der BewA im Beschluss vom 27. und 28.08.2008, Teil C nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Der EBewA stellt lapidar fest, dass nach sorgfältiger Prüfung der Datengrundlagen und deren Eignung keine Indikatoren zur Messung der regionalen Wirtschaftskraft für das Jahr 2009 anzuwenden seien. Dies gelte auch für Indikatoren zur Versorgungs- und Kostenstruktur. Auch hier seien regionale Besonderheiten nicht feststellbar. Diese Einschätzung hält das Gericht mit der Klägerin für unzutreffend, da allgemein bekannt ist, dass die Bundesländer im Hinblick auf ihre Wirtschaftskraft über sehr unterschiedliche Voraussetzungen verfügen. Zudem hält es das Gericht für fernliegend, dass die statistischen Ämter des Bundes und der Länder keinerlei Indikatoren liefern können, die die Kosten- und Versorgungsstruktur zwischen den Ländern analysierbar machen, auch wenn dem BewA zuzugeben sein mag, dass die Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Regionen innerhalb eines Landes ggf. mehr Signifikanz haben. Die gänzliche Nichtberücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben hält das Gericht vor diesem Hintergrund jedoch für schlechterdings unvertretbar. Der Gesetzgeber hat in den o. g. Vorschriften ein sehr detailgenaues System zur Feststellung dieser regionalen Besonderheiten erarbeitet und bereits in der Gesetzesbegründung formuliert, dass er davon ausgehe, dass die amtlichen Indikatoren die relevanten unter den Ländern bestehenden Niveauunterschiede bei den Praxiskosten hilfsweise abbilden könnten (Bundestagsdrucksache 16/3100 Seite 129). Wenn der Bewertungsausschuss vor diesem Hintergrund lapidar feststellt, es gäbe diese vom Gesetzgeber vorgesehenen Besonderheiten nicht, so ersetzt er eine gesetzgeberische Wertentscheidung und setzt sich selber an die Stelle des demokratischen Normgebers. Damit überschreitet er seine im Rahmen der Normdelegation übertragene Normsetzungskompetenz. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich keinen Spielraum für den Bewertungsausschuss im Hinblick auf das "Ob" der Bestimmung von Indikatoren für die Messung regionaler Besonderheiten vorgesehen.
Die Rechtswidrigkeit des Beschlusses in Teil C führt jedoch nicht unmittelbar zu einer Verletzung der Klägerin in ihren Rechten, da die Indikatoren für regionalen Besonderheiten ausschließlich im Rahmen der Bildung der Euro-Gebührenwerte eine Rolle spielen und es im Ermessen der Gesamtvertragsparteien liegt zu entscheiden, ob nach den vom Bewertungsausschuss vorzugebenden Kriterien eine Anpassung der Euro-Gebührenwerte vorgenommen wird. Insoweit bestehen zwei unterschiedliche Rechtskreise (vgl. dazu oben) auch weiterhin fort. Im Rahmen der Vorschriften über regionale Besonderheiten ist die gesetzliche Konstruktion – anders als im Bereich der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung – so ausgelegt, dass ein Umsetzungsakt auf Landesebene weiterhin notwendig bleibt, um dem gesetzlichen Auftrag Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund ist eine hypothetische Rechtsverletzung der Klägerin nur unter der Prämisse gegeben, dass in Hessen tatsächlich von der Verhandlungsmöglichkeit zwischen den Parteien der Gesamtverträge Gebrauch gemacht worden wäre und dies zugunsten der Klägerin. Je nach Indikator wäre auch ein Abschlag auf die Gebührenwerte durchaus denkbar.
IV. Differenzierung der Morbidität nach Geschlecht
§ 87b Abs. 3 Satz 5 SGB V gibt vor, dass die Morbidität mit Hilfe der Kriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen ist. Der EBewA stellt davon abweichend in seinem Beschluss vom 27. und 28.08.2008 Teil F Nr. 3.2.2 fest, dass das Kriterium Geschlecht sich nicht zur Abbildung der Morbidität eigne, da das abgerechnete Volumen durch dieses Kriterium nicht signifikant beeinflusst werde. Auch insoweit weicht der EBewA ausdrücklich vom Gesetzeswortlaut ab. Das Gericht hält es an dieser Stelle jedoch für nachvollziehbar und hinreichend plausibel, dass eine Analyse des Datenmaterials genau dieses Ergebnis ergeben hat. Insofern mag der EBewA keine Möglichkeit gehabt haben, die gesetzliche Grundlage in vernünftiger Art und Weise umzusetzen. Entgegen der Auffassung der Klägerin erscheint diese Abweichung zumindest nicht willkürlich.
Auf der Grundlage dieser rechtmäßigen bzw. nicht rechtsverletzenden Rechtsgrundlagen in Verbindung mit dem HV 2009 hat die Beklagte jedoch das RLV der Klägerin nicht zutreffend festgesetzt.
B. Zusicherung
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass in dem Schreiben vom 02.10.2007 eine Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X nicht gesehen werden kann. Aus dem Wortlaut des Schreibens im Zusammenhang folgt bereits, dass die dort getroffenen Aussagen nur auf der Grundlage der damals geltenden Bestimmungen Geltung beansprucht haben. Der Verfasser bringt sehr deutlich zum Ausdruck, dass seinen Äußerungen im Hinblick auf zukünftig zu erwartende Änderungen der Rechtsgrundlage, als unverbindlich zu verstehen sind.
Gleichwohl ist die dort getroffene Aussage der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit eines Wachstums bis zum Durchschnitt der Fachgruppe auch unter dem Regime des HV 2009 rechtlich zutreffend.
C. Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt
Die Rechtswidrigkeit des RLV-Zuweisungsbescheides ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts zunächst aus der Tatsache, dass die Beklagte nach wie vor die Vorgaben des BSG zu den Wachstumsmöglichkeiten für unterdurchschnittliche Praxen missachtet. Das Gericht hält insoweit an seiner Rechtsprechung, Beschluss vom 06.08.2009, Az.: S 11 KA 430/09 ER sowie Beschluss vom 01.09.2010, S 11 KA 604/10 ER ausdrücklich fest. Das BSG hat wiederholt klargestellt, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (ua BSGE 83, 52, 58 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 ff; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 195; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; zuletzt Urteil vom 03.02.2010, B 6 KA 1/09 R). Dem Vertragsarzt muss - wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sogenannten Honorarverteilungsgerechtigkeit (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 17 sowie das weitere Urteil vom 28.3.2007, B 6 KA 10/06 R MedR 2007, 560 = USK 2007-26) – die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSG, Urteile vom 28.1.2009 aaO). Daher ist allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen (stRspr des 6. Senats, ua BSGE 83, 52, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 f; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 28) und damit ihre Praxis zu einer mit typischen Umsätzen auszubauen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 17; BSG MedR 2007, 560 = USK 2007-26).
Für neu gegründete Praxen hat das BSG in seiner Entscheidung vom 03.02.2010 dies dahingehend präzisiert, dass für sog. "Aufbaupraxen" bzw. "Anfängerpraxen" insoweit Besonderheiten gelten, als ihnen in der Aufbauphase, die auf einen Zeitraum von drei, vier oder fünf Jahren bemessen werden kann (vgl. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; BSG MedR 2007, 560 = USK 2007-26), die Steigerung auf den Durchschnittsumsatz sofort möglich sein muss, während dies anderen, noch nach der Aufbauphase unter-durchschnittlich abrechnenden Praxen jedenfalls innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden muss (BSG jeweils aaO). Allerdings haben auch Aufbaupraxen keinen Anspruch auf Teilhabe an der Honorarverteilung, der über den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe hinausgeht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19). Diese Rechtsprechung des BSG, der sich das Gericht vollumfänglich anschließt, bezieht sich ausdrücklich auf die hier streitgegenständliche Problematik von Fallzahlzuwachsregelungen.
Ausgehend hiervon geht das Gericht davon aus, dass es sich bei der Klägerin um eine Aufbaupraxis, wenn auch nicht Anfängerpraxis handelt, die erst seit dem 01.01.2008 in der jetzigen Zusammensetzung besteht. Für diese Aufbaupraxis gebietet es der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, jegliche Fallzahlbegrenzungen bis zum Durchschnitt der Fachgruppe in der Aufbauphase zu unterlassen.
Das Gericht geht weiter davon aus, dass diese letztlich aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Rechtsprechung auch für die mit dem GKV-WSG geschaffenen Regelleistungsvolumina gilt (so auch Engelhard in: Hauck/Haines, SGB V, § 87b, Rn. 96).
Zunächst bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der BewA bzw. EBewA überhaupt berechtigt ist, Regelungen zu den Praxen in der Aufbauphase selbst nur subsidiär vorzusehen und im Übrigen an die Gesamtvertragsparteien auf regionaler Ebene zu delegieren. Probleme hinsichtlich der Delegationsbefugnis sieht das Gericht im Hinblick auf § 87b Abs. 4 SGB V, wonach der Bewertungsausschuss u. a. das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten zu bestimmen hat (Satz 1). Die Befugnis der Gesamtvertragsparteien ist demgegenüber darauf beschränkt, gemäß den Vorgaben des Bewertungsausschusses nach den Sätzen 1 und 2 unter Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der Regelleistungsvolumina nach Absatz 5 konkret anzuwendende Berechnungsformel festzustellen (§ 87b Abs. 4 Satz 3 SGB V). Daraus könnte zu schließen sein, dass der Bewertungsausschuss wenigstens in groben Zügen die Behandlung von jungen Praxen bzw. Aufbaupraxen zu regeln hat. Im Hinblick auf die in §§ 87b SGB V zum Ausdruck kommenden honorarpolitischen Vereinheitlichungstendenzen und der Tatsache, dass regionale Besonderheiten für die Behandlung sog. junger Praxen ohne Bedeutung sind, dürfte dies auch dem Zweck der Aufteilung der Befugnisse entsprechen. Das Gericht hält die vorgenommene Delegation jedoch im Ergebnis im Rahmen des Gestaltungsspielraums des BewA für zulässig.
Das Gericht ist jedoch der Überzeugung, dass die Gesamtvertragsparteien des HV 2009 der Rechtsprechung des BSG zu Praxen in der Aufbauphase nicht hinreichend Rechnung getragen haben. Sie haben durch die Regelung Nr. 3.5 die Aufbauphase faktisch auf ein Jahr begrenzt. Wer im Vorjahresquartal als Aufsatzquartal bereits zugelassen war, kann nach dem Wortlaut der Vorschrift nur die seinerzeit abgerechnete Fallzahl, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie unter der durchschnittlichen Fallzahl liegt, erhalten. In der Folgezeit gelten dann die Regelungen, die für alle unter-durchschnittlichen Praxen gelten (s. sogleich). Nr. 3.5 HV 2009, die insoweit die subsidiär geltende Regelung des Erweiterten Bewertungsausschusses übernimmt, ist somit offensichtlich nicht im Einklang zu der genannten Rechtsprechung des BSG (Bedenken zu Nr. 3.5 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 7. Sitzung am 27./28.8.2008, Teil F insoweit auch bei Engelhard, aaO., Rdnr. 97). Zwar muss der Beklagten darin gefolgt werden, dass der Erweiterte Bewertungsausschuss den Partnern der Gesamtverträge im Hinblick auf die Gestaltung der Vorgaben für Neuzulassungen und Umwandlungen der Kooperationsform einen Ermessensspielraum eingeräumt hat. Dieser Ermessensspielraum wird jedoch durch die Rechtsprechung des BSG zu unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen bzw. Praxen in der Aufbauphase begrenzt. Die Kammer hält insoweit ausdrücklich an ihrer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bereits dargelegten Rechtsauffassung fest, wonach der HV 2009 im Hinblick auf Regelungen zu Wachstumsmöglichkeiten unterdurchschnittlich abrechnender Praxen bzw. Aufbaupraxen lückenhaft ist. Diese Lücke wird jedoch durch die Rechtsprechung des BSG zu dieser Frage geschlossen. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 02.03.2010, der sich die Kammer ausdrücklich anschließt, erneut bekräftigt, dass selbst der Bewertungsausschuss an die Vorgaben dieser Rechtsprechung gebunden ist. Dies entspricht aufgrund der grundrechtlichen Relevanz der Thematik im Hinblick auf die Betroffenheit des aus Art. 3 und 12 GG hergeleiteten Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit auch rechtssystematischen Erwägungen.
Weder für unterdurchschnittliche Praxen noch für Praxen in der Aufbauphase sieht der HV 2009 eine ausdrückliche Regelung vor. Die Höhe des Regelleistungsvolumens eines Arztes ergibt sich aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes gemäß Anlage 2 und der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal. Damit gilt die tatsächliche Fallzahl des Vorjahresquartals. Eine Steigerung des Regelleistungsvolumens im Folgejahr ist daher nur möglich, wenn im aktuellen Quartal die Fallzahl im Vergleich zum Vorjahresquartal regelleistungswidrig gesteigert werden kann. Dies widerspricht nicht nur dem Zweck, möglichst auch eine Leistungsausweitung zu verhindern, sondern zwingt den Vertragsarzt dazu, zunächst vergütungslos Leistungen zu erbringen, um im Folgejahr seine Vergütung steigern zu können. Je geringer die RLV-relevante Fallzahl ist, um so prozentual höher ist der Teil der Leistungen, der zunächst ohne Vergütung erbracht werden muss. Zwar sind damit theoretisch enorme Umsatzsprünge denkbar. Dies gilt aber im Übrigen auch für durchschnittliche bzw. überdurchschnittliche Praxen; insofern greift dann nur ab 150 % der durchschnittlichen Fallzahl die Abstaffelungsregelung. Damit gibt der HV 2009 einen Weg vor, der es Praxen in der Aufbauphase nicht ermöglicht, abrechnungskonform, also ohne nennenswerte Honorareinbußen, ein durchschnittliches Regelleistungsvolumen zu erhalten. Dies hält das Gericht im Anschluss an seine Rechtsprechung (Beschluss vom 06.08.2009 – S 11 KA 430/09 ER und Beschluss vom 01.09.2010 – S 11 KA 604/10 ER) für rechtswidrig (insofern abweichend, aber ohne Thematisierung der aufgezeigten Problematik die Beschwerdeentscheidung LSG Hessen, Beschluss v. 21.12.2009 L 4 KA 77/09 B ER –; vgl. a. Engelhard, aaO, Rdnr. 98). Das Gericht hält es im Rahmen der BSG-Rechtsprechung entgegen der Beklagten für unerheblich, warum die Partner der Klägerin in den Aufsatzquartalen nur geringe Fallzahlen hatten. Jedenfalls sind geringe Fallzahlen in Aufsatzquartalen gerade charakteristisch für Praxen, die unterdurchschnittlich abrechnen bzw. sich in der Aufbauphase befinden. Warum diese Fallzahlen gering sind, vermag dabei im Einzelfall dahinstehen.
Das Gericht hält die Annahme der Beschwerdeinstanz, die Praxis der Antragstellerin könne binnen eines Jahres – bezogen auf das RLV – durchschnittliche Honorarwerte erreichen, für nicht zutreffend. Diese Annahme gilt nur dann, wenn bereits im Vorjahresquartal der RLV-Berechnung eine Fallzahl zugrunde gelegt wird, die bereits dem Durchschnitt der Fachgruppe entspricht. Es ist unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen sowie Praxen in der Aufbauphase auf der Grundlage des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht zuzumuten, dass ein Großteil der Leistungen über den Zeitraum eines Jahres unvergütet bleiben, nur um ein Jahr später wieder an die Leistungsmenge bzw. die Fallzahl anknüpfen zu können. Die Klägerin hat völlig recht mit ihrer Behauptung, dass insoweit schon begrifflich nicht mehr von einer "Wachstums"möglichkeit gesprochen werden kann. Darüber hinaus folgt das Gericht der Klägerin auch dahingehend, dass die Betrachtung des Wachstums quartalsbezogen und nicht jahresbezogen zu erfolgen hat. Das Beispiel der Klägerin manifestiert anschaulich, dass sich auch mehr als ein Jahr nach tatsächlicher Aufnahme der Praxistätigkeit – im Quartal III/2010 – auf der Grundlage der Rechtsprechung der Beschwerdeinstanz eine Situation perpetuiert, die dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in keiner Weise mehr Rechnung trägt (vgl. dazu Beschluss vom 01.09.2010 – S 11 KA 604/10 ER).
Das Gericht hält vorliegend mit der Beklagten die von Seiten der Beschwerdeinstanz der Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsgrundlage einer Sonderregelung zum RLV nach Abschnitt II Ziff. 3.2.1. HV 2009 im Sinne eines außergewöhnlichen Grundes gem. Abschnitt II Ziff. 3.4 Satz 3 letzter Spiegelstrich HV 2009 für nicht einschlägig. Die Regelung findet sich unter der Überschrift "Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung". Da im streitgegenständlichen Quartal keine Fallwertabstaffelung vorgenommen wurde, kann diese Regelung schon begrifflich keine Anwendung finden. Eine Sonderregelung ist der Klägerin auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des BSG zu Praxen in der Aufbauphase zu gewähren. Dies wird die Beklagte bei ihrer erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben.
D. Fallwertdifferenzierung in der Gruppe der Fachärzte für Diagnostische Radiologie mit Vorhaltung von CT und MRT
Schließlich steht der Klägerin keine Sonderregelung im Hinblick auf den Fallwert zu, weil sie behauptet, schwerpunktmäßig kostenintensive MRT-Leistungen zu erbringen. Die Bildung der für das RLV relevanten Fach(arzt-)gruppen ist vom EBewA in Anlage 1 zum Beschluss vom 27./28.8.2008 im Rahmen seines Gestaltungsspielraums geregelt. Dort wird differenziert zwischen:
- Fachärzte für Diagnostische Radiologie ohne Vorhaltung von CT und MRT
- Fachärzte für Diagnostische Radiologie mit Vorhaltung von CT
- Fachärzte für Diagnostische Radiologie mit Vorhaltung von MRT
- Fachärzte für Diagnostische Radiologie mit Vorhaltung von CT und MRT
Die Klägerin wird in letzterer Arztgruppe geführt. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass es innerhalb dieser Gruppe je nach Schwerpunkt der Praxis zu großen Unterschieden in der Kostenstruktur kommen kann. So wird eine Praxis, die schwerpunktmäßig konventionelle Radiologie betreibt, jedoch auch CT und MRT vorhält, von den im Verhältnis zu den anderen radiologischen Fachgruppen in der Regel deutlich höheren Fallwerten profitieren, während eine Praxis wie die der Klägerin, die schwerpunktmäßig kostenintensive MRT-Leistungen erbringt, möglicherweise Probleme mit der Kostendeckung bekommt. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest, dass es innerhalb dieser Fachgruppe die eigene unternehmerische Entscheidung jedes Arztes ist, sein Leistungsspektrum zu gestalten. Hierfür trägt jeder Arzt das unternehmerische Risiko. Dass Radiologen, die CT und MRT vorhalten sog. "Verdünnerscheine" im Bereich der konventionellen Radiologie benötigen, um ihre Praxis wirtschaftlich zu führen, ist der Kammer bekannt. Insoweit rechtfertigt der Umstand, dass die Klägerin sich entschieden hat, schwerpunktmäßig MRT-Leistungen zu erbringen, keine Sonderregelung im Hinblick auf eine Anhebung des Fallwertes.
Nach alledem musste die Klage Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil hatte die Verfahrenskosten zu tragen.
Für die Streitwertfestsetzung gilt in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, dass, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Der Streitwert wird auf 5000EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des zugewiesenen Regelleistungsvolumens (RLV) sowie über die Rechtmäßigkeit der dieser Berechnung zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen.
Die Klägerin ist eine radiologische Gemeinschaftspraxis mit Vorhaltung von CT und MRT und seit dem 1.1.2008 in der Zusammensetzung Frau Dr. A., Herr Dr. B. und Herr Dr. C. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Dres. B. und C. betrieben gemeinsam schon seit 2004 eine Praxis an unterschiedlichen Standorten, Frau Dr. A. kam im Januar 2008 dazu. Praxissitz der neuen Gemeinschaftspraxis ist A-Stadt. Nach einigen zeitlichen Verzögerungen hat die Klägerin ihre Praxisräume, für die sie erhebliche Investitionen vorgenommen hatte, im Laufe des Sommers 2009 fertig gestellt und ihre Tätigkeit aufgenommen. Grundlage der Investitionsentscheidung der Klägerin war ein Schreiben der Beklagten vom 02.10.2007, mit folgendem Wortlaut: "Grundsätzlich muss ich erwähnen, dass eine verbindliche Aussage bezüglich der Honorarverteilung im Jahr 2008 nicht möglich ist Somit kann ich nur Angaben machen, wie die Honorarverteilung aussehen würde, wenn sich an den jetzigen Bedingungen nichts grundlegend ändern würde Mit dem 1. Quartal 2008 erlischt Ihr Status "Junge Praxis". Dies bedeutet, dass Sie im Rahmen der Fallzahlbegrenzungsregelung an Ihren eigenen Fallzahlen aus gewissen Vorquartalen gemessen werden (sofern solche vorliegen). Letztendlich haben Sie jedoch immer Anspruch auf die durchschnittliche Fallzahl Ihrer Fachgruppe "
Mit Bescheid vom 09.06.2009 erhielt die Klägerin zudem die Genehmigung, eine Zweigpraxis in X-Stadt zu betreiben.
Die Beklagte wies der Klägerin auf der Grundlage der Fallzahlen aus dem Jahr 2008 mit Bescheid vom 27.05.2009 ein Regelleistungsvolumen in Höhe von 3.700,09 EUR für das Quartal III/09 zu. Es resultiere aus der Multiplikation der für das RLV relevanten Fallzahl aus dem Quartal III/08 mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert. Zur Förderung der Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften für fach- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften wurde ein 10%-iger Aufschlag gewährt. Die Berechnung ergibt sich aus der folgenden Tabelle:
Name RLV-Gruppe RLV-relevante Fallzahl Fallwert Fallwertabstaffellung Altersstrukturquote Aufschlag für BAG RLV
B. Radiologe ohne Vorhaltung von CT und MRT 6 36,90EUR 1 0,9919 1,1 241,57EUR
A., Radiologe ohne Vorhaltung von CT und MRT 10 36,90EUR 1 0,9874 1,1 400,79EUR
C. Radiologe ohne Vorhaltung von CT und MRT 74 36,90EUR 1 1,018 1,1 3.057,73EUR
Gegen den Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Mit Bescheiden vom 7., 9. bzw. 17. September 2009 hat die Antragsgegnerin den Mitgliedern der Klägerin jeweils mit Wirkung zum 29. Juli 2009 die Genehmigung zur Abrechnung von CT- bzw. MRT-Leistungen bzw. für Dr. A ... auch die Genehmigung zu Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie und MR-Angiographie erteilt.
Mit weiterem Bescheid vom 07.09.2009 korrigierte die Beklagte den Bescheid vom 27.05.2009 daraufhin dahingehend, dass das RLV der klägerischen Praxis auf 3.960,25EUR festgelegt wurde. Die Erhöhung ergab sich aus der Anpassung des Fallwertes für Frau Dr. A. auf 59,55EUR aufgrund der geänderten Einstufung in die Gruppe der Radiologen mit Vorhaltung von CT und MRT. Mit weiterem Bescheid vom 08.10.2009 korrigierte die Beklagte das RLV für das Quartal III/09 erneut, diesmal auf 5.860,69EUR, wobei die Einstufung in die RLV-Gruppe und die Fallwertanpassung auch für die Kollegen B. und C. vorgenommen wurde. Beide Korrekturbescheide sind Bestandteil des Widerspruchsverfahrens geworden.
Das Gesamthonorar der Klägerin belief sich nach Abrechnung auf 9.244,12EUR. Die Zahl der abgerechneten Behandlungsfälle lag bei 371. Die Honorarforderung betrug 40.600,00EUR, die Überschreitung des RLV damit 34.739,50EUR. Gegen den Honorarbescheid ist das Widerspruchsverfahren noch anhängig.
Gegen die Zuweisung des Regelleistungsvolumens ab dem Quartal III/09 wendete sich die Antragstellerin zunächst im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Das SG Marburg (Beschluss vom 06.08.2009, Az. S 11 KA 430/09 ER) gab diesem Antrag insoweit statt, als Leistungen im Fachgebiet der Radiologie bis zur Höhe des Fachgruppendurchschnitts zu vergüten seien. Der Bescheid vom 27.05.2009 sei offensichtlich rechtswidrig, weil die vorgenommene Regelung evident gegen Art. 12 GG verstoße und aufgrund des damit verbundenen Ausmaßes der Einschränkungen sogar einem Berufsverbot gleichkomme. Das Ermessen der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Zuweisung des RLV ab dem Zeitpunkt der Vorliegens aller gerätetechnischen Voraussetzungen sei insoweit auf Null reduziert, als aufgrund der Lückenhaftigkeit der untergesetzlichen Vorgaben eine andere Entscheidung als die Zuweisung eines RLV in Höhe des Fachgruppendurchschnitts nicht in Betracht komme. Zwar könne eine Zusicherung im Schreiben vom 2. Oktober 2007 nicht gesehen werden. Gleichwohl sei rechtlich zutreffend, dass die Möglichkeit des Wachstums bis zum Durchschnitt der Fachgruppe auch unter dem Regime des HV 2009 gegeben sein müsse. Eine "Junge Praxis" liege nicht vor, die Antragstellerin sei jedoch als unterdurchschnittlich abrechnende Praxis zu qualifizieren. Für diese enthalte der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 auch in der Gestalt des 20. April 2009 keine Regelung. Die Regelungsbefugnis für "Neuzulassungen von Vertragsärzten" und für "Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform" sei auf die Partner der Gesamtverträge delegiert, die hiervon unzureichend Gebrauch gemacht hätten. Es bestehe insofern eine Regelungslücke, welche vor dem Hintergrund der Grundrechtsrelevanz gefüllt werden müsse. Nach der Rechtsprechung des BSG müssten umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Da die Verpflichtung zur Gewährleistung einer gewissen Wachstumsmöglichkeit nicht allein auf junge Praxen zu beschränken sei, sondern alle Praxen erfasse, deren Umsatz den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe unterschreitet, müssten die für junge Praxen entwickelten Grundsätze für die Antragstellerin entsprechend gelten. Auch Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Patientenzahl dürften nicht gehindert werden, durch Erhöhung der Patientenzahl zumindest einen durchschnittlichen Umsatz zu erzielen. Grundsätzlich sei es auch unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen zumutbar, dass ihr pro Jahr zulässiges Honorarwachstum beschränkt werde. Es seien Wachstumsraten in einer Größenordnung zuzulassen, die es noch gestatteten, den durchschnittlichen Umsatz in absehbarer Zeit zu errechnen. Absehbar in diesem Sinne sei ein Zeitraum von fünf Jahren. Mangels abweichender Regelungen sei es der Antragstellerin nach allgemeinen Regelungen zuzubilligen, sofort bis zum Durchschnitt der Fachgruppe wachsen zu können.
Das Hessische LSG (Beschluss vom 21.12.2009, Az. L 4 KA 77/09 B ER) bestätigte diese Entscheidung insoweit, als der Klägerin für das Quartal III/2009 ein Regelleistungsvolumen auf der Basis der tatsächlich abgerechneten 379 Arztfälle und für das Quartal IV/2009 ein Regelleistungsvolumen auf der Basis von 1.500 Fällen zuerkannt wurde. Auch einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis sei es grundsätzlich zumutbar, dass ihr pro Jahr ein zulässiges Honorarwachstum beschränkt werde, wenn absehbar sei, dass der Fachgruppendurchschnitt innerhalb von fünf Jahren erreicht werde, es sei denn, es seien Umstände glaubhaft gemacht, die eine Sonderregelung rechtfertigten. Eine derartige Sonderregelung sei im vorliegenden Fall gerechtfertigt, da ein außergewöhnlicher Grund im Sinne von Abschnitt II Ziff. 3.4 Satz 3 letzter Spiegelstrich HV 2009 vorliege. Derartige außergewöhnliche Gründe lägen bereits dann vor, wenn über einen längeren Zeitraum eine Praxisführung nur unter eingeschränkten zeitlichen Bedingungen möglich gewesen sei, ohne dass es zu einer Praxisschließung gekommen sei, mit der Folge, dass in den Aufsatzquartalen auskömmliche Fallzahlen nicht zu erbringen waren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 17.02.2010.
Die Klägerin trägt vor, dass das Schreiben der Beklagten vom 02.10.2007 als Zusicherung zu verstehen sei, die einen Anspruch auf Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt beinhalte. Darüber hinaus handele es sich um eine Neugründung, der man insofern das Attribut der "Jungen Praxis" zugestehen müsse. Das untergesetzliche Regelwerk bestehend aus dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008 und dessen Umsetzung durch den Honorarvertrag 2009 (HV 2009) enthalte zudem eine Regelungslücke im Hinblick auf die Behandlung von unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen. Diese Lücke sei durch die Rechtsprechung des BSG zu den Anforderungen von Art. 12 i. V. m. Art. 3 GG sowie den Grundsätze der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu schließen. Darüber hinaus habe das BSG im Urteil vom 03.02.2010, Az. B 6 KA 1/09 R erneut entschieden, dass die Beschlüsse des Bewertungsausschusses an seiner Rechtsprechung zu unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen bzw. Aufbaupraxen zu messen seien. Das zugeteilte RLV sei im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit unangemessen. Ihr sei ein RLV zuzumessen, welches dem Fachgruppendurchschnitt entspreche und dem Umfang der Tätigkeit ab dem Quartal III/09 Rechnung trage. Hierfür sei die Heranziehung des Aufsatzzeitraums 2008 ungeeignet, was sich unmittelbar aus der Höhe des RLV ergebe. Die im Aufsatzzeitraum (Quartal III/08) erzielten Honorarwerte seien deshalb so gering, weil bei allen Partnern der Gemeinschaftspraxis in der Vergangenheit Niederlassungsschwierigkeiten bestanden hätten. Die Finanzierung und Realisierung des radiologischen Zentrums habe auf der Realisierung der Zusicherung der Beklagten mit Schreiben vom 2. Oktober 2007 beruht, wonach ein Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt möglich sei. Basierend auf diesen Eckdaten, sei ein Businessplan mit einem Gesamtinvestitionsvolumen (für Grundstückskauf, Planung und Erstellung eines Praxisneubaus, Gerätekauf, Einstellung und Schulung von Personal) von ca. 6,5 Millionen Euro erstellt worden, auf dessen Grundlage ein entsprechender Kredit aufgenommen worden sei. Im Hinblick auf die notwendigen Praxissitzverlegungen und die Einrichtung eines radiologischen Zentrums könne die Praxis der Klägerin als "Neugründung" bewertet werden. Die Regelungen in Anlage 1 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008, wonach für neu zugelassene Ärzte die durchschnittliche Zahl der kurativ-ambulanten Arztfälle des entsprechenden Vorjahresquartals herangezogen werden könne, habe die Beklagte unter Abschnitt II. Ziff. 3.35 des HV 2009 nicht oder nur unvollkommen umgesetzt. Beide Regelungen sähen nicht vor, wie lange eine Praxis als Neugründung anzusehen sei, bzw. wie Praxen, die erheblich unter dem Fachgruppendurchschnitt liegen, zu behandeln seien. Der Bescheid für das Quartal III/09 sei rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 21. Oktober 1988 – B 6 KA 71/97 R – SozR 3-2500 § 85 Nr. 28, S. 28) sei es mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art 3 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn Vertrags(zahn)ärzte mit unterdurchschnittlicher Fallzahl ihren Umsatz durch eine Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten nicht zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der (Zahn)Arztgruppe steigern könnten. Danach dürften HVM-Vorschriften über die Begrenzung des Fallzahlzuwachses nicht jedes Wachstum der einzelnen Praxis blockieren, ein gewisses, kontinuierliches Fallzahlwachstum müsse vielmehr generell möglich sein (BSG, Urteil vom 11. September 2002 – B 6 KA 30/01 R – SozR 3-2500, § 85, S. 411). Nach ihrer Auffassung dürfe deshalb selbst nach Ablauf eines Fünf-Jahres-Zeitraums die Wachstumsprivilegierung nicht dadurch relativiert werden, dass die Praxis auf ein typischerweise geringeres Punktzahl- bzw. Honorarvolumen in der Aufbauphase zurückgeworfen werde. Das BSG habe das Erreichen des Fachgruppendurchschnitts jedenfalls innerhalb von fünf Jahren für notwendig gehalten. Es sei naheliegend, ihr den Status "Junge Praxis" aufgrund der Genehmigung der Gemeinschaftspraxis zum 13. Dezember 2007 zuzubilligen. Bei den Vorgaben des Bewertungsausschusses handele es sich – entgegen der vom Hessischen LSG vertretenen Auffassung – um keine Wachstums-Regelung im Sinne der Rechtsprechung des BSG. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Möglichkeit, jeweils auf den Fallzahlen des Vorjahresquartals aufzusetzen, allen Praxen zugebilligt werde, also schon von der Logik her nicht auf Jungspraxen oder unterdurchschnittlich abrechnende Praxen zugeschnitten sei, auf die die Rechtsprechung des BSG mit notwendiger Eindeutigkeit abstelle. Zudem könne diese Regelung nur mühsam mit dem Begriff eines "Wachstums" in Verbindung gebracht werden. Unabhängig von der Tatsache, dass Wachstum Kontinuität voraussetze, sei mit dem Grundsatz der Honorargerechtigkeit nicht vereinbar, dass die in Aussicht genommene Regelung dazu führe, dass eine Praxis für den Zeitraum eines Jahres (bzw. bei entsprechendem Wachstum über mehrere Jahre) mit ihren Leistungen völlig unvergütet bleibe. Dies entspreche nicht einer angemessenen Vergütung. Das BSG nehme darüber hinaus stets eine quartalsbezogene und nicht jahresbezogene Betrachtung des Wachstums vor.
Schließlich sei im vorliegenden Verfahren noch zu berücksichtigen, dass der Fallwert für radiologische Praxen mit Vorhaltung von CT und MRT nur einheitlich gebildet werde. Den spezifischen Praxisbesonderheiten werde dabei nicht Rechnung getragen, insbesondere dann nicht, wenn schwerpunktmäßig die kostenintensiven MRT-Leistungen erbracht würden. In der klägerischen Praxis sei der Anteil der Leistungen wie folgt zu gewichten: 70% MRT, 10% CT und 20% konventionelle Radiologie.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten über die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal III/2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass es sich bei dem Schreiben vom 02.10.2007 keineswegs um eine Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X gehandelt habe, da ausdrücklich auf die Bedingung des Fortbestehens der Rechtslage hingewiesen worden sei. Die Passage, auf die sich die Klägerin beziehe, enthalte die ausdrückliche Einschränkung, dass im Rahmen von Fallzahlbegrenzungsregelungen ein Anspruch auf Zugrundelegung der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe bestehe. Streitgegenstand sei jedoch das RLV. Der Honorarvertrag 2009 gewährleiste für die Klägerin eine Wachstumsmöglichkeit durch die Anknüpfung an das jeweilige Vorjahresquartal bis zur Abstaffellung. Für eine Ausnahmeregelung sei kein Raum, da die Klägerin im Aufsatzzeitraum bereits niedergelassen gewesen sei. Von einer jungen Praxis könne nicht mehr ausgegangen werden, da zwei Mitglieder der Gemeinschaftspraxis bereits seit geraumer Zeit zugelassen seien. Die Gemeinschaftspraxis bestehe seit 1. Januar 2008 in gleicher Zusammensetzung, im Quartal III/09 stünden daher Fallzahlen aus dem Aufsatzzeitraum des Quartals III/08 zur Verfügung, weiteren Sonderkonstellationen wie dem Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten, Sicherstellungsgründe und begründete Fälle, insbesondere bei Praxisbesonderheiten, sei Rechnung getragen worden. Gegen die Übertragbarkeit der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung zur fallzahlabhängigen Quotierung und zum Individualbudget spreche, dass die Ermittlung des Regelleistungsvolumens je Arzt durch eine Multiplikation mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert erfolge. Die Darstellung, ein kontinuierliches Fallzahlwachstum sei auf Grundlage des HV 2009 nicht möglich, sei nicht nachvollziehbar. Steigerungen der Fallzahlen von Jahr zu Jahr seien so lange unbegrenzt ermöglicht, bis die vorgesehene Abstaffelung eintrete. Ein kontinuierliches Fallzahlwachstum in zeitlich angemessenem Rahmen sei damit gewährleistet. Innerhalb eines Jahres könnten auch nach der Systematik des HV 2009 durchschnittliche Werte erreicht werden. Entgegen der Auffassung des Hessischen LSG im Beschluss zum Az. L 4 KA 77/09 B ER liege kein außergewöhnlicher Grund gemäß Abschnitt II Ziffer 3.4 letzter Spiegelstrich des HV 2009 vor. Dieser Tatbestand sei nicht anwendbar, da es sich bei der Regelung bereits der Überschrift nach um Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung handele. Da keine Fallwertabstaffelung im streitgegenständlichen Quartal vorgenommen worden sei, könne diese Regelung hier keine Anwendung finden. Außergewöhnliche Gründe könnten im Sachzusammenhang der Reglung nur solche sein, die vom Vertragsarzt nicht verschuldet seien, beispielsweise das explizit genannte Kriterium Krankheit. Derartige unverschuldete Umstände seien bei der Praxisgründung der Klägerin gerade nicht erkennbar. Der Erweiterte Bewertungsausschuss habe den Partnern der Gesamtverträge im Hinblick auf die Vorgaben für Neuzulassungen und die Umwandlungen der Kooperationsform ausdrücklich einen Ermessensspielraum eingeräumt. Auf dieser Grundlage sei Ziffer 3.5 Satz 1 in den HV 2009 eingefügt worden. Schließlich komme eine Erhöhung des RLV auch nicht aufgrund von Praxisbesonderheiten in Betracht. Diese könnten erst angenommen werden, wenn eine Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30% vorliege, was bei der Klägerin nicht der Fall sei.
Die Beteiligten tragen übereinstimmend vor, dass sie die Vorgaben der Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008, 17.10.2008 und 23.10.2008 (im folgenden Beschlüsse 2008) für rechtswidrig halten. Die Beklagte weist jedoch darauf hin, dass sie an diese Vorgaben gebunden sei. Die Klägerin trägt insbesondere vor, dass es nicht in die Zuständigkeit des Bewertungsausschusses falle, das seitens des Gesetzgebers bei der Berücksichtigung der Morbiditätsstruktur vorgegebene Kriterium "Geschlecht" eigenmächtig nicht zu berücksichtigen (Teil F Nr. 3.2.2). Selbstverständlich bestünden Unterschiede in der Morbidität zwischen den Geschlechtern. Die Nichtberücksichtigung des Geschlechts durch den Bewertungsausschuss erfolge willkürlich. Auch die Ermittlung des Orientierungswertes, der HV-Quoten (Teil A Nr. 2.2, Teil B Nr. 1.2) sowie der Veränderungsrate der morbiditätsbedingten Leistungsmenge 2009 (Teil B Nr. 4) sei willkürlich erfolgt und ergebe eine Benachteiligung Hessens. Bei der EBM-Anpassung habe eine fachgruppenspezifische Anpassung erfolgen müssen, was mit der Festlegung einer einheitlichen Quote von 9,7% (Teil A Nr. 2) nicht geschehen sei. Unter dem Strich führe diese EBM-Quote dazu, dass faktisch der Orientierungswert um nahezu 10% abgesenkt worden sei. Diese liege daran, dass die zunächst bestimmte Leistungsmenge um die entsprechende Änderungsrate von 9,7% vermindert worden sei. Der Orientierungswert liege daher genau um diesen EBM-Faktor zu niedrig. Zudem habe es der Bewertungsausschuss in rechtswidriger Weise unterlassen, nach den Vorgaben des Gesetzgebers regionaler Besonderheiten in der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen auf die Prozessakten, insbesondere auch die Sitzungsniederschrift zum Termin vom 24.08.2010, sowie die beigezogenen Prozessakten zum einstweiligen Anordnungsverfahren (SG Marburg, S 11 KA 430/09 und Hessisches LSG, S 4 KA 77/09 B ER, SG Marburg, Beschluss vom 01.09.2010 – S 11 KA 604/10 ER), die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 27.05.2009, geändert durch die Bescheide vom 07.09.2009 und 08.10.2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
A. Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlagen
Die dem HV 2009 (abgeschlossen zwischen der Beklagten und den Hessischen Krankenkassenverbänden gemäß § 87a bis § 87c SGB V für die Zeit ab dem 01.01.2009, im folgenden HVV 2009) zugrunde liegenden Beschlüssen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses vom 27./28.08.2008 sowie vom 17.10.2008 und 23.10.2008 (im folgenden Beschlüsse EBewA 2008), sind ihrerseits zwar teilweise rechtswidrig, verletzen jedoch die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Kammer bestätigt diesbezüglich ihre Auffassung aus dem Grundsatzverfahren zum Az. S 11 KA 340/09, Urteil vom 06.10.2010.
Die Klägerin kann grundsätzlich die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des Bewertungsausschusses im vorliegenden Verfahren auch geltend machen. Der Zuweisungsbescheid für das RLV III/09 an die Klägerin stellt einen Verwaltungsakt dar, der mit Widerspruch und Klage angefochten werden kann. Im Rahmen dieses Verfahrens ist eine inzidente Überprüfung der dem Bescheid zugrunde liegenden Normen vorzunehmen (Engelhard in Noftz u. a., Kommentar zum SGB V, § 87b Rn. 93).
Die Zuweisung des RLV für das streitgegenständliche Quartal III/09 beruht auf den gesetzlichen Vorgaben für die Honorarverteilung, die sich aus §§ 87 ff. SGB V i. V. m. den Beschlüssen EBewA 2008 sowie dem HV 2009 ergeben. Eine Rechtsverletzung der Klägerin ergibt sich aus den Beschlüssen EBewA 2008 jedoch nicht.
Dem Bewertungsausschuss kommt bei der ihm übertragenen Aufgabe der Konkretisierung des Inhalts des Gesetzes Gestaltungsfreiheit zu (so das BSG in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 17.03.2010, Az. B 6 KA 43/08 R; Urteil vom 03.02.2009, Az. B 6 KA 31/08 R) Der Gestaltungsspielraum des BewA ist auch von der Rechtsprechung zu respektieren. Gleichwohl unterliegt der Bewertungsausschuss als untergesetzlicher Normgeber gerichtlicher Kontrolle; er ist an die einfachgesetzlichen Vorgaben ebenso wie an die grundrechtlichen Gewährleistungen in Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG gebunden (BSG, Urteil vom 17.03.2010 – B 6 KA 41/08 R).
Die richterliche Kontrolle untergesetzlicher Normen beschränkt sich jedoch darauf, ob die äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber überschritten wurden. Dies ist erst dann der Fall, wenn die getroffene Regelung in einem "groben Missverhältnis" zu den mit ihr verfolgten legitimen Zwecken steht (BVerfGE 108, 1, 19), d. h. in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (so BVerwGE 125, 384 Rn. 16; vgl. auch BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 6 KA 49/07 R). Die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen des BewA ist somit im Wesentlichen auf die Prüfung beschränkt, ob sich die untergesetzliche Norm auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums eingehalten sind. Der BewA überschreitet den ihm eröffneten Gestaltungsspielraum, wenn sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass seine Entscheidungen von sachfremden Erwägungen getragen sind – etwa weil eine Gruppe von Leistungserbringern bei der Honorierung bewusst benachteiligt wird – oder dass es im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG keinerlei vernünftige Gründe für die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem bzw. für die ungleiche Behandlung von im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalten gibt (BVerfG, Beschluss vom 22.10.2004, SozR 4-2500 § 87 Nr 6 RdNr. 19, 21 m.w.N.). Diese Anforderungen an die Intensität einer gerichtlichen Kontrolle untergesetzlicher Normen bedürfen der Modifizierung, sofern das Normprogramm auf tatsächliche Verhältnisse Bezug nimmt und/oder eine Regelung als sog. "zahlenförmige Norm" getroffen wird. Macht eine Norm tatsächliche Umstände – beispielsweise die bundesdurchschnittlichen Kostenquoten der Arztgruppen in einem bestimmten Jahr – zur Grundlage ihrer Regelung, erstreckt sich die gerichtliche Überprüfung insbesondere darauf, ob die Festlegung frei von Willkür ist. Dies ist der Fall, wenn bei allen Arztgruppen nach denselben Maßstäben verfahren wurde, aber auch dann, wenn weitere Gesichtspunkte – etwa eine unterschiedliche Einkommensentwicklung der Arztgruppen – eine differenzierte Regelung sachlich rechtfertigen. Enthält eine Honorierungsregelung, die als solche keine Grundrechtsbeeinträchtigung von gewisser Intensität betrifft, als Tatbestandsmerkmale Zahlen oder Formeln, haben die Gerichte zu prüfen, ob sachliche Gründe erkennbar sind, welche die getroffene Festlegung als nicht willkürlich erscheinen lassen. Dabei müssen sie Streitpunkten nachgehen und die Einwände der Prozessbeteiligten würdigen. Allerdings darf die gerichtliche Kontrolldichte speziell der Entscheidungen des BewA nicht überspannt werden. Denn der an den Bewertungsausschuss gerichtete gesetzliche Gestaltungsauftrag zur Konkretisierung der Grundlagen der vertragsärztlichen Honorarverteilung umfasst auch den Auftrag zu einer sinnvollen Steuerung des Leistungsgeschehens in der vertragsärztlichen Versorgung. Hierzu bedarf es komplexer Kalkulationen, Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen, die nicht jeden Einzelfall abbilden können, sondern notwendigerweise auf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen angewiesen sind. Die gerichtliche Überprüfung eines komplexen und auch der Steuerung dienenden Regelungsgefüges darf sich deshalb nicht isoliert auf die Bewertung eines seiner Elemente beschränken, sondern muss stets auch das Gesamtergebnis der Regelung mit in den Blick nehmen. Die Richtigkeit jedes einzelnen Elements in einem mathematischen, statistischen oder betriebswirtschaftlichen Sinne ist deshalb nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der gesamten Regelung (BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 6 KA 49/07 R).
Unter Berücksichtigung dieses gerichtlichen Überprüfungsmaßstabes genügt der Beschluss des BewA vom 27./28.08.2008 in großen Teilen den gesetzlichen Anforderungen. In den §§ 87 ff. SGB V werden die Änderungen des Gesundheitssystems durch die Einführung des sog. Gesundheitsfonds durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung im SGB V umgesetzt. Abweichend von der bisherigen Systematik ziehen die Krankenkassen ihre Beiträge zwar weiterhin ein, übertragen sie dann jedoch an den Gesundheitsfonds, § 52 SGB V. Die Mittelzuteilung aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen erfolgt sodann im Rahmen des Risikostrukturausgleichs, § 266 SGB V, unter Berücksichtigung von Morbiditätsgesichtspunkten. Für den Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung bestimmen die §§ 87a-c SGB V sodann, welche Summen von der jeweiligen Krankenkasse den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Finanzierung der vertragsärztlichen Versorgung nach welchen Kriterien zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen dieses Systems legen die §§ 87 bis 87b SGB V in umfangreicher Form die Ausgestaltung des Honorarverteilungssystems fest. § 87c SGB V enthält davon abweichend bzw. dazu ergänzend spezifische Vorgaben für die Übergangsjahre 2009 und 2010.
I. Bildung des Orientierungspunktwertes, Teil A
Für das Jahr 2009 geben §§ 87 Abs. 2e Satz 1 Nr. 1 bis 3, 87c SGB V zunächst die Bildung eines bundesweiten Orientierungspunktwertes vor. Dieser ist rechnerisch durch die Division des Finanzvolumens durch die Leistungsmenge zu ermitteln, § 87c Abs. 1 Satz 2 SGB V. Das Finanzvolumen ergibt sich aus der Summe der bundesweit insgesamt für das Jahr 2008 nach § 85 Abs. 1 SGB V zur entrichtenden Gesamtvergütungen in Euro, welche um die für das Jahr 2009 geltenden Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 SGB V für das gesamte Bundesgebiet zu erhöhen ist, § 87c Abs. 1 Satz 3 SGB V. Die Leistungsmenge ist als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes abzubilden; sie ergibt sich aus der Hochrechnung der dem Bewertungsausschuss vorliegenden aktuellen Abrechnungsdaten, die mindestens 4 Kalendervierteljahre umfassen. Bei dieser Hochrechnung sind Simulationsberechnungen zu den Auswirkungen des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen einheitlichen Bewertungsmaßstabes auf die von den Ärzten abgerechnete Leistungsmenge sowie unterjährige Schwankungen der Leistungsmenge im Zeitverlauf entsprechend der in den Vorjahren zu beobachtenden Entwicklung zu berücksichtigen, § 87c Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB V. Für die Hochrechnung nach Satz 4 übermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen dem Bewertungsausschuss unentgeltlich bis zum 01. Juni 2008 die ihnen vorliegenden aktuellen Daten über die Menge der abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen, die mindestens 4 Kalendervierteljahre umfassen, jeweils nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung und Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen, § 87c Abs. 1 Satz 6 SGB V.
Diese gesetzlichen Vorgaben hat der Bewertungsausschuss in seinen Beschlüssen 2008 in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt. Dabei hat er – da die Daten für das Jahr 2008 noch nicht zur Verfügung standen – auf die Datengrundlage für das Finanzvolumen von 2007 zurückgegriffen und jeweils die Grundlohnsummensteigerung für die Jahre 2008 und 2009 in seine Berechnungen mit einbezogen. Das Gericht hält den von den gesetzlichen Vorgaben abweichenden Rückgriff auf die Zahlen des Jahres 2007 in Anbetracht des gesetzlich vorgegebenen Zeitpunktes der Beschlussfassung für nicht zu beanstanden, zumal die Grundlohnsummensteigerungen für die Jahre 2008 und 2009 Berücksichtigung fanden und es sich um das letzte vollständig abgerechnete Leistungsjahr gehandelt hat.
EBM-Quote
Darüber hinaus hat der EBewA die EBM-Auswirkungen zum 01.01.2008 in gesetzeskonformer Weise mit einer Quote von 9,7% in seine Berechnungen einbezogen. Der Bewertungsausschuss hat die Berechnungsweise dieser Quote auf der Grundlage eines Vergleichs der Punktzahl je Behandlungsfall in den Quartalen I/07 und I/08 vorgenommen. Dabei wurde zwar nur das Datenmaterial aus zwei Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) berücksichtigt. Dies war jedoch darauf zurückzuführen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung das komplette Datenmaterial für das Quartal I/08 nicht aus allen KVen vorlag und so nur auf der Basis der Vorabübermittlung der Daten aus zwei KVen überhaupt Daten gewonnen werden konnten. Das Gericht hält dieses Vorgehen insbesondere auch deshalb für nicht zu beanstanden, da sich auch retrospektiv – nach Vorlage sämtlicher Daten – kein Anpassungsbedarf für die EBM-Quote ergeben hat. Eine fachgruppenspezifische Berechnung – wie sie die Klägerin fordert – ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Bildung einer einheitlichen Quote für alle Fachgruppen liegt zur Überzeugung des Gerichts im Rahmen des Gestaltungsspielraums des BewA.
HVV-Quote
Das Gericht ist zweifelsfrei der Überzeugung, dass die Berücksichtigung einer bundeseinheitlichen sog. HVV-Quote in Teil A der Beschlüsse BewA 2008 sowie auch deren Berechnung keinen rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Konformität mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 87c Abs. 1 S. 6 SGB V begegnet. Insbesondere kann das Gericht – entgegen des Vortrags der Klägerin – keine willkürliche Festlegung erkennen. Durch die Multiplikation der Leistungsmenge des Jahres 2007 mit der HVV-Quote hat der Bewertungsausschuss die gesetzliche Vorgabe berücksichtigt, dass sachlich-rechnerische Berichtigungen sowie die Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen in die Berechnung einzubeziehen sind. Sinn und Zweck der Bildung einer bundeseinheitlichen HVV-Quote war, dass unterschiedliche Verteilungseffekte und Honorarverteilungsgrundsätze der Vergangenheit der Kassenärztlichen Vereinigung zu einer bundesdurchschnittlichen einheitlichen Berechnung des anerkannten Leistungsbedarfes herangezogen werden, mit dem Ziel einer zukünftigen Vereinheitlichung der vertragsärztlichen Vergütung bundesweit zu erreichen.
Die rechnerische Ermittlung der Quoten erfolgte durch Bildung eines Quotienten aus der Netto- und Bruttoleistungsmenge für jede KV. Die Bruttoleistungsmenge entspricht dabei der insgesamt regional abgerechneten Leistungsmenge. Die Nettoleistungsmenge berechnet sich durch Addition der Leistungsmengen, die im Rahmen der regionalen Honorarverteilung mit einem nicht abgestaffelten Punktwert vergütet wurden und der Leistungsmenge, die sich aus dem Verhältnis aus abgestaffeltem und vollem Punktwert ergibt. Das Gericht geht nicht davon aus, dass auch die zu abgestaffelten Punktwerten vergüteten Leistungen als vollwertige Leistungen in die Berechnung mit einbezogen werden mussten, da dies dem gesetzlichen Zweck der Berücksichtigung der Honorarbegrenzungsmaßnahmen zuwider laufen würde. Der BewA musste daher für Hessen gerade nicht eine HVV-Quote von 99,4% berücksichtigen, sondern hat zutreffend die auf dem von Hessen gelieferten Datenmaterial beruhende Quote von 94,21% errechnet. Aus dieser Übersicht ergibt sich auch zweifelsfrei die Richtigkeit der Berechnung der bundeseinheitlichen HVV-Quote von zunächst 90,59% im Beschluss des EBewA vom 27./28.8.2008. Das Gericht hält es auch für richtig, dass diese Quote – nachdem ein Fehler im Datenmaterial einer KV entdeckt worden war – auf 90,48% im Beschluss des EBewA vom 23.10.2008 angepasst wurde.
Letztendlich hat der Bewertungsausschuss einen Orientierungspunktwert von 3,5001 Cent in nicht zu beanstandender Weise ermittelt. Vielmehr entspricht die Berechnungsweise den gesetzlichen Vorgaben. Der Klägerin kann in ihrer Argumentation, der Orientierungspunktwert liege faktisch genau um die EBM-Quote zu niedrig, nicht gefolgt werden.
Dass der Orientierungspunktwert damit deutlich unter dem kalkulatorischen Punktwert von 5,11 Cent liegt, ist zwangsläufige Folge der gesetzlich vorgegebenen Systematik. Bei dem Kalkulationspunktwert handelt es sich lediglich um eine Rechengröße. Im Übrigen ist der EBewA im Hinblick auf die Abweichungen seiner Beobachtungspflicht nachgekommen, indem er mit Beschluss vom 20. Mai 2009 das Institut des BewA mit einer Überprüfung der Kalkulationsgrundlagen des EBM beauftragt hat.
II. Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung, Teil B
Neu im System der Honorarverteilung unter dem Regime des Gesundheitsfonds ist die Bildung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung nach § 87a Abs. 3, § 87c Abs. 4 SGB V. Ziel dieser neuen Regelungssystematik ist eine Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen, da diese für zusätzliche Leistungen, die aus einem Anstieg des Behandlungsbedarfs der Versicherten herrühren auch rückwirkend noch mehr Honorar zur Verfügung stellen müssen (BT Drucksache 16/3100 Seite 88). Nach den gesetzlichen Vorgaben berechnet sich die Gesamtvergütung, die jede Krankenkasse an die Kassenärztliche Vereinigung zu zahlen hat, aus dem Produkt des Behandlungsbedarf jedes Versicherten, der Zahl der Versicherten, sowie den regionalen Punktwerten nach der Euro-Gebührenordnung. Für das Jahr 2009 bestimmt sich der mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundene Behandlungsbedarf abweichend von § 87a Abs. 3 Satz 1 SGB V für jede Krankenkasse wie folgt:
Für jede Krankenkasse ist die im Jahr 2008 voraussichtlich erbrachte Menge der vertragsärztlichen Leistungen je Versicherten der jeweiligen Krankenkasse um die vom Bewertungsausschuss unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß § 87a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB V zu schätzende bundesdurchschnittliche Veränderungsrate der morbiditätsbedingten Leistungsmenge je Versichertem des Jahres 2008 gegenüber dem Vorjahr anzupassen und mit der voraussichtlichen Zahl der Versicherten der Krankenkassen im Jahr 2009 zu multiplizieren. Die im Jahr 2008 voraussichtlich erbrachte Menge der vertragsärztlichen Leistungen ergibt sich aus der Hochrechnung der den Vertragsparteien vorliegenden aktuellen Daten über die Menge der abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen, die mindestens 4 Kalendervierteljahre umfassen, jeweils nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung und Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen; bei der Hochrechnung sind Simulationsberechnungen zu den Auswirkungen bis zum 01. Januar 2008 in Kraft getretenen einheitlichen Bewertungsmaßstabes auf die von den Ärzten abgerechnete Leistungsmenge sowie unterjährige Schwankungen der Leistungsmenge im Zeitverlauf entsprechend der in den Vorjahren zu beobachtenden Entwicklung zu berücksichtigen, § 87c Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V. Die Kassenärztlichen Vereinigungen übermitteln den in § 87a Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten Verbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen die Daten nach Satz 5 unentgeltlich bis zum 31. Oktober 2008, § 87c Abs. 4 Satz 6 SGB V. Der Bewertungsausschuss seinerseits beschließt bis zum 31. August 2008 ein zwingend zu beachtendes Verfahren zur Berechnung des Behandlungsbedarfs nach den Sätzen 1 bis 4 einschließlich der dafür erforderlichen Daten, § 87c Abs. 5 SGB V.
HVV-Quote
Auf der Grundlage dieser Ermächtigungsnorm hat das Gericht zwar Zweifel daran, dass diese Ermächtigungsnorm in hinreichendem Maße die in Teil B der Beschlüsse BewA 2008 erarbeiteten länderspezifischen HVV-Quoten legitimiert. Die Zweifel nähren sich insbesondere aus dem Umstand, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes eine bundeseinheitliche Quote zu bilden war. Zudem ist auffällig, dass die Regelungen der §§ 87 c Abs. 1 und 4 SGB V wortgleich sind. Damit scheint aus systematischen Erwägungen heraus zweifelhaft, warum für die Bildung des Orientierungswertes in Teil A eine bundeseinheitliche HVV-Quote zu bilden sein soll, für die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in Teil B jedoch andere Maßstäbe gelten. Jedoch steht nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass diese Quotenbildung in Teil B in grobem Missverhältnis zu den mit ihr verfolgten legitimen Zwecken gestanden hat und damit willkürlich erfolgt ist. Jedenfalls hat der EBewA mit dieser Quotenbildung nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts die äußersten rechtlichen Grenzen seiner Rechtssetzungsbefugnis überschritten. Die Bildung der länderspezifischen HVV-Quoten ist weder unverhältnismäßig noch unvertretbar sowohl hinsichtlich der einheitlichen Quote für die neuen Bundesländer als auch hinsichtlich der Ausdifferenzierung der Quoten für die alten Bundesländer.
Neue Bundesländer
Für die neuen Bundesländer wurde zum Zwecke der Angleichung des Ost-West-Gefälles in der vertragsärztlichen Vergütung eine einheitlich erhöhte HVV-Quote von 95,17% gebildet. Diese Aufstockung erfolgte jedoch nicht zu Lasten der alten Bundesländer, so dass eine Beschwer der Klägerin nicht resultierte. Dass die Krankenkassen zusätzliches Geld zur Absenkung des Ost-West-Gefälles in das System gegeben haben, mag ungerechtfertigt sein, da dieses Geld offensichtlich zur Verfügung stand und womöglich auch anderweitig und auch zugunsten der Klägerin hätte verwendet werden können. Nach der gesetzlichen Vorgabe gab es jedoch für die Klägerin keinen Anspruch auf eine über der bundesdurchschnittlichen Quote liegende HVV-Quote, sondern das Gesetz sieht ausdrücklich eine am tatsächlichen Leistungsbedarf orientierte Quotenbildung vor, die zu einer bundeseinheitlichen Quote von 90,48% geführt hat.
Alte Bundesländer
Die weitere Ausdifferenzierung dieser einheitlichen Quote in den alten Bundesländern erfolgte anhand des Kriteriums der Ausgaben pro Versichertem in der jeweiligen KV. So hat sich rechnerisch ein Zuschlag von 15% bzw. Abschlag von 8,2% auf die Differenz der KV-spezifischen zur bundesdurchschnittlichen Vergütung je Versichertem ergeben. Hintergrund dieser Anpassung war die Tatsache, dass die stringente Durchführung der Honorarverteilung nach der gesetzlichen Systematik zu Honorarverwerfungen geführt hätte. Das Gericht vermag nachzuvollziehen, dass es KVen gegeben hat, die durch die gesetzliche Regelungssystematik in doppelter Weise negativ betroffen worden sind.
Diese doppelte negative Betroffenheit abzuschmelzen hält das Gericht für einen legitimen Zweck, dem der BewA insbesondere vor dem Hintergrund seines Auftrags zur sinnvollen Steuerung des Leistungsgeschehens Rechnung tragen durfte. Hinzu kommt, dass die Regelung unstreitig nicht Verluste gegenüber den Vergleichszeiträumen für einzelne KVen bedeutet hat, sondern ausschließlich mit der Honorarreform verbundene Zuwächse abgeschwächt wurden. Insoweit hat die Honorarreform gleichwohl eine Vermehrung der zur Verfügung stehenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütung bewirkt, so dass sich die Relation von Maßnahme und Zweck auch unter diesem Aspekt keinesfalls als unverhältnismäßig darstellt. Eine unangemessene Benachteiligung Hessens ergibt sich jedenfalls nicht. Der Beklagten stehen durch die Herabsenkung der hessischen HVV-Quote von 90,48% auf 90,40% 1,6 Mio. EUR weniger zur Verfügung. Dies entsprach hinsichtlich der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung einer Reduzierung des Zuwachses um 0,09%, hinsichtlich der Gesamtvergütung insgesamt einer Reduzierung um 0,07%. Dies erscheint dem Gericht im Hinblick auf den legitimen Zweck der Regelung hinnehmbar.
Das Gericht hält auch die doppelte Berücksichtigung der HVV-Quote – einerseits bei der Berechnung des Orientierungspunktwertes, andererseits bei der Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, in die der Orientierungspunktwert wiederum einfließt – für rechtmäßig. Diese zweifache Berücksichtigung ist im Gesetzeswortlaut ausdrücklich angelegt.
III. Regionale Besonderheiten
Auf der Grundlage des ermittelten Orientierungswertes vereinbaren die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres Punktwerte, die zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden sind, § 87a Abs. 2 Satz 1 SGB V. Aus diesen Punktwerten und dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen gemäß § 87 Abs. 1 SGB V ist eine regionale Gebührenordnung mit Europreisen (regionale Euro-Gebührenordnung) zu erstellen, § 87a Abs. 2 Satz 6 erster Halbsatz SGB V. Bei der Bildung dieser Euro-Gebührenordnung können die Vertragspartner Zu- und Abschläge von den Orientierungswerten vereinbaren um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen, § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V, wobei zwingend die Vorgaben des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 2f) SGB V anzuwenden sind, § 87a Abs. 2 Satz 3 SGB V.
§ 87 Abs. 2f) SGB V bestimmt wiederum, dass der Bewertungsausschuss jährlich bis zum 31. August Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Abs. 2 SGB V festlegt, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den Orientierungswerten nach Abs. 2e Satz 1 abgewichen werden kann. § 87 Abs. 2f) Satz 2 bis Abs. 2g) SGB V am Ende legt sodann das Verfahren für die Bildung der Indikatoren und die zugrunde zu legenden Maßstäbe fest. Abweichend hiervon bestimmt § 87c SGB V für das Jahr 2009, dass – sollte es dem Bewertungsausschuss bis zum 31. August 2008 nicht möglich sein, die zu Erstellung eigener Indikatoren erforderlichen Daten zu erheben und auszuwerten – er die Abweichungen der Wirtschaftskraft eines Bundeslandes von der bundesdurchschnittlichen Wirtschaftskraft mit Hilfe von amtlichen Indikatoren ermitteln kann. Diesem gesetzlichen Auftrag ist der BewA im Beschluss vom 27. und 28.08.2008, Teil C nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Der EBewA stellt lapidar fest, dass nach sorgfältiger Prüfung der Datengrundlagen und deren Eignung keine Indikatoren zur Messung der regionalen Wirtschaftskraft für das Jahr 2009 anzuwenden seien. Dies gelte auch für Indikatoren zur Versorgungs- und Kostenstruktur. Auch hier seien regionale Besonderheiten nicht feststellbar. Diese Einschätzung hält das Gericht mit der Klägerin für unzutreffend, da allgemein bekannt ist, dass die Bundesländer im Hinblick auf ihre Wirtschaftskraft über sehr unterschiedliche Voraussetzungen verfügen. Zudem hält es das Gericht für fernliegend, dass die statistischen Ämter des Bundes und der Länder keinerlei Indikatoren liefern können, die die Kosten- und Versorgungsstruktur zwischen den Ländern analysierbar machen, auch wenn dem BewA zuzugeben sein mag, dass die Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Regionen innerhalb eines Landes ggf. mehr Signifikanz haben. Die gänzliche Nichtberücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben hält das Gericht vor diesem Hintergrund jedoch für schlechterdings unvertretbar. Der Gesetzgeber hat in den o. g. Vorschriften ein sehr detailgenaues System zur Feststellung dieser regionalen Besonderheiten erarbeitet und bereits in der Gesetzesbegründung formuliert, dass er davon ausgehe, dass die amtlichen Indikatoren die relevanten unter den Ländern bestehenden Niveauunterschiede bei den Praxiskosten hilfsweise abbilden könnten (Bundestagsdrucksache 16/3100 Seite 129). Wenn der Bewertungsausschuss vor diesem Hintergrund lapidar feststellt, es gäbe diese vom Gesetzgeber vorgesehenen Besonderheiten nicht, so ersetzt er eine gesetzgeberische Wertentscheidung und setzt sich selber an die Stelle des demokratischen Normgebers. Damit überschreitet er seine im Rahmen der Normdelegation übertragene Normsetzungskompetenz. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich keinen Spielraum für den Bewertungsausschuss im Hinblick auf das "Ob" der Bestimmung von Indikatoren für die Messung regionaler Besonderheiten vorgesehen.
Die Rechtswidrigkeit des Beschlusses in Teil C führt jedoch nicht unmittelbar zu einer Verletzung der Klägerin in ihren Rechten, da die Indikatoren für regionalen Besonderheiten ausschließlich im Rahmen der Bildung der Euro-Gebührenwerte eine Rolle spielen und es im Ermessen der Gesamtvertragsparteien liegt zu entscheiden, ob nach den vom Bewertungsausschuss vorzugebenden Kriterien eine Anpassung der Euro-Gebührenwerte vorgenommen wird. Insoweit bestehen zwei unterschiedliche Rechtskreise (vgl. dazu oben) auch weiterhin fort. Im Rahmen der Vorschriften über regionale Besonderheiten ist die gesetzliche Konstruktion – anders als im Bereich der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung – so ausgelegt, dass ein Umsetzungsakt auf Landesebene weiterhin notwendig bleibt, um dem gesetzlichen Auftrag Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund ist eine hypothetische Rechtsverletzung der Klägerin nur unter der Prämisse gegeben, dass in Hessen tatsächlich von der Verhandlungsmöglichkeit zwischen den Parteien der Gesamtverträge Gebrauch gemacht worden wäre und dies zugunsten der Klägerin. Je nach Indikator wäre auch ein Abschlag auf die Gebührenwerte durchaus denkbar.
IV. Differenzierung der Morbidität nach Geschlecht
§ 87b Abs. 3 Satz 5 SGB V gibt vor, dass die Morbidität mit Hilfe der Kriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen ist. Der EBewA stellt davon abweichend in seinem Beschluss vom 27. und 28.08.2008 Teil F Nr. 3.2.2 fest, dass das Kriterium Geschlecht sich nicht zur Abbildung der Morbidität eigne, da das abgerechnete Volumen durch dieses Kriterium nicht signifikant beeinflusst werde. Auch insoweit weicht der EBewA ausdrücklich vom Gesetzeswortlaut ab. Das Gericht hält es an dieser Stelle jedoch für nachvollziehbar und hinreichend plausibel, dass eine Analyse des Datenmaterials genau dieses Ergebnis ergeben hat. Insofern mag der EBewA keine Möglichkeit gehabt haben, die gesetzliche Grundlage in vernünftiger Art und Weise umzusetzen. Entgegen der Auffassung der Klägerin erscheint diese Abweichung zumindest nicht willkürlich.
Auf der Grundlage dieser rechtmäßigen bzw. nicht rechtsverletzenden Rechtsgrundlagen in Verbindung mit dem HV 2009 hat die Beklagte jedoch das RLV der Klägerin nicht zutreffend festgesetzt.
B. Zusicherung
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass in dem Schreiben vom 02.10.2007 eine Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X nicht gesehen werden kann. Aus dem Wortlaut des Schreibens im Zusammenhang folgt bereits, dass die dort getroffenen Aussagen nur auf der Grundlage der damals geltenden Bestimmungen Geltung beansprucht haben. Der Verfasser bringt sehr deutlich zum Ausdruck, dass seinen Äußerungen im Hinblick auf zukünftig zu erwartende Änderungen der Rechtsgrundlage, als unverbindlich zu verstehen sind.
Gleichwohl ist die dort getroffene Aussage der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit eines Wachstums bis zum Durchschnitt der Fachgruppe auch unter dem Regime des HV 2009 rechtlich zutreffend.
C. Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt
Die Rechtswidrigkeit des RLV-Zuweisungsbescheides ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts zunächst aus der Tatsache, dass die Beklagte nach wie vor die Vorgaben des BSG zu den Wachstumsmöglichkeiten für unterdurchschnittliche Praxen missachtet. Das Gericht hält insoweit an seiner Rechtsprechung, Beschluss vom 06.08.2009, Az.: S 11 KA 430/09 ER sowie Beschluss vom 01.09.2010, S 11 KA 604/10 ER ausdrücklich fest. Das BSG hat wiederholt klargestellt, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (ua BSGE 83, 52, 58 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 ff; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 195; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; zuletzt Urteil vom 03.02.2010, B 6 KA 1/09 R). Dem Vertragsarzt muss - wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sogenannten Honorarverteilungsgerechtigkeit (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 17 sowie das weitere Urteil vom 28.3.2007, B 6 KA 10/06 R MedR 2007, 560 = USK 2007-26) – die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSG, Urteile vom 28.1.2009 aaO). Daher ist allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen (stRspr des 6. Senats, ua BSGE 83, 52, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 f; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 28) und damit ihre Praxis zu einer mit typischen Umsätzen auszubauen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 17; BSG MedR 2007, 560 = USK 2007-26).
Für neu gegründete Praxen hat das BSG in seiner Entscheidung vom 03.02.2010 dies dahingehend präzisiert, dass für sog. "Aufbaupraxen" bzw. "Anfängerpraxen" insoweit Besonderheiten gelten, als ihnen in der Aufbauphase, die auf einen Zeitraum von drei, vier oder fünf Jahren bemessen werden kann (vgl. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; BSG MedR 2007, 560 = USK 2007-26), die Steigerung auf den Durchschnittsumsatz sofort möglich sein muss, während dies anderen, noch nach der Aufbauphase unter-durchschnittlich abrechnenden Praxen jedenfalls innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden muss (BSG jeweils aaO). Allerdings haben auch Aufbaupraxen keinen Anspruch auf Teilhabe an der Honorarverteilung, der über den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe hinausgeht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19). Diese Rechtsprechung des BSG, der sich das Gericht vollumfänglich anschließt, bezieht sich ausdrücklich auf die hier streitgegenständliche Problematik von Fallzahlzuwachsregelungen.
Ausgehend hiervon geht das Gericht davon aus, dass es sich bei der Klägerin um eine Aufbaupraxis, wenn auch nicht Anfängerpraxis handelt, die erst seit dem 01.01.2008 in der jetzigen Zusammensetzung besteht. Für diese Aufbaupraxis gebietet es der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, jegliche Fallzahlbegrenzungen bis zum Durchschnitt der Fachgruppe in der Aufbauphase zu unterlassen.
Das Gericht geht weiter davon aus, dass diese letztlich aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Rechtsprechung auch für die mit dem GKV-WSG geschaffenen Regelleistungsvolumina gilt (so auch Engelhard in: Hauck/Haines, SGB V, § 87b, Rn. 96).
Zunächst bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der BewA bzw. EBewA überhaupt berechtigt ist, Regelungen zu den Praxen in der Aufbauphase selbst nur subsidiär vorzusehen und im Übrigen an die Gesamtvertragsparteien auf regionaler Ebene zu delegieren. Probleme hinsichtlich der Delegationsbefugnis sieht das Gericht im Hinblick auf § 87b Abs. 4 SGB V, wonach der Bewertungsausschuss u. a. das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten zu bestimmen hat (Satz 1). Die Befugnis der Gesamtvertragsparteien ist demgegenüber darauf beschränkt, gemäß den Vorgaben des Bewertungsausschusses nach den Sätzen 1 und 2 unter Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der Regelleistungsvolumina nach Absatz 5 konkret anzuwendende Berechnungsformel festzustellen (§ 87b Abs. 4 Satz 3 SGB V). Daraus könnte zu schließen sein, dass der Bewertungsausschuss wenigstens in groben Zügen die Behandlung von jungen Praxen bzw. Aufbaupraxen zu regeln hat. Im Hinblick auf die in §§ 87b SGB V zum Ausdruck kommenden honorarpolitischen Vereinheitlichungstendenzen und der Tatsache, dass regionale Besonderheiten für die Behandlung sog. junger Praxen ohne Bedeutung sind, dürfte dies auch dem Zweck der Aufteilung der Befugnisse entsprechen. Das Gericht hält die vorgenommene Delegation jedoch im Ergebnis im Rahmen des Gestaltungsspielraums des BewA für zulässig.
Das Gericht ist jedoch der Überzeugung, dass die Gesamtvertragsparteien des HV 2009 der Rechtsprechung des BSG zu Praxen in der Aufbauphase nicht hinreichend Rechnung getragen haben. Sie haben durch die Regelung Nr. 3.5 die Aufbauphase faktisch auf ein Jahr begrenzt. Wer im Vorjahresquartal als Aufsatzquartal bereits zugelassen war, kann nach dem Wortlaut der Vorschrift nur die seinerzeit abgerechnete Fallzahl, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie unter der durchschnittlichen Fallzahl liegt, erhalten. In der Folgezeit gelten dann die Regelungen, die für alle unter-durchschnittlichen Praxen gelten (s. sogleich). Nr. 3.5 HV 2009, die insoweit die subsidiär geltende Regelung des Erweiterten Bewertungsausschusses übernimmt, ist somit offensichtlich nicht im Einklang zu der genannten Rechtsprechung des BSG (Bedenken zu Nr. 3.5 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 7. Sitzung am 27./28.8.2008, Teil F insoweit auch bei Engelhard, aaO., Rdnr. 97). Zwar muss der Beklagten darin gefolgt werden, dass der Erweiterte Bewertungsausschuss den Partnern der Gesamtverträge im Hinblick auf die Gestaltung der Vorgaben für Neuzulassungen und Umwandlungen der Kooperationsform einen Ermessensspielraum eingeräumt hat. Dieser Ermessensspielraum wird jedoch durch die Rechtsprechung des BSG zu unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen bzw. Praxen in der Aufbauphase begrenzt. Die Kammer hält insoweit ausdrücklich an ihrer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bereits dargelegten Rechtsauffassung fest, wonach der HV 2009 im Hinblick auf Regelungen zu Wachstumsmöglichkeiten unterdurchschnittlich abrechnender Praxen bzw. Aufbaupraxen lückenhaft ist. Diese Lücke wird jedoch durch die Rechtsprechung des BSG zu dieser Frage geschlossen. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 02.03.2010, der sich die Kammer ausdrücklich anschließt, erneut bekräftigt, dass selbst der Bewertungsausschuss an die Vorgaben dieser Rechtsprechung gebunden ist. Dies entspricht aufgrund der grundrechtlichen Relevanz der Thematik im Hinblick auf die Betroffenheit des aus Art. 3 und 12 GG hergeleiteten Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit auch rechtssystematischen Erwägungen.
Weder für unterdurchschnittliche Praxen noch für Praxen in der Aufbauphase sieht der HV 2009 eine ausdrückliche Regelung vor. Die Höhe des Regelleistungsvolumens eines Arztes ergibt sich aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes gemäß Anlage 2 und der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal. Damit gilt die tatsächliche Fallzahl des Vorjahresquartals. Eine Steigerung des Regelleistungsvolumens im Folgejahr ist daher nur möglich, wenn im aktuellen Quartal die Fallzahl im Vergleich zum Vorjahresquartal regelleistungswidrig gesteigert werden kann. Dies widerspricht nicht nur dem Zweck, möglichst auch eine Leistungsausweitung zu verhindern, sondern zwingt den Vertragsarzt dazu, zunächst vergütungslos Leistungen zu erbringen, um im Folgejahr seine Vergütung steigern zu können. Je geringer die RLV-relevante Fallzahl ist, um so prozentual höher ist der Teil der Leistungen, der zunächst ohne Vergütung erbracht werden muss. Zwar sind damit theoretisch enorme Umsatzsprünge denkbar. Dies gilt aber im Übrigen auch für durchschnittliche bzw. überdurchschnittliche Praxen; insofern greift dann nur ab 150 % der durchschnittlichen Fallzahl die Abstaffelungsregelung. Damit gibt der HV 2009 einen Weg vor, der es Praxen in der Aufbauphase nicht ermöglicht, abrechnungskonform, also ohne nennenswerte Honorareinbußen, ein durchschnittliches Regelleistungsvolumen zu erhalten. Dies hält das Gericht im Anschluss an seine Rechtsprechung (Beschluss vom 06.08.2009 – S 11 KA 430/09 ER und Beschluss vom 01.09.2010 – S 11 KA 604/10 ER) für rechtswidrig (insofern abweichend, aber ohne Thematisierung der aufgezeigten Problematik die Beschwerdeentscheidung LSG Hessen, Beschluss v. 21.12.2009 L 4 KA 77/09 B ER –; vgl. a. Engelhard, aaO, Rdnr. 98). Das Gericht hält es im Rahmen der BSG-Rechtsprechung entgegen der Beklagten für unerheblich, warum die Partner der Klägerin in den Aufsatzquartalen nur geringe Fallzahlen hatten. Jedenfalls sind geringe Fallzahlen in Aufsatzquartalen gerade charakteristisch für Praxen, die unterdurchschnittlich abrechnen bzw. sich in der Aufbauphase befinden. Warum diese Fallzahlen gering sind, vermag dabei im Einzelfall dahinstehen.
Das Gericht hält die Annahme der Beschwerdeinstanz, die Praxis der Antragstellerin könne binnen eines Jahres – bezogen auf das RLV – durchschnittliche Honorarwerte erreichen, für nicht zutreffend. Diese Annahme gilt nur dann, wenn bereits im Vorjahresquartal der RLV-Berechnung eine Fallzahl zugrunde gelegt wird, die bereits dem Durchschnitt der Fachgruppe entspricht. Es ist unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen sowie Praxen in der Aufbauphase auf der Grundlage des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht zuzumuten, dass ein Großteil der Leistungen über den Zeitraum eines Jahres unvergütet bleiben, nur um ein Jahr später wieder an die Leistungsmenge bzw. die Fallzahl anknüpfen zu können. Die Klägerin hat völlig recht mit ihrer Behauptung, dass insoweit schon begrifflich nicht mehr von einer "Wachstums"möglichkeit gesprochen werden kann. Darüber hinaus folgt das Gericht der Klägerin auch dahingehend, dass die Betrachtung des Wachstums quartalsbezogen und nicht jahresbezogen zu erfolgen hat. Das Beispiel der Klägerin manifestiert anschaulich, dass sich auch mehr als ein Jahr nach tatsächlicher Aufnahme der Praxistätigkeit – im Quartal III/2010 – auf der Grundlage der Rechtsprechung der Beschwerdeinstanz eine Situation perpetuiert, die dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in keiner Weise mehr Rechnung trägt (vgl. dazu Beschluss vom 01.09.2010 – S 11 KA 604/10 ER).
Das Gericht hält vorliegend mit der Beklagten die von Seiten der Beschwerdeinstanz der Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsgrundlage einer Sonderregelung zum RLV nach Abschnitt II Ziff. 3.2.1. HV 2009 im Sinne eines außergewöhnlichen Grundes gem. Abschnitt II Ziff. 3.4 Satz 3 letzter Spiegelstrich HV 2009 für nicht einschlägig. Die Regelung findet sich unter der Überschrift "Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung". Da im streitgegenständlichen Quartal keine Fallwertabstaffelung vorgenommen wurde, kann diese Regelung schon begrifflich keine Anwendung finden. Eine Sonderregelung ist der Klägerin auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des BSG zu Praxen in der Aufbauphase zu gewähren. Dies wird die Beklagte bei ihrer erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben.
D. Fallwertdifferenzierung in der Gruppe der Fachärzte für Diagnostische Radiologie mit Vorhaltung von CT und MRT
Schließlich steht der Klägerin keine Sonderregelung im Hinblick auf den Fallwert zu, weil sie behauptet, schwerpunktmäßig kostenintensive MRT-Leistungen zu erbringen. Die Bildung der für das RLV relevanten Fach(arzt-)gruppen ist vom EBewA in Anlage 1 zum Beschluss vom 27./28.8.2008 im Rahmen seines Gestaltungsspielraums geregelt. Dort wird differenziert zwischen:
- Fachärzte für Diagnostische Radiologie ohne Vorhaltung von CT und MRT
- Fachärzte für Diagnostische Radiologie mit Vorhaltung von CT
- Fachärzte für Diagnostische Radiologie mit Vorhaltung von MRT
- Fachärzte für Diagnostische Radiologie mit Vorhaltung von CT und MRT
Die Klägerin wird in letzterer Arztgruppe geführt. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass es innerhalb dieser Gruppe je nach Schwerpunkt der Praxis zu großen Unterschieden in der Kostenstruktur kommen kann. So wird eine Praxis, die schwerpunktmäßig konventionelle Radiologie betreibt, jedoch auch CT und MRT vorhält, von den im Verhältnis zu den anderen radiologischen Fachgruppen in der Regel deutlich höheren Fallwerten profitieren, während eine Praxis wie die der Klägerin, die schwerpunktmäßig kostenintensive MRT-Leistungen erbringt, möglicherweise Probleme mit der Kostendeckung bekommt. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest, dass es innerhalb dieser Fachgruppe die eigene unternehmerische Entscheidung jedes Arztes ist, sein Leistungsspektrum zu gestalten. Hierfür trägt jeder Arzt das unternehmerische Risiko. Dass Radiologen, die CT und MRT vorhalten sog. "Verdünnerscheine" im Bereich der konventionellen Radiologie benötigen, um ihre Praxis wirtschaftlich zu führen, ist der Kammer bekannt. Insoweit rechtfertigt der Umstand, dass die Klägerin sich entschieden hat, schwerpunktmäßig MRT-Leistungen zu erbringen, keine Sonderregelung im Hinblick auf eine Anhebung des Fallwertes.
Nach alledem musste die Klage Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil hatte die Verfahrenskosten zu tragen.
Für die Streitwertfestsetzung gilt in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, dass, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
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