L 5 KR 2207/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 263/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2207/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.10.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit ist die Versicherungspflicht des Klägers zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung im Jahr 2005.

Der 1960 geborene Kläger ist seit 1.1.2003 bei der Beigeladenen Nr. 1, einem seit 2001 bestehenden gemeinsamen Versorgungsunternehmen der Städte R. und W., beschäftigt (Arbeitsvertrag SG-Akte S. 8); zuvor war er Angestellter der Stadt R ... Auf das Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) anzuwenden (SG-Akte S. 9). Der Kläger ist in die Entgeltgruppe 10, Stufe 3 Anlage 1 TV-V eingruppiert. Er ist gem. § 8 Abs. 5 TV-V nach begründeter betrieblicher Notwendigkeit (u. a.) zur Rufbereitschaft verpflichtet. Gem. § 10 Abs. 3 TV-V wird für die Rufbereitschaft eine tägliche Pauschale gezahlt; die während der Rufbereitschaft (tatsächlich) geleistete Arbeit wird gesondert vergütet. Bis 31.12.2004 war der Kläger versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und bei der Beigeladenen Nr. 2 gesetzlich pflegeversichert. Ab. 1.1.2006 besteht (wieder) Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

Mit Schreiben vom 23.12.2004 (Verwaltungsakte S. 12) teilte die Stadt R. der Beklagten mit, im Jahr 2004 habe das beitragspflichtige Entgelt des Klägers (nach der Monatsabrechnung für Dezember 2004 -Verwaltungsakte S. 25) insgesamt 46.623,91 EUR betragen und damit die für die Versicherungspflicht maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze von 46.350 EUR überschritten. Im Jahr 2005 werde das Arbeitsentgelt des Klägers aller Voraussicht nach 46.999,41 EUR betragen. Dabei sei als Einmalzahlung nur die jährliche Sonderzahlung (Weihnachtsgeld - Betriebsvereinbarung über Zusatzleistungen Verwaltungsakte S. 28) berücksichtigt worden.

Dem Schreiben war folgende Aufstellung beigefügt:

Berechnung des voraussichtlichen Jahresarbeitsentgelts im Jahr 2005 monatlich Jährlich (voraussichtlich) Tatsächliche Grundvergütung für Dezember 2004 3.185,28 EUR 38.223,36 EUR Vermögensbildung (Arbeitgeberzuschuss) 6,65 EUR 79,80 EUR Bereitschaftsdienste (tatsächliches Entgelt für Rufbereitschaft von Januar bis November 2004: 2.791,95 EUR; Monat Dezember 2004 ist noch nicht bekannt, wurde mit 0,00 EUR berücksichtigt; dividiert durch 12 Monate 232,66 EUR (durchschnittlich) 2791,92 EUR Urlaubsaufschlag mit 11,87 EUR (Wert für Dezember 2004) für 30 Urlaubstage (nach § 14 TV-V Anspruch auf 30 Urlaubstage) 29,68EUR 1/12 von 30 Tagen 356,10 EUR Weihnachtszuwendung (in 2004 wurden 112 % der Grundverfügung und Bereitschaftsdienste bzw. Urlaubsaufschlag gezahlt; voraussichtlich auch in 2005 3.859,99 EUR ZVK-Umlage (Zusatzversorgungskasse), die nicht pauschal versteuert wird, abzüglich 89,48 EUR pro Monat (max. 89,48 EUR monatlich kann pauschal versteuert werden) 112,16 EUR 1.346,12 EUR 2,5% des ZVK-pflichtigen Entgelts (maximal aus Höchstbetrag), davon aber nur den 13,30 EUR übersteigenden Betrag (ArEV) 28,51 EUR 342,12 EUR Summe 3916,63 EUR 46.999,41 EUR

Mit Bescheid vom 28.12.2004 (Verwaltungsakte S. 15/17) stellte die Beklagte fest, dass ab 1.1.2005 Versicherungsfreiheit eingetreten sei. Das Einkommen des Klägers überschreite die für die Sozialversicherungspflicht maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze (46.800 e).

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs (Verwaltungsakte S. 20) trug der Kläger vor, die Beklagte habe die Bestimmung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) fehlerhaft angewendet. Auszugehen sei von einem monatlichen Grundbezug von derzeit 3.185,28 EUR zzgl. vermögenswirksamer Leistungen von 6,65 EUR brutto (insgesamt 3.191,93 EUR monatlich bzw. 38.303,16 EUR jährlich). Hinzuzurechnen seien Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld) in Höhe von 112% eines Bruttomonatsgehalts, also 3.567,51 EUR sowie das Entgelt für die Rufbereitschaft. Im Jahr 2005 werde planmäßig achtmal Rufbereitschaft eintreten, die jeweils mit 342,54 EUR/Woche entschädigt werde. Insgesamt fielen also 2.740,32 EUR Rufbereitschaftsentgelt an. Das Jahresarbeitsentgelt betrage daher in der Summe 44.610,99 EUR und liege deutlich unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze von 46.800 EUR. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG) bestehe nicht, da sein Arbeitsverhältnis fortbestehe. Die Beklagte habe daher fehlerhaft eine fiktive Urlaubsabgeltung angerechnet. Schließlich sei hinsichtlich der ZVK-Umlage auch § 2 Abs. 1 ArEV nicht richtig angewendet worden. Die Beiträge, die die Beigeladene Nr. 1 zusätzlich zum Tarifgehalt an die Zusatzversorgungskasse zahle (Altersvorsorge-TV-Kommunal, Verwaltungsakte S. 24), seien dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ArEV). Die Abweichendes bestimmende Sondervorschrift in § 2 Abs. 1 Satz 2 ArEV gelte nicht, da seine Versorgungsregelung nicht vor dem 31.12.2000 bestanden habe; seine Arbeitgeberin (Beigeladene Nr. 1) sei erst später gegründet worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.2.2005 (Verwaltungsakte S. 46) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei im Jahr 2005 sowohl zur gesetzlichen Kranken- wie zur gesetzlichen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig. Das für die Jahresarbeitsentgeltgrenze maßgebliche Arbeitsentgelt umfasse alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch darauf bestehe, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet würden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder in Zusammenhang mit ihr erzielt würden (§ 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV). Der Kläger erhalte monatliches Arbeitsentgelt und vermögenswirksame Leistungen; beides sei ebenso zu berücksichtigen wie die Vergütung für einen regelmäßig anfallenden Bereitschaftsdienst (vgl. BSG, Urt. vom 9.12.1981, - 12 RK 19/81 -). Bei schwankender Höhe müsse das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt ggf. geschätzt werden. Daher sei auch das durchschnittliche Entgelt für die vom Kläger geleistete Rufbereitschaft anrechenbar. Die Weihnachtszuwendung und der Urlaubsaufschlag müssten dem Arbeitsentgelt ebenfalls zugerechnet werden, da beides einmal jährlich mit hinreichender Sicherheit gezahlt werde. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ArEV seien dem Arbeitsentgelt zwar Beiträge - wie die ZVK-Umlage - und Zuwendungen nach § 40b Einkommensteuergesetz (EStG), die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt würden, (nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen) nicht zuzurechnen. Das gelte aber nur, soweit - was hier der Fall sei - § 2 Abs. 1 Satz 2 ArEV nichts anderes bestimme. Danach müssten die genannten Beiträge bis zur Höhe von 2,5 vH des für ihre Bemessung maßgebenden Entgelts dem Arbeitsentgelt zugerechnet werden, wenn die Versorgungsregelung mindestens bis zum 31. Dezember 2000 - vor der Anwendung etwaiger Nettobegrenzungsregelungen - eine allgemein erreichbare Gesamtversorgung von mindestens 75 vH des gesamtversorgungsfähigen Entgelts und nach Eintritt des Versorgungsfalls eine Anpassung nach Maßgabe der Entwicklung der Arbeitsentgelte im Bereich der entsprechenden Versorgungsregelung oder gesetzlicher Versorgungsbezüge vorgesehen habe; die dem Arbeitsentgelt zuzurechnenden Beiträge und Zuwendungen verminderten sich um monatlich 13,30 EUR. Nach dieser Regelung seien die ZVK-Umlage (der nicht pauschal versteuerte Anteil) und 2,5 vH des ZVK-pflichtigen Entgelts (über 13,30 EUR) als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Insgesamt errechne sich somit ein Jahresarbeitsentgelt für 2005 von 46.999,41 EUR. Da dieses die maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreite, ende die Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Ablauf des 31.12.2004.

Mit Schreiben vom 19.1.2005 (SG-Akte S. 45) teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab 1.1.2005 sei er krankenversicherungsfrei. Deshalb habe man sein Versicherungsverhältnis umgestellt und führe ihn ab 1.1.2005 als freiwilliges Mitglied der Krankenversicherung sowie als Pflichtmitglied der Pflegeversicherung, sofern er nicht innerhalb von zwei Wochen den Austritt aus der Versicherung erkläre. Der freiwillige Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung betrage ab 1.1.2005 insgesamt 504,08 EUR monatlich. Mit Schreiben vom 28.1.2005 (SG-Akte S. 47) legte der Kläger dagegen Widerspruch ein.

Der Kläger hatte bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2005 am 7.2.2005 Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Konstanz erhoben. Er bekräftigte sein bisheriges Vorbringen und legte unter anderem die Gehaltsabrechnung für Januar 2005 (SG-Akte S. 48) vor. Das pauschale Entgelt für die Rufbereitschaft, zu deren Ableistung er im Hinblick auf § 5 seines Arbeitsvertrages nicht verpflichtet sei, dürfe nicht als regelmäßig zu erwartendes Einkommen angesehen werden, da es beispielsweise infolge Krankheit oder Urlaub wegfallen könnte; außerdem könnten Rufbereitschaftswochen "abgefeiert werden" oder er könnte auf die Rufbereitschaftspauschale verzichten. Die Beklagte unterstelle auch zu Unrecht, dass er den tarifvertraglichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen ausschöpfen (und sich nicht mit dem gesetzlichen Mindesturlaub begnügen) werde. Falle nur die Pauschale für eine Rufbereitschaftswoche weg (SG-Akte S. 152), sei die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten. Die Rufbereitschaftswoche vom 17. bis 24.6.2005 habe er sich nicht bezahlen lassen, vielmehr eine Zeitgutschrift auf seine Arbeitszeitkonto erwirkt. Schließlich sei nicht bekannt, ob und in welcher Höhe tarifliche Gehaltserhöhungen gezahlt würden. Auch Gewinnbeteiligungen oder Sonderzahlungen (wie im Jahr 2004 in Höhe von 1.000 EUR) seien angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Lage ungewiss. Gleiches gelte für die Steuer- und Beitragsfreiheit eines pauschal mit 15 vH versteuerten ÖPNV-Zuschusses von 73,50 EUR. Insgesamt sei davon auszugehen, dass der Bruttoarbeitslohn für 2005 niedriger als im Vorjahr ausfallen werde. Was die Prämie zur Zusatzversorgungskasse angehe, sei § 2 Abs. 1 Satz 1 ArEV einschlägig, da das Arbeitsverhältnis bei seinem jetzigen Arbeitgeber (Beigeladene Nr. 1) nicht vor dem 31.12.2000 bestanden habe.

Die Beklagte trug vor, beim Urlaubsaufschlag handele es sich nicht um eine Urlaubsabgeltung, sondern nach den Angaben der Beigeladenen Nr. 1 um Beträge, die während des Urlaubs als Ersatz für Rufbereitschaftszuwendungen gezahlt würden. Diese seien als beitragspflichtiges, einmalig gezahltes Arbeitsentgelt gem. § 23a SGB IV einzustufen. Hinsichtlich der ZVK-Umlage habe man der Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. Satz 2 ArEV die Angaben der Beigeladenen Nr. 1 zugrunde gelegt. Der Kläger habe schließlich im Jahr 2004 ein Weihnachtsgeld von insgesamt 3.958,49 EUR und nicht von (nur) 3.567,51 EUR erhalten (siehe SG-Akte S. 83/91). Die Nachzahlung über 396,90 EUR sei mit der Entgeltzahlung für den Monat Dezember 2004 erfolgt. Nach dem Tarifvertrag werde die Weihnachtszuwendung auch im Jahr 2005 mindestens in gleicher Höhe gezahlt. Das Arbeitsentgelt für 2005 überschreite auch dann die Jahresarbeitsentgeltgrenze, wenn man statt 9 nur 8 Rufbereitschaftswochen ansetze und berücksichtige, dass auch 2005 dem Kläger ein Urlaubsaufschlag von 256,10 EUR zufließen werde. Würde der Kläger aber auf die pauschale Abgeltung für die Rufbereitschaft im Juni 2005 zu Gunsten einer Arbeitszeitgutschrift verzichten, unterläge er ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Arbeitgebers wieder der Krankenversicherungspflicht (SG-Akte S. 206).

Die Stadt R. legte eine Neuberechnung des voraussichtlichen Jahresarbeitsentgelts für 2005 unter Berücksichtigung von (nur) 8 Rufbereitschaftswochen vor; auch dann sei die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten (SG-Akte S. 161).

Die Beklagte trug abschließend vor (SG-Akte S. 174), nach dem vorgelegten Rufbereitschaftsplan leiste der Kläger im Jahr 2005 insgesamt 8 mal Rufbereitschaft. Die Beigeladene Nr. 1 habe daher für dieses Jahr Rufbereitschaftspauschalen von 2.740,32 EUR angerechnet; das entspreche auch den Angaben des Klägers in seiner Widerspruchsbegründung. Der vom ihm beanstandete Urlaubsaufschlag werde ihm nach Angaben der Beigeladenen Nr. 1 in Höhe von 356,10 EUR im Jahr 2005 zufließen. Auch dieser Betrag sei deshalb bei der Berechnung der Jahresarbeitsentgeltgrenze zu berücksichtigen. Bei 8 statt 9 Rufbereitschaftswochen vermindere sich das Weihnachtsgeld um 3,47 EUR. Nach wie vor sei die Jahresarbeitsentgeltgrenze von 46.800 EUR deutlich überschritten.

Unter dem 13.6.2005 (SG-Akte S. 188) verzichtete der Kläger auf die Auszahlung der Rufbereitschaftspauschale für die Bereitschaftswoche vom 17. bis 24.6.2005. Insoweit werde er vom Freizeitausgleich Gebrauch machen. Hierzu trug die Beigeladene Nr. 1 vor (SG-Akte S. 191), der TV-V lasse eine Zeitgutschrift der Rufbereitschaftswoche zwar zu (§ 11 Abs. 3). In der Betriebsvereinbarung über die Regelung der Arbeitszeit vom 1.9.2002 (SG-Akte S. 192) sei jedoch festgelegt, dass die Rufbereitschaftspauschale auszubezahlen sei (§ 8 Abs. 3). Eine Zeitgutschrift erfolge daher nicht. Der Mitarbeiter habe allerdings die Möglichkeit, auf die Auszahlung der Pauschale zu verzichten. Nur sofern Einsätze in der Rufbereitschaft mit der jeweils tatsächlich abgeleisteten Arbeitszeit abgerechnet würden, stehe es dem Arbeitnehmer frei, ob er diese Einsatzstunden auf sein Arbeitszeitkonto oder auf das Entgelt anrechnen lassen wolle (SG-Akte S. 207).

Mit Urteil vom 26.10.2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe im angefochtenen Bescheid vom 1.1.2005 zutreffend (prognostisch) angenommen, dass die Jahresarbeitsentgeltgrenze des Jahres 2005 überschritten werde und Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegversicherung daher nicht mehr bestehe (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, SGB XI). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei für die Jahresarbeitsentgeltgrenze das um die Familienzuschläge verminderte Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung maßgebend, wie es im voraus für das kommende Kalenderjahr festzustellen sei. Ausschlaggebend sei der Verdienst, bei dem zu erwarten sei, dass er bei normalem Verlauf, abgesehen von einer anderweitigen Vereinbarung über das Entgelt oder von nicht voraussehbaren Änderungen in der Beschäftigung, voraussichtlich ein Jahr anhalten werde. Das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt eines Beschäftigten mit fest vereinbartem Gehalt werde in der Weise ermittelt, dass der vertragsmäßig zustehende Monatsverdienst mit 12 vervielfacht werde. Ferner seien solche Beträge zu berücksichtigen, deren Zahlung nach der bisherigen Übung auch künftig mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sei. Zum regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt gehörten also grundsätzlich alle in der Regel, d. h. mit hinreichender Sicherheit aus der Beschäftigung für die nächsten 12 Monate zu erwartenden Einnahmen.

Unstreitig sei zu Beginn des Jahres 2005 ein Bruttomonatsgehalt von 3.158,28 EUR zu erwarten gewesen (Jahresbetrag: 38.223,26 EUR). Hinzukämen vermögenswirksame Leistungen mit einem Jahresbetrag von 79,80 EUR sowie die regelmäßige jährliche Sonderzahlung (Weihnachtszuwendung) in Höhe von 3.859,99 EUR (Jahr 2004: 112 vH des Bruttobetrages aus Grundvergütung, Vergütung für Rufbereitschaft und Urlaubsaufschlag). Die Beklagte habe insoweit zu Recht auch die Vergütung für 8 Rufbereitschaftswochen in Höhe von insgesamt 2.740,32 EUR sowie einen Urlaubsaufschlag von monatlich 29,68 EUR angesetzt.

Hinsichtlich des Urlaubsaufschlags sei entgegen der Auffassung des Klägers auf den tariflichen Urlaubsanspruch (30 Tage) und nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Tagen abzustellen. Nicht maßgeblich sei, welches Jahresarbeitsentgelt sich ergäbe, wenn alle denkbaren Möglichkeiten zur Einkommensminimierung eingesetzt würden. Abzustellen sei vielmehr auf das Einkommen, von dem zu Beginn des Jahres 2005 zu erwarten gewesen sei, dass es bei normalem Verlauf voraussichtlich für die Dauer des Jahres anhalten werde. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger - anders als in den Vorjahren - im Jahr 2005 die Absicht gehabt hätte, den tarifvertraglichen Urlaub nicht auszuschöpfen oder sich die Rufbereitschaft, zu deren Ableistung er verpflichtet sei, nicht vollständig vergüten zu lassen. Dass er tatsächlich teilweise auf die Rufbereitschaftspauschale verzichtet habe, sei rechtlich unerheblich. Insoweit könne auch offen bleiben, ob die in § 8 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung über die Regelung der Arbeitszeit getroffene Auszahlungsregelung wirksam sei oder nicht. Die Rufbereitschaftsvergütung habe einen mit Sicherheit einplanbaren Gehaltsbestandteil dargestellt; nur hierauf komme es an (BSG, Urt. vom 10.2.2004, - B 7 AL 54/03 R -). Schließlich habe die Beklagte auch die ZVK-Umlage dem Arbeitsentgelt zu Recht zugerechnet. Das folge aus § 2 Abs. 1 Satz 2 ArEV. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beigeladene Nr. 1 selbst erst seit dem Jahr 2001 existiere. Bis dahin seien ihre Mitarbeiter, auch der Kläger, nämlich bei den Städten R. und W. beschäftigt gewesen, die ihrerseits der ZVK angehört hätten.

Auf das ihm am 24.3.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.4.2006 Berufung eingelegt. Er bekräftigt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Die Beklagte habe das Jahresarbeitsentgelt für 2005 fehlerhaft errechnet. Die Rufbereitschaftspauschale sei zwar versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt; er habe jedoch auf die Auszahlung verzichtet bzw. eine entsprechende Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto erhalten, wenngleich die Beigeladene Nr. 1 diese unter Hinweis auf die dem entgegenstehende Betriebsvereinbarung wieder rückgängig gemacht habe. Der maßgebliche Tarifvertrag lasse die Zeitgutschrift zu. Hinsichtlich der ZVK-Beiträge habe die Beklagte zu Unrecht die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 ArEV angewendet. Er gehöre nicht zu den von der Stadt R. bzw. W. auf die von diesen gegründete Beigeladene Nr. 1 übergeleiteten Arbeitnehmern. Er habe wegen der fehlerhaften Entscheidung der Beklagten im Jahr 2005 als freiwilliges Mitglied um 261,65 EUR höhere Versicherungsbeiträge zahlen müssen. Weder dem Grunde noch der Höhe nach verbindliche Einmalzahlungen seien nicht zu berücksichtigen, es sei denn, sie würden tatsächlich erbracht. Das Sozialgericht habe auch zu Unrecht angenommen, er werde 2005 den tariflichen Urlaubsanspruch ausschöpfen. In der ersten Hälfte des Jahres 2005 habe er die Arbeitsentgeltgrenze durchweg unterschritten. Das habe sich erst im Juli und August auf Grund ausgezahlten Urlaubsaufschlags und der Rufbereitschaftsvergütung geändert. Bei richtiger Berechnung der Arbeitsentgeltgrenze hätte auch im Jahr 2005 Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung bestanden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.10.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2005 aufzuheben und festzustellen, dass für das Jahr 2005 Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestand.

Die Beklagte und die Beigeladene Ziff. 2 beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend trägt sie vor, der Kläger habe im Jahr 2005 sozialversicherungspflichtige Einnahmen von 48.491,82 EUR erzielt.

Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge.

Der Kläger trägt abschließend vor, seine Beschwer betrage im Hinblick auf gezahlte Arbeitgeberzuschüsse insgesamt 227,06 EUR.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft und auch sonst zulässig. Zwar beträgt die Beschwer des Klägers nach dessen Vorbringen offenbar nur etwa 227 EUR. Allerdings betrifft die Klage weder eine Geld- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so dass es auf den Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (500 EUR) nicht ankommt. Gegenstand der Klage ist nämlich das Bestehen der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung während des Jahres 2005.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheid zu Recht Versicherungsfreiheit zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung festgestellt.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften der Eintritt von Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu beurteilen ist; hinsichtlich der (allein streitigen) Versicherungsfreiheit im Jahr 2005 ist die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der bis 2.2.2007 geltenden Gesetzesfassung (Neufassung durch Gesetz vom 26.3.2007, BGBl. I S. 378) anzuwenden. Das Sozialgericht hat auch zutreffend ausgeführt, welche Rechtsgrundsätze für die Anwendung dieser Bestimmung maßgebend sind (zu Änderungen im Hinblick auf die Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ab 2.2.2007 KassKomm-Peters, SGB V § 6 Rdnr. 19). Davon ausgehend hat es richtig erkannt, dass das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt des Klägers für das Jahr 2005 die Jahresarbeitsentgeltgrenze i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (a.F.) übersteigt, weshalb für dieses Jahr Versicherungspflicht nicht bestand. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts - auch was die Berechnung des Jahresarbeitsentgelts im einzelnen angeht - und verweist daher gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Ergänzend ist insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V war der Kläger (während des Jahres 2005) als gegen Arbeitsentgelt beschäftigter Angestellter zur gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig; gem. § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB XI gilt Gleiches für die gesetzliche Pflegeversicherung. Der Eintritt von Versicherungsfreiheit richtet sich für beide Versicherungszweige nach § 6 SGB V (a.F.). Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbsatz SGB V (a.F.) sind Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt (vgl. dazu auch § 14 SGB IV) - ohne Berücksichtigung von Zuschlägen mit Rücksicht auf den Familienstand - die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 oder 7 (a.F. - für das Jahr 2005 46.800 EUR) übersteigt. Hierbei kommt es (unter Geltung des hier noch maßgeblichen Rechts) nicht auf das bei rückschauender Betrachtung im Jahr 2005 tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt an. Maßgeblich ist vielmehr das Jahresarbeitsentgelt, das sich bei vorausschauender Betrachtung und normalem Verlauf mit hinreichender Sicherheit ergibt. Denn darüber, ob die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird oder nicht und daher Versicherungsfreiheit oder Versicherungspflicht besteht, muss jederzeit und für die nächste Zukunft Klarheit bestehen oder zumindest geschaffen werden können. Der Beschäftigte muss nämlich bei Versicherungsfreiheit für eine anderweitige Versicherung sorgen können und bei plötzlich auftretender Krankheit oder Pflegebedürftigkeit wissen, wie und wo er versichert ist (LSG Berlin, Urt. v. 22.10.2003, - L 9 KR 77/01 - m. w.N.; vgl. auch BSG, Urt. v. 26.6.2007, - B 1 KR 19/06 R - m. N. zur Rechtsprechung des BSG).

Davon ausgehend hat das Sozialgericht den für das Jahr 2005 maßgeblichen Jahresarbeitsverdienst des Klägers zutreffend berechnet. Auch nach Auffassung des Senats geht es nicht an, einen zum (jeweils) gewünschten Ergebnis (hier der Versicherungspflicht) führenden Jahresarbeitsverdienst zu konstruieren und dafür - der auf die wahren Verhältnisse gegründeten vorausschauenden Betrachtung zuwiderlaufend - alle (nur) erdenklichen Mechanismen zum rechnerischen Zuschnitt des Jahresarbeitsverdienstes einzusetzen.

Danach ist unbeachtlich, dass der Kläger im Jahr 2005 - wie er behauptet - auf die Rufbereitschaftspauschale verzichtet hat. Im für die vorausschauende Betrachtung maßgeblichen Vorjahr war das jedenfalls nicht der Fall. Dahinstehen kann deshalb, ob der Verzicht überhaupt beachtlich sein kann, nachdem die vom Kläger statt dessen beanspruchte Arbeitszeitgutschrift im Hinblick auf die dem entgegen stehende Betriebsvereinbarung wieder rückgängig gemacht worden war. Der Sache nach nichts anderes gilt für den Urlaubsaufschlag. Eine Urlaubsabgeltung i. S. d. § 3 Abs. 4 BUrlG steht nicht in Rede. Vielmehr handelt es sich nach (unwidersprochener) Auskunft der Beigeladenen Nr. 1 um eine Zuwendung, die während des Urlaubs als Ersatz für Rufbereitschaftszuwendungen gezahlt wird und die als solche dem Arbeitsentgelt zuzurechnen ist (§§ 14 Abs. 1, 23a Abs. 1 SGB IV). Für die vorausschauende Betrachtung ist auch insoweit maßgeblich, dass der Kläger den tarifvertraglich festgelegten Urlaubsanspruch von 30 Tagen jeweils ausgeschöpft und auf Urlaub nicht verzichtet hatte. Der Urlaubsaufschlag ist daher nicht auf der Grundlage des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs von 24 Tagen (§ 3 Abs. 1 BUrlG) zu berechnen. Schließlich hat die Beklagte auch die vom Beigeladenen Nr. 1 gezahlte ZVK-Umlage rechtsfehlerfrei dem Jahresarbeitsentgelt hinzugerechnet. Das folgt aus § 2 Abs. 1 Satz 2 (der hier noch anzuwenden) ArEV (dazu etwa KassKomm-Seewald, SGB IV § 14 Rdnr. 107, 108). Bei der ZVK-Umlage handelt es sich (unstreitig) um Zukunftssicherungsleistungen nach § 40b EStG. Diese sind gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 ArEV bis zur Höhe von 2,5 vH des für ihre Bemessung maßgebenden Entgelts dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, wenn die Versorgungsregelung mindestens bis zum 31.12.2000 - vor der Anwendung etwaiger Nettobegrenzungsregelungen - eine allgemein erreichbare Gesamtversorgung von mindestens 75 vH des gesamtversorgungsfähigen Entgelts und nach Eintritt des Versorgungsfalls eine Anpassung nach Maßgabe der Entwicklung der Arbeitsentgelte im Bereich der entsprechenden Versorgungsregelung oder gesetzlicher Versorgungsbezüge vorgesehen hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist insoweit nicht maßgeblich, dass er zuvor als Angestellter des öffentlichen Dienstes bei der Stadt R. beschäftigt war und das Angestelltenverhältnis ab 1.1.2003 mit der von den Städten R. und W. im Jahr 2001 als gemeinsames Versorgungsunternehmen gegründeten Beigeladenen Nr. 1 fortgesetzt wurde.

Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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