L 8 SB 4647/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SB 4545/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4647/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens sowie ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Herabstufung des Grades der Behinderung (GdB) sowie die Aberkennung des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) "G".

Der 1969 geborene Kläger beantragte am 04.06.1999 beim Versorgungsamt Stuttgart (VA) erstmals die Feststellung von Behinderungen wegen Schäden an der Wirbelsäule. Mit Bescheid vom 28.07.1999 stellte das VA beim Kläger wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Bandscheibenschaden den GdB mit 50 seit 25.04.1999 sowie für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen das Merkzeichen "G" fest. Dem Bescheid lagen ein radiologischer Kurzbefund der Dr. G., das Attest des Dr. Z. vom 18.09.1987, der Befundbericht des Dr. A. vom 18.12.1998, Berichte der V. Klinik B. R. vom 25.01.1999 und 26.01.1999, das Gutachten des MDK vom 31.03.1999, sowie der Bericht des Klinikum K.-L. vom 11.05.1999, die versorgungsärztlich ausgewertet wurden, zugrunde.

Im März 2001 leitete das VA ein Nachprüfungsverfahren ein, ob beim Kläger in den Verhältnissen, die für die letzten Feststellungen maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Der Kläger machte als neu aufgetretene Behinderungen rezidivierende HWS-Beschwerden sowie Beschwerden im linken Knie nach einem Sturz geltend. Das VA holte den Befundschein des Orthopäden Dr. K. vom 02.05.2001 sowie einen Kurzbefund der Dr. G. ein, die versorgungsärztlichen ausgewertet wurden (Dr. L. vom 20.05.2001). Nach Anhörung des Klägers (Anhörungsschreiben des VA vom 31.05.2001) und dessen Äußerung, mit der der Kläger unter Vorlage des Attestes des Dr. H. vom 20.06.2001 und der Befundberichte des Dr. H. vom 11.07.2001 und 17.10.2001 betreffend die Wirbelsäule und das linke Knie eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen unter eingehender Darlegung des Krankheitsbildes und deren Auswirkungen verneinte, holte das VA den weiteren ärztlichen Befundschein des Dr. K. vom 18.03.2002 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (Dr. L. vom 21.04.2002) stellte das VA gestützt auf § 48 SGB X mit Bescheid vom 06.05.2002 beim Kläger wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Spinalkanalstenose und Wirbelgleiten (Teil-GdB 30) sowie einer Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes (Teil-GdB 10) unter Aufhebung des Bescheides vom 28.07.1999 den GdB nunmehr mit 30 seit 09.05.2002 neu fest. Die Schwerbehinderteneigenschaft sowie die Voraussetzungen für die Feststellung des gesundheitlichen Merkmals "G" lägen nicht mehr vor. Die vorliegende Behinderung habe zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz geführt.

Hiergegen erhob der Kläger am 08.05.2002 unter Verweis auf Dr. K. Widerspruch. Er machte zur Begründung geltend, sein Gesundheitszustand habe sich wesentlich verschlechtert. Er könne momentan den linken Vorfuß nicht abrollen und die Zehen des linken Fußes würden taub werden. Eine Großzehengrundgelenksarthrose sowie eine beginnende Arthrose im metatarsalen Gelenkabschnitt des 1. Strahls seien festgestellt worden. Er habe Schmerzen im linken Knie. Außerdem habe er einen erheblichen Verschleiß an der HWS und entsprechende Beschwerden. Der Verschleiß an der LWS habe zugenommen. Eine wesentliche Besserung seines Zustandes könne er nicht erkennen. Stand sei, dass er täglich auf einen Abruf in die Klinik nach L. zur Operation warte. Er bitte darum, einen höheren GdB als 50 festzustellen. Der Kläger legte den Befundbericht des Dr. S. vom 22.08.2002 vor. Das VA holte außerdem die ärztlichen Befundscheine des Dr. K. vom 07.06.2002 und 02.05.2003 ein, der eine gravierende Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers seit dem Befundbericht vom 07.06.2002 verneinte.

Am 21.10.2002 unterzog sich der Kläger einer Operation an der Lendenwirbelsäule im Klinikum K.-L. (DVD Repositionsspondylodese L5/S1 und Fusion L4/5 sowie Spanentnahme aus dem Beckenkamm in Deckeltechnik - Bericht des Klinikums K.-L. vom 10.12.2002 -).

Nach versorgungsärztlicher Auswertung (Dr. Schulzki vom 05.06.2003) wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2003 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des VA vom 06.05.2002 zurück. In den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 28.07.1999 zugrunde gelegen hätten, sei insoweit eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X eingetreten, als sich in der Zwischenzeit die Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet wesentlich gebessert hätten. Die Festsetzung des GdB von 30 entspreche den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP). Ein höherer GdB habe nicht mehr festgestellt werden können. Der Kläger erfülle für die Feststellung des Merkzeichens "G" die Grundvoraussetzungen nicht mehr, weil der GdB jetzt weniger als 50 betrage und er somit nicht mehr schwerbehindert sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 27.08.2003 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG), mit dem Ziel, den Bescheid des VA vom 06.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2003 aufzuheben. Er führte zur Begründung aus, er leide seit seinem 18. Lebensjahr an erheblichen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelkörper, die durch eine Spondylodese im Oktober 2002 nicht habe beseitigt werden können. Eine Besserung der hierdurch bedingten Funktionsbeeinträchtigungen sei bis heute nicht eingetreten. Neben den Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule bestünden Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule sowie, nach einem Sturz auf das linke Kniegelenk im Frühjahr 2001, eine Meniscopathie II-III des Innenmeniskushinterhorns und der Verdacht auf einen Riss im Außenmeniskusvorderhorn. Seit der operativen Behandlung bestehe eine postoperative Rekurrensparese (Stimmenbandlähmung), aufgrund derer eine Heiserkeit bei extremer Stimmenbelastung bestehe. Der Kläger legte unter Vorlage von Arztbriefen die erfolgten Untersuchungen, Diagnosen und den Behandlungsverlauf seit dem Jahre 1987 dar. Die streitgegenständlichen Bescheide seien rechtswidrig. Zum einen mangele es an der gemäß § 35 SGB X erforderlichen Begründung. Weshalb die festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen eine Reduzierung des GdB rechtfertigten, bleibe das Geheimnis des Beklagten. Auch aus dem Widerspruchsbescheid ergebe sich keine tragfähige Begründung der Verminderung des GdB. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch materiellrechtlich eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X nicht eingetreten. Weder neurologisch noch klinisch ergebe sich aus dem stattgehabten operativen Eingriff eine Verbesserung. Der Kläger legte hierzu ein - von seinen Prozessbevollmächtigten in Auftrag gegebenes - Gutachten des Prof. Dr. W., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T., vom 12.02.2004 vor. Prof. Dr. W. diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer Untersuchung des Klägers eine in guter Stellung knöchern konsolidierte Repositionsspondylodese L5/S1, eine in guter Stellung konsolidierte Spondylodese L4/L5, noch einliegendes Material nach dorsaler Instrumentierung L4-S1, eine erhebliche Bewegungseinschränkung der gesamten Wirbelsäule, sowohl die Lendenwirbelsäule oberhalb der versteiften Segmente als auch die Brustwirbelsäule betreffend, eine erhebliche Verschmächtigung der Paravertebralmuskulatur im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule, ein deutliches Wurzelkompressionssyndrom L5/S1, eine Gangbild- und Abrollstörung des linken Fußes, wechselnde und belastungsabhängige Schmerzen am Rücken, insbesondere im Bereich der gesamten Lendenwirbelsäule, schmerzhafte Missempfindungen am linken Fuß im Gefolge des Wurzelkompressionssyndroms sowie ein geringer Reizzustand im linken Kniegelenk ohne klinische Zeichen einer Meniskus- oder Bandläsion. Er gelangte in seinem Gutachten in zusammenfassender Beurteilung zu dem Ergebnis, radiologisch sei eine gute Reposition der Spondylolisthesis gelungen. In neurologischer Hinsicht sei keine Verbesserung durch die stattgehabte Operation an der Lendenwirbelsäule eingetreten. Klinisch bestehe eine ausgeprägte Pathologie im Bereich des gesamten Rückens. Es bestehe eine erhebliche Bewegungseinschränkung, welche nicht nur die versteiften Segmente, sondern die gesamte Wirbelsäule umfasse. Entscheidend für die tatsächliche Behinderung des Klägers seien der klinisch-orthopädische und der neurologische Befund. Die Funktionsbehinderungen hätten sich ebenso wie der klinische Befund durch die operative Behandlung nicht namhaft verändert. Im Vergleich zu den Vorbefunden sei keine Veränderung im Sinne einer Verbesserung festzustellen, welche eine Rückstufung des GdB rechtfertige. Es könne nicht mehr von einer leichtgradigen Funktionseinbuße die Rede sein, so dass in Analogie zur Bechterw´schen Erkrankung eine Einschätzung des GdB mit 50 gerechtfertigt sei. Eine Gehbehinderung in einem Ausmaße, welche die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertige, liege nicht vor.

Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 09.07.2004 entgegen.

Das SG hörte den Orthopäden Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 21.07.2004 unter Vorlage von Befundberichten die Befunde mit. Er war der Ansicht, dass insgesamt deutliche Besserungen bestünden. Den GdB schätzte er auf 40. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" wurden von ihm verneint. Der Kläger trat der Stellungnahme des Dr. K. unter Vorlage des radiologischen Befundberichtes des Dr. H. vom 26.04.2004 entgegen, da Dr. K. bei seiner Beurteilung nicht sämtliche erhobenen Befunde (Beschwerden im Bereich der Brustwirbelsäule) zugrunde gelegt habe. Die Ansicht von Dr. K., dass deutliche Besserungen bestünden, sei im Hinblick auf eine von ihm ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 06.04.2004 bis 14.06.2004 wegen erheblicher Beschwerden durch Lumboischialgien nicht nachvollziehbar.

Der Beklagte trat unter Vorlage der Stellungnahme des Versorgungsarztes D. vom 02.11.2004 der Klage weiterhin entgegen. Der zugrunde gelegte Teil-GdB 30 für die Wirbelsäule sei nicht zu beanstanden.

Das SG holte daraufhin von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Dr. A. vom 07.01.2005 ein. Dr. A. gelangte in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe eine in guter Stellung knöchern verfestigte Repositionsspondylodese L5/S1 und eine in guter Stellung konsolidierte Spondylodese L4/5 mit anhaltender Wurzelreizung L5 und S1 mit Betroffenheit und einer Sensibilitätsminderung des linken Beines und ein chronisches Hals- und Brustwirbelsäulenschmerzsyndrom ohne neurologische Defizite (Teil-GdB 40), eine Hüftdysplasie beidseits mit Einschränkung der Innenrotation beidseits und radiologisch beginnenden Arthrosezeichen (Teil-GdB 20 bis 30), eine Chondropathia patellae beider Kniegelenke mit beginnenden Abnutzungserscheinungen des medialen Kniegelenkspaltes links ohne Bewegungseinschränkung (Teil-GdB 20 bis 30) sowie ein Knicksenkspreizfuss mit G.zehengrundgelenksarthrose beidseits mit deutlicher belastungsabhängiger Beschwerdesymptomatik (Teil-GdB 10). Er empfahl einen Gesamt-GdB von 50. Festzuhalten sei zusätzlich, dass sich der Befund an der Lendenwirbelsäule durch die Operation in L. in keiner W. gebessert habe.

Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Götz vom 08.02.2005 und 23.03.2005 weiter entgegen. Unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke (Teil-GdB 10), von Knorpelschäden an beiden Kniegelenken (Teil-GdB 10) und einer Funktionsstörung durch Fußfehlform (Teil-GdB 10) betrage der GdB weiterhin 30 seit 09.05.2002. Hiergegen erhob der Kläger Einwendungen. Die bei ihm vorliegenden Gesundheitsbeschwerden rechtfertigten einen GdB von 50. Der Kläger legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. K. vom 30.06.2005 mit Folgebescheinigungen bis 11.09.2005 vor.

Dr. A. führte auf Veranlassung des SG in Ergänzung seines Gutachtens am 09.11.2005 weiter aus, der Kläger könne aufgrund der vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht mehr ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahr für sich und andere dien übliche Wegstrecke im Ortsverkehr von etwa 2 Kilometer in einer halben Stunde zu Fuß zurücklegen. Zusätzlich nahm er auf Bitte des SG ergänzend Stellung zu den Einwendungen des Beklagten und verblieb bei seiner Einschätzung des GdB von 50.

Der Beklagte trat unter Vorlage der Stellungnahme des Versorgungsarztes D. vom 27.01.2006 der Klage weiterhin entgegen. Hiergegen erhob der Kläger wiederum Einwendungen.

In der öffentlichen Sitzung des SG am 16.05.2006 wurde der Kläger angehört. Auf die Niederschrift des SG vom 16.05.2006 wird verwiesen.

Mit Urteil vom 16.05.2006 hob das SG den Bescheid des Beklagten vom 06.05.2002 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2003 auf, soweit der Bescheid vom 28.07.1999 bezüglich der Höhe des Grades der Behinderung aufgehoben und ein Grad der Behinderung von weniger als 40 festgestellt wurde. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das SG führte zur Begründung aus, beim Kläger könnten die vorliegenden Funktionseinschränkungen nicht (mehr) mit einem höheren GdB als 40 bewertet werden. Auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" lägen nicht mehr vor. Es sei insoweit seit dem Erlass des Bescheides im Jahr 1999 von einer wesentlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers auszugehen. Für die Wirbelsäulenschäden sei nach den AHP ein GdB von 40 angemessen. Für die Knorpelschäden der Kniegelenke, die Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke sowie die Fußdeformitäten sei jeweils ein GdB von 10 angemessen. Der Gesamt-GdB sei beim Kläger nur noch mit 40 zu bewerten. Davon, dass die im Jahr 1999 erfolgte Bewertung falsch und somit rechtswidrig gewesen sei, sei nicht auszugehen. Auch die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" lägen beim Kläger nicht mehr vor. Der Kläger sei noch in der Lage, ohne Gefahren für sich oder andere etwa 2 Kilometer in 30 Minuten zurückzulegen. Auch hierbei sei davon auszugehen, dass der Bescheid im Jahr 1999 zu Recht das Merkzeichen "G" festgestellt habe.

Gegen das am 16.08.2006 zugestellten Urteil hat der Kläger am 11.09.2006 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, das Urteil des SG verstoße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz, soweit bezüglich der Bewertung seines bestehenden Kniegelenks- und Hüftschadens sowie der Gesamtbewertung von den Bewertungen des Dr. A. abgewichen werde, ohne dessen ergänzende Stellungnahme einzuholen bzw. den Sachverständigen zur Erörterung seines Gutachtens zu laden. Das SG habe sich ohne eigenen medizinischen Sachverstand über die Einschätzung des Gutachters hinweggesetzt. Ein weiterer Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht liege darin, dass die Annahme eines Gesamt-GdB von lediglich 40 vom SG damit begründet werde, dass nach den AHP leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingten, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen könnten. Darüber hinaus habe das SG sein Recht auf Gehör verletzt, in dem es Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens nicht bereits vor Erlass des Urteils geäußert und lediglich bezüglich des Merkzeichens "G" eine ergänzende schriftliche Stellungnahme durch den Sachverständigen eingeholt habe. Dadurch sei ihm die Möglichkeit verwehrt worden, einen Antrag auf Ergänzung des Gutachtens bzw. auf Ladung des Sachverständigen zu stellen.

Der Senat hat den Entlassungsbericht der Reha-Klinik H. vom 27.11.2002 über die stationäre Anschlussheilbehandlung des Klägers vom 05.11.2002 bis 26.11.2002 beigezogen, den Rechtsstreit durch den Berichterstatter in nichtöffentlicher Sitzung am 30.03.2007 mit den Beteiligten erörtert sowie an die Beteiligten ein Hinweisschreiben vom 21.05.2007 übersandt.

Der Kläger hat ergänzend ausgeführt, der Entlassungsbericht sei nicht geeignet, eine Besserung seines Gesundheitszustandes nachzuweisen. Der Erfolg einer Operation könne erst nach einer gewissen Zeit beurteilt werden. Aus dem Bericht gehe hervor, dass unter derzeitiger Medikation aktuell keine Beschwerden bestanden hätten. Bei den im Bericht genannten Medikamenten Vioxx 25, Pantozol 40, Mydocalm und Tramal handele es sich um sehr starke Schmerzmedikamente, durch die sich kurzfristig eine Besserung seines Gesundheitszustandes eingestellt habe. Außerdem sei die Nervenwurzel L5/S1 unter CT eingespritzt worden, um die Ursache erheblicher Schmerzen zu eruieren. Die Wirkung dieses Anästhetikums habe bereits gegen Ende der Kur nachgelassen und seine Fußbeschwerden hätten sich trotz der Schmerzmittelgabe Vioxx usw. erhöht. Ärztlich sei erwogen worden, den Fuß operieren zu lassen. Die behandelnden Ärzte seien sich jedoch einig gewesen, dass die Fußbeschwerden von der Ledenwirbelsäule herrührten.

Der Beklagte hat auf das Hinweisschreiben des Senats unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 01.06.2007 ein Teilanerkenntnis dahin abgegeben, dass der GdB über den 08.05.2002 hinaus 50 sowie ab 27.07.2003 (Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2003) 40 und ab dem letztgenannten Zeitpunkt eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festgestellt wird (Schriftsatz vom 08.06.2007). In der mündlichen Verhandlung am 21.09.2007 haben die Beteiligten folgenden Teilvergleich geschlossen: Teilvergleich:

1. Der GdB beträgt über den 08.05.2002 hinaus 50 sowie ab 27.07.2003 mindestens 40. 2. Bis zum 26.07.2003 steht dem Kläger auch das Merkzeichen G zu. 3. Ab dem 27.07.2003 wird zumindest eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festgestellt. 4. Die Beteiligten sind sich einig, dass der Rechtsstreit insoweit erledigt ist, der Kläger im Übrigen aber sein auf die vollständige Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides gerichtetes Klagebegehren aufrechterhält.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Mai 2006 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 6. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2003 insgesamt aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und insbesondere des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Akten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist insgesamt zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet.

Der Beklagte wird seit 01.01.2005 wirksam durch das Regierungspräsidium Stuttgart vertreten. Nach § 71 Abs. 5 SGG wird in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts das Land durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, vertreten. In Baden-Württemberg sind die Aufgaben des Landesversorgungsamts durch Art 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz - VRG -) vom 01.07.2004 (GBl S. 469) mit Wirkung ab 01.01.2005 (Art 187 VRG) auf das Regierungspräsidium Stuttgart übergegangen.

Richtige Klageart ist die Anfechtungsklage. Dabei ist der angefochtene Bescheid nur noch in dem Umfang Streitgegenstand des Berufungsverfahrens, den er durch das Urteil des SG und den vor dem Senat geschlossenen Teilvergleich erhalten hat. Zu prüfen ist also, ob die Herabsetzung des GdB von 50 auf 40 und die Entziehung des Nachteilsausgleichs G für die Zeit ab 27.07.2003 rechtmäßig ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechts- und Sachlage ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist formell rechtmäßig. Der Kläger ist vor Erlass des Bescheides vom 06.05.2002 vom VA mit Schreiben vom 31.05.2001 ordnungsgemäß angehört worden. Der Kläger wurde in diesem Schreiben darüber informiert, dass das VA davon ausgeht, dass eine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse insofern eingetreten sei, als sich die Funktionsbeeinträchtigung "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule" zwischenzeitlich gebessert habe sowie, dass die Schwerbehinderteneigenschaft und die Voraussetzungen für die Feststellung des gesundheitlichen Merkmals "G" nicht mehr vorlägen. Damit waren dem Kläger die Umstände bekannt, die für die Entscheidung des VA von Bedeutung sind, wie auch das Vorbringen des Klägers auf das Anhörungsschreiben zeigt. Auf einen Anhörungsfehler hat sich der Kläger im Übrigen auch nicht berufen.

Der angefochtene Bescheid ist auch nicht wegen eines Begründungsmangels formell rechtswidrig. Im Bescheid vom 06.05.2002 wurden die tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die für die Entscheidung wesentlich waren, genannt. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit allen Einzelheiten auseinandersetzt. Es genügt vielmehr, dass die Entscheidung nachprüfbar ist (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 5. Auflage, § 35 Rdnr. 5 mwN). Dem werden die Begründungen im Bescheid vom 06.05.2002 und Widerspruchsbescheid vom 24.07.2003 gerecht, wie das Vorbringen des Klägers im Widerspruchsverfahren bzw. Klageverfahren wiederum zeigt. Unabhängig davon rechtfertigt bei gebundenen Entscheidungen, wie sie vorliegend in Frage steht, ein bloßer Begründungsmangel oder Begründungsfehler nicht die Aufhebung des Verwaltungsaktes (vgl. Engelmann in von Wulffen, a.a.O., Rdnr. 18 mwN).

Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist zunächst § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt beim Zusammentreffen mehrerer Behinderungen nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen hatten, insgesamt eine Veränderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 Punkte geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist allerdings die Gesamtbewertung nicht völlig neu, wie bei der ersten Entscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist der jetzige Gesamtzustand an behinderungsbedingten Funktionseinbußen mit dem früheren, objektiven Zustand, wie er der letzten Entscheidung zugrunde lag, zu vergleichen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Änderung der Verhältnisse unverändert geblieben ist. Im Falle einer wesentlichen Verschlimmerung ist der ursprüngliche Gesamt-GdB nur insofern verbindlich, als er i.S. des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der W., dass beim Hinzutreten neuer Funktionsbeeinträchtigungen der darauf entfallende Einzel-GdB den bisherigen Gesamt-GdB (nach den Maßstäben der AHP) erhöhen muss (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29).

Bei Prüfung dieser Voraussetzungen sind sowohl für den zum Zeitpunkt der letzten Feststellung vorliegenden wie auch den auf den Zeitpunkt der maßgeblichen Änderung bezogenen Sachverhalt die folgenden gesetzlichen Regelungen und sonstigen Maßstäbe von wesentlicher Bedeutung:

Auf den vorliegenden Rechtsstreit sind die Vorschriften des SGB IX anzuwenden. Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen auf Antrag des Behinderten die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den daraus resultierenden GdB fest. Materiell-rechtlich sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX), so dass auch hier die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" - Ausgabe 2004 - (AHP) heranzuziehen sind.

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die Anhaltspunkte führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel-GdB Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt-GdB Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der Anhaltspunkte in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5).

Im Vergleich der dem Bescheid vom 28.07.1999 zugrundeliegenden Befundunterlagen und der zur Zeit des Ergehens des Widerspruchsbescheides bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers ist der Senat mit dem SG der Ansicht, dass beim Kläger eine wesentliche Verbesserung seines Gesundheitszustandes eingetreten ist, die es rechtfertigt, den GdB ab dem 27.07.2003 auf 40 herabzusetzen und ihm das Merkzeichen "G" ab diesem Zeitpunkt zu entziehen.

Nach den dem Bescheid des VA vom 28.07.1999 zugrunde liegenden Befundunterlagen, die vor Erlass dieses Bescheides versorgungsärztlich ausgewertet wurden, wurde beim Kläger eine Spondylolisthesis L5/S1 mit Spondylolyse und Gleitvorgang Typ Meyerding I, Osteochondrose L4/5 mit Retrolisthese L4/5 und Bandscheibenschaden L4/5 sowie thoraco-lumbalem Morbus Scheuermann diagnostiziert. Diese Wirbelsäulenschäden führten zu einer Einschränkung der Beweglichkeit. Bei der Begutachtung durch den MDK war die Halswirbelsäule in allen Richtungen zwar frei beweglich. Die Rumpfvorneigung war bei bestehender Schmerzsymptomatik jedoch nicht überprüfbar. Die Rumpfseitneigung und Rumpfrotation war (schmerzhaft) jeweils bis 20-0-20°möglich. Bei der Bewegungsprüfung traten verstärkt Schmerzen an der unteren LWS und über den linken ISG auf. Hüft-, Knie- und Sprunggelenke waren dagegen frei beweglich. Ebenso die Schulter und die oberen Extremitäten. Eine seit Dezember 1998 bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Jurist für die WGV-Versicherung wurde für unbestimmte Zeit bestätigt (MDK Gutachten vom 31.03.1999). Nach dem vor Erlass des Bescheides vom 28.07.1999 zeitlich letzten Befundbericht des Klinikums K.-L. vom 11.05.1999 war dem Kläger eine Rotation der Wirbelsäule, Lateralflex und Extension jeweils nur noch bis zu 10-0-10° möglich, Zeichen nach Schober 10/10. Damit war die Beweglichkeit auf 1/3 bis 1/4 eingeschränkt (Normalmaß nach der Neutral-0-Methode 30/40-0-30/40). Der Finger-Boden-Abstand betrug 60 cm. Weiter bestand eine deutliche verkürzte ischiocrurale Muskulatur. Der Kläger gab insgesamt starke Schmerzen mit kontinuierlicher Schmerzmedikation an, die nicht den gewünschten Erfolg brächten. Aufgrund der bestehenden starken Beschwerden mit Opiat-Einnahme wurde eine zügige stationäre Aufnahme zur Operation empfohlen. Ansonsten bestand ein flüssiges Gangbild. Zehen- und Fersengang beidseits waren normal möglich. Die genannten Befundunterlagen zeigten im Vergleich zu den in weitern Befundunterlagen genannten früheren Befunden eine laufende Verschlimmerung des Wirbelsäulenleidens des Klägers.

Ausgehend von diesen Befunden bestanden beim Kläger zur Zeit des Erlasses des Bescheides des VA vom 28.07.1999 schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Lendenwirbelsäule), die nach den AHP (auch in der Fassung von 1996) einen GdB von 30 bedingten. Funktionelle Auswirkungen, die nach den AHP mit einem höheren GdB als 30 zu bewerten sind (schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten - GdB 40 -, mit besonders schweren Auswirkungen z.B. Versteifung Großer Teile der Wirbelsäule oder anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst, schwere Skoliose - GdB 50 - 70 -, schwerste Belastungsinsuffizienz - GdB 80 - 100 -, vgl. AHP 2004 Seite 116, AHP 1996 Seite 140) lagen dagegen beim Kläger nicht vor. Weiter war nach den vorliegenden Befundunterlagen ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom bei der Bildung des GdB erhöhend zu berücksichtigen, das im Hinblick darauf, dass nach dem Befundbericht des Klinikums K.-L. vom 11.05.1999 aufgrund bestehender starker Beschwerden mit Opiat-Einnahme eine zügige stationäre Aufnahme zur Operation empfohlen wurde, die Feststellung des Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt erscheinen lässt.

Durch die am 21.10.2002 erfolgte Operation (Repositions-Spondylodese L5/S1 sowie Fusion L 4/5 in DVD-Technik) ist zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2003 eine dauerhafte Besserung des Wirbelsäulenleidens des Klägers eingetreten, die es rechtfertigt, ab diesem Zeitpunkt den GdB auf 40 herabzusetzen.

Nach den im vom Senat beigezogenen Reha-Entlassungsbericht der Reha-Klinik H. vom 27.11.2002 mitgeteilten Befunden ist davon auszugehen, dass sich die funktionellen Auswirkungen des Lendenwirbelsäulenleidens des Klägers durch die Operation noch nicht wesentlich gebessert hatten. So war beim Kläger die LWS-Funktion - ohne motorisches Defizit bei seitengleich prompt auslösbaren Muskeleigenreflexen - aufgehoben. Danach ist hinsichtlich der funktionellen Auswirkungen weiter von einem GdB von 30 auszugehen. Eine wesentliche Besserung ist aber hinsichtlich der Schmerzsituation eingetreten. Zwar bestand nach dem Bericht beim Kläger weiterhin eine anhaltende Schmerzhaftigkeit, weshalb die vorbestehende Medikation in Vioxx 25 (1-0-1) unter Gastroprotektion mit Pantozol geändert und eine analgetische Erweiterung der Medikation in Form von Tramal 100 long 2x1 erfolgte, die allerdings im weiteren Verlauf reduziert werden konnte, zum Teil im Austausch mit einer Muskelrelaxanz (Mydocalm 1-0-1). Dass diese Schmerzbehandlung keinen Erfolg hatte, lässt sich dem Reha-Entlassungsbericht nicht entnehmen. Dagegen spricht, dass die Medikation in Form von Tramal reduziert werden konnte. In diese Richtung geht auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren, aus dem Bericht gehe hervor, dass nur unter der derzeitigen Medikation aktuell keine Beschwerden bestanden hätten. Von eine vergleichbaren Schmerzsymtomatik, wie sie dem Bescheid des VA vom 28.07.1999 zugrunde lag (bestehende starke Beschwerden mit Opiat-Einnahme), kann danach - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht mehr ausgegangen werden.

Den Ansichten von Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 12.02.2004, das der Senat im Wege des Urkundenbeweiss verwertet, und Dr. A. in seinem Gutachten vom 07.01.2005, die übereinstimmend davon ausgehen, dass sich der Befund an der Lendenwirbelsäule des Klägers durch die erfolgte Operation nicht gebessert habe, vermag sich der Senat nicht anzuschließen, denn ihre Ansicht steht jeweils nicht mit den im Rahmen der Begutachtungen erhobenen und in den Gutachten mitgeteilten Befunden in Einklang. Nach den von Prof. Dr. W. erhobenen Befunden ist zwar davon auszugehen, dass beim Kläger auf neurologischem Gebiet eine Verbesserung an der Lendenwirbelsäule nicht eingetreten ist. Es besteht nach wie vor eine Wurzelkompression L5/S1 ohne motorische Ausfallerscheinungen, die aber Missempfindungen hervorruft. Jedoch hat sich durch die gut gelungene Operation (gute Reposition der Spondylolisthesis) der klinische Funktionsbefund wesentlich gebessert. Der Finger-Boden-Abstand hat sich auf 35 cm verkürzt. Die Beweglichkeit des Rumpfes war hinsichtlich der Drehung mit 15° und der Seitneigung mit 15 - 20° nur noch ca. zur Hälfte eingeschränkt. Auch das Zeichen nach Schober war mit 10/11 und 10/11,5 verbessert. Nach den Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. war der Kläger zudem nicht mehr auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen und die Nachtruhe war durch Schmerzen nicht gestört. Auch bei der ambulanten Untersuchung im Klinikum K.-L. am 17.05.2004 hat der Kläger ausweislich des Befundberichtes vom 09.06.2004 von einer Besserung der Rückenschmerzen berichtet. Die von Prof. Dr. W. erhobenen Befunde haben sich bei der Untersuchung durch Dr. A. insgesamt betrachtet sogar noch weiter verbessert. Die Seitneigung und das Drehen waren jeweils mit 20-0-20° möglich. Das Zeichen nach Ott betrug 30/33 und nach Schober 10/13. Lediglich der Finger-Boden-Abstand war mit 40 cm (leicht) verschlechtert. Dem entspricht auch die Auskunft von Dr. K. vom 21.07.2004 an das SG, der eine insgesamt deutliche Besserung attestiert hat.

Die genannten verbesserten Befunde belegen auch, dass es durch die am 21.10.2002 erfolgte Operation zu einer nicht nur vorübergehenden, sondern nachhaltigen kontinuierlichen Besserung des Lendenwirbelsäulenleidens des Klägers gekommen ist, weshalb von einer wesentliche Besserung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides auszugehen ist, die die Herabsetzung des GdB um 10 auf 40 ab dem 27.07.2003 rechtfertigt.

Verschlimmerungen im Gesundheitszustand des Klägers, insbesondere hinsichtlich der Kniegelenke, der Hüftgelenke und der Fußdeformitäten, die trotz der eingetretenen Besserung rechtfertigen, den GdB bei 50 zu belassen, liegen nicht vor, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Auch der Senat vermag der abweichenden Bewertung von Dr. A. aus den vom SG dargestellten Gründen nicht zu folgen. Er macht sich die diesbezüglichen Ausführungen des SG in seinem Urteil (Seite 9 bis 11) zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zu eigen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG). Soweit Dr. A. in seinem Gutachten davon ausgeht, dass die AHP bei einer Chondropathia patellae (Erkrankung des Knorpels hinter der Kniescheibe) bei einseitigem Befall auch ohne Vorliegen einer Bewegungseinschränkung einen Einzel-GdB von 10 - 30 vorsehen, trifft dies nicht zu. Diese Bewertung gilt nur für ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke z.B. bei einer Chondromalacia patellae (Knorpelschaden in Form der Knorpelerweichung) Stadium II - IV mit anhaltenden Reizerscheinungen. Eine solche Erkrankung hat der Sachverständige aber nicht festgestellt. Nach seinem Gutachten lassen sich beim Kläger erst beginnende Abnutzungserscheinungen des medialen Kniegelenkspaltes links ohne Bewegungseinschränkung feststellen. Dies rechtfertigt noch keinen GdB von 20 bis 30.

Damit liegen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) "G" beim Kläger ab dem 27.07.2003 nicht mehr vor. Voraussetzungen für die Belassung dieses Nachteilsausgleiches ist gem. § 145 Abs. 1 SGB IX u.a., dass der Kläger mit einem GdB von (mindestens) 50 schwerbehindert ist. Dies trifft beim Kläger nach dem Ausgeführten aufgrund der eingetretenen Verbesserung seines Gesundheitszustandes zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt am 27.07.2003 nicht mehr zu.

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Bewertung. Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz liegt nicht vor. Nach den oben dargestellten Grundsätzen ist der Gesamt-GdB unter Beachtung der Anhaltspunkte in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden. Die Sozialgerichte sind nicht an die GdB-Bewertungen der Sachverständigen gebunden. Das SG - wie auch der Senat - kann danach auch ohne vorherige Anhörung des Sachverständigen zu einer abweichenden GdB-Bewertung gelangen.

Weiter liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht vor. Im Klageverfahren wurde vom Beklagten und dem Kläger sehr ausführlich streitig zur Sache vorgetragen. Damit war für den Kläger ohne weiteres ersichtlich, dass insbesondere die GdB-Bewertungen von Dr. A. umstritten sind und dass das SG sich deshalb mit dessen GdB-Bewertungen bei seiner Entscheidung kritisch wird auseinandersetzen müssen, was die Möglichkeit einer davon abweichenden Entscheidung nahelegt. Eines besonderen Hinweis des SG auf diese Möglichkeit bedurfte es daher nicht. Weiter trifft das Vorbringen des Klägers, das SG habe Dr. A. lediglich bezüglich des Merkzeichens "G" um eine ergänzende Stellungnahme gebeten, nicht zu. Vielmehr hat das SG in seinem Schreiben vom 18.10.2005 Dr. A. ausdrücklich gebeten, auch zu den vom Beklagten vorgebrachten Einwendungen ergänzend Stellung zu nehmen (Beweisfrage Nr. 2), was in der Stellungnahme von Dr. A. vom 09.11.2005 auch geschehen ist. Im Übrigen wäre ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör durch das SG nicht geeignet, die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide zu rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass Klage und Berufung des Klägers teilweise erfolgreich waren.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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