Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 SF 324/15 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.07.2015 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I:
Im Streit ist die Frage, ob eine Untätigkeitsklage durch ein angenommenes Anerkenntnis erledigt wurde und eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG erstattungsfähig ist.
Streitgegenständ des zugrunde liegenden Klageverfahrens war eine Untätigkeitsklage. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte am 01.10.2014 bei der Beklagten nach § 44 SGB X beantragt, die Zeiten in der Kolchose als nachgewiesene Zeiten anzuerkennen und für den Kläger spätestens ab 6-jähriger Berufserfahrung als Maurer die Qualifikationsgruppe 4 anzuerkennen. Mit Bescheid vom 23.12.2014 stellte die Beklagte die dem Kläger seit dem 01.09.2000 gezahlte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit rückwirkend neu fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid vom 26.08.1997 werde bezüglich des Zeitraumes vom 01.09.1983 bis zum 13.06.1989 nach § 44 SGB X zurückgenommen, da die Tätigkeit des Klägers in der Kolchose vom 01.09.1983 bis zum 13.06.1989 nunmehr in den Wirtschaftsbereich 22 eingestuft und als nachgewiesene Zeit anerkannt worden sei. Die Höherstufung in die Qualifikationsgruppe 4 wurde abgelehnt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erhob am 13.01.2015 für den Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Er machte geltend, dass der Kläger langjährig als Maurer in einer Baubrigade und als Ofenbauer gearbeitet habe und auch ohne abgeschlossene Berufsausbildung in die Qualifikationsgruppe 4 einzustufen sei. Die Beklagte veranlasste die Vernehmung von drei Zeugen zu der Tätigkeit des Klägers vom 24.04.1976 bis zum 24.08.1980, die am 23.02.2015 durch die Stadtverwaltung der Stadt Bad Brückenau und am 25.02.2015 durch das Versicherungsamt der Stadt Geldern durchgeführt wurde. Die schriftlichen Erklärungen gingen am 20.02. und 04.03.2015 bei der Beklagten ein. Am 17.03.2015 erinnerte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Entscheidung über den Widerspruch und wies darauf hin, dass ansonsten Untätigkeitsklage erhoben würde.
Da sich die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht äußerte, erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 18.04.2015 Untätigkeitsklage. Mit Schriftsatz vom 07.05.2015 erkannte die Beklagte die Untätigkeit an und übernahm die Kosten dem Grunde nach. Gleichzeitig kündigte sie an, den Widerspruchsbescheid im Laufe des Monats zu erteilen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers nahm mit Schriftsatz vom 20.05.2015 das Anerkenntnis der Beklagten vom 07.05.2015 an und erklärte die Klage für erledigt. Die Beklagte erteilte am 19.05.2015 den Widerspruchsbescheid, mit dem der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen wurde.
Mit Kostenrechnung vom 19.05.2015 machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten außergerichtliche Kosten des Klägers in Höhe von 376,00 EUR geltend, wobei eine Geschäftsgebühr in Höhe von 180,00 EUR und eine fiktive Terminsgebühr in Höhe von 170,00 EUR in Ansatz gebracht wurde. Die Beklagte teilte dem Gericht mit Schriftsatz vom 26.05.2015 unter Hinweis auf das Anerkenntnis vom 07.05.2015 mit, dass der Widerspruchsbescheid vom 19.05.2015 erteilt worden sei. Gleichzeitig wies sie bezüglich der Kostenrechnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hin, dass aus ihrer Sicht eine Verfahrensgebühr in Höhe von 80,00 EUR angemessen und eine fiktive Terminsgebühr nicht erstattungsfähig sei, da eine solche bei einer Untätigkeitsklage nicht entstehe. Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gerichtliche Entscheidung über die zu erstattenden Kosten.
Mit Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 31.07.2015 wurden die von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 249,90 EUR festgesetzt. Dabei wurde eine Verfahrensgebühr in Höhe von 100,00 EUR als angemessen zugrunde gelegt, da die Beklagte nach Erhebung der Klage die Untätigkeit anerkannt habe und die Sache weder umfangreich noch schwierig gewesen sei. Darüber hinaus sei eine fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 Nr 3 VV RVG in Höhe von 90,00 EUR zu erstatten, da die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben habe. Die Terminsgebühr betrage 90 vH der entstandenen Verfahrensgebühr.
Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte am 12.08.2015 Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, eine fiktive Terminsgebühr sei nicht entstanden, da die Erledigung einer Untätigkeitsklage lediglich durch den Erlass des begehrten Bescheides eintrete. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II:
Die nach § 197 Abs 2 SGG zulässige Erinnerung der Beklagten ist nicht begründet. Die zu erstattenden Gebühren und Auslagen sind in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.07.2015 zutreffend festgesetzt worden.
Nach § 3 Abs 1 S 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie vorliegend – das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Bei Rahmengebühren bestimmt nach § 14 Abs 1 RVG der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dabei ist auch das Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Das Gericht teilt die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung vorherrschende Auffassung, dass Unbilligkeit erst dann vorliegt, wenn die durch den Rechtsanwalt bestimmte Gebühr die nach Ansicht des Gerichts angemessene Gebühr um mehr als 20 vH übersteigt (vgl. LSG NRW vom 09.08.2007, Az.: L 20 B 91/07 AS mwN).
Die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers getroffene Bestimmung hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr entspricht nicht billigem Ermessen und ist daher nicht verbindlich, da aus den zutreffenden Erwägungen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine Verfahrensgebühr in Höhe von 100,00 EUR angemessen ist und die getroffene Bestimmung (Verfahrensgebühr 180,00 EUR) um mehr als 20 vH von der angemessenen Gebühr abweicht.
Wie in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.07.2015 zutreffend ausgeführt und festgestellt worden ist, ist eine fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 S 2 Ziff. 3 VV RVG entstanden, weil das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung geendet hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es in Untätigkeitsklageverfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein Anerkenntnis abgegeben und das Verfahren durch Annahme des Anerkenntnisses nach § 101 Abs 2 SGG erledigt wird. Der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des LSG NRW ist lediglich zu entnehmen, dass der Tatbestand der Nr 3106 S 2 Ziff. 3 VV RVG in den Fällen nicht erfüllt ist, in denen eine Untätigkeitsklage durch den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes und der darauffolgenden (einseitigen) Erledigungserklärung des Klägers beendet wird (vgl. LSG NRW vom 05.05.2008, Az.: L 19 B 24/08 AS; LSG NRW vom 13.11.2008, Az.: L 20 B 59/08 SO; LSG NRW vom 09.03.2011, Az.: L 7 B 255/09 AS; LSG NRW vom 07.01.2015, Az.: L 12 SO 302/14 B). Die Kammer teilt diese Rechtsauffassung, weil in diesen Fällen kein prozessuales Anerkenntnis und keine Annahme eines Anerkenntnisses im Sinne des § 101 Abs 2 SGG vorliegt (ebenso Sächsisches LSG vom 18.10.2013, Az.: L 8 AS 1254/12 B KO; Thüringer LSG vom 25.10.2010, Az.: L 6 SF 652/10 B). Dabei ist unerheblich, ob ein zureichender Grund für die Nichteinhaltung der Drei-Monats-Frist vorgelegen hat und ob die Beklagte ein Kostengrundanerkenntnis abgegeben hat (andere Ansicht: Hessisches LSG vom 13.01.2014, Az.: L 2 AS 250/13 B). Die Abgabe eines Anerkenntnisses ist ebenso wie die Annahme eines Anerkenntnisses eine Prozesserklärung, die klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. BSG vom 27.01.1982, Az.: 9 a/9 RV 30/81). Durch den Erlass des mit einer Untätigkeitsklage begehrten Bescheides wird kein prozessuales Anerkenntnis abgegeben. Auch mit der Abgabe eines Kostengrundanerkenntnisses erkennt die Beklagte lediglich den Anspruch auf Kostenerstattung dem Grunde nach an. Diese Erklärung enthält keine Aussage bezüglich des Klageanspruches (vgl. LSG NRW vom 05.05.2008, Az.: L 19 B 24/08 AS; Thüringer LSG vom 25.10.2010, Az.: L 6 SF 652/10 B). Im vorliegenden Verfahren war eine Terminsgebühr somit in Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung nicht deshalb als erstattungsfähig zugrunde zu legen, weil die Beklagte den begehrten Widerspruchsbescheid am 19.05.2015 erteilt hat und weil sie mit Schriftsatz vom 07.05.2015 erklärt hat, dass sie die Kosten dem Grunde nach übernehmen würde.
Die Voraussetzungen des Tatbestandes der fiktiven Terminsgebühr nach Nr 3106 S 2 Ziff. 3 VV RVG liegen vielmehr deshalb vor, weil die Beklagte ausdrücklich und unmissverständlich ein prozessuales Anerkenntnis erklärt hat. Ein Anerkenntnis liegt vor, wenn ein Beteiligter einen prozessualen Anspruch durch eine Prozesserklärung gegenüber dem Gericht anerkennt (vgl. BSG vom 21.06.2000, Az.: B 12 RJ 3/00 B). Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch für ein Klageverfahren, das eine Untätigkeitsklage zum Gegenstand hat (vgl. LSG NRW vom 07.01.2015, Az.: S 12 SO 302/14 B; LSG NRW vom 05.05.2008, Az.: L 19 B 24/08 AS). Durch ein Anerkenntnis wird ein Klageanspruch uneingeschränkt als zu Recht bestehend bestätigt, und zwar "ohne Drehen und Wenden". Dabei mag im Einzelfall ein beklagter Sozialversicherungsträger im sozialrechtlichen Verfahren ein Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs 2 SGG auch ohne die Verwendung des entsprechenden Ausdruckes ("Anerkenntnis", "anerkennen") erklären, falls sich ein darauf gerichteter Wille hinreichend deutlich aus dem gesamten Inhalt der Äußerung und aus dem Zusammenhang, in dem sie steht, ergibt. In der Regel wird jedoch eine diesbezügliche folgenschwere Prozesshandlung nur dann anzunehmen sein, wenn die Beklagte den bezeichneten Ausdruck im Hinblick auf § 101 Abs 2 SGG verwendet (BSG vom 27.01.1982, Az.: 9 a/9 RV 30/81; BSG vom 06.05.2010, Az.: B 1 R 16/09 R).
Vorliegend ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Gesamtzusammenhang der Äußerung der Beklagten, dass die Beklagte ein prozessuales Anerkenntnis abgegeben hat. Im Schriftsatz vom 07.05.2015 führt sie aus, dass sie die Untätigkeit "anerkenne". Im weiteren Verlauf des Verfahrens bezieht sie sich mit Schriftsatz vom 26.05.2015 ausdrücklich auf ihr "Anerkenntnis vom 07.05.2015". Auch aus dem Zusammenhang ergibt sich unzweifelhaft, dass die Beklagte den prozessualen Anspruch anerkennen wollte, dh, dass eine Anerkennung der Rechtsfolge aus dem vom Kläger behaupteten Tatbestand seitens der Beklagten vorliegt. Eine Untätigkeitsklage ist zulässig und begründet, wenn über einen Widerspruch innerhalb von drei Monaten nicht entschieden worden ist, ohne dass ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung innerhalb dieser Frist vorliegt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 07.05.2015 nicht nur eine Untätigkeit anerkannt, sondern gleichzeitig erklärt, sie beabsichtige, den Widerspruch noch im Laufe des Monats vom Widerspruchsausschuss entscheiden zu lassen, um den Klagegegenstand letztendlich zu beseitigen. Dies bedeutet inhaltlich das Eingeständnis, dass keine zureichenden Gründe für die Nichteinhaltung der Drei-Monats-Frist bestanden haben bzw. bestehen, so dass ein uneingeschränkter Anspruch auf Bescheiderteilung anerkannt wurde, der noch innerhalb des selben Monats verwirklicht werden sollte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat das Anerkenntnis der Beklagten mit Schriftsatz vom 20.05.2015 ausdrücklich angenommen, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer fiktiven Terminsgebühr im Sinne der Nr 3106 S 2 Ziff. 3 VV RVG gegeben sind.
Der Höhe nach beträgt die Terminsgebühr nach Nr. 3106 S 3 VVRVG 90 vH der entstandenen Verfahrensgebühr.
Somit ergeben sich folgende erstattungsfähige Gebühren und Auslagen:
Verfahrensgebühr Nr 3102 VV RVG 100,00 EUR
fiktive Terminsgebühr Nr 3106 S 2 Ziff. 3 VV RVG 90,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale Nr 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr 7008 VV RVG 39,90 EUR Gesamtbetrag 249,90 EUR
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Gründe:
I:
Im Streit ist die Frage, ob eine Untätigkeitsklage durch ein angenommenes Anerkenntnis erledigt wurde und eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG erstattungsfähig ist.
Streitgegenständ des zugrunde liegenden Klageverfahrens war eine Untätigkeitsklage. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte am 01.10.2014 bei der Beklagten nach § 44 SGB X beantragt, die Zeiten in der Kolchose als nachgewiesene Zeiten anzuerkennen und für den Kläger spätestens ab 6-jähriger Berufserfahrung als Maurer die Qualifikationsgruppe 4 anzuerkennen. Mit Bescheid vom 23.12.2014 stellte die Beklagte die dem Kläger seit dem 01.09.2000 gezahlte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit rückwirkend neu fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid vom 26.08.1997 werde bezüglich des Zeitraumes vom 01.09.1983 bis zum 13.06.1989 nach § 44 SGB X zurückgenommen, da die Tätigkeit des Klägers in der Kolchose vom 01.09.1983 bis zum 13.06.1989 nunmehr in den Wirtschaftsbereich 22 eingestuft und als nachgewiesene Zeit anerkannt worden sei. Die Höherstufung in die Qualifikationsgruppe 4 wurde abgelehnt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erhob am 13.01.2015 für den Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Er machte geltend, dass der Kläger langjährig als Maurer in einer Baubrigade und als Ofenbauer gearbeitet habe und auch ohne abgeschlossene Berufsausbildung in die Qualifikationsgruppe 4 einzustufen sei. Die Beklagte veranlasste die Vernehmung von drei Zeugen zu der Tätigkeit des Klägers vom 24.04.1976 bis zum 24.08.1980, die am 23.02.2015 durch die Stadtverwaltung der Stadt Bad Brückenau und am 25.02.2015 durch das Versicherungsamt der Stadt Geldern durchgeführt wurde. Die schriftlichen Erklärungen gingen am 20.02. und 04.03.2015 bei der Beklagten ein. Am 17.03.2015 erinnerte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Entscheidung über den Widerspruch und wies darauf hin, dass ansonsten Untätigkeitsklage erhoben würde.
Da sich die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht äußerte, erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 18.04.2015 Untätigkeitsklage. Mit Schriftsatz vom 07.05.2015 erkannte die Beklagte die Untätigkeit an und übernahm die Kosten dem Grunde nach. Gleichzeitig kündigte sie an, den Widerspruchsbescheid im Laufe des Monats zu erteilen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers nahm mit Schriftsatz vom 20.05.2015 das Anerkenntnis der Beklagten vom 07.05.2015 an und erklärte die Klage für erledigt. Die Beklagte erteilte am 19.05.2015 den Widerspruchsbescheid, mit dem der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen wurde.
Mit Kostenrechnung vom 19.05.2015 machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten außergerichtliche Kosten des Klägers in Höhe von 376,00 EUR geltend, wobei eine Geschäftsgebühr in Höhe von 180,00 EUR und eine fiktive Terminsgebühr in Höhe von 170,00 EUR in Ansatz gebracht wurde. Die Beklagte teilte dem Gericht mit Schriftsatz vom 26.05.2015 unter Hinweis auf das Anerkenntnis vom 07.05.2015 mit, dass der Widerspruchsbescheid vom 19.05.2015 erteilt worden sei. Gleichzeitig wies sie bezüglich der Kostenrechnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hin, dass aus ihrer Sicht eine Verfahrensgebühr in Höhe von 80,00 EUR angemessen und eine fiktive Terminsgebühr nicht erstattungsfähig sei, da eine solche bei einer Untätigkeitsklage nicht entstehe. Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gerichtliche Entscheidung über die zu erstattenden Kosten.
Mit Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 31.07.2015 wurden die von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 249,90 EUR festgesetzt. Dabei wurde eine Verfahrensgebühr in Höhe von 100,00 EUR als angemessen zugrunde gelegt, da die Beklagte nach Erhebung der Klage die Untätigkeit anerkannt habe und die Sache weder umfangreich noch schwierig gewesen sei. Darüber hinaus sei eine fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 Nr 3 VV RVG in Höhe von 90,00 EUR zu erstatten, da die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben habe. Die Terminsgebühr betrage 90 vH der entstandenen Verfahrensgebühr.
Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte am 12.08.2015 Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, eine fiktive Terminsgebühr sei nicht entstanden, da die Erledigung einer Untätigkeitsklage lediglich durch den Erlass des begehrten Bescheides eintrete. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II:
Die nach § 197 Abs 2 SGG zulässige Erinnerung der Beklagten ist nicht begründet. Die zu erstattenden Gebühren und Auslagen sind in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.07.2015 zutreffend festgesetzt worden.
Nach § 3 Abs 1 S 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie vorliegend – das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Bei Rahmengebühren bestimmt nach § 14 Abs 1 RVG der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dabei ist auch das Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Das Gericht teilt die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung vorherrschende Auffassung, dass Unbilligkeit erst dann vorliegt, wenn die durch den Rechtsanwalt bestimmte Gebühr die nach Ansicht des Gerichts angemessene Gebühr um mehr als 20 vH übersteigt (vgl. LSG NRW vom 09.08.2007, Az.: L 20 B 91/07 AS mwN).
Die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers getroffene Bestimmung hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr entspricht nicht billigem Ermessen und ist daher nicht verbindlich, da aus den zutreffenden Erwägungen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine Verfahrensgebühr in Höhe von 100,00 EUR angemessen ist und die getroffene Bestimmung (Verfahrensgebühr 180,00 EUR) um mehr als 20 vH von der angemessenen Gebühr abweicht.
Wie in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.07.2015 zutreffend ausgeführt und festgestellt worden ist, ist eine fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 S 2 Ziff. 3 VV RVG entstanden, weil das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung geendet hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es in Untätigkeitsklageverfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein Anerkenntnis abgegeben und das Verfahren durch Annahme des Anerkenntnisses nach § 101 Abs 2 SGG erledigt wird. Der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des LSG NRW ist lediglich zu entnehmen, dass der Tatbestand der Nr 3106 S 2 Ziff. 3 VV RVG in den Fällen nicht erfüllt ist, in denen eine Untätigkeitsklage durch den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes und der darauffolgenden (einseitigen) Erledigungserklärung des Klägers beendet wird (vgl. LSG NRW vom 05.05.2008, Az.: L 19 B 24/08 AS; LSG NRW vom 13.11.2008, Az.: L 20 B 59/08 SO; LSG NRW vom 09.03.2011, Az.: L 7 B 255/09 AS; LSG NRW vom 07.01.2015, Az.: L 12 SO 302/14 B). Die Kammer teilt diese Rechtsauffassung, weil in diesen Fällen kein prozessuales Anerkenntnis und keine Annahme eines Anerkenntnisses im Sinne des § 101 Abs 2 SGG vorliegt (ebenso Sächsisches LSG vom 18.10.2013, Az.: L 8 AS 1254/12 B KO; Thüringer LSG vom 25.10.2010, Az.: L 6 SF 652/10 B). Dabei ist unerheblich, ob ein zureichender Grund für die Nichteinhaltung der Drei-Monats-Frist vorgelegen hat und ob die Beklagte ein Kostengrundanerkenntnis abgegeben hat (andere Ansicht: Hessisches LSG vom 13.01.2014, Az.: L 2 AS 250/13 B). Die Abgabe eines Anerkenntnisses ist ebenso wie die Annahme eines Anerkenntnisses eine Prozesserklärung, die klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. BSG vom 27.01.1982, Az.: 9 a/9 RV 30/81). Durch den Erlass des mit einer Untätigkeitsklage begehrten Bescheides wird kein prozessuales Anerkenntnis abgegeben. Auch mit der Abgabe eines Kostengrundanerkenntnisses erkennt die Beklagte lediglich den Anspruch auf Kostenerstattung dem Grunde nach an. Diese Erklärung enthält keine Aussage bezüglich des Klageanspruches (vgl. LSG NRW vom 05.05.2008, Az.: L 19 B 24/08 AS; Thüringer LSG vom 25.10.2010, Az.: L 6 SF 652/10 B). Im vorliegenden Verfahren war eine Terminsgebühr somit in Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung nicht deshalb als erstattungsfähig zugrunde zu legen, weil die Beklagte den begehrten Widerspruchsbescheid am 19.05.2015 erteilt hat und weil sie mit Schriftsatz vom 07.05.2015 erklärt hat, dass sie die Kosten dem Grunde nach übernehmen würde.
Die Voraussetzungen des Tatbestandes der fiktiven Terminsgebühr nach Nr 3106 S 2 Ziff. 3 VV RVG liegen vielmehr deshalb vor, weil die Beklagte ausdrücklich und unmissverständlich ein prozessuales Anerkenntnis erklärt hat. Ein Anerkenntnis liegt vor, wenn ein Beteiligter einen prozessualen Anspruch durch eine Prozesserklärung gegenüber dem Gericht anerkennt (vgl. BSG vom 21.06.2000, Az.: B 12 RJ 3/00 B). Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch für ein Klageverfahren, das eine Untätigkeitsklage zum Gegenstand hat (vgl. LSG NRW vom 07.01.2015, Az.: S 12 SO 302/14 B; LSG NRW vom 05.05.2008, Az.: L 19 B 24/08 AS). Durch ein Anerkenntnis wird ein Klageanspruch uneingeschränkt als zu Recht bestehend bestätigt, und zwar "ohne Drehen und Wenden". Dabei mag im Einzelfall ein beklagter Sozialversicherungsträger im sozialrechtlichen Verfahren ein Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs 2 SGG auch ohne die Verwendung des entsprechenden Ausdruckes ("Anerkenntnis", "anerkennen") erklären, falls sich ein darauf gerichteter Wille hinreichend deutlich aus dem gesamten Inhalt der Äußerung und aus dem Zusammenhang, in dem sie steht, ergibt. In der Regel wird jedoch eine diesbezügliche folgenschwere Prozesshandlung nur dann anzunehmen sein, wenn die Beklagte den bezeichneten Ausdruck im Hinblick auf § 101 Abs 2 SGG verwendet (BSG vom 27.01.1982, Az.: 9 a/9 RV 30/81; BSG vom 06.05.2010, Az.: B 1 R 16/09 R).
Vorliegend ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Gesamtzusammenhang der Äußerung der Beklagten, dass die Beklagte ein prozessuales Anerkenntnis abgegeben hat. Im Schriftsatz vom 07.05.2015 führt sie aus, dass sie die Untätigkeit "anerkenne". Im weiteren Verlauf des Verfahrens bezieht sie sich mit Schriftsatz vom 26.05.2015 ausdrücklich auf ihr "Anerkenntnis vom 07.05.2015". Auch aus dem Zusammenhang ergibt sich unzweifelhaft, dass die Beklagte den prozessualen Anspruch anerkennen wollte, dh, dass eine Anerkennung der Rechtsfolge aus dem vom Kläger behaupteten Tatbestand seitens der Beklagten vorliegt. Eine Untätigkeitsklage ist zulässig und begründet, wenn über einen Widerspruch innerhalb von drei Monaten nicht entschieden worden ist, ohne dass ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung innerhalb dieser Frist vorliegt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 07.05.2015 nicht nur eine Untätigkeit anerkannt, sondern gleichzeitig erklärt, sie beabsichtige, den Widerspruch noch im Laufe des Monats vom Widerspruchsausschuss entscheiden zu lassen, um den Klagegegenstand letztendlich zu beseitigen. Dies bedeutet inhaltlich das Eingeständnis, dass keine zureichenden Gründe für die Nichteinhaltung der Drei-Monats-Frist bestanden haben bzw. bestehen, so dass ein uneingeschränkter Anspruch auf Bescheiderteilung anerkannt wurde, der noch innerhalb des selben Monats verwirklicht werden sollte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat das Anerkenntnis der Beklagten mit Schriftsatz vom 20.05.2015 ausdrücklich angenommen, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer fiktiven Terminsgebühr im Sinne der Nr 3106 S 2 Ziff. 3 VV RVG gegeben sind.
Der Höhe nach beträgt die Terminsgebühr nach Nr. 3106 S 3 VVRVG 90 vH der entstandenen Verfahrensgebühr.
Somit ergeben sich folgende erstattungsfähige Gebühren und Auslagen:
Verfahrensgebühr Nr 3102 VV RVG 100,00 EUR
fiktive Terminsgebühr Nr 3106 S 2 Ziff. 3 VV RVG 90,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale Nr 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr 7008 VV RVG 39,90 EUR Gesamtbetrag 249,90 EUR
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