L 13 AL 104/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 238/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 104/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. November 2004 wird zurückgewiesen und die Klage wegen des Bescheids vom 15. September 2003 abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 16. September 2003 bis zum 19. November 2003 und die Forderung der Erstattung der in dieser Zeit gewährten Arbeitslosenhilfe in Höhe von 973,82 EUR.

Der 1966 geborene Kläger, der über eine handwerkliche und kaufmännische Ausbildung verfügt, steht mit kürzeren Unterbrechungen seit 1989 im Leistungsbezug der Beklagten. Zuletzt bezog er bis zum 10. Juni 2002 Arbeitslosengeld, dann Alhi, in der Zeit vom 28. Januar 2002 bis zum 27. April 2003 Unterhaltsgeld und ab dem 28. April 2003 auf der Grundlage des Bewilligungsbescheids vom 22. Mai 2003 erneut Alhi. Alhi war damals bis 27. April 2004 in Höhe von 148,19 EUR bewilligt worden (Bemessungsentgelt 440 EUR; Leistungsgruppe A/0). Bei einem Vorsprachetermin bei der Agentur für Arbeit E. (AA) am 15. September 2003 wurde dem Kläger eine schriftliche Belehrung zu § 119 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) - unter anderem zu den notwendigen Eigenbemühungen bei Arbeitslosigkeit und bei Nichtbeachtung eintretenden Rechtsfolgen - ausgehändigt und verlangt, dass er Eigenbemühungen in Form der Nutzung des Stellen-Informations-Service (SIS), der Auswertung von Stellenanzeigen in Zeitungen, Fachzeitschriften und anderen Medien, der Kontaktaufnahme zu privaten Vermittlern mit Vermittlungsgutschein sowie von acht gezielten Initiativbewerbungen und -vorsprachen bei Arbeitgebern unternimmt und dies bis zum 20. November 2003 um 7.45 Uhr nachweist bzw. überprüfbare Angaben dazu macht. Alhi wurde bis 31. Oktober 2003 gezahlt; ab 1. November 2003 wurde die Zahlung vorläufig eingestellt. Am 20. November 2003 sprach der Kläger persönlich bei der AA vor und bezog sich zum Nachweis seiner Eigenbemühungen auf eine handschriftlich gefertigte Liste seiner Bewerbungen; danach will er sich fünfmal bei privaten Arbeitsvermittlern und sechsmal bei Arbeitgebern beworben haben. Der Kläger wollte weitere Nachweise im Laufe des Tages nachreichen, was jedoch nicht geschah.

Mit Bescheid vom 27. November 2003 hob die AA die Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 16. September bis 19. November 2003 auf und verpflichtete zur Erstattung des Betrages von 973,82 EUR. Der Kläger habe sich nicht in ausreichendem Maß um die Beendigung der Beschäftigungslosigkeit bemüht und deshalb keinen Leistungsanspruch. Er habe bis zum angegebenen Termin ausreichende Initiativbewerbungen bzw. -vorsprachen bei Arbeitgebern nicht nachgewiesen. Der Kläger erhob am 1. Dezember 2003 Widerspruch; mit Schreiben vom 9. Dezember 2003 erhielt er Gelegenheit, die erforderlichen und gezielten Initiativbewerbungen bis 29. Dezember 2003 nachzuholen. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 legte er diverse Ausdrucke von Stellenangeboten aus dem Internet, zwei Bewerbungen bei Arbeitsvermittlungen, den Ausdruck eines Bewerbungsschreibens an die M. Deutschland GmbH vom 2. November 2003 mit Absage dieser Firma vom 26. November 2003 vor. Die AA wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2003 zurück. Die vorgelegten "Nachweise" reichten nicht aus, Eigenbemühungen zur Erlangung einer Arbeitsstelle im geforderten Umfang zu belegen; insbesondere seien nur drei Initiativbewerbungen konkret nachgewiesen.

Der Kläger hat am 21. Januar 2004 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und sein Begehren weiterverfolgt und im Wesentlichen vorgetragen, er sei sich mit der zuständigen Arbeitsvermittlerin Frau L. darüber einig gewesen, dass er die erforderlichen Nachweise bzw. Bemühungen getätigt habe. Er habe lediglich Anschreiben formlos zu einem nicht bestimmt Zeitpunkt nachreichen sollen. Weiterhin legte er auf Aufforderung des Gerichts weitere Unterlagen zum Beweis seiner Bewerbungsaktivitäten in der Zeit vom 15. September 2003 bis zum 15. November 2003 vor; dabei handelte es sich um weitere Ausdrucke von Stellenangeboten und ein Schreiben der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung vom 23. Juni 2003, eine Bewerbung bei einer privaten Vermittlung sowie eine weitere Auflistung seiner Bewerbungsaktivitäten mit behaupteten sechs Initiativbewerbungen, die bis auf die Bewerbung bei M. überwiegend telefonisch oder persönlich erfolgt seien. Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage einer dienstlichen Erklärung der Arbeitsvermittlerin E. L. vom 15. September 2004 entgegengetreten; darin hat diese erklärt, bei der Vorsprache am 15. September 2003 sei der Kläger zusätzlich darauf hingewiesen worden, dass die Nachweise für die Initiativbewerbungen schriftlich in Form von Durchschlägen erfolgen sollten. Das SG hat am 5. November 2004 Beweis erhoben durch Vernehmung von Frau L. als Zeugin; diese hat u.a. Einzelheiten zur den Kläger betreffenden Arbeitsvermittlung auch am 20. November 2003 geschildert und den Inhalt ihrer schriftlichen Erklärung wiederholt, wonach sie vom Kläger am 15. September 2003 die Vorlage von Durchschriften seiner schriftlichen Bewerbungen verlangt habe. Der Kläger, der im Termin wegen einer behaupteten Beerdigung eines guten Freundes nicht anwesend war, ist den Bekundungen der Zeugin entgegengetreten. Mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2004 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Kammer folge hinsichtlich der rechtlichen Bewertung des vorliegenden Sachverhaltes der Begründung im Widerspruchsbescheid, auf die sie daher Bezug nehme. Ergänzend sei festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger mit ihrem Schreiben vom 15. September 2003 aufgegeben habe, die von ihm geforderten Eigenbemühungen bis zum 20. November 2003 um 7.45 Uhr nachzuweisen bzw. überprüfbare Angaben zu machen. Insbesondere sei ihm seitens der Zeugin L. am 15. September 2003 zusätzlich ausdrücklich gesagt worden, dass erforderlich als Nachweis für seine Eigenbemühungen Durchschriften von schriftlichen Bewerbungen seien. Diesen Verpflichtungen sei der Kläger jedoch nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Weder am 20. November 2003 noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er gegenüber der Beklagten hinsichtlich der geforderten acht Initiativbewerbungen entsprechende Nachweise vorgelegt bzw. überprüfbare Angaben gemacht. Zwar habe er - allerdings erstmals am 23. Juni 2004 gegenüber dem Gericht und damit mehr als sieben Monate nach dem 20. November 2003 - eine Aufstellung seiner Bewerbungsaktivitäten im fraglichen Zeitraum vorgelegt; aus dieser Aufstellung ergebe sich jedoch, dass er sich - deren Richtigkeit unterstellt -lediglich in vier Fällen schriftlich beworben habe. Nachweise in Form von Durchschriften der Bewerbungsschreiben habe er nur hinsichtlich einer Bewerbung bei der Firma M. Deutschland GmbH (Bewerbung vom 2. November 2003) vorgelegt. Darüber hinaus habe er die persönliche Vorsprache bei der Firma R. W. am 7. November 2003 sowie die Kontaktaufnahme zu drei privaten Arbeitsvermittlern nachgewiesen. Soweit der Kläger persönliche Vorsprachen und telefonische Bewerbungen behaupte, habe er für die Beklagte keine zeitnahen nachprüfbaren Angaben gemacht. All dies reiche nach Auffassung der Kammer nicht aus, um die von der Beklagten zu Recht geforderten Eigenbemühungen des Klägers im fraglichen Zeitraum annehmen zu können.

Gegen diesen, dem Kläger am 9. Dezember 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am Montag, den 10. Januar 2005 Berufung eingelegt und insbesondere vorgetragen, dass es entgegen der Aussage der Zeugin nicht zutreffe, dass er am 15. September 2003 keine Eigenbemühungen haben vorweisen können. Auch sei er an diesem Tag nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Bewerbungen in Form von Durchschriften von Bewerbungsschreiben nachzuweisen seien. Am 20. November 2003 sei dann über die Form der Nachweise diskutiert worden und er habe zu verstehen gegeben, dass er möglicherweise noch am selben Tag Ausdrucke seiner Anschreiben fertigen und auf dem Rückweg vom Kaufmännischen Trainingscenter, wo er die Bewerbungen geschrieben habe, einwerfen werde. Die Schreiben seien jedoch dort nicht mehr gespeichert gewesen, so dass er erst habe nach Hause fahren müssen, wo er eine Diskette mit den entsprechenden Dateien gehabt habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. November 2004 und den Bescheid vom 15. September 2003 sowie den Bescheid vom 27. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen des Bescheids vom 15. September 2003 abzuweisen.

Sie hält den angefochtene Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für rechtmäßig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten, der Klageakte des SG sowie der Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers und seine Klage wegen des Bescheids vom 15. September 2003 sind unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden die Bewilligungsentscheidung über Alhi für die Zeit vom 16. September bis 19. November 2003 aufheben und den gezahlten Betrag von 973,82 EUR zur Erstattung fordern durfte. Die Bescheide der Beklagten, soweit sachlich nachzuprüfen, erweisen sich als rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist zumindest der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Dezember 2003. Gegenstand ist außerdem das Schreiben der Beklagten vom 15. September 2003, mit dem diese den Kläger zu bestimmten Eigenbemühungen und zur Vorlage entsprechender Nachweise aufgefordert hat. Zwar handelt es sich bei dem Inhalt des Schreibens der Sache nach wie bei einem Arbeits- oder einem Weiterbildungsangebot der Bundesagentur für Arbeit im Vorfeld einer Sperrzeitregelung nicht um Verfügungen im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), sondern lediglich um Maßnahmen, die eine eventuelle spätere unmittelbare Bewilligung der Alhi bzw. die Aufhebung einer Bewilligung betreffende Regelung erst vorbereiten sollen (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4300 § 119 Nr. 3; BSG, Urteil vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 13/05 R - veröffentlicht in Juris; ohne Äußerung hierzu allerdings BSG SozR 4-1200 § 66 Nr. 3; Urteil des Senats vom 12. Dezember 2006 - L 13 AL 4255/06 -, veröffentlicht in Juris). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen; denn die Beklagte hat das Schreiben mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die dieses formal zu einem Verwaltungsakt macht (vgl. BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr. 1). Obwohl sich der Kläger nicht ausdrücklich mit seinem Widerspruch und der Klage gegen die Verfügung der Beklagten zur Vornahme bestimmter Eigenbemühungen und Vorlage entsprechender Nachweise gewandt hat, ist bei verständiger Würdigung seines Begehrens davon auszugehen, dass er bereits mit dem Widerspruch auch eine Überprüfung dieses seinerzeit allerdings schon bestandskräftigen (§ 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Formal-Verwaltungsakts für den Fall begehrt hat, dass er für die Entscheidung über die Aufhebung der Alhi-Bewilligung von Bedeutung ist, und deshalb, auch wenn die Beklagte hierauf - wegen der Bestandskraft zu Recht - im Widerspruchsbescheid nicht ausdrücklich eingegangen ist, nicht der Erlass eines (weiteren) Widerspruchsbescheids als Klagevoraussetzung gefordert werden kann (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 23; Urteil des Senats vom 12. Dezember 2006 a.a.O.). Gegenstand des Berufungsverfahrens ist automatisch auch dieser Bescheid.

Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2003 ist nicht bereits wegen Verstoßes gegen allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen, etwa eine unterbliebene Anhörung des Klägers (§ 24 SGB X) begründet. Die Anhörung des Klägers ist spätestens im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dadurch nachgeholt worden, dass die Beklagte im Aufhebungsbescheid vom 27. November 2003 alle für sie maßgeblichen Gesichtspunkte aufgeführt und somit dem Kläger hinreichend Gelegenheit gegeben hat, vor Erlass des Widerspruchsbescheids Stellung zu nehmen (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X).

Verfahrensrechtliche Grundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 22. Mai 2003 ist § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 SGB X. Hiernach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X für atypische Fälle gebotene Ermessensausübung ("soll" aufgehoben werden) ist im Bereich des Arbeitsförderungsrechts nicht anzuwenden (vgl. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Der Anspruch des Klägers auf Alg ist aus den im folgenden darzulegenden Gründen mit dem 16. September 2003 kraft Gesetzes entfallen; dies hat jedenfalls bis zum seitens der AA gewählten Datum des 19. November 2003 weitergewirkt. Ab 20. November 2003 ist ihm mit Bescheid vom 28. November 2003 wieder Alhi in bisheriger Höhe bewilligt worden.

Zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi zählt die Arbeitslosigkeit (vgl. § 190 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Wesentlicher Bestandteil der Arbeitslosigkeit ist die Beschäftigungssuche (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der hier noch anzuwendenden ursprünglichen Fassung - seit 1. Januar 1998 - sucht eine Beschäftigung, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Das Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) hat den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung nach Abs. 1 Nr. 1 besonders hinzuweisen (Abs. 5 Satz 1 der Vorschrift). Auf Verlangen des Arbeitsamtes hat der Arbeitslose seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist (Abs. 5 Satz 2). Mit der erwiesenen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen ist der Anspruch auf Alhi weggefallen; die durch Gesetz vom 23. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I S. 2848) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 eingeführte Sperrzeitregelung (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III neuer Fassung) ist hier noch nicht anzuwenden.

Welche Eigenbemühungen mit welcher Intensität und Häufigkeit der Arbeitslose unternehmen muss, ist gesetzlich allerdings nicht geregelt. Deshalb muss aus Gründen der Verfassungskonformität im Hinblick auf die Unbestimmtheit des Gesetzeswortlauts in § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III eine Konkretisierung der Eigenbemühungsverpflichtung durch entsprechende Hinweise der Beklagten erfolgen. Bei den vom Gesetz geforderten Eigenbemühungen handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG um eine zur Anspruchsvoraussetzung gewordene versicherungsrechtliche Obliegenheit, die sich u.a. durch entsprechende Hinweise der Beklagten gemäß § 119 Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB III hinreichend konkretisieren lässt, wobei die Konkretisierung am Maßstab der Zumutbarkeit zu messen ist (vgl. BSG SozR 4-4300 § 119 Nr. 3; BSG vom 31. Januar 2006 a.a.O. und BSG SozR 4-1200 § 66 Nr. 3). Die für den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen erhebliche Obliegenheitsverletzung setzt ein nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab zu beurteilendes schuldhaftes Verhalten des Arbeitslosen voraus (BSG a.a.O.). Die auf einen bestimmten Zeitpunkt datierte Nachweispflicht hindert, wenn die während des gesamten Zeitraum bestehende Obliegenheit nicht erfüllt wird, die Beklagte nicht, die Leistungsbewilligung bereits nach Zugang des Konkretisierungsschreibens aufzuheben (vgl. BSG a.a.O.). Gemessen hieran sind die dem Kläger im Schreiben vom 15. September 2003 abverlangten Eigenbemühungen insbesondere was auch die acht gezielten Initiativbewerbungen und -vorsprachen bei Arbeitgebern betrifft, hinreichend konkretisiert und dem Kläger zumutbar. Nachdem die AA im Schreiben vom 15. September 2003 mit eindeutigen Formulierungen die Art der vom Kläger verlangten Eigenbemühungen zum Ausdruck gebracht hat, ist aus objektivem Empfängerhorizont klar erkennbar, was die Beklagte von dem Kläger verlangt hat: - Nutzung des Stelleninformationsservices (SIS) - Auswertung von Stellenanzeigen in Zeitungen, Fachzeitschriften und anderen Medien (z.B. Regionalsender, Internet) - 8 gezielte lnitiativbewerbungen und – Vorsprachen bei Arbeitgebern - Kontaktaufnahme zu privaten Vermittlern mit Vermittlungsgutschein. Diese Eigenbemühungen hatte der Kläger zunächst in der Zeit vom 16. September bis 19. November 2003 vorzunehmen, wobei hier nicht vorgeschrieben wurde, zu welchem Zeitpunkt genau er welche und in welchen Zeitabschnitten er wie viele Eigenbemühungen zu unternehmen hatte. Darüber hinaus muss sich die Konkretisierung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 15. September 2003 am Maßstab der Zumutbarkeit messen lassen. Die Aufforderung der Beklagten an den Kläger, in einem Zeitraum von neun Wochen, den Stelleninformationsservice (SIS) zu nutzen, Stellenanzeigen in Zeitungen, Fachzeitschriften und anderen Medien auszuwerten, acht gezielte Initiativbewerbungen und –vorsprachen bei Arbeitgebern vorzunehmen und zu privaten Vermittlern mit Vermittlungsgutschein Kontakt aufzunehmen, ist unter keinem denkbaren Aspekt unverhältnismäßig und deshalb unzumutbar. Die konkreten Eigenbemühungen - auch der Anzahl nach - konnten dem Kläger als Alhi-Empfänger durchaus abverlangt werden. Da die Beklagte keine Vorgaben gemacht hatte, in welchen Zeitabschnitten der Kläger welche konkreten Eigenbemühungen vorzunehmen hatte, war es dem Kläger möglich und damit zumutbar, selbst die Entscheidung darüber zu treffen, wann er welche Eigenbemühungen innerhalb des vorgegebenen Rahmens von sechseinhalb Wochen vornahm. Hinsichtlich der Form der Initiativbewerbungen steht für den Senat aufgrund der Aussage der Zeugin L. fest, dass diese ihm mündlich erklärt hat, dass sie acht schriftliche Initiativbewerbungen, nachgewiesen durch Kopien der Bewerbungsschreiben vom Kläger erwarte. Sie hat damit die vorzunehmenden Eigenbemühungen gegenüber dem Kläger verbindlich konkretisiert. In bezug auf die acht schriftlichen Initiativbewerbungen hat die Beklagte sogar Gelegenheit gegeben, die nachprüfbaren Angaben bis 29. Dezember 2003 nachzuholen. Es ist in der Rechtsprechung des BSG auch bereits entschieden worden, dass das Verlangen, zwei schriftliche Bewerbungen pro Woche für zwei Monate während einer Zeit, die üblicherweise im Vergleich zu anderen Monaten nicht durch erhöhte Arbeitslosigkeit bzw. erhöhten Arbeitsplatzmangel geprägt ist, zu tätigen (BSG SozR 4-4300 § 119 Nr. 3) oder Eigenbemühungen bei mindestens fünf Arbeitgebern zu unternehmen und etwa innerhalb eines Monats entsprechende Nachweise vorzulegen, nicht als unzumutbar angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 31. Januar 2006 B 11a AL 13/05 R , veröffentlicht in Juris). Im übrigen handelt es sich bei dem Kläger um einen "Langzeitarbeitslosen", weshalb eine Aktivierung des Klägers gerade sinnvoll erscheinen musste. Außerdem folgt aus der Aussage der Zeugin, dass der Kläger am 15. September 2003 keine konkreten Eigenbemühungen aus eigener Initiative vorweisen konnte. Auch in seiner Stellungnahme vom 13. November 2003 trägt der Kläger selbst lediglich vor, auf Vermittlungsvorschläge reagiert zu haben.

Der Kläger hat die von ihm mit der damit rechtmäßigen Verfügung vom 15. September 2003 geforderten Eigenbemühungen nach Art und Anzahl hinsichtlich der geforderten schriftlichen Initiativbewerbungen nicht unternommen. Aber auch wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass der mündlichen Konkretisierung der Zeugin die als Formal-Verwaltungsakt ergangene Aufforderung, in der die Schriftlichkeit der Initiativbewerbungen nicht ausdrücklich gefordert war, vorging, verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg. Denn der Kläger hat sich ausweislich der von ihm am 20. November 2003 vorgelegten Aufstellung im maßgeblichen Zeitraum, auch dann wenn man die telefonischen Bewerbungen mitzählt, nur bei fünf Arbeitgebern aus eigener Initiative beworben. Die erstmals im Berufungsverfahren vorgelegte Aufstellung kann vor dem Hintergrund, dass der Kläger die ihm eingeräumte Möglichkeit, Nachweise im Widerspruchsverfahren nachzureichen, nicht zur Vorlage dieser Aufstellung genutzt hat, demgegenüber nicht überzeugen. Unabhängig davon sind aber auch die dort genannten Bewerbungen nicht ausreichend, weil es sich nur um sieben Bewerbungen bei Arbeitgebern handelt. Denn bei der A-Z Vermittlung, W., bei der T. Training, V. und der H.B. Personalvermittlung handelt es sich um private Vermittler, mit denen der Kläger zusätzlich zu den acht Initiativbewerbungen Kontakt aufnehmen sollte. Es kann damit offen bleiben, ob alle sieben Bewerbungen getätigt wurden und als Initiativbewerbungen gewertet werden können oder zum Teil auf Vermittlungsvorschläge zurückgingen, da für den Senat feststeht, dass die genannten Bewerbungen der Anzahl nach nicht dem, was die Beklagte mit Schreiben vom 15. September 2003 dem Kläger als vorzunehmende Eigenbemühungen vorgegeben hat, genügen.

Im Hinblick auf das Nichterfüllen der ihm aufgegebenen Eigenbemühungen hat der Kläger auch schuldhaft gehandelt. Für die Anspruchsvoraussetzung gewordene Obliegenheit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ist ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitslosen erforderlich (BSG a.a.O.; BSGE 86, 147, 150 = SozR 3-4300 § 156 Nr. 1). Es genügt jede Art von Fahrlässigkeit (vgl. BSG SozR 4-4300 § 140 Nr. 1 = BSGE 95, 8 ff; BSG a.a.O.). Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger aus ihm nicht zurechenbaren Umständen nicht in der Lage gewesen sein soll, die von ihm geforderten Eigenbemühungen vorzunehmen bzw. Nachweise darüber vorzulegen. Abzustellen ist mithin auf die individuellen Fähigkeiten des Klägers. Beim Kläger ist insoweit zu berücksichtigen, dass dieser u.a. eine kaufmännische Ausbildung absolviert hat, so dass er insbesondere einschätzen konnte, was die Forderung nach nachprüfbaren Nachweisen beinhaltet. Er ist zudem bereits seit längerer Zeit arbeitslos gewesen und nicht nur mit dem Informationssystem der Beklagten vertraut, sondern hat auch bereits mehrfach auf entsprechende Vermittlungsvorschläge der Beklagten Bewerbungen getätigt, so dass ihm auch der Unterschied zwischen einer Initiativbewerbung und einer Bewerbung auf einen Vermittlungsvorschlag bekannt war. Ebenso steht für den Senat fest, dass er aufgrund seines Bildungsstands und seiner bereits längeren Arbeitssuche auch den Unterschied zwischen privaten Arbeitsvermittlern und Arbeitgebern kannte und schließlich die zutreffende Belehrung über die Rechtsfolgen verstanden hat. Der Senat ist vor diesem Hintergrund davon überzeugt, dass der Kläger sich darüber im Klaren war, welche Eigenbemühungen von ihm verlangt werden, dass er über die von ihm unternommenen Eigenbemühungen überprüfbare Nachweise bis zum 20. November 2003 vorzulegen hatte und welche Rechtsfolgen aus der Nichtvornahme der Eigenbemühungen für ihn erwuchsen. Er hat schließlich dementsprechend einen Teil der geforderten Eigenbemühungen unternommen und hierüber exakt zu dem Zeitpunkt, der bestimmt war, nämlich zum 20. November 2003, allerdings wiederum nur zum Teil Nachweise vorgelegt.

Da der Kläger mit erschöpfender und verständlicher Rechtsfolgenbelehrung im Schreiben vom 15. September 2003 belehrt worden ist, hat er im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X grob fahrlässig gehandelt; es sind schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden und nicht beachtet worden, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2). Das Maß der Fahrlässigkeit ist nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, vgl. etwa BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Nach dem oben Dargelegten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger nicht nur bewusst war, dass er u.a. acht Initiativbewerbungen in der ihm genannten Frist tätigen und nachweisen sollte, sondern dass er darüber hinaus auch die Rechtsfolgen für den Fall kannte, dass er die geforderten Eigenbemühungen nicht unternimmt. Wenn er es dennoch unterlassen hat, diese vollständig zu erbringen, hat er damit mindestens grob fahrlässig gehandelt; es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass seine Urteils- und Kritikfähigkeit geschmälert war. Es steht für den Senat auch fest, dass er nicht ohne sein Verschulden daran gehindert war, den genannten Forderungen zu entsprechen. Ein solches Hindernis lässt sich insbesondere nicht darin sehen, dass er am 9. und 10. Oktober 2003 arbeitsunfähig erkrankt war. Denn unabhängig davon, ob ihn die Erkrankung an Bewerbungsaktivitäten gehindert hat, blieb ihm auch ohne diese beiden Tage ausreichend Zeit die geforderten Eigenbemühungen vorzunehmen.

Die Pflicht zur Erstattung der für die Zeit vom 16. September 2003 bis zum 31. Oktober 2003 gezahlten Alhi in Höher von 973,82 EUR (46 Kalendertage zu je 21,17 EUR) folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Über Modalitäten der Erstattung nach Rechtskraft dieser Entscheidung ist nicht zu befinden (ständige Rechtsprechung).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Rechtskraft
Aus
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