L 11 R 4514/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 977/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4514/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe abgeändert und die Klage im übrigen abgewiesen.

Die Beklagte trägt ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren, im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit Ausnahme des vom Teilvergleich umfassten Zeitraums vom 01.07.2007 bis zum 31.03.2008 streitig.

Die 1952 geborene Klägerin bosnischer Staatsangehörigkeit, die seit 1969 in der Bundesrepublik Deutschland lebt, hat keinen Beruf erlernt. Sie war zuletzt seit 04.09.1972 bis einschließlich 22.12.2002 versicherungspflichtig als Montiererin beschäftigt, wofür sie ihren Angaben zufolge angelernt wurde. Seitdem steht sie im Bezug von Sozialleistungen, zunächst von Krankengeld und ab 11.05.2004 von Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

Am 03.03.2003 beantragte die Klägerin, die seit November 2002 arbeitsunfähig erkrankt war, die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Hinblick auf ihre Bandscheibenbeschwerden sowie Arthralgie.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine internistische und neuropsychiatrische Begutachtung nach ambulanter Untersuchung. Der Neurologe Dr. S. beschrieb eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit generalisierten Schmerzen, für die sich neurologisch oder orthopädisch kein eindeutiges Korrelat ergeben habe, sowie einen Verdacht auf eine Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung. Die Klägerin könne deswegen nur noch leichte bis kurzfristig mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Zeitdruck, Akkord, Wechselschicht, Publikumsverkehr, Überwachung und Steuerung komplexer Abläufe sowie Gewährdung anderer und in der Nacht, anhaltender Zwangshaltungen, Arbeiten verbunden mit sehr häufigem Bücken sowie Tragen, Heben und Bewegen von schweren Lasten von mehr als 20 kg verrichten, wobei das Anpassungsvermögen und die Umstellungsfähigkeit leichtgradig eingeschränkt sei. Die Internistin Dr. R. ergänzte diese Diagnosen um rezidivierende Lumbalgien ohne Funktionsstörung, degenerative Veränderungen L4/5, Struma, euthyreot sowie anamnestisch Chlamydieninfektion. Auch sie gelangte zu der Auffassung, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen wie beschrieben verrichten könne. Ein Heilverfahren sei nicht erforderlich. Die Klägerin habe berichtet, ihr Beschäftigungsverhältnis sei im beiderseitigen Einverständnis bei Auftragsmangel zum 15.04.2003 beendet worden.

Mit Bescheid vom 09.07.2003 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Klägerin könne mit dem festgestellten Leistungsvermögen noch mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten und sei deswegen nicht teilweise oder voll erwerbsgemindert.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin unter Vorlage verschiedener Atteste der sie behandelnden Ärzte geltend, sie sei auch für leichtere Arbeiten nicht mehr als dreistündig belastbar, so dass zumindest die Gewährung einer Zeitrente gerechtfertigt wäre. Nachdem beratungsärztlicherseits daran festgehalten wurde, dass keine neuen medizinischen Befunde durch die orthopädischen, internistischen und nervenärztlichen Attesten vorgetragen worden wären, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2004 den Widerspruch mit der Begründung zurück, auch nach nochmaliger sozialmedizinischer Überprüfung aller Unterlagen werde die Klägerin noch für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr zu verrichten. Sie habe keinen Beruf erlernt. Zuletzt sei sie als Arbeiterin in der Materialvorbereitung eines Autoantennenherstellers versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sie könne deswegen auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden.

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, ihre Gesundheit sei derartig beeinträchtigt, dass sie nicht in der Lage sei, eine berufliche Tätigkeit auszuüben.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes zog das SG zunächst das im Schwerbehindertenverfahren (S 12 SB 50/04) erstattete orthopädische Gutachten von Dr. F. und das nervenfachärztliche Gutachten von Dr. S. bei und ließ die Klägerin dann auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) psychotherapeutisch-psychosomatisch begutachten.

Der Orthopäde Dr. F. erachtete die Klägerin bei einem Fibromyalgiesyndrom, einem lokalen Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen sowie einer beginnenden Gonarthrose beidseits für noch in der Lage, einfache Hilfsarbeiten ohne mittelschwere oder schwere Arbeiten an fünf Tagen wöchentlich zumindestens sechs Stunden täglich ohne Akkordbedingungen, besondere Stressbelastungen, erhöhte Anforderungen an die Konzentration und Umstellungsfähigkeit, in Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Heben oder Tragen von Lasten über 10 kg, Überkopfarbeiten, knieende oder hockende Tätigkeiten, Nässe oder Kälteeinfluss und auf Leitern oder Gerüsten sowie Klettern und Steigen zu verrichten. Dr. S. ergänzte diese Feststellungen um die Diagnosen einer länger zurückreichenden dissoziativen Störung bei prädisponierender Persönlichkeit. Ein Anhalt für segmentale Reiz- oder Ausfallerscheinungen bestehe nicht, so dass er sich der Leistungsbeurteilung durch Dr. F. anschloss.

Der gerichtliche Sachverständige PD Dr. R. beschrieb eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung; darunter falle auch die in den Akten und Gutachten mehrfach erwähnte Fibromyalgie. Eine depressive Störung vermöge er indessen nicht zu erkennen. Dass die Klägerin diesen Krankheitsverlauf vorspiele, widerspreche auch angesichts des Umstandes, dass sie schon mehrfach ärztlich untersucht und auch stationär rehabilitiert worden wäre, jeder lebens- und klinischen Erfahrung. Zudem lägen fassbare und objektivierbare somatische Befunde vor, die die Grundlage für die seelische Beeinträchtigung darstellten. Seiner Auffassung nach sei die Klägerin deswegen nicht mehr in der Lage, mehr als zwei Stunden täglich leichte Arbeiten zu verrichten, wobei ein wichtiges Datum des Krankheitsgeschehens die Erfahrungen mit der Zahnbehandlung im Jahre 1997 gewesen wären. Die festgestellten Einschränkungen bestünden seit dem Jahr 2002. Seitdem sei keine wesentliche Veränderung des Krankheitsbildes mehr eingetreten.

Die Beklagte legte hierzu eine ärztliche Stellungnahme der Psychiaterin Dr. H. vor, wonach die Klägerin noch über einen strukturierten Alltag verfüge, auch Arbeiten im Haushalt erledige, zum Alltagsgeschehen informiert und interessiert sei sowie eine Beeinträchtigung der sozialkommunikativen Bezüge nicht erkennbar wäre. Die getroffene Leistungsbeurteilung von weniger als zwei Stunden sei deswegen nicht nachvollziehbar. Auch sei nur ein geringer Leidensdruck erkennbar, da die Klägerin keine adäquaten therapeutischen Maßnahmen in Anspruch nehme.

Mit Urteil vom 27.07.2006, der Beklagten zugestellt am 31.08.2006, verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin ab dem 01.04.2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu bewilligen. Zur Begründung wurde ausgeführt, gestützt auf das Gutachten von PD Dr. R. sei die Klägerin seit Antragstellung auf Dauer nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die somatoforme Schmerzstörung bestehe mit hoher Wahrscheinlichkeit seit vielen Jahren, zumindest aber seit dem Jahre 2002. Der abweichenden Meinung der Beklagten in ihrer Stellungnahme könne wegen der Verkennung der vom Sachverständigen überzeugend dargestellten Schwere der klägerischen Erkrankung nicht gefolgt werden.

Mit ihrer dagegen am 04.09.2006 eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, PD Dr. R. habe zwar eingeräumt, dass die von ihm gestellten Diagnosen im wesentlichen mit denen der Voruntersuchungen übereinstimmten, sei aber dennoch diametral zu einer abweichenden Auffassung gelangt, habe dieser aber nicht näher begründet. Es erscheine sachgerecht, von einer vorübergehenden Leistungsminderung seit dem Jahreswechsel 2006 auf 2007 auszugehen. Sie hat hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juli 2006 und den Bescheid vom 9.7.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.2.2004 abzuändern und im übrigen die Klage, soweit sie über den Teilvergleich von heutigen Tage hinausgeht, abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin habe alles in ihrer Möglichkeit Stehende getan um wieder erwerbsfähig zu werden. Sie sei langjährig in Behandlung gewesen. Selbst bei Abzug eines Aggravationsfaktors müsse deswegen davon ausgegangen werden, dass sie äußerst eingeschränkt leistungsfähig sei.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat den behandelnden Arzt Dr. D. als sachverständigen Zeugen gehört und die Klägerin anschließend nervenfachärztlich begutachten lassen.

Dr. D., der die Klägerin in 7 bis 14-tägigen Intervallen behandelt, hat berichtet, dass sich seine Behandlung auf die Medikation mit Analgetika (Paracetamol), Makrolid-Antibiotikum (Clarithromycin) mit Antiasthmatika (Aminophyllin) beschränkt. Es sei eher eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten, so dass die Klägerin seiner Auffassung nach nicht in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit in vollem Umfang nachzugehen.

Prof. Dr. Dr. W. führt in seinem neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten aus, dass auf neurologischem Fachgebiet zwar keine Gesundheitsstörungen von Relevanz zu erkennen seien, auf psychiatrischem Fachgebiet jedoch eine anhaltende chronifizierte Schmerzstörung bestehe, die inzwischen in ausgeprägtem Umfang überlagert sei von einer schwerergradigen depressiven Episode. Bei stationärer psychiatrischer Therapie mit nachfolgender ambulanter Weiterversorgung könne jedoch zu einem wesentlichen Teil das Beschwerdebild innerhalb eines halben Jahres überwunden werden. Aktuell bestehe keine berufliche Leistungsfähigkeit von wirtschaftlichem Wert. Der Leistungsfall sei wahrscheinlich erst seit Anfang dieses Jahres eingetreten.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung einen Teilvergleich dahingehend geschlossen, dass der Klägerin ausgehend von einem am 31.12.2006 eingetretenen Versicherungsfall Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.07.2007 bis 31.03.008 gewährt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die damit insgesamt zulässige Berufung ist auch - soweit nach dem Teilvergleich noch rechtshängig - begründet. Das SG hat der Klage (insoweit) zu Unrecht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nur teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat erst ausgehend von einem während des Berufungsverfahrens eingetretenen Leistungsfalls vom 31.12.2006 Anspruch und auch nur auf Gewährung einer Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.07.2007 bis zum 31.03.2008.

Der Senat stützt sich insoweit insbesondere auf das Gutachten von Prof. Dr. Dr. W., aber auch die im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. R. und Dr. S. wie Dr. F. und Dr. S., wonach die Klägerin noch bis 31.12.2006 leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten konnte und deswegen bis zu diesem Zeitpunkt nicht erwerbsgemindert war.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch wegen Erwerbsminderung in der hier anzuwendenden ab 01.01.2001 gültigen Fassung sind im angefochtenen Urteil zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Klägerin erst ab dem 31.12.2006 vor. Zwar erfüllt sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung, wie sich aus dem zuletzt vorgelegten Versicherungsverlauf vom 10.09.2007 ergibt. Sie ist indessen erst ab dem oben genanten Zeitpunkt voll und auf Zeit erwerbsgemindert. Davor war sie noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr unter Vermeidung von Akkordbedingungen, besonderer Stressbelastungen, erhöhter Anforderungen an die Konzentration und Umstellungsfähigkeit, in Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Heben oder Tragen von Lasten über 10 kg, Überkopfarbeiten, knieende oder hockende Tätigkeiten, Nässe oder Kälteeinfluss und auf Leitern oder Gerüsten sowie Klettern und Steigen zu verrichten. Durch diese qualitativen Einschränkungen wird vor dem obengenannten Zeitpunkt weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsminderung begründet (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 75, 81, 90; 104, 117, 136; SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 15). Die Klägerin ist als ungelernte Kraft auch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, weshalb auch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit ausscheidet, eine bestimmte Verweisungstätigkeit daher nicht benannt werden muss (BSGE 80, 24).

Im Vordergrund der Leistungseinschränkungen steht mittlerweile die somatoforme Schmerzstörung, seit Ende 2006 überlagert von einer schwerergradigen depressiven Episode, so dass nunmehr von einer - aber nicht dauerhaften - Erwerbsminderung in vollem Umfang ausgegangen werden muss. Dies hat insbesondere der besonders mit dieser Materie befasste und vertraute Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. ausgeführt. Gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens spricht nicht, dass der Sachverständige die Klägerin nicht in Anwesenheit der Begleitperson untersucht hat, wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.10.2007 gerügt hat. PD Dr. R. hat die Anwesenheit der Tochter der Klägerin nur deswegen für erforderlich erachtet, um diese ggfs. dolmetschen zu lassen, was aber dann aufgrund der guten Deutschkenntnisse nicht erforderlich war. Deswegen konnte auch Prof. Dr. Dr. W. auf die Anwesenheit der Begleitperson verzichten, zumal er sich vorbehalten hat, diese falls erforderlich noch ergänzend anzuhören, was dann aber nicht der Fall war. Dadurch hat der Sachverständige kein "polizeiliches" Vernehmungsverhalten an den Tag gelegt, sondern nur die Option offen gehalten, bei Zweifeln einen Angehörigen unbeeinflusst von den Angaben der Klägerin befragen zu können. Für die Richtigkeit seiner Leistungseinschätzung spricht, dass noch nach der ausführlichen Anamnese durch Dr. F. und Dr. S. von einem strukturierten Tagesablauf der Klägerin, zahlreicher Beschäftigungen in dem selbst versorgten Haushalt, sozialer Kontakten innerhalb der Familie und Nachbarschaft und einer Schwingungsfähigkeit ausgegangen werden konnte, so dass der Gutachter auch keine eigentliche depressive Störung zum damaligen Untersuchungszeitpunkt feststellen konnte. Das steht in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Vorgutachter Dr. R. und insbesondere auch Dr. S ... Die davon allein abweichende Leistungseinschätzung von PD Dr. R. konnte demgegenüber den erkennenden Senat schon allein deswegen nicht überzeugen, weil es an einer Anamnese der täglichen Aktivitäten der Klägerin fehlt, deswegen seine Beurteilung nicht objektivierbar ist. Seine Aussage zu einer schweren Einschränkungen der Klägerin im Alltagsleben hat er nur unter der Prämisse getroffen, dass die Schilderungen der Klägerin zutreffen, andererseits aber durchaus für möglich erachtet, dass diese nur aggraviert, ohne dies aber weiter zu hinterfragen. Demzufolge findet die erforderliche Auseinandersetzung damit, ob durch eine zumutbare Willensanspannung vollständige Leistungsfähigkeit wieder erreicht werden kann, nicht statt. Gegen die Schlüssigkeit des Gutachtens spricht schließlich, dass der Sachverständige zwar ausdrücklich von den gleichen Vorbefunden wie seine Vorgutachter ausgegangen ist, deswegen die Klägerin auch nicht selbst körperlich untersucht, sondern sich auf die Diagnosen von Dr. F. und Dr. S. gestützt hat, sich aber mit dessen abweichender Beurteilung nicht auseinender gesetzt, ja seine eigene Einschätzung nicht weiter begründet hat. Auch der Umstand, dass die Klägerin mit Ausnahme einer Medikamententherapie keine therapeutischen Behandlungen in Anspruch genommen hat, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, belegt, dass ein nennenswerter Leidensdruck vor dem nunmehr eingetretenen Versicherungsfall nicht bestand. Nach der ständigen Rechtssprechung des Senats (zuletzt Urteil vom 09.10.2007, L 11 R 3874/06) wird der Schweregrad somatoformer Schmerzstörungen aber aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und gemessen. Ausgehend hiervon kann vor dem 31.12.2006 ein eingeschränktes Leistungsvermögen nicht begründet werden.

Nunmehr ist aber eine deutlich andere Situation durch die hinzugetretene schwere depressive Episode eingetreten. Noch bei der Vorbegutachtung durch PD Dr. R. hatte sich die mnestische Funktionen, die Konzentrationsfähigkeit, der Antrieb und die Psychomotorik der Klägerin als unauffällig gezeigt, weswegen er in Übereinstimmung mit Dr. F. und Dr. S. zu dem Ergebnis kam, dass kein krankheitswertiges depressives Erleben besteht. Nach den überzeugenden Darlegungen von Prof. Dr. Dr. W. ist von einer geringen Steuerungsfähigkeit auszugehen, die Klägerin macht offenbar eine akute reaktiv-depressive Entwicklung im Hinblick auf das aktuelle Berufungsverfahren durch, die auch in Übereinstimmung mit der Beklagten die Beurteilung rechtfertigt, dass mittlerweile der Versicherungsfall der Erwerbsminderung am 31.12.2006 eingetreten ist. Die Festlegung dieses Zeitpunktes war für den Senat im Hinblick darauf, dass sämtliche Vorgutachter noch eine Depression ausschließen konnten, überzeugend.

Da des weiteren davon ausgegangen werden muss, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch eine konsequente stationäre und im Anschluss daran ambulante Behandlung behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 Satz 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -), ist die Rente nur befristet zu leisten und deswegen nach § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit (hier dem 31.12.2006) zu leisten.

Der Berufung war deswegen teilweise stattzugeben, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht und dem Umstand Rechnung trägt, dass der Versicherungsfall während des Berufungsverfahrens eingetreten ist, die Beklagte aber kein sofortiges Anerkenntnis abgegeben hat.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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