L 4 KR 3414/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3129/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3414/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. April 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Kosten, die ihm wegen des Kaufs eines Krankenhausbetts in Höhe von EUR 1.277,57 entstanden sind, zu erstatten hat.

Der am 1939 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er leidet u.a. an einem COPD, einem Schlafapnoesyndrom, einem metabolischen Syndrom, einer Adipositas per magna und einem Lumbalsyndrom. Ein Antrag auf Leistungen wegen erheblicher Pflegebedürftigkeit vom März 2000 wurde durch die Pflegekasse bei der Beklagten am 25. Mai 2000 abgelehnt. Der Kläger legte keine Rechtsmittel ein. Wegen seiner Leiden hat das Landratsamt G. mit Abhilfebescheid vom 17. August 2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 seit 03. Juni 2005 anerkannt und die Merkzeichen aG und G festgestellt. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden Herzleistungsminderung, Bluthochdruck, chronische Bronchitis, Lungenfunktionseinschränkung, Diabetes mellitus, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke und Schlafapnoe-Syndrom festgestellt.

Allgemeinmediziner und Psychotherapeut Dr. O. verordnete für den Kläger am 08. Juli 2005 ein Krankenhausbett "Westfalia". Unter Vorlage der Verordnung beantragte der Kläger bei der Beklagten eine entsprechende Versorgung. Die Beklagte wandte sich an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. W., MDK, kam in seinem Gutachten vom 20. Juli 2005 zu dem Ergebnis, aus den vorliegenden Unterlagen sei nicht ersichtlich, warum die Ausstattung mit einem handelsüblichen Bett, z.B. einem Seniorenbett, gegebenenfalls unter zusätzlicher Ausstattung mit einer Aufrichthilfe, nicht ausreiche. Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 lehnte die Beklagte die Versorgung des Klägers mit einem Krankenhausbett unter Verweis auf dieses Gutachten ab.

Per E-Mail vom 31. Juli 2005 machte der Kläger geltend, die Ablehnung sei nicht nachvollziehbar. Bei ihm lägen zahlreiche Erkrankungen vor, die in der Klinik A.E. bereits festgestellt worden seien. Mit Schreiben vom 21. August 2005 bestätigte der Kläger, dass er Widerspruch eingelegt habe. Er verwies auf die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft durch das Landratsamt G., einen Bericht des Radiologen Dr. T. vom 06. Juni 2000, der eine degenerative LWS-Veränderung mit Fehlhaltung, eine beidseitige Hüftgelenksdysplasie mit linksbetonter Coxarthrose und erheblichen Coxalgien sowie eine Adipositas beschrieb. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Eine Leistungsverpflichtung zur Versorgung mit einem behindertengerechten Bett komme dann in Betracht, wenn die handelsüblichen, im Haushalt gebräuchlichen Betten vom Versicherten nicht benutzt werden könnten und die Nutzung des vorhandenen Bettes auch durch eine Ausstattung mit behindertengerechtem Bettzubehör nicht ermöglicht werden könne. Ansonsten seien Betten Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Eine medizinische Indikation für die Versorgung mit einem behindertengerechten Bett liege nicht vor. Der Kläger sei weder pflegebedürftig noch bettlägerig. Keine der vom Kläger genannten Erkrankungen begründe die Notwendigkeit eines behindertengerechten Bettes.

Der Kläger erwarb bei der Firma Hilfsmittelbedarf G. ein Krankenbett mit einem Aufrichter, einer Holzliegefläche und drei Motoren, eine Komfortmatratze zur Dekubitusprophylaxe, zwei Matratzenspannbezüge und einen höhenverstellbaren Betttisch. Das Bett wurde angeliefert und aufgebaut. Die Firma Hilfsmittelbedarf G. berechnete dem Kläger hierfür einschließlich Anlieferung, Aufbau und Einweisung insgesamt EUR 1.277,57 (Rechnung vom 30. September 2005).

Der Kläger hat am 07. Oktober 2005 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er benötige das Bett, um sonst nötig werdende Operationen wegen der Bandscheiben und der Hüftgelenke zu vermeiden und seiner Familie an ihm zu erbringende Pflegeleistungen zu erleichtern. Ihm sei nicht einmal ein längeres Sitzen möglich, da die Füße sofort anfangen würden, sich mit Wasser zu füllen, und sich Ödeme entwickelten. Die Wirbelsäule schmerze grauenhaft. Das Gleiche gelte für die Hüftgelenke. Wegen der Schmerzen in der Lunge und im Wirbelsäulenbereich müsse er Schmerzmittel einnehmen. Bei mehreren Klinikaufenthalten seit 2003 habe er festgestellt, dass sein Gesamtbefinden deutlich besser sei, wenn er in Krankenbetten liege. Ergänzend hat der Kläger Entlassungsberichte des Prof. Dr. S., Klinik A.E. G., vom 17. Mai 2005, betreffend eine stationäre Behandlung vom 03. bis 11. Mai 2005, und vom 01. Juli 2005, betreffend eine stationäre Behandlung vom 17. Mai bis 07. Juni 2005, vorgelegt.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Eine Kostenerstattung komme nicht in Betracht. Eine Versorgung mit einem Krankenhausbett sei nicht erforderlich gewesen.

Mit Urteil vom 24. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Versorgung mit einem Krankenhausbett nicht zu Unrecht abgelehnt. Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen würden eine Versorgung mit einem Krankenhausbett nicht erfordern.

Gegen das ihm am 02. Juni 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Juni 2006 beim SG eingelegte Berufung des Klägers. Er bezieht sich im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen und macht geltend, er könne sich nunmehr nicht mehr selbst waschen. Dies müsse im Bett durch zwei Personen durchgeführt werden. Er benötige Kompressionsstrümpfe, die ihm vom Diakonischen Werk angezogen werden müssten. Die verminderte Gelenkigkeit könne nur einigermaßen durch die Flexibilität des Krankenbettes kompensiert werden. Dazu diene die Höhenverstellbarkeit des Gesamtbettes und die Verstellbarkeit des Kopfteils sowie die Beinanpassung. Den Betttisch benötige er, um Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Er habe sich ein Angebot über die Versorgung mit einem Krankenhausbett am 29. September 2005 eingeholt und das Bett am 04. Oktober 2005 bestellt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. April 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm EUR 1.277,57 zuzüglich 8 % Zinsen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und bezieht sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Der Senat hat Dr. O. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat in seiner Auskunft vom 30. Januar 2007 unter Vorlage zahlreicher weiterer medizinischer Unterlagen mitgeteilt, der Kläger könne sein Bett, das im Wohnzimmer stehe, nur mit Mühe verlassen. Er sei ständig an eine Sauerstoffversorgung angeschlossen. Telefon, Fax und Medikamente seien in Reichweite positioniert. Mit Hilfe eines Bettgalgens könne er sich aufrichten. Wenige Schritte in der Wohnung könne er nur machen, wenn er eine Möglichkeit zum Abstützen habe. Die Verordnung habe er wegen der Adipositas per magna mit Notwendigkeit entsprechender Lagerung zur Dekubitusprophylaxe, der Neigung zu kardialen Dekompensationen und zu Blutdruckkrisen bei Überbelastung, rezidivierenden Lumbalgien bei Bandscheibenschaden und statischer Fehlbelastung sowie chronischer Atemnot bei COPD ausgestellt. Diese Komplikationen könnten durch entsprechende Lagerung, Höhenverstellbarkeit des Bettes und eine Haltemöglichkeit am Bettgalgen reduziert werden. Auch werde die Versorgung des Klägers durch dessen Ehefrau erleichtert.

Zu den Angaben des Dr. O. hat die Beklagte das sozialmedizinische Gutachten des Dr. K. vom 20. Juni 2007 vorgelegt. Er hat weiter die Voraussetzungen für eine Verordnung als nicht gegeben angesehen und ein handelsübliches erhöhtes Bett mit verstellbarer Liege und behindertengerechtem Zubehör (Aufrichthilfe) empfohlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, die Akten des SG und die Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von EUR 1.277,57.

Über die Berufung des Klägers hat der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden, Das Einverständnis der Beteiligten hierzu hat vorgelegen. Die Beklagte hat sich ausdrücklich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt. Der Kläger hat auf die entsprechende Anfrage des Senats - wie bereits dem SG - mitgeteilt, er könne zu einer mündlichen Verhandlung nicht erscheinen. Dies hat der Senat als Zustimmung zu einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG gewertet, worüber der Kläger mit Schreiben des Berichterstatters vom 5. November 2007 unterrichtet worden ist.

Als Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch kommt hier nur § 13 Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in Betracht. Danach sind einem Versicherten die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war und die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.

Der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, die die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 10). Ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Klägers auf Versorgung mit dem von ihm gekauften Krankenhausbett nebst Zusatzausstattung, der sich infolge der Ablehnung durch die Beklagte und die Selbstbeschaffung in einen Kostenerstattungsanspruch hätte umwandeln können, bestand nicht. Nach § 33 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 (SGB V) ausgeschlossen sind. Zwar ist ein Krankenbett grundsätzlich kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (dazu BSG, Urteil vom 25. Januar 1995, 3/1 RK 63/93, veröffentlicht in juris), dennoch stand dem Kläger ein Anspruch auf eine Versorgung mit einem Krankenhausbett nicht zu. Der Anspruch scheitert an der Erforderlichkeit der Versorgung. Nach § 33 Abs. 1 SGB V kommt als Zweck der Hilfsmittelversorgung einerseits ein Behinderungsausgleich, andererseits ein therapeutischer Zweck in Betracht. Die Erforderlichkeit der Versorgung des Klägers mit einem Krankenhausbett lässt sich weder im Sinne eines Behinderungsausgleichs noch im Sinne eines therapeutischen Zweckes begründen.

Ein Hilfsmittel ist zum Zwecke des Behinderungsausgleichs erforderlich, wenn der Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird (BSG SozR 3 2500 § 33 Nr. 3 und Nr. 5). Dazu gehört u.a. auch eine gesunde Lebensführung und die Ermöglichung der allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens. Zu letzteren gehört vor allem die elementare Körperpflege (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 3) und die Nahrungsaufnahme (BSGE 50, 77; zum Ganzen: BSG, Urteil vom 25. Januar 1995, 3/1 RK 63/93 veröffentlicht in juris). Danach kommt die Versorgung mit einem Krankenhausbett dann in Betracht, wenn einem Versicherten die Fähigkeiten, sich selbst aufzurichten, umzulagern oder selbstständig zu sitzen, fehlt oder beispielsweise die Gefahr besteht, dass ein Versicherter aus dem Bett fällt. Eine derartig weitgehende, nahezu völlige Hilflosigkeit infolge einer Immobilität besteht beim Kläger indessen nicht. Aus der Auskunft des Dr. O. vom 30. Januar 2007 ergibt sich vielmehr, dass der Kläger diese Verrichtungen selbst noch durchführen kann. Der Kläger ist sogar in der Lage, in der Wohnung herumzugehen. Dass er dabei sich abstützen muss, mag zutreffen, zeigt aber dennoch, dass der Kläger keinesfalls völlig immobil ist. Dementsprechend hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Der Senat geht vielmehr infolge der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 25. Mai 2000 davon aus, dass eine erhebliche Pflegebedürftigkeit des Klägers nicht besteht. Damit ist das vom Kläger gekaufte Krankenbett nicht erforderlich, um beim Kläger infolge einer Erkrankung oder Behinderung verloren gegangene Fähigkeiten im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse zu ersetzen.

Auch therapeutische Zwecke rechtfertigen eine Verordnung des Krankenhausbettes zu Lasten der Beklagten nicht. Therapeutische Zwecke werden von Dr. O. nicht ausdrücklich beschrieben. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Schmerzzustände des Klägers ausschließlich durch das Krankenhausbett positiv beeinflusst werden könnten und nicht auch durch handelsübliche erhöhte Betten mit entsprechender des Ausstattung, wie dies Dr. K. in dem von der Beklagten vorgelegten sozialmedizinische Gutachten vom 20. Juni 2007 ausführt.

Eine Erstattung der in der Rechnung der Firma Hilfsmittelbedarf G. vom 30. September 2005 genannten Beträge für eine Komfortmatratze zur Dekubitusprophylaxe und zwei Matratzenspannbezüge scheidet aus, weil eine entsprechende ärztliche Verordnung fehlt, was auch für den wegen Rabattgewährung kostenlos mitgelieferten höhenverstellbaren Betttisch gilt. Aber selbst dann, wenn man dies als Zubehör zu dem von Dr. O. verordneten Krankenhausbett ansähe, steht der Kostenerstattung entgegen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Verordnung des Krankenhausbettes hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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