L 5 R 4521/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 3781/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4521/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.7.2007 wird insoweit aufgehoben, als darin die Bescheide der Beklagten vom 14.2.2005 und vom 23.2.2005 (richtig: 23.2.2006) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.5.2005 (richtig: 3.5.2006) teilweise aufgehoben wurden. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Beitragszuschüssen zur Krankenversicherung der Rentner und zur Pflegeversicherung.

Der 1943 geborene Kläger beantragte am 3.12.1998 Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Dabei gab er an, er sei bei der AOK B. krankenversichert. Außerdem stellte er unter dem 3.12.1998 einen Antrag auf Gewährung des Zuschusses zur (freiwilligen) Krankenversicherung sowie zur Pflegeversicherung gem. §§ 106, 106a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI, in der damals noch geltenden Fassung). Die Frage, ob in der Zeit, für die der Zuschuss beansprucht werde, Versicherungspflicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse bestehe, verneinte der Kläger (Verwaltungsakte I, Teil II - Sondereinheftung - S. 1). Mit Schreiben vom 12.2.2001 teilte die AOK B. der Beklagten mit, der Kläger sei bei ihr freiwillig krankenversichert (Verwaltungsakte I, Teil II - Sondereinheftung - S. 11).

Mit Bescheid vom 4.5.2000 (Verwaltungsakte I S. 89) bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 27.11.1998; die Rente wurde wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen zunächst nicht gezahlt (Verwaltungsakte I S. 119).

Am 22.2.2001 beantragte der Kläger die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente (Verwaltungsakte II, S. 133). Mit Bescheid vom 26.3.2001 (Verwaltungsakte II S. 167) wurde dieser Antrag abgelehnt. Die Beklagte gewährte dem Kläger jedoch Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 10.12.1999 (Änderung des Rentenbeginns auf Grund einer Anschlussheilbehandlung, Verwaltungsakte II S. 181) und bewilligte ihm außerdem einen Zuschuss zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag ab 10.12.1999 (S. 2, 3 des Bescheids). Ein Eigenanteil (des Klägers) am Krankenversicherungsbeitrag (§ 255 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) wurde nicht einbehalten bzw. nicht abgeführt. In dem Bescheid ist unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" (u. a.) ausgeführt, der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige oder private Krankenversicherung entfalle mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherung und bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Daher bestehe die gesetzliche Verpflichtung, jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen. Entsprechendes gelte für Änderungen des Pflegeversicherungsverhältnisses. Soweit Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe hätten, würden der Bescheid auch rückwirkend ganz oder teilweise aufgehoben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückgefordert (Verwaltungsakte II S. 169).

Mit Bescheid vom 11.9.2001 (Verwaltungsakte II S. 229) bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 17.8.2000 sowie Zuschüsse zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag. Auch in diesem Bescheid wurde auf die Pflicht zur Mitteilung von Änderungen des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses bzw. der Beitragshöhe hingewiesen (Verwaltungsakte II S. 231).

Unter dem 18.3.2002 meldete die AOK B. der Beklagten auf maschinellem Wege eine Änderung des Kranken- und Pflegversicherungsverhältnisses. Die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht zur Krankenversicherung der Rentner seien (ab 31.3.2002) erfüllt (Ausdruck der Meldung Verwaltungsakte I, Teil II - Sondereinheftung - nach roter Lasche S. 3 ff.). Die Meldung wurde bei der Beklagten am 20.3.2002 gespeichert. Hierauf wurde zunächst nichts veranlasst.

In einem verwaltungsinternen Schreiben der Beklagten an die zuständige Sachbearbeitung vom 29.12.2004 (Verwaltungsakte II S. 253), das die Neuregelung in der Pflegeversicherung zum 1.4.2004 (u.a. Wegfall des § 106a SGB VI) betraf, ist zur Versicherungsnummer des Klägers ausgeführt, ab 1.4.2004 hätten die Rentenbezieher die Pflichtbeiträge zur Pflegeversicherung aus der Rente allein zu tragen. Der Beitragszuschuss zu den Aufwendungen für die Pflegeversicherung entfalle und sei einzustellen. Über die Änderungen sei die Sachbearbeitung durch ein Rundschreiben informiert worden. Man habe den Wegfall der Zuschüsse zur Pflegeversicherung zum 1.4.2004 grundsätzlich in einer Sonderaktion durchgeführt. Die Rentner hätten über die Umstellung der Zahlung am 8.3.2004 einen Bescheid erhalten. In einigen Fällen sei eine maschinelle Umstellung nicht möglich gewesen. Diese Fälle seien der Sachbearbeitung mit der Bitte um Neuberechnung der Rente angezeigt worden. Der mit diesem Schreiben angezeigte Fall (des Klägers) sei bislang nicht neu berechnet worden, was zur Folge habe, dass der Rentenempfänger die Aufwendungen zur Pflegeversicherung derzeit noch nicht alleine tragen. Es werde um Prüfung und umgehende Bereinigung gebeten.

Die Beklagte leitete sodann am 7.1.2005 Arbeiten zur Korrektur hinsichtlich der Abführung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bzw. der Einstellung (noch laufender) Zuschusszahlungen ein. An diesem Tag wurden die Versicherungsdaten des Klägers ausgedruckt sowie eine Probeberechnung durchgeführt (Verwaltungsakte I, Teil II - Sondereinheftung nach roter Lasche S. 1 bzw. Verwaltungsakte II S. 255). Es ergab sich für die Zeit vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 eine Überzahlung in Höhe von 4.270,72 EUR. In einem darüber angefertigten Aktenvermerk vom 8.1.2005 (Verwaltungsakte II S. 260) ist ausgeführt, die Überzahlung resultiere aus dem Wegfall der Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung bzw. zur Pflegeversicherung. Eine weitere Überzahlung sei durch die Nichtabführung des Eigenanteils am Krankenversicherungsbeitrag (§ 255 SGB V) entstanden.

Mit Bescheid vom 14.2.2005 (Verwaltungsakte II S. 264) berechnete die Beklagte die Rente des Klägers neu. Ab 1.3.2005 wurden monatlich 1.433,28 EUR gezahlt (Rente in Höhe von 1.577,63 EUR abzüglich Beitragsanteile zur Krankenversicherung von 117,53 EUR und zur Pflegeversicherung von 26,82 EUR). Dem Bescheid, der eine Überzahlung von 8.548,92 EUR benennt, war als dessen Bestandteil eine als "Aufhebung und Anhörung" bezeichnete Anlage 10 beigefügt (Verwaltungsakte II S. 271); auf diese Anlage wird zur Berechnung und Behandlung der Überzahlung verwiesen. In Anlage 10 des Bescheids hob die Beklagte zum einen die Bewilligung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung für die Zukunft (ab 1.3.2005) gem. § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X auf. Zum andern wies sie den Kläger darauf hin, es sei beabsichtigt, die Zuschussbewilligung auch rückwirkend ab 1.4.2002 aufzuheben und die errechnete Überzahlung für die Zeit vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 in Höhe von 4.270,72 EUR gem. § 50 SGB X zurückzufordern. Im Hinblick auf die ihm gegebenen Informationen habe der Kläger gewusst oder wissen müssen, dass der Zuschussanspruch erloschen sei (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Schließlich legte die Beklagte dar, der bislang nicht abgeführte Eigenanteil an den Versicherungsbeiträgen (1.4.2002 bis 28.2.2005: 4.278,20 EUR) müsse gem. § 255 Abs. 2 SGB V von der Rente einbehalten werden. Der Kläger erhalte Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern und etwaige Einwendungen gegen Rückforderung und Verrechnung mitzuteilen. Sollte Sozialhilfebedürftigkeit drohen, werde um Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des Sozialamts gebeten.

Mit Bescheid vom 2.3.2005 (Verwaltungsakte II S. 321) berechnete die Beklagte die Rente des Klägers ab 1.4.2005 neu (Zahlbetrag ab 1.5.2005: 1.429,34 EUR monatlich); die Neuberechnung erfolgte wegen Änderungen des Beitragssatzes zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Zur Begründung des am 11.3.2005 gegen den Bescheid vom 14.2.2005 eingelegten Widerspruchs (Verwaltungsakte II S. 276) bzw. im Rahmen der Anhörung zur rückwirkenden Aufhebung der Zuschussbewilligung trug der Kläger in einem bei der Beklagten am 19.5.2005 eingegangenen Schriftsatz (Verwaltungsakte II S. 290) vor, man möge von der Rückforderung einer Überzahlung in Höhe von insgesamt 8.548,92 EUR (Summe aus zu erstattenden Zuschüssen und abzuführenden Beitragsanteilen) absehen, da ihn dies unbillig hart treffen würde. Die Rentenzahlungen seien aufgebraucht und er könne wegen laufender Verpflichtungen den Erstattungsbetrag nicht aufbringen; hierzu müsste er einen Kredit aufnehmen.

Mit Schreiben vom 29.6.2005 reichte der Kläger einen Fragebogen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nach (Verwaltungsakte II S. 294); außerdem legte er (für die Berechnung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung) Abstammungsurkunden seiner Kinder vor (Verwaltungsakte II S. 298).

Zur Bearbeitung des Erstattungsverfahrens (§§ 48, 50 SGB X) ist in einem Aktenvermerk vom 23.2.2006 (Verwaltungsakte II S. 347) ausgeführt, ein atypischer Fall liege insoweit vor, als die Krankenkasse die Änderungen der Versicherungsverhältnisse am 18.3.2002 maschinell gemeldet habe, bei ihr, der Beklagten, die notwendigen Neuberechnungen jedoch aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen unterbleiben seien.

Mit Bescheid vom 23.2.2006 (Verwaltungsakte II S. 350) hob die Beklagte den Bescheid vom 26.3.2001 über die Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung und Pflegeversicherung (§§ 106, 106a SGB VI) gem. § 48 SGB X ab dem 1.4.2002 (teilweise) auf. Für die Zeit vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 sei eine Überzahlung in Höhe von 4.270,72 EUR entstanden. Der Kläger hätte auf Grund der ihm gegebenen Informationen erkennen können, dass ihm mit Wegfall der freiwilligen Krankenversicherung auch kein Zuschuss zu Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge mehr zustehe. Im Hinblick auf die Mitschuld der Behörde an der verspäteten Sachbearbeitung werde die Zuschussbewilligung aber nur hinsichtlich eines Teilbetrags 2.135,36 EUR (Hälfte der Überzahlung) aufgehoben. Die Aufhebung der Zuschussbewilligung mit Wirkung für die Zukunft (ab 1.3.2005) sei bereits mit Bescheid vom 14.2.2005 verfügt worden. Außerdem legte die Beklagte fest, dass die vom Kläger für die Zeit vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 geschuldeten Beitragsanteile in Höhe von 4.278,20 EUR gem. § 255 Abs. 2 SGB V einzubehalten seien und in Monatsraten von 200 EUR ab 1.6.2006 gegen die laufenden Rentenzahlungen aufgerechnet würden. Bis zur vollständigen Tilgung der offenen Beitragsschuld werde der Erstattungsbetrag (überzahlte Zuschüsse) gestundet.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs (Verwaltungsakte II S. 364) trug der Kläger vor, er sei seiner Mitwirkungspflicht jederzeit nachgekommen und habe sein Nebeneinkommen mitgeteilt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3.5.2006 (Verwaltungsakte II S. 373) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie (ergänzend) aus, mit Eintritt der Versicherungspflicht zur Krankenversicherung der Rentner ab 1.4.2002 sei der Anspruch auf einen Zuschuss zu (nicht mehr gezahlten) freiwilligen Krankenversicherungsbeiträgen bzw. zu Pflegversicherungsbeiträgen weggefallen und es müssten außerdem die nicht abgeführten Beitragsanteile von der Rente einbehalten werden (§§ 249, 255 SGB V). Der vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 rechtsgrundlos gezahlte Beitragszuschuss werde - nur teilweise (zur Hälfte) - in Höhe von 2.135,36 EUR zurückgefordert, der Bewilligungsbescheid gem. § 48 Abs. 1 Satz Nr. 2 und 4 SGB X werde insoweit aufgehoben. Die einjährige Rücknahmefrist (§ 48 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) sei gewahrt, da die Fachabteilung erst seit dem 19.5.2005 um den Sachverhalt gewusst habe. Man berücksichtige allerdings ein Mitverschulden der Behörde, da das Krankenversicherungsverhältnis des Klägers auf die Mitteilung der Krankenkasse vom 18.3.2002 nicht rechtzeitig überprüft worden sei. Andererseits habe der Kläger aber gewusst, dass er ab 1.4.2002 einen Zuschuss zu nicht mehr gezahlten Krankenversicherungsbeiträgen bekomme. Das beiderseitige Verschulden wiege etwa gleich schwer, weshalb der Erstattungsbetrag um die Hälfte vermindert werde. Dennoch auftretende wirtschaftliche Härten könnten durch Rückzahlung in (niedrigen) Raten ausgeglichen werden. Hierfür müsse der Kläger ggf. seine wirtschaftlichen Verhältnisse offen legen.

Am 24.5.2006 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Er trug vor, am 29.12.2004 finde sich in der Verwaltungsakte ein interner Hinweis darauf, dass ab 1.4.2002 Versicherungspflicht eingetreten sei. Die Beklagte sei erst daraufhin tätig geworden. Deshalb liege kein gleichgewichtiges Verschulden vor.

Die Beklagte trug vor, die einjährige Rücknahmefrist beginne grundsätzlich nach Abschluss der Anhörung des Leistungsempfängers, da die Behörde (u.a.) dessen Einsichtsvermögen und Verhalten sowie die besonderen Umstände des Einzelfalls prüfen müsse. Die erste Rückäußerung des Klägers stamme aber erst aus dem Jahr 2005. Für die Nacherhebung des Eigenanteils zur Krankenversicherung der Rentner bzw. zur Pflegeversicherung sei nur die Verjährungsfrist (4 Jahre) maßgeblich. Der Kläger habe im Übrigen seine Pflicht zur Mitteilung von Änderungen des Kranken und Pflegeversicherungsverhältnisses verletzt.

Mit Urteil vom 30.7.2007 hob das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten vom 14.2.2005 und 23.2.2005 (gemeint offensichtlich: 2006) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.5.2005 (gemeint offensichtlich: 2006) hinsichtlich der Rückforderung der Zuschüsse zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag auf. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe zwar zumindest grobfahrlässig eine Mitteilungspflicht gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X verletzt; er hätte das Ende der freiwilligen Krankenversicherung bei der AOK der Beklagten mitteilen müssen (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, SGB I). Auf diese Pflicht sei er im Bescheid vom 26.3.2001 unmissverständlich hingewiesen worden. Die Beklagte dürfe daher die Zuschussbewilligung an sich rückwirkend aufheben, habe aber die dafür geltende Einjahresfrist (§ 48 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) versäumt. Für deren Beginn genüge es, wenn die Behörde aus dem Akteninhalt ohne weiteres auf den die Rücknahme rechtfertigenden Sachverhalt hätte schließen können. Hier habe die Beklagte am 18.3.2002 vom Eintritt der Versicherungspflicht durch maschinelle Meldung der Krankenkasse erfahren. Zwar müssten außerdem die eine rückwirkende Aufhebung des Leistungsbescheides rechtfertigenden Tatsachen, etwa zur groben Fahrlässigkeit oder zum Verschulden des Leistungsempfängers, bekannt sein, was regelmäßig erst nach Abschluss des Anhörungsverfahrens (§ 24 SGB X) der Fall sei. Hierauf könne zu Gunsten der Behörde aber dann nicht abgestellt werden, wenn sie die Anhörung des Leistungsempfängers wegen interner Versäumnisse schuldhaft - hier um nahezu 3 Jahre (maschinelle Meldung 2002, Anhörung 2005) - verzögert habe. Außerdem hätte die Beklagte grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf die dem Kläger im Bescheid vom 26.3.2001 erteilten Hinweise auch ohne Anhörung feststellen können. Unbeachtlich sei, dass die Fachabteilung die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids erst seit 19.5.2005 gekannt habe. Es komme auf die Kenntnis der Behörde, also derjenigen Dienststelle, die die Rücknahme des Leistungsbescheids vorzubereiten oder darüber zu entscheiden bzw. die entscheidende Stelle zu unterrichten habe, an. Der zuständige Sachbearbeiter hätte den Vorgang deshalb nach der maschinellen Meldung der Krankenkasse unverzüglich weiterleiten müssen. Die Beklagte sei allerdings berechtigt, nicht abgeführte Beitragsanteile in Höhe von 4.270,72 EUR von der Rente des Klägers einzubehalten. Insoweit sei die Klage abzuweisen.

Auf das ihr am 16.8.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.9.2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die einjährige Rücknahmefrist sei nicht verstrichen gewesen. Für deren Beginn sei nämlich positive Kenntnis der die Aufhebung rechtfertigenden Tatsachen notwendig. Bloßes Kennenmüssen genüge nicht. Positive Kenntnis davon, dass die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung am 31.3.2002 geendet und damit kein Anspruch auf Beitragszuschuss mehr bestanden habe, liege nach dem Akteninhalt aber frühestens seit dem 7.1.2005 vor. Erst an diesem Tag hätten die erforderlichen Arbeiten zur Korrektur des Rentenzahlfalls durch Ausdruck der Versicherungsdaten und Vornahme einer Probeberechnung begonnen. Auch das interne Schreiben vom 29.12.2004 sei nicht maßgeblich, da man seinerzeit noch angenommen habe, nur der Zuschuss zur Pflegeversicherung sei wegen Wegfalls der Vorschrift des § 106a SGB VI zum 31.3.2004 zu Unrecht weiter gezahlt worden. Weshalb die Meldung der AOK Baden-Württemberg vom 18.3.2002 nicht unmittelbar nach ihrer Speicherung am 20.3.2002 der Sachbearbeitung zugeleitet worden sei, könne man nicht mehr feststellen. Schließlich müssten neben den veränderten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse außerdem die für die Rücknahmevoraussetzungen in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 SGB X maßgeblichen Tatsachen bekannt sein. Bei der Anhörung habe der Kläger in seinem am 19.5.2005 eingegangenen Schreiben nichts Entscheidungserhebliches vorgetragen, sodass insoweit ab diesem Tag positive Kenntnis eingetreten sei. Daher habe die einjährige Rücknahmefrist am 19.5.2005 begonnen und sei bei Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 23.2.2006 noch nicht verstrichen gewesen. Was die Rücknahmevoraussetzungen selbst angehe, hätte der Kläger auch wissen müssen, dass es einen Anspruch auf Zuschuss zu nicht (mehr) gezahlten Beiträgen nicht gebe.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.7.2007 insoweit aufzuheben, als darin die Bescheide vom 14.2.2005 und vom 23.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.5.2006 teilweise aufgehoben wurden, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz, SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung der Beklagten ist bei einem Erstattungsbetrag von 2.135,36 EUR ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft und auch sonst zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Sache nach der Bescheid vom 23.2.2006 bzw. der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 3.5.2006, soweit die Beklagte darin die Bewilligung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung (§§ 106, 106a SGB VI) gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit - für die Zeit vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 - teilweise aufgehoben und dem Kläger gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Erstattung einer Überzahlung von 2.135,36 EUR aufgegeben hat. Die Einbehaltung vom Kläger für die Zeit vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 geschuldeter Beitragsanteile nach § 255 Abs. 2 SGB V ist nicht mehr im Streit; der Kläger hat Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts nicht eingelegt. Die Entscheidungsformel des angefochtenen Urteils ist insoweit offensichtlich unrichtig, als die genannten Bescheide jeweils mit der Jahreszahl "2005" statt "2006" bezeichnet sind.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts hat die Beklagte die Zuschussbewilligung zu Recht gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufgehoben mit der Folge, dass der Kläger die zu Unrecht erhaltenen Zuschüsse erstatten muss (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Die Einjahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X war bei Erlass des Aufhebungsbescheids vom 23.2.2006 nicht verstrichen.

Rechtsgrundlage des Aufhebungsbescheids ist § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 und 4 SGB X. Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, wie die Bewilligung von Zuschüssen zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse bei seinem Erlass wesentlich geändert haben; letzteres ist hier insoweit der Fall, als am 1.4.2002 Versicherungspflicht zur Krankenversicherung der Rentner eintrat, der Kläger ab diesem Zeitpunkt also nicht mehr freiwillig versichert war und ihm daher gem. §§ 106, 106a (a.F.) unstreitig kein Zuschuss zu Aufwendungen für (auch gar nicht mehr gezahlte) freiwillige Krankenversicherungsbeiträge bzw. für Pflegeversicherungsbeiträge mehr zustand (§§ 106, 106a SGB VI). Der Verwaltungsakt soll gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X rückwirkend auf den Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 1); gleiches gilt, wenn der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes weggefallen ist (Nr. 2). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt.

Hinsichtlich des Aufhebungstatbestands in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X stellt der Kläger nicht in Abrede, dass er gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet war, den Eintritt von Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung bzw. den Wegfall freiwilliger Beiträge zu diesen Versicherungszweigen – als für die Leistung erhebliche Änderung der Verhältnisse - der Beklagten unverzüglich mitzuteilen. Dieser Pflicht ist er nicht nachgekommen; er hat lediglich Angaben zu Nebeneinkünften, nicht jedoch zur in Rede stehenden Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses gemacht. Der Kläger hat insoweit auch (zumindest) grob fahrlässig, wenn nicht vorsätzlich gehandelt.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 letzter Halbs. SGB X). Er muss unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in außergewöhnlich hohen Maße, d. h. in einem das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich übersteigenden Ausmaß verletzt haben (BSGE 42, 184, 186/187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 14). Subjektiv schlechthin unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden (vgl. RGZ 163, 106), wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (siehe BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr.3 m. w. N.; BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2). Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d. h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (BSGE 42, 184, zum Ganzen vgl. auch: BSG, Urt. vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R -). Das Außerachtlassen von Vorschriften, auf die in einem Merkblatt besonders hingewiesen wird, ist im allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene die Vorschriften nicht verstanden hat (BSGE 44, 264).

Hier hätte der Kläger (jedenfalls) bei einfachster und nahe liegender Überlegung erkennen müssen, dass ihm Zuschüsse zu freiwilligen Beiträgen zur Krankenversicherung bzw. zu Pflegeversicherungsbeiträgen nur solange zustehen können, wie er freiwillig versichert ist und freiwillige Beiträge zahlt. Endet die freiwillige Versicherung, fallen die freiwilligen Beiträge also weg, fällt auch der Zuschussanspruch weg. Darauf und auf seine Mitteilungspflicht ist der Kläger in den Rentenbescheiden vom 11.9.2001 und 26.3.2001 unmissverständlich hingewiesen worden und muss sich daher (zumindest) grob fahrlässiges Verhaltens i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vorwerfen lassen.

Auch der Aufhebungstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X ist erfüllt. Sollte der Kläger tatsächlich verkannt haben, dass ihm nach Eintritt der Versicherungspflicht kein Zuschuss zu (freiwilligen) Versicherungsbeiträgen mehr zustehen kann, beruhte das darauf, dass er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hätte; insoweit gelten die Maßstäbe für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit entsprechend.

Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X steht der rückwirkenden Aufhebung der Zuschussbewilligung nicht entgegen. Sie war bei Erlass (Bekanntgabe) des Aufhebungsbescheids vom 23.2.2006 noch nicht verstrichen.

Gem. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X beginnt die der Rechtssicherheit dienende Jahresfrist mit Kenntnis (der Behörde) von den Tatsachen, welche die Rücknahme des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Behörde muss zunächst also diejenigen Tatsachen kennen, aus denen sich im Fall des § 45 SGB X die Rechtswidrigkeit des (zurückzunehmenden) Verwaltungsakts bzw. im Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X der Wegfall des Leistungsanspruchs oder im Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X die Verletzung der Mitteilungspflicht ergibt. Da die Rücknahme- bzw. Aufhebungsfrist aber keine Handlungs- oder Bearbeitungs-, sondern eine Entscheidungsfrist ist, müssen der Behörde außerdem die zur Ausfüllung der übrigen Rücknahme- bzw. Aufhebungsvoraussetzungen sowie die zur sachgerechten und rechtmäßigen Ermessensausübung notwendigen Tatsachen bekannt sein. Das ist regelmäßig erst dann der Fall, wenn die Anhörung des Betroffenen (§ 24 SGB X) erfolgt ist. Stützt die Behörde die Aufhebung des Verwaltungsakts (wie hier) auf grob fahrlässiges Fehlverhalten oder grob fahrlässige Unkenntnis (Bösgläubigkeit) des Leistungsempfängers, muss sie – wie dargelegt - (u.a.) auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und das Verhalten des Leistungsempfängers sowie die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls abstellen. Das kann sie grundsätzlich nicht bevor der Leistungsempfänger Gelegenheit hatte, zu den entscheidungserheblichen Tatsachen Stellung zu nehmen. Wäre statt dessen der Akteninhalt vor Abschluss des Anhörungsverfahrens nach § 24 SGB X maßgeblich, müsste die Behörde Rücknahme- bzw. Aufhebungsbescheide vorsorglich, gleichsam "auf Verdacht" erlassen (zu alledem BSG, Urt. v. 27.7.2000, - B 7 AL 88/99 R – m. N. zur ständigen Rechtsprechung). Gelangt die Behörde zu der Ansicht, die ihr vorliegenden Tatsachen genügen für die Rücknahme- bzw. Aufhebung des Verwaltungsakts, beginnt die Jahresfrist aber in jedem Fall (BSG, Urt. v. 6.4.2006, - B 7a AL 64/05 R -).

Ausnahmen von der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Kenntnisstands nach erfolgter Anhörung des Betroffenen sind zwar möglich, aber auf eng umschriebene besondere Fallgestaltungen begrenzt. Sie beruhen letztendlich auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB in entsprechender Anwendung). So kann auf einen früheren Zeitpunkt etwa dann abgestellt werden, wenn eine Behörde bewusst davon absieht, sich die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen, oder sich missbräuchlich der Kenntnis verschließt (BSG, Urt. v. 27.7.2000, - B 7 AL 88/99 R -; KassKomm-Steinwedel, SGB X § 45 Rdnr. 29). Bloßes Kennenmüssen von Rücknahme- oder Aufhebungstatsachen genügt jedoch nicht, selbst wenn der Behörde grob fahrlässiges Verhalten zur Last fallen sollte (KassKomm Steinwedel, a. a. O. Rdnr. 29 unter Hinweis auf BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 2; offen gelassen in BSG, Urt. v. 29.4.1992, - 7 Rar 4/91 -). Die Befugnis und die Pflicht der Behörde, durch Rücknahme bzw. Aufhebung von Leistungsbescheiden nach Maßgabe der dafür geltenden (materiellen) Voraussetzungen die Rückführung (über lange Zeit) zu Unrecht gezahlter Leistungen zu ermöglichen, erlöschen nicht durch bloßen Zeitablauf. Nur bei Hinzutreten besonderer Umstände mag die Verzögerung des Verfahrens, insbesondere der Anhörung, zur Verwirkung der Rücknahme- oder Aufhebungsbefugnis führen können (vgl. etwa BVerwG, NVwZ 2002, 485 m. N.; KassKomm-Salzwedel, a. a. O. Rdnr. 27). Im Übrigen ist behördliches Fehlverhalten, insbesondere eine vorwerfbare Verspätung des Aufhebungs- und Erstattungsverfahrens im Rahmen einer Ermessensentscheidung über die Rücknahme oder Aufhebung der Leistungsbewilligung zu berücksichtigen, sofern das Gesetz dies zulässt.

Davon ausgehend begann die Jahresfrist für die Aufhebung des Bescheids über die Bewilligung des Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht schon mit Eingang der maschinellen Meldung der AOK B. am 20.3.2002 (Datum der Speicherung der Meldung). An diesem Tag hätte bei der Beklagten zwar die Kenntnis darüber vorhanden sein können, dass der Kläger ab 31.3.2002 zur Krankenversicherung der Rentner versicherungspflichtig und daher der Anspruch auf Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung nach §§ 106, 106a SGB VI kraft Gesetzes weggefallen war. Um die übrigen, die Aufhebung der Zuschussbewilligung für die Vergangenheit rechtfertigenden Tatsachen wusste die Behörde jedoch nicht vor der Anhörung des Klägers, die durch die dem Bescheid vom 14.2.2005 (in Anlage 10) beigefügte Anhörungsmitteilung in die Wege geleitet worden war. Vorher konnte sie eine abschließende Entscheidung darüber, ob dem Kläger eine (zumindest) grob fahrlässige Verletzung der Mitwirkungspflicht (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) bzw. grob fahrlässige Unkenntnis vom Wegfall des Zuschussanspruchs (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X) vorzuwerfen war, nicht treffen. Außerdem fehlte es an der Kenntnis der Tatsachen, die für die Eröffnung bzw. Ausübung des Aufhebungsermessens nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X erheblich sind. Der Kläger äußerte sich zur beabsichtigten Aufhebung der Zuschussbewilligung aber erstmals in seinem bei der Beklagten am 19.5.2005 eingegangenen Schriftsatz (mit dem offensichtlich unrichtigen Datum des 8.11.2004), in dem er darum bat, von der Rückforderung abzusehen. Frühestens zu diesem Zeitpunkt konnte die Jahresfrist für die Aufhebung der Zuschussbewilligung beginnen, so dass sie bei Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids vom 23.2.2006 noch nicht verstrichen war.

Eine besondere Fallgestaltung, in der der Beginn der Aufhebungsfrist auf einen Zeitpunkt vor der Rückäußerung des Leistungsempfängers im Anhörungsverfahren vorverlegt werden könnte, liegt nach Auffassung des Senats nicht vor. Die Beklagte hat weder bewusst davon abgesehen, sich die zur Aufhebung der Zuschussbewilligung erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen noch sich missbräuchlich deren Kenntnis verschlossen oder das Verfahren, etwa die Anhörung des Klägers missbräuchlich verzögert. Dazu müsste letztendlich vorsätzliches Fehlverhalten eines Mitarbeiters der Beklagten festgestellt werden. Hierfür ist freilich nichts ersichtlich oder geltend gemacht. Bloße Versäumnisse in der Sachbearbeitung oder im Verwaltungsablauf genügen nicht, selbst wenn sie im Einzelfall auf grober Fahrlässigkeit beruhen sollten.

Die Beklagte war daher zur rückwirkenden Aufhebung der Zuschussbewilligung berechtigt. Unschädlich ist, dass sie im Aufhebungsbescheid vom 23.2.2006 nur die Zuschussbewilligung im Bescheid vom 26.3.2001 und nicht zusätzlich im Bescheid vom 11.9.2001 erwähnt hat; der letztgenannte Bescheid ist gleichwohl mit erfasst.

Die Beklagte hat die Verzögerungen im Verfahrensablauf, namentlich die verspätete Bearbeitung der maschinellen Meldung der AOK B. über die zum 31.3.2002 eingetretene Versicherungspflicht des Klägers zur Krankenversicherung der Rentner, im Rahmen des Aufhebungsermessens nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X berücksichtigt und dem Kläger die zuviel gezahlten Zuschüsse ungefähr zur Hälfte belassen und für die Erstattung im Übrigen Ratenzahlung eingeräumt. Es mag dahin stehen, ob sie dazu rechtlich verpflichtet war, nachdem das Maß des dem Kläger vorzuwerfenden Verschuldens an der Zuschussüberzahlung vom Vorwurf des Vorsatzes (zumindest) nicht weit entfernt ist. Weiteres Entgegenkommen war aus Rechtsgründen jedenfalls nicht geboten. Der Kläger muss daher den von der Beklagten festgesetzten Betrag gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X erstatten.

Das Sozialgericht hat den Bescheid vom 23.2.2006 und den Widerspruchsbescheid vom 3.5.2006 daher zu Unrecht teilweise aufgehoben. Es hat außerdem den Bescheid vom 14.2.2005 teilweise aufgehoben; auch das geschah zu Unrecht. Dieser Bescheid enthält hinsichtlich der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung nur insoweit eine der gerichtlichen Kassation zugängliche - und ersichtlich nicht angegriffene, außerdem rechtmäßige - Regelung, als die Zuschussbewilligung mit Wirkung für die Zukunft (ab 1.3.2005) gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgehoben wurde. Die Aufhebung der Zuschussbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit (ab 1.4.2002) stand demgegenüber noch aus und war erst beabsichtigt; hierzu sollte der Kläger zunächst gem. § 24 SGB X angehört werden. Das geht unbeschadet der Benennung einer (Gesamt-)Überzahlung von 8.548,92 EUR (in der Zeit vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 zu Unrecht gezahlte Zuschüsse von 4.270,72 EUR zzgl. gem. § 255 Abs. 2 SGB V einzubehaltender Beitragsanteile von 4.278,20 EUR) aus der dem Bescheid als dessen Bestandteil beigefügten Anlage 10 klar hervor. Folgerichtig hat die Beklagte im Bescheid vom 23.2.2006 auch (zu Recht) darauf verwiesen, die Aufhebung der Zuschussbewilligung mit Wirkung für die Zukunft sei bereits im Bescheid vom 14.2.2005 verfügt worden.

Die Berufung der Beklagten hat daher insgesamt Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist, soweit es mit der Berufung angefochten wurde, aufzuheben und die Klage ist insgesamt abzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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