L 13 R 4445/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 904/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 4445/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. September 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Nachzahlung freiwilliger Beiträge für Zeiten der Heiratserstattung (September 1962 bis Januar 1967) zuzulassen.

Am 18. Februar 2003 beantragte die 1947 geborene Klägerin, die sich die für die Zeit von September 1962 bis Januar 1967 entrichteten Pflichtbeiträge in Höhe von 931,90 DM gemäß § 1304 der Reichsversicherungsordnung (in der bis 31. Dezember 1967 geltenden Fassung) von der Beklagten hatte erstatten lassen (Erstattungsbescheid vom 9. Januar 1998), die Zulassung zur Nachentrichtung von freiwilligen Höchstbeiträgen für die Zeit der Heiratserstattung. Zur Begründung wies sie auf eine zwischen ihr und der Beklagten geführte Korrespondenz hin. Das Vorliegen einer Heiratserstattung sei der Beklagten bekannt gewesen; diese hätte deshalb auf die Möglichkeit der Nachentrichtung von Beiträgen hinweisen müssen. Mit Bescheid vom 2. Juli 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Frist zur Beantragung der Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für Zeiten der Heiratserstattung sei bereits am 31. Dezember 1995 abgelaufen; dem Antrag der Klägerin könne deshalb nicht mehr entsprochen werden. Zur Begründung ihres am 8. Juli 2003 erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin vor, ihr sei mit Bescheid vom 22. März 1993 Übergangsgeld ab 9. Februar 1993 gewährt worden, wobei ein Schriftwechsel wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld vorausgegangen sei. Eine weitere Korrespondenz habe sich zwischen Juli und September 1993 anlässlich eines Kuraufenthalts in der Klinik M. in B.-K. ergeben. Diese Verwaltungsvorgänge hätten die Beklagte veranlassen müssen, über die Möglichkeit der Nachzahlung freiwilliger Beiträge für Zeiten der Heiratserstattung zu informieren. Da eine entsprechende Beratung nicht stattgefunden habe, sei sie im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte sie den Antrag auf Nachzahlung freiwilliger Beiträge fristgerecht gestellt. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück; ein Beratungsmangel liege nicht vor. Die am 25. März 2004 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat das SG mit Urteil vom 14. September 2004 abgewiesen.

Gegen das ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 29. September 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Oktober 2004 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt vor, anlässlich der Verwaltungsvorgänge im Jahr 1993 sei die in der Zeit vom 1. April 1962 bis 31. Januar 1967 bestehende Versicherungslücke erkennbar und jedem Sachbearbeiter der Beklagten ersichtlich gewesen, dass eine Heiratserstattung stattgefunden habe. Dies hätte die Beklagte veranlassen müssen, auf die Nachzahlung freiwilliger Beiträge als klar zu Tage tretender Gestaltungsmöglichkeit hinzuweisen. Diese hätte sich hier als offensichtlich zweckmäßig aufdrängen müssen, da sie von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt worden wäre. Außerdem sei im Jahr 1991 ein Kontenklärungsverfahren durchgeführt worden. Die für die Nachzahlung freiwilliger Beiträge wegen Heiratserstattung maßgebliche Bestimmung des § 282 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei zwar erst mit Wirkung zum 1. Januar 1992 in Kraft getreten, das diese Norm in Kraft setzende Rentenreformgesetzes (RRG) 1992 sei aber bereits zwei Jahre zuvor verabschiedet worden und habe deshalb auch den mit der Bearbeitung ihres Kontenklärungsverfahrens betrauten Sachbearbeitern bekannt gewesen sein müssen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. September 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2004 zu verpflichten, ihr die Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit von September 1962 bis Januar 1967 gemäß § 282 SGB VI in der bis 31. Dezember 1997 geltenden Fassung zu gestatten,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, Klageakten des SG (S 8 RJ 904/04) und die Berufungsakten des Senats (L 13 RA 4445/04) Bezug genommen.

II.

Der Senat hat über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss entschieden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden und haben sich mit dieser Vorgehensweise ausdrücklich einverstanden erklärt.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist der den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Nachzahlung freiwilliger Beiträge ablehnende Bescheid vom 2. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2004. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Klägerin ist nicht zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge berechtigt.

Gemäß § 282 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung des RRG 1992, außer Kraft gesetzt durch das RRG vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2998), konnten Frauen, denen anlässlich der Eheschließung Beiträge erstattet worden sind, auf Antrag für Zeiten, für die Beiträge erstattet worden sind, bis zum 1. Januar 1924 zurück freiwillige Beiträge nachzahlen, sofern die Zeiten nicht bereits mit Beiträgen belegt waren. Ein entsprechender Antrag konnte bis 31. Dezember 1995 gestellt werden (§ 282 Abs. 2 SGB VI).

Die Klägerin hat den am 18. Februar 2003 bei der Beklagten eingegangenen Antrag auf Zulassung zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge nicht fristgerecht gestellt. Ein Anspruch der Klägerin auf Zulassung zur Beitragsnachentrichtung ergibt sich darüber hinaus auch nicht nach den Grundsätzen des in der Rechtsprechung entwickelten Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieser ist auf Herstellung des Zustandes gerichtet, der eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder eines konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsen Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3- 2600 § 115 Nr. 1; SozR 3-1200 § 14 Nr. 12; BSG, Urteil vom 6. März 2003 - B 4 RA 38/02 R - veröffentlicht in Juris). Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist das Vorliegen einer Pflichtverletzung, also eines rechtswidrigen Verhaltens des Versicherungsträgers, durch das ein sozialrechtlicher Schaden entstanden ist (vgl. zum Ganzen Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, vor §§ 38-47 Rdnr. 30ff. m.w.N.). Eine solche, der Beklagten anzulastende und einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des Klägers auslösende Pflichtverletzung liegt nicht vor. Die Beklagte hat insbesondere ihre allgemeine Aufklärungspflicht (§ 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) oder ihre Verpflichtung zur Beratung über Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch (§ 14 SGB I) nicht verletzt. Der Senat nimmt zur Begründung insoweit zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und macht sich diese aufgrund eigener Urteilsbildung vollinhaltlich zu eigen (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

Die Beklagte war weder aufgrund des im Jahr 1991 durchgeführten Kontenklärungsverfahrens noch wegen der im Jahr 1993 geführten Korrespondenz verpflichtet, die Klägerin über die Möglichkeit der Nachzahlung freiwilliger Beiträge für die Zeit der Heiratserstattung zu informieren. Der Schriftwechsel im Jahre 1993 betraf, wie die Klägerin selbst vorträgt, die der Klägerin gewährten Leistungen zur Rehabilitation und den damit verbunden Anspruch auf Übergangsgeld. Gegenstand dieser Korrespondenz war dem gemäß - anders als bei einem Renten- oder Kontenklärungsverfahren - kein Verwaltungsverfahren, zu dem die Klärung des Versicherungskontos gehört. Dementsprechend war die Beklagte im Rahmen dieses Schriftwechsels auch nicht gehalten, das Versicherungskonto der Klägerin auf mögliche (länger zurückliegende) Beitragslücken zu überprüfen und die Klägerin dann auf die Möglichkeiten, diese Lücken zu schließen, hinzuweisen. Das im Jahre 1991 durchgeführte Kontenklärungsverfahren hat, obwohl (auch) die durchgeführte Heiratserstattung Gegenstand dieses Verfahrens gewesen ist, ebenfalls keine Beratungspflicht der Beklagten über die Möglichkeit einer Nachzahlung freiwilliger Beiträge ausgelöst. Die maßgebliche Bestimmung des § 282 Abs. 1 SGB VI ist nämlich – insoweit unterschiedet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von demjenigen, der dem Urteil des BSG vom 27. September 1983 (12 RK 44/82; SozR 1200 § 14 Nr. 15) zugrunde lag – erst am 1. Januar 1992, als nach Abschluss des durchgeführten Kontenklärungsverfahrens in Kraft getreten. Die Beklagte zu verpflichten, auch über (möglicherweise) erst in der Zukunft in Kraft tretende gesetzliche Gestaltungsmöglichkeiten zu informieren, würde den Rahmen der ihr durch das Gesetz auferlegten Beratungspflichten überspannen, selbst wenn, wie im vorliegenden Fall, das Gesetzgebungsverfahren bereits abgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.
Rechtskraft
Aus
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