Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 716/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 18/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Werden apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel für Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen verordnet, so sind diese Entwicklungsstörungen zu dokumentieren. Mit Entwicklungsstörungen sind die im ICD-10 genannten psychischen und Verhaltensstörungen gemeint. Es reicht nicht aus, dass allgemein die gesundheitliche Entwicklung des Jugendlichen gestört ist und dies sich lediglich körperlich auswirkt.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung eines Arzneikostenregresses für die Quartale III und IV/07 aufgrund der Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Höhe von 561,39 EUR netto.
Der Kläger ist als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Er ist berechtigt, die Zusatzbezeichnungen Allergologie, Umweltmedizin und Kinder-Pneumologie zu führen.
Die Beigeladene beantragte unter Datum vom 23.09.2008 die Prüfung der Arzneiverordnungsweise in den streitbefangenen Quartalen in verschiedenen Einzelfällen, da die Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen gewesen sei.
Der Kläger führte mit Datum vom 13.11.2008 aus, er betreibe eine Praxis für chronisch kranke Patienten bzw. Kinder aus den entsprechenden Familien. Die Patienten zählten allesamt zu einer Gruppe, deren gesundheitliche Entwicklung im besonderen Maße gefährdet sei. Eine Verordnung von Angocin biete sich dann an, wenn eine entsprechende gesundheitliche Beeinträchtigung vorliege, aber ein Rachenabstrich mit Austestung auf Antibiotika noch nicht sinnvoll erscheine. Die regelhafte und wenig differenzierte Verordnung eines Antibiotikums sei untunlich und unwirtschaftlich. Über die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Cromonen im Kindes- und Jugendalter bei Atopikern gebe es unendlich viel Literatur. Es handele sich hier um eine Wirkstoffklasse, die als einzige in der Lage sei, eine Typ 1 Reaktion (neben anderen Schutzwirkungen) zu verhindern. Alle anderen Medikamente (Kortison, Leukotrieneantagonisten usw.) griffen erst später ein. Da obendrein so gut wie keine Nebenwirkungen vorhanden seien, sei Cromone nahe zu ideal für Kleinkinder, Schwangere und chronisch Kranke. Prospan sei ein pflanzliches Antitussivum auf Efeubasis, das durchaus geeignet sei, um auch jenseits des zwölften Lebensjahres einem Jugendlichen mit Asthmaneigung und quälendem Reizhusten im Rahmen einer pulmonalen Infektion eine ruhige Nacht und damit auch einen sinnvollen Schulbesuch zu gewährleisten. Bei Duofilm handele es sich um ein seit vielen Jahren bewährtes, preiswertes Anti-Warzenmittel, das nur den Fehler habe, die familiäre Mitarbeit zu fordern. Warzen seien kein Schönheitsproblem, sondern bei Ekzematikern durchaus problematisch. Es könne die Überweisung zum Dermatologen erspart werden. Die Verorderungsweise der angeführten Medikamente sei nicht nur sinnvoll, preiswert und gut gewesen, sondern ausgesprochen kassenwirtschaftlich sowie durch das SGB gedeckt.
Die Beklagte gab dem Antrag der Beigeladenen statt und setze mit Bescheid vom 28.09.2009 für die streitbefangenen Quartale eine Schadenersatzpflicht in Höhe von 561,39 EUR (netto) fest. Die beanstandeten Präparate Angocin Anti-Infect N, Cromo Nasenspray, Prospan Hustensaft, Duofilm, Cromolind, Cromoglicin, Intal N, DNCG Stada seien als nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Sie fielen auch nicht unter die Ausnahmeregelungen des § 34 SGB V, da sie nicht als Therapiestandard bei schwerwiegenden Erkrankungen gelten. Ein Ausnahmetatbestand für die Verschreibung dieser Medikamente sei nicht ersichtlich. § 34 SGB V beschreibe eindeutig die Altersgrenze mit dem vollendeten 12. Lebensjahr. Auch wenn asthmakranke Kinder und Jugendliche in ihrer gesundheitlichen Entwicklung besonders gefährdet sein könnten, fielen sie nicht unter die Definition "Entwicklungsstörungen" der Arzneimittelrichtlinien. Entwicklungsstörungen seien laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung dahin gehend zu definieren, dass es sich um Jugendliche handeln müsse, die körperlich, geistig und seelisch erheblich von der Altersnorm abwichen. Darüber hinaus seien Patienten mit akuter Tonsilitis, nicht näher bezeichneten Infektionskrankheiten, akuter Pharyngitis, Otitis media oder chronischer Rhinitis behandelt worden. Hier würden die gesetzlichen Verordnungsausschlüsse gelten. Insofern schließe sich der Beklagten vollinhaltlich der Auffassung des Antragsstellers an und stelle den geforderten Schadenersatzpflichtbetrag fest.
Hiergegen hat der Kläger am 14.10.2009 die Klage erhoben. Er trägt vor, seine Patienten seien zwar alle älter als 12 Jahre gewesen, es habe sich bei ihm jedoch durchweg um versicherte Jugendliche mit Entwicklungsstörungen gehandelt. Die von der Beklagten vorgenommene Definition treffe nicht zu. Es komme nur darauf an, ob diese Störung sich entweder körperlich oder geistig oder seelisch auswirke und der Jugendliche dadurch erheblich von der Altersnorm abweiche. Die Entwicklungsstörung müsse nicht alle drei Bereiche gleichzeitig erfassen. Beim Jugendlichen, dessen gesundheitliche Entwicklung erheblich gestört sei und diese sich lediglich körperlich auswirke, widerspreche es dem Ziel der Norm, für diesen entwicklungsgestörten Jugendlichen eine Behandlung mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zuzulassen, wenn man über die körperliche Gesundheitsstörung hinaus auch noch eine geistige und seelische Störung verlangen würde. Die inhaltliche Interpretation des Krankheitsbegriffes falle nicht in die Entscheidungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses. Wann eine Entwicklungsstörung vorliege, sei daher nach den allgemeinen anerkannten medizinischen Erkenntnissen zu beurteilen. Bei allen 25 Patienten, deren Behandlungen beanstandet worden seien, hätten danach Entwicklungsstörungen vorgelegen. Der Kläger gab im Einzelnen die Krankheitsbilder der Patienten an.
Der Kläger beantragt,
den Prüfbescheid der Beklagten vom 28.09.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, unter Entwicklungsstörungen verstehe man emotionale und motorische Störungen, hyperkinetisches oder aggressives Sozialverhalten, Intelligenz, Sprachentwicklungsstörungen, Lese-/Rechtschreibe- und Rechenstörungen, sowie Hör- und Sehstörungen, aber auch genetisch bedingte Entwicklungsstörungen. Der Kläger umschreibe mit seinen aufgeführten Diagnosen in der Hauptsache chronisch-internistische Grunderkrankungen, die je nach Schweregrad durchaus auch zu Entwicklungsverzögerungen führen könnten, aber keinesfalls Entwicklungsstörungen darstellten. Es handele sich um Störungen im Bereich der Koordination, der Visuomotorik, der kognitiven Wahrnehmungsfähigkeit, unter Berücksichtigung entwicklungs-neurologischer, psychologischer und sozialer Aspekte, wie sie auch die Gebührenordnungsposition 04352 EBM 2005 zutreffend beschreibe. Diese Definition sei keineswegs im Zusammenhang mit der Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu sehen. Diese habe lediglich den allgemein-medizinisch verständlichen Begriff der Entwicklungsstörungen aufgenommen und damit eine klare Trennung zu den chronischen (internistischen und degenerativen) Erkrankungen gezogen.
Die Beigeladene hat sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 27.05.2010 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 28.09.2009 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben.
Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, gesetzliche Krankenversicherung, in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 26.03.2007, BGBl. I, S. 378 nicht erbringen. Dies gilt auch für andere vertragsärztliche Leistungserbringer wie die hier aufgrund einer Ermächtigung tätige Klägerin.
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nach geltender Rechtslage berechtigt, Arzneikostenregresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise festzusetzen. Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Verordnungsregressen ist § 106 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 SGB V. Danach können die Landesverbände der Krankenkasse und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt werden können. Von dieser Kompetenz haben die Partner der Gesamtverträge in Hessen Gebrauch gemacht. Nach der hier noch maßgeblichen Prüfvereinbarung (im Folgenden: PV) vom 19.08.2004, mit Wirkung ab 01.01.2004 in Kraft getreten - diese Prüfvereinbarung ist erst durch die Prüfvereinbarung vom 12.06.2008 mit Wirkung zum 01.01.2008 abgelöst worden -, prüft der Prüfungsausschuss auf Antrag, ob der Arzt im Einzelfall mit seinen Arzneiverordnungen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat. Anträge müssen innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals der KVH bzw. der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses vorliegen. Prüfgegenstand ist die arzneimittel- und verordnungsbezogene Überprüfung der Verordnungsweise nach den Arzneimittel-Richtlinien. Der Prüfungsausschuss entscheidet auch über nicht verordnungsfähige bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen verordnungsfähige Arzneimittel. Soweit der Prüfungsausschuss im Einzelfall eine Unwirtschaftlichkeit festgestellt hat, setzt er den vom Arzt zu erstattenden Regressbetrag fest (vgl. § 14 PV). Weitgehend wortgleiche Regelungen enthält § 13 der mit Wirkung ab 01.01.2008 in Kraft getretenen Prüfvereinbarung vom 12.06.2004.
Die erfolgte Zuweisung der Sanktionierung unzulässiger bzw. rechtswidriger Verordnungen an die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben in § 106 SGB V, mit den Bestimmungen der §§ 48 ff. BMV-Ä in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung (n. F.) sowie mit der langjährigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. hierzu eingehend BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 SGB V Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 11 ff., s. a. LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2005 - L 12 KA 107/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Unter Beachtung der PV ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Die strittigen Verordnungen waren gesetzlich ausgeschlossen.
Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:
1. versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, 2. versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen. (§ 34 Abs. 1 Satz 1 bis 5 SGB V).
Nach der Arzneimittelrichtlinie i.d.F. der letzten Änderung v. 18.01.2007 bzw. 21.06.2007 (im Folgendem: AMR) waren die strittigen Arzneimittel nach Teil F als apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen. Diese Regelungen galten jedoch nicht für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (Nr. 16.11 AMR). Auf letztere Vorschrift beruft sich der Kläger zu Unrecht.
Der Kläger hat die von ihm geltend gemachten Entwicklungsstörungen seiner Patienten nicht hinreichend dokumentiert.
Der Beklagte konnte bei einer fehlenden Dokumentation auf die Unwirtschaftlichkeit schließen. Fehlt es bereits an der Dokumentation, so fehlt es damit bereits an einer Begründung, weshalb Kosten angefallen sind (so bereits SG Marburg, Urt. v. 05.12.2007 - S 12 KA 114/07 – juris Rdnr. 40; Urt. v. 25.11.2009 - S 12 KA 73/09 – juris Rdnr. 48, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 2/10 -). Dies gilt auch für die Verordnung von Arzneimitteln, wenn wie hier Ausnahmeregelungen in Anspruch genommen werden.
Grundsätzlich ist für die Erbringung einer ärztlichen Leistung der Vertragsarzt als Leistungserbringer nachweispflichtig. Im vertragsärztlichen Leistungssystem reicht hierfür im Regelfall der Nachweis durch die Angaben des Vertragsarztes auf dem Behandlungsausweis aus. Bestehen allerdings Zweifel an der ordnungsgemäßen und/oder vollständigen Erbringung der Leistung oder der Berechtigung zur Verordnung von Arzneimitteln, so ist der Vertragsarzt wiederum nachweispflichtig. Ein Mittel für den Nachweis der Leistungserbringung sind seine Aufzeichnungen in der Karteikarte, die auch elektronisch geführt werden kann, oder die angefertigten technischen Aufzeichnungen wie z. B. Röntgenbilder. Der Arzt ist bereits nach berufsrechtlichen Regelungen grundsätzlich zur Dokumentation verpflichtet.
Aus den in der Verwaltungsakte befindlichen Behandlungsausweisen wird auch für die fachkundig mit einem Arzt besetzte Kammer nicht erkennbar, dass die vom Kläger behandelten Patienten an Entwicklungsstörungen gelitten haben sollen. Auszugehen ist hierbei für die Auslegung dieses Gesetzesbegriffs vom ICD-10. Zur Klassifizierung der psychischen und Verhaltensstörungen nennt der ICD-10 unter den Gruppen F80 bis F89 Entwicklungsstörungen. Dazu führt er an, die in diesem Abschnitt zusammengefassten Störungen hätten folgende Gemeinsamkeiten: Beginn ausnahmslos im Kleinkindalter oder in der Kindheit; eine Entwicklungseinschränkung oder –verzögerung von Funktionen, die eng mit der biologischen Reifung des Zentralnervensystems verknüpft sind; stetiger Verlauf ohne Remissionen und Rezidive. In den meisten Fällen seien u. a. die Sprache, die visuell räumlichen Fähigkeiten und die Bewegungskoordination betroffen. In der Regel bestehe die Verzögerung oder Schwäche vom frühestmöglichen Erkennungszeitpunkt an. Mit dem Älterwerden der Kinder verminderten sich die Steuerungen zunehmend, wenn auch geringere Defizite oft im Erwachsenenalter zurückblieben. Es werden folgende Hauptgruppen umschrieben, unter F80 umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache, unter F82 umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen, unter F83 kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen, unter F84 tiefgreifende Entwicklungsstörungen, unter F88 andere Entwicklungsstörungen und unter F89 nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung. Demgegenüber hat der Kläger als Diagnose verschiedene organische Leiden, auch Akuterkrankungen angegeben, allenfalls allgemeine Diagnosen wie "sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen". Der Kläger hat nicht annähernd dokumentiert, dass es sich um Entwicklungsstörungen im genannten Klassifizierungssystem handelt. Entgegen der Auffassung des Klägers reicht es nicht aus, dass allgemein die gesundheitliche Entwicklung des Jugendlichen gestört ist und dies sich lediglich körperlich auswirkt. Mit Entwicklungsstörungen sind die genannten psychischen und Verhaltensstörungen gemeint. Aber selbst wenn man dem Vortrag des Klägers folgen wollte, wird nicht ersichtlich, worin die Entwicklungsstörungen bestanden haben sollten. Nicht jede auch chronische Erkrankung oder überhaupt eine Erkrankung als Entwicklungsproblem führt zu einer Entwicklungsstörung im genannten Sinne.
Nach allem war der angefochtene Bescheid nicht aufzuheben und die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Berufung lagen nicht vor (§ 144 SGG).
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung eines Arzneikostenregresses für die Quartale III und IV/07 aufgrund der Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Höhe von 561,39 EUR netto.
Der Kläger ist als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Er ist berechtigt, die Zusatzbezeichnungen Allergologie, Umweltmedizin und Kinder-Pneumologie zu führen.
Die Beigeladene beantragte unter Datum vom 23.09.2008 die Prüfung der Arzneiverordnungsweise in den streitbefangenen Quartalen in verschiedenen Einzelfällen, da die Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen gewesen sei.
Der Kläger führte mit Datum vom 13.11.2008 aus, er betreibe eine Praxis für chronisch kranke Patienten bzw. Kinder aus den entsprechenden Familien. Die Patienten zählten allesamt zu einer Gruppe, deren gesundheitliche Entwicklung im besonderen Maße gefährdet sei. Eine Verordnung von Angocin biete sich dann an, wenn eine entsprechende gesundheitliche Beeinträchtigung vorliege, aber ein Rachenabstrich mit Austestung auf Antibiotika noch nicht sinnvoll erscheine. Die regelhafte und wenig differenzierte Verordnung eines Antibiotikums sei untunlich und unwirtschaftlich. Über die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Cromonen im Kindes- und Jugendalter bei Atopikern gebe es unendlich viel Literatur. Es handele sich hier um eine Wirkstoffklasse, die als einzige in der Lage sei, eine Typ 1 Reaktion (neben anderen Schutzwirkungen) zu verhindern. Alle anderen Medikamente (Kortison, Leukotrieneantagonisten usw.) griffen erst später ein. Da obendrein so gut wie keine Nebenwirkungen vorhanden seien, sei Cromone nahe zu ideal für Kleinkinder, Schwangere und chronisch Kranke. Prospan sei ein pflanzliches Antitussivum auf Efeubasis, das durchaus geeignet sei, um auch jenseits des zwölften Lebensjahres einem Jugendlichen mit Asthmaneigung und quälendem Reizhusten im Rahmen einer pulmonalen Infektion eine ruhige Nacht und damit auch einen sinnvollen Schulbesuch zu gewährleisten. Bei Duofilm handele es sich um ein seit vielen Jahren bewährtes, preiswertes Anti-Warzenmittel, das nur den Fehler habe, die familiäre Mitarbeit zu fordern. Warzen seien kein Schönheitsproblem, sondern bei Ekzematikern durchaus problematisch. Es könne die Überweisung zum Dermatologen erspart werden. Die Verorderungsweise der angeführten Medikamente sei nicht nur sinnvoll, preiswert und gut gewesen, sondern ausgesprochen kassenwirtschaftlich sowie durch das SGB gedeckt.
Die Beklagte gab dem Antrag der Beigeladenen statt und setze mit Bescheid vom 28.09.2009 für die streitbefangenen Quartale eine Schadenersatzpflicht in Höhe von 561,39 EUR (netto) fest. Die beanstandeten Präparate Angocin Anti-Infect N, Cromo Nasenspray, Prospan Hustensaft, Duofilm, Cromolind, Cromoglicin, Intal N, DNCG Stada seien als nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Sie fielen auch nicht unter die Ausnahmeregelungen des § 34 SGB V, da sie nicht als Therapiestandard bei schwerwiegenden Erkrankungen gelten. Ein Ausnahmetatbestand für die Verschreibung dieser Medikamente sei nicht ersichtlich. § 34 SGB V beschreibe eindeutig die Altersgrenze mit dem vollendeten 12. Lebensjahr. Auch wenn asthmakranke Kinder und Jugendliche in ihrer gesundheitlichen Entwicklung besonders gefährdet sein könnten, fielen sie nicht unter die Definition "Entwicklungsstörungen" der Arzneimittelrichtlinien. Entwicklungsstörungen seien laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung dahin gehend zu definieren, dass es sich um Jugendliche handeln müsse, die körperlich, geistig und seelisch erheblich von der Altersnorm abwichen. Darüber hinaus seien Patienten mit akuter Tonsilitis, nicht näher bezeichneten Infektionskrankheiten, akuter Pharyngitis, Otitis media oder chronischer Rhinitis behandelt worden. Hier würden die gesetzlichen Verordnungsausschlüsse gelten. Insofern schließe sich der Beklagten vollinhaltlich der Auffassung des Antragsstellers an und stelle den geforderten Schadenersatzpflichtbetrag fest.
Hiergegen hat der Kläger am 14.10.2009 die Klage erhoben. Er trägt vor, seine Patienten seien zwar alle älter als 12 Jahre gewesen, es habe sich bei ihm jedoch durchweg um versicherte Jugendliche mit Entwicklungsstörungen gehandelt. Die von der Beklagten vorgenommene Definition treffe nicht zu. Es komme nur darauf an, ob diese Störung sich entweder körperlich oder geistig oder seelisch auswirke und der Jugendliche dadurch erheblich von der Altersnorm abweiche. Die Entwicklungsstörung müsse nicht alle drei Bereiche gleichzeitig erfassen. Beim Jugendlichen, dessen gesundheitliche Entwicklung erheblich gestört sei und diese sich lediglich körperlich auswirke, widerspreche es dem Ziel der Norm, für diesen entwicklungsgestörten Jugendlichen eine Behandlung mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zuzulassen, wenn man über die körperliche Gesundheitsstörung hinaus auch noch eine geistige und seelische Störung verlangen würde. Die inhaltliche Interpretation des Krankheitsbegriffes falle nicht in die Entscheidungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses. Wann eine Entwicklungsstörung vorliege, sei daher nach den allgemeinen anerkannten medizinischen Erkenntnissen zu beurteilen. Bei allen 25 Patienten, deren Behandlungen beanstandet worden seien, hätten danach Entwicklungsstörungen vorgelegen. Der Kläger gab im Einzelnen die Krankheitsbilder der Patienten an.
Der Kläger beantragt,
den Prüfbescheid der Beklagten vom 28.09.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, unter Entwicklungsstörungen verstehe man emotionale und motorische Störungen, hyperkinetisches oder aggressives Sozialverhalten, Intelligenz, Sprachentwicklungsstörungen, Lese-/Rechtschreibe- und Rechenstörungen, sowie Hör- und Sehstörungen, aber auch genetisch bedingte Entwicklungsstörungen. Der Kläger umschreibe mit seinen aufgeführten Diagnosen in der Hauptsache chronisch-internistische Grunderkrankungen, die je nach Schweregrad durchaus auch zu Entwicklungsverzögerungen führen könnten, aber keinesfalls Entwicklungsstörungen darstellten. Es handele sich um Störungen im Bereich der Koordination, der Visuomotorik, der kognitiven Wahrnehmungsfähigkeit, unter Berücksichtigung entwicklungs-neurologischer, psychologischer und sozialer Aspekte, wie sie auch die Gebührenordnungsposition 04352 EBM 2005 zutreffend beschreibe. Diese Definition sei keineswegs im Zusammenhang mit der Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu sehen. Diese habe lediglich den allgemein-medizinisch verständlichen Begriff der Entwicklungsstörungen aufgenommen und damit eine klare Trennung zu den chronischen (internistischen und degenerativen) Erkrankungen gezogen.
Die Beigeladene hat sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 27.05.2010 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 28.09.2009 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben.
Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, gesetzliche Krankenversicherung, in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 26.03.2007, BGBl. I, S. 378 nicht erbringen. Dies gilt auch für andere vertragsärztliche Leistungserbringer wie die hier aufgrund einer Ermächtigung tätige Klägerin.
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nach geltender Rechtslage berechtigt, Arzneikostenregresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise festzusetzen. Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Verordnungsregressen ist § 106 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 SGB V. Danach können die Landesverbände der Krankenkasse und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt werden können. Von dieser Kompetenz haben die Partner der Gesamtverträge in Hessen Gebrauch gemacht. Nach der hier noch maßgeblichen Prüfvereinbarung (im Folgenden: PV) vom 19.08.2004, mit Wirkung ab 01.01.2004 in Kraft getreten - diese Prüfvereinbarung ist erst durch die Prüfvereinbarung vom 12.06.2008 mit Wirkung zum 01.01.2008 abgelöst worden -, prüft der Prüfungsausschuss auf Antrag, ob der Arzt im Einzelfall mit seinen Arzneiverordnungen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat. Anträge müssen innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals der KVH bzw. der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses vorliegen. Prüfgegenstand ist die arzneimittel- und verordnungsbezogene Überprüfung der Verordnungsweise nach den Arzneimittel-Richtlinien. Der Prüfungsausschuss entscheidet auch über nicht verordnungsfähige bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen verordnungsfähige Arzneimittel. Soweit der Prüfungsausschuss im Einzelfall eine Unwirtschaftlichkeit festgestellt hat, setzt er den vom Arzt zu erstattenden Regressbetrag fest (vgl. § 14 PV). Weitgehend wortgleiche Regelungen enthält § 13 der mit Wirkung ab 01.01.2008 in Kraft getretenen Prüfvereinbarung vom 12.06.2004.
Die erfolgte Zuweisung der Sanktionierung unzulässiger bzw. rechtswidriger Verordnungen an die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben in § 106 SGB V, mit den Bestimmungen der §§ 48 ff. BMV-Ä in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung (n. F.) sowie mit der langjährigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. hierzu eingehend BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 SGB V Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 11 ff., s. a. LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2005 - L 12 KA 107/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Unter Beachtung der PV ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Die strittigen Verordnungen waren gesetzlich ausgeschlossen.
Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:
1. versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, 2. versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen. (§ 34 Abs. 1 Satz 1 bis 5 SGB V).
Nach der Arzneimittelrichtlinie i.d.F. der letzten Änderung v. 18.01.2007 bzw. 21.06.2007 (im Folgendem: AMR) waren die strittigen Arzneimittel nach Teil F als apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen. Diese Regelungen galten jedoch nicht für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (Nr. 16.11 AMR). Auf letztere Vorschrift beruft sich der Kläger zu Unrecht.
Der Kläger hat die von ihm geltend gemachten Entwicklungsstörungen seiner Patienten nicht hinreichend dokumentiert.
Der Beklagte konnte bei einer fehlenden Dokumentation auf die Unwirtschaftlichkeit schließen. Fehlt es bereits an der Dokumentation, so fehlt es damit bereits an einer Begründung, weshalb Kosten angefallen sind (so bereits SG Marburg, Urt. v. 05.12.2007 - S 12 KA 114/07 – juris Rdnr. 40; Urt. v. 25.11.2009 - S 12 KA 73/09 – juris Rdnr. 48, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 2/10 -). Dies gilt auch für die Verordnung von Arzneimitteln, wenn wie hier Ausnahmeregelungen in Anspruch genommen werden.
Grundsätzlich ist für die Erbringung einer ärztlichen Leistung der Vertragsarzt als Leistungserbringer nachweispflichtig. Im vertragsärztlichen Leistungssystem reicht hierfür im Regelfall der Nachweis durch die Angaben des Vertragsarztes auf dem Behandlungsausweis aus. Bestehen allerdings Zweifel an der ordnungsgemäßen und/oder vollständigen Erbringung der Leistung oder der Berechtigung zur Verordnung von Arzneimitteln, so ist der Vertragsarzt wiederum nachweispflichtig. Ein Mittel für den Nachweis der Leistungserbringung sind seine Aufzeichnungen in der Karteikarte, die auch elektronisch geführt werden kann, oder die angefertigten technischen Aufzeichnungen wie z. B. Röntgenbilder. Der Arzt ist bereits nach berufsrechtlichen Regelungen grundsätzlich zur Dokumentation verpflichtet.
Aus den in der Verwaltungsakte befindlichen Behandlungsausweisen wird auch für die fachkundig mit einem Arzt besetzte Kammer nicht erkennbar, dass die vom Kläger behandelten Patienten an Entwicklungsstörungen gelitten haben sollen. Auszugehen ist hierbei für die Auslegung dieses Gesetzesbegriffs vom ICD-10. Zur Klassifizierung der psychischen und Verhaltensstörungen nennt der ICD-10 unter den Gruppen F80 bis F89 Entwicklungsstörungen. Dazu führt er an, die in diesem Abschnitt zusammengefassten Störungen hätten folgende Gemeinsamkeiten: Beginn ausnahmslos im Kleinkindalter oder in der Kindheit; eine Entwicklungseinschränkung oder –verzögerung von Funktionen, die eng mit der biologischen Reifung des Zentralnervensystems verknüpft sind; stetiger Verlauf ohne Remissionen und Rezidive. In den meisten Fällen seien u. a. die Sprache, die visuell räumlichen Fähigkeiten und die Bewegungskoordination betroffen. In der Regel bestehe die Verzögerung oder Schwäche vom frühestmöglichen Erkennungszeitpunkt an. Mit dem Älterwerden der Kinder verminderten sich die Steuerungen zunehmend, wenn auch geringere Defizite oft im Erwachsenenalter zurückblieben. Es werden folgende Hauptgruppen umschrieben, unter F80 umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache, unter F82 umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen, unter F83 kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen, unter F84 tiefgreifende Entwicklungsstörungen, unter F88 andere Entwicklungsstörungen und unter F89 nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung. Demgegenüber hat der Kläger als Diagnose verschiedene organische Leiden, auch Akuterkrankungen angegeben, allenfalls allgemeine Diagnosen wie "sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen". Der Kläger hat nicht annähernd dokumentiert, dass es sich um Entwicklungsstörungen im genannten Klassifizierungssystem handelt. Entgegen der Auffassung des Klägers reicht es nicht aus, dass allgemein die gesundheitliche Entwicklung des Jugendlichen gestört ist und dies sich lediglich körperlich auswirkt. Mit Entwicklungsstörungen sind die genannten psychischen und Verhaltensstörungen gemeint. Aber selbst wenn man dem Vortrag des Klägers folgen wollte, wird nicht ersichtlich, worin die Entwicklungsstörungen bestanden haben sollten. Nicht jede auch chronische Erkrankung oder überhaupt eine Erkrankung als Entwicklungsproblem führt zu einer Entwicklungsstörung im genannten Sinne.
Nach allem war der angefochtene Bescheid nicht aufzuheben und die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Berufung lagen nicht vor (§ 144 SGG).
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