Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 P 03341/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2728/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kürzung des Pflegegeldes entsprechend der Pflegestufe I gemäß § 37 Abs. 3 Satz 7 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) für die Monate August 1999 bis 26. Januar 2000 um 25 vom Hundert (v.H.) sowie die Verpflichtung der Klägerin zur Bestellung und Durchführung eines Pflegeeinsatzes gemäß § 37 Abs. 3 SGB XI streitig.
Die am 1957 geborene Klägerin ist geistig behindert (Morbus Down). Sie ist bei der Beklagten pflegeversichert. Aufgrund Beschlusses des Notariates E. als Vormundschaftsgericht vom 30. Juli 1996 ist der Vater der Klägerin L. H. (geboren 1918) zum Betreuer bestellt. Er vertritt die Klägerin im Rahmen seines Aufgabenkreises gerichtlich und außergerichtlich. Die Klägerin ist in der Werkstatt der Lebenshilfe in M. tätig, die zu Fuß von der Wohnung ihrer Eltern 500 m entfernt ist. Sie wird im häuslichen Bereich von ihrer Mutter und dem Vater betreut und erhält aufgrund Bescheides der Beklagten (Geschäftsstelle E.) vom 22. März 1995 Pflegegeld der Pflegestufe I ab 01. April 1995. In dem Bescheid ist darauf hingewiesen, dass das Pflegeversicherungsgesetz (PflegeVG) zur Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege bei Bezug von Geldleistungen vorsieht, dass in der Pflegestufe I auf eigene Kosten mindestens einmal jährlich ein Pflegeeinsatz durch eine Vertragspflegeeinrichtung in Anspruch zu nehmen ist. Im Bescheid ist weiter darauf hingewiesen, dass die Vertragspflegeeinrichtung frei wählbar ist. Als Nachweis für die Durchführung des Pflegeeinsatzes diene die Rechnung über den professionellen Pflegeeinsatz oder eine Bestätigung der professionellen Pflegekraft. Die Klägerin verzog mit ihren Eltern zwischenzeitlich nach M., um in der Nähe einer Verwandten zu wohnen, die die Betreuung und Pflege der Klägerin bei altersbedingtem Ausfall ihrer Eltern zu übernehmen bereit ist. Bis zum Inkrafttreten des Vierten SGB XI-Änderungsgesetzes zum 01. August 1999 war dieser Pflegeeinsatz von der Klägerin zu bezahlen. Die Kosten werden ab dem zweiten Halbjahr 1999 entsprechend der gesetzlichen Änderung durch die Pflegekassen übernommen. Die Klägerin hat im Laufe des Bezuges von Pflegegeld einmal einen Pflegeeinsatz bestellt und bezahlt. Mit Schreiben vom 22. September 1998 wies die nunmehr zuständig gewordene Geschäftsstelle M. der Beklagten auf die Notwendigkeit eines halbjährlichen Pflegeeinsatzes (Beratungsbesuch) hin und erläuterte die Gründe hierfür. Hierauf erwiderte der Vater der Klägerin, dass es sich bei dem Pflegeeinsatz um eine sinnlose Geldausgabe handle. Die Klägerin werde schon seit mehr als 40 Jahren von ihrer Mutter richtig gepflegt. Die früher zuständig gewesene Geschäftsstelle U. habe deshalb aus gutem Grund auf Pflegeeinsätze verzichtet. Der Vater der Klägerin wandte sich weiter an den Vorstand der Beklagten, der durch die Hauptverwaltungsabteilung Qualitätsmanagement die Notwendigkeit der Pflegeeinsätze und die Gesetzeslage erläutern ließ und weiter wegen der vom Vater der Klägerin geforderten Freistellung von dem Pflegeeinsatz auf eine gegenteilige Stellungnahme der Bundesregierung verwies. Auf mögliche Nachteile bei Nichtabrufung des Pflegeeinsatzes wurde die Klägerin gleichzeitig hingewiesen. Nach weiterem Schriftverkehr bestellte die Klägerin einen Pflegeeinsatz bei der Diakoniestation M. zum 10. Oktober 1998. Die umfassende Sicherstellung der Pflege durch die Eltern der Klägerin, M. und L. H., wurde daraufhin am 12. Oktober 1998 bestätigt. Wegen des im ersten Halbjahr 1999 anstehenden nächsten Pflegeeinsatzes wandte sich die Beklagte an die Klägerin und erläuterte die Gründe für den § 37 Abs. 3 SGB XI, wogegen der Vater der Klägerin einwandte, dass ein Beratungsbesuch in seiner Wohnung wegen Art. 11 Grundgesetz (GG) verweigert werde. Im Übrigen erhalte die Klägerin in der Werkstatt für Behinderte nach Abzug eines Essensgeldes einen monatlichen Lohn von DM 77,50, so dass für den völlig sinnlosen Besuch nicht noch DM 30,00 bezahlt werden könnten. Wegen der möglichen Kürzung des Pflegegeldes drohte er Klage durch alle Instanzen an. Die Beklagte erläuterte nochmals mit Schreiben vom 01. Juli 1999 die Rechtslage und teilte die Absicht mit, das laufende Pflegegeld ab dem 01. des nächsten Monats um 25 v.H., also um DM 100,00 zu kürzen, worauf der Vater der Klägerin auf die Möglichkeit eines Beratungsgesprächs am Arbeitsplatz der Klägerin verwies. Ein Besuch in der Wohnung erfordere einen richterlichen Beschluss. Hierauf kürzte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 1999 das laufende Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 01. August 1999 um 25 v.H. auf DM 300,00 und verwies darauf, dass die Kürzung nicht von der Verpflichtung entbinde, künftig die in § 37 Abs. 3 SGB XI festgeschriebenen Beratungsbesuche in Anspruch zu nehmen. Hiergegen legte der Vater der Klägerin Widerspruch unter Hinweis auf seine bisherige Begründung ein, verwies auf die verschiedenen Besuche des MDK, zuletzt auf den Pflegeeinsatz der Diakoniestation und wandte sich gegen die "diskriminierende Schnüffelei", die DM 30,00 koste. Er und seine Tochter bedürften nicht der laufenden Kontrolle wie Asoziale. Der bei der Widerspruchsstelle der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss I wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06. August 1999 unter Hinweis auf die schon zuvor erläuterte Gesetzeslage zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage im Wesentlichen unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens sowie der Erläuterung ihres Vaters über seinen bisherigen Einsatz für die Klägerin und für die Behinderten allgemein sowie seine Erfahrungen im Dritten Reich. Sie legte die Kopie einer Klage gegen das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe vom 14. Oktober 1998, die Antwort des Präsidialrates des BVerfG vom 28. Oktober 1998, sie selbst zeigende Fotografien sowie einen Beitrag zur Unterrichtung im "Rechtsdienst der Lebenshilfe" 4/97 über einen Gesetzentwurf zur Einschränkung des Pflegepflichteinsatzes gemäß § 37 Abs. 3 SGB XI in Kopie vor. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Hinweis auf die schon bisher im Widerspruchsbescheid und den Erläuterungen gegebenen Begründungen entgegen. Nachdem die Diakoniestation M. am 26. Januar 2000 einen Qualitätssicherungsbesuch nach § 37 Abs. 3 SGB XI durchgeführt hatte, der sich auf das zweite Halbjahr 1999 bezog, stellte die Beklagte die Kürzung des Pflegegeldes ein, erstattete den anteiligen Kürzungsbetrag für Januar 2000 und bezahlt seither ab 01. Februar 2000 das monatliche Pflegegeld in voller Höhe. Die Beklagte legte mit der Bestätigung der Diakoniestation M. vom 26. Januar 2000 eine Kopie des Urteils des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 1996 (L 16 P 7/96) vor. Das SG hat nach Hinweis gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2001, der dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 01. Juni 2001 zugestellt wurde, die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 06. August 1999 verwiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 29. Juni 2001 beim LSG eingegangenen Berufung unter weitgehender Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens sowie unter Hinweis auf eine anstehende Gesetzesänderung.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. August 1999 zu verurteilen, das Pflegegeld entsprechend Pflegestufe I in der Zeit von 01. August 1999 bis 26. Januar 2001 ungekürzt zu bezahlen und diese zu verpflichten, künftig von der Forderung von Pflichtpflegeeinsätzen abzusehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für richtig.
Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 29. August 2001 erörtert und die Materialien zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Qualitätssicherung und zur Stärkung des Verbraucherschutzes (Pflege-Qualitätssicherungsgesetz - PQsG), Bundestagsdrucksache 14/5547 vom 13. März 2001, 14/3506 vom 06. Juni 2000, Drucksache 14/4391 vom 24. Oktober 2000, Drucksache 14/6308 vom 19. Juni 2001 und Drucksache 14/5395 vom 23. Februar 2001 beigezogen.
Die Klägerin hat zu diesem Gesetzentwurf auszugsweise die Stellungnahme der Bundesvereinigung Lebenshilfe vorgelegt, deren Volltext der Berichterstatter beigezogen hat.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, DM 1.000,00 nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Senat geht von der Zulässigkeit der Berufung aus, da die Klägerin durch die Bestellung des Pflegeeinsatzes zum 26. Januar 2000 der Beklagten die Aufhebung der Kürzung des Pflegegeldes ab diesem Zeitpunkt ermöglicht hat, jedoch andererseits in diesem Verfahren sich weiterhin gegen die Zulässigkeit und Notwendigkeit des Pflegepflichteinsatzes auch aus verfassungsrechtlichen Gründen wendet. Somit kann der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht allein in dem Kürzungsbetrag vom 01. August 1999 bis 26. Januar 2000 von DM 583,35 gesehen werden. Die Klägerin wendet sich auch gegen künftig mögliche Kürzungen des Pflegegeldes bei Nichtinanspruchnahme des Pflegepflichteinsatzes, so dass die Mindestbeschwer von DM 1.000,00 jedenfalls erreicht ist, wovon auch das SG mit seiner Rechtsmittelbelehrung ausgegangen ist.
Die sonach zulässige Berufung ist aber nicht begründet, da der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. August 1999 die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Sie hat auch keinen Anspruch auf Freistellung vom Erfordernis der Inanspruchnahme eines Pflegepflichteinsatzes.
Gemäß § 37 Abs. 3 SGB XI sind Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Abs. 1 beziehen, verpflichtet, bei Pflegestufe I und II mindestens einmal halbjährlich (Nr. 1), bei Pflegestufe III mindestens einmal vierteljährlich (Nr. 2) einen Pflegeeinsatz durch eine Pflegeeinrichtung, mit der die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, abzurufen (Satz 1). Die Pflegeeinsätze dienen der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und Beratung der häuslich Pflegenden (Satz 2). Die Vergütung des Pflegeeinsatzes war bis 31. Juli 1999 von dem Pflegebedürftigen zu tragen. Satz 3 in der ab 01. August 1999 geltenden Fassung lautet: Die Vergütung des Pflegeeinsatzes ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen Versicherungsunternehmen zu tragen. Sie beträgt in den Pflegestufen I und II bis zu DM 30,00 und in der Pflegestufe III bis zu DM 50,00 (Satz 4). Die Pflegedienste haben mit Einverständnis des Pflegebedürftigen der zuständigen Pflegekasse die bei dem Pflegeeinsatz gewonnenen Erkenntnisse zur Qualität der Pflegesituation und zur Notwendigkeit einer Verbesserung mitzuteilen (Satz 5). Die Spitzenverbände der Pflegekassen stellen ihnen für diese Mitteilung ein einheitliches Formular zur Verfügung; der Pflegebedürftige erhält vom Pflegedienst eine Durchschrift der Mitteilung (Satz 6). Ruft der Pflegebedürftige den Pflegeeinsatz nicht ab oder wird das Einverständnis nach Satz 4 nicht erteilt, hat die Pflegekasse das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen (Satz 7).
Die Beklagte hat zu Recht das der Klägerin zustehende Pflegegeld von DM 400,00 in der Zeit vom 01. August 1999 bis 26. Januar 2000 um 25 v.H. gekürzt, da die Klägerin entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung im ersten Halbjahr 1999 keinen Pflegeeinsatz abgerufen hat. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 37 Abs. 3 SGB XI gehen fehl. Hinzuweisen ist darauf, dass der Gesetzgeber der Kritik hinsichtlich der Kostentragungspflicht des Versicherten für den Pflegeeinsatz durch die zum 01. August 1999 wirksam gewordene Gesetzesänderung Rechnung getragen hat. Ab 01. August 1999, d.h. für das zweite Halbjahr 1999, ist Kostenträger für den Pflegepflichteinsatz die jeweilige Pflegekasse. Die Empfänger von Pflegegeld bei häuslicher Pflege sind entsprechend finanziell entlastet worden. Durch die Notwendigkeit, einen Pflegepflichteinsatz alle halbe Jahre abzurufen, wird das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 11 GG) nicht verletzt. Die Regelung ist verfassungsgemäß. Die gesetzliche Verpflichtung zum Abruf des Einsatzes ist zwingend. Entgegen der Annahme der Klägerin sind Ausnahmen nicht vorgesehen, worauf das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 19. Dezember 1996 (L 16 P 7/96 - ErsK 1997, 110) zu Recht hingewiesen hat. Welches Gewicht der Gesetzgeber der Qualitätskontrolle bei der häuslichen Pflege beimisst, ergibt sich auch daraus, dass mit dem Gesetz vom 14. Juni 1996 mit Satz 7 des § 37 Abs. 3 SGB XI eine Sanktionsregelung (Pflegegeldkürzung) angefügt wurde. Somit ist klargestellt, welche Konsequenzen sich aus der Nichterfüllung der Verpflichtung zur Abrufung eines Pflegepflichteinsatzes ergeben. Entgegen anderslautender Hinweise der Klägerin im Laufe des Verfahrens hat die Beklagte schon in dem Bewilligungsbescheid vom 22. März 1995 auf die Notwendigkeit von Pflegepflichteinsätzen hingewiesen. Dass dies bei der für den damaligen Wohnort der Klägerin zuständigen Bezirksgeschäftsstelle Ellwangen (U.) nicht in dieser Konsequenz gefordert und verfolgt wurde, führt nicht dazu, dass die Beklagte weiterhin an diese gesetzeswidrige Handhabung gebunden wäre. Der Pflegepflichteinsatz stellt keine unzulässige "Schnüffelei" im Wohnbereich der pflegenden Angehörigen der Klägerin dar, da die Kontrolle einer qualitativ richtigen Pflege von der sozialen Situation der Pflegenden bzw. auch der Gepflegten unabhängig ist. Im Übrigen haben die Bürger der Bundesrepublik Deutschland in vielfacher Weise Einschränkungen des Art. 11 GG hinzunehmen, worauf der Vater der Klägerin in dem Erörterungstermin auch hingewiesen wurde. Gemeinsames Merkmal vieler Einschränkungen des Art. 11 GG ist, dass der Betroffene durch Verzicht auf eine Leistung den Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung verhindern kann.
Die Kürzung des Pflegegelds in der genannten Zeit war auch nicht unverhältnismäßig, nachdem die Pflegekassen eine Kürzung des Pflegegeldes um 50 v.H. für angemessen halten, wobei die Situation im Einzelfall zu berücksichtigen sei (Leitherer in KassKomm Rdnr. 50 zu § 37 SGB XI m.w.N.). Die Beklagte hat im Übrigen zu Recht zur Darstellung der Sinnhaftigkeit der Pflegepflichteinsätze auf den zweiten Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Pflegeversicherung vom 15. März 2001, Bundestagsdrucksache 14/5590 Seite 61 f., verwiesen. Dort wird ausgeführt: "Derzeit weist der Einsatz noch zu stark Kontrollcharakter auf, nicht zuletzt bedingt durch das vom beauftragten Pflegedienst an die zuständige Pflegekasse weiterzuleitende Formular, das als erste Rubrik aufführt "Pflege ist gesichert", als zweite Rubrik "Pflege ist nicht gesichert". Es liegt auf der Hand, dass von Seiten des Pflegedienstes, der letztlich auch Geschäftsinteressen hat, davor zurückgescheut wird, "nicht gesicherte Pflege" zu bescheinigen und dies auch noch von den Pflegebedürftigen bzw. seinen pflegenden Angehörigen unterschreiben zu lassen. Derartige problematische Situationen können vermieden werden, wenn das Formular stärker den Charakter einer Einsatzdokumentation bekommen würde, in der positiv aufgezählt wird, welche Vorschläge im konkreten Fall zur Erleichterung oder Verbesserung der Pflege gemacht wurden. Einem kundigen Sachbearbeiter der zuständigen Pflegekasse werden diese Hinweise genügend Aufschluss darüber geben, ob und was im konkreten Einzelfall zur Verbesserung der häuslichen Pflegesituation zu veranlassen ist." In dem genannten Bericht (a.a.O. Seite 15) ist weiter ausgeführt: "Mit dieser Übertragung der Finanzierung der Pflege-Pflichteinsätze vom Pflegebedürftigen auf die Pflegekassen, die privaten Versicherungsunternehmen sowie die Beihilfefestsetzungsstellen ist eine höhere Akzeptanz dieser Pflegeeinsätze, die als Instrumente der Qualitätssicherung bei der häuslichen Pflege sowie zur Beratung und Hilfestellung der häuslich Pflegenden uneingeschränkt erhalten bleiben müssen, angestrebt und auch erreicht worden." Dies zeigt die Richtung, in der der Pflegepflichteinsatz entwickelt wird. Neben der Funktion einer Kontrolle der häuslichen Pflege gewinnt die Beratung größere Bedeutung. Dies hat die Klägerin bisher nicht hinreichend gesehen und anerkannt.
Im Übrigen hat der Senat keinen Anlass, an der Verfassungsmäßigkeit des § 37 Abs. 3 SGB XI zu zweifeln. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 1996, das im Verfahren beim SG vorgelegt wurde, Bezug, soweit in jenem Verfahren Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 2 GG (Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung) geltend gemacht wurden.
Die Berufung der Klägerin erwies sich somit als nicht begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kürzung des Pflegegeldes entsprechend der Pflegestufe I gemäß § 37 Abs. 3 Satz 7 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) für die Monate August 1999 bis 26. Januar 2000 um 25 vom Hundert (v.H.) sowie die Verpflichtung der Klägerin zur Bestellung und Durchführung eines Pflegeeinsatzes gemäß § 37 Abs. 3 SGB XI streitig.
Die am 1957 geborene Klägerin ist geistig behindert (Morbus Down). Sie ist bei der Beklagten pflegeversichert. Aufgrund Beschlusses des Notariates E. als Vormundschaftsgericht vom 30. Juli 1996 ist der Vater der Klägerin L. H. (geboren 1918) zum Betreuer bestellt. Er vertritt die Klägerin im Rahmen seines Aufgabenkreises gerichtlich und außergerichtlich. Die Klägerin ist in der Werkstatt der Lebenshilfe in M. tätig, die zu Fuß von der Wohnung ihrer Eltern 500 m entfernt ist. Sie wird im häuslichen Bereich von ihrer Mutter und dem Vater betreut und erhält aufgrund Bescheides der Beklagten (Geschäftsstelle E.) vom 22. März 1995 Pflegegeld der Pflegestufe I ab 01. April 1995. In dem Bescheid ist darauf hingewiesen, dass das Pflegeversicherungsgesetz (PflegeVG) zur Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege bei Bezug von Geldleistungen vorsieht, dass in der Pflegestufe I auf eigene Kosten mindestens einmal jährlich ein Pflegeeinsatz durch eine Vertragspflegeeinrichtung in Anspruch zu nehmen ist. Im Bescheid ist weiter darauf hingewiesen, dass die Vertragspflegeeinrichtung frei wählbar ist. Als Nachweis für die Durchführung des Pflegeeinsatzes diene die Rechnung über den professionellen Pflegeeinsatz oder eine Bestätigung der professionellen Pflegekraft. Die Klägerin verzog mit ihren Eltern zwischenzeitlich nach M., um in der Nähe einer Verwandten zu wohnen, die die Betreuung und Pflege der Klägerin bei altersbedingtem Ausfall ihrer Eltern zu übernehmen bereit ist. Bis zum Inkrafttreten des Vierten SGB XI-Änderungsgesetzes zum 01. August 1999 war dieser Pflegeeinsatz von der Klägerin zu bezahlen. Die Kosten werden ab dem zweiten Halbjahr 1999 entsprechend der gesetzlichen Änderung durch die Pflegekassen übernommen. Die Klägerin hat im Laufe des Bezuges von Pflegegeld einmal einen Pflegeeinsatz bestellt und bezahlt. Mit Schreiben vom 22. September 1998 wies die nunmehr zuständig gewordene Geschäftsstelle M. der Beklagten auf die Notwendigkeit eines halbjährlichen Pflegeeinsatzes (Beratungsbesuch) hin und erläuterte die Gründe hierfür. Hierauf erwiderte der Vater der Klägerin, dass es sich bei dem Pflegeeinsatz um eine sinnlose Geldausgabe handle. Die Klägerin werde schon seit mehr als 40 Jahren von ihrer Mutter richtig gepflegt. Die früher zuständig gewesene Geschäftsstelle U. habe deshalb aus gutem Grund auf Pflegeeinsätze verzichtet. Der Vater der Klägerin wandte sich weiter an den Vorstand der Beklagten, der durch die Hauptverwaltungsabteilung Qualitätsmanagement die Notwendigkeit der Pflegeeinsätze und die Gesetzeslage erläutern ließ und weiter wegen der vom Vater der Klägerin geforderten Freistellung von dem Pflegeeinsatz auf eine gegenteilige Stellungnahme der Bundesregierung verwies. Auf mögliche Nachteile bei Nichtabrufung des Pflegeeinsatzes wurde die Klägerin gleichzeitig hingewiesen. Nach weiterem Schriftverkehr bestellte die Klägerin einen Pflegeeinsatz bei der Diakoniestation M. zum 10. Oktober 1998. Die umfassende Sicherstellung der Pflege durch die Eltern der Klägerin, M. und L. H., wurde daraufhin am 12. Oktober 1998 bestätigt. Wegen des im ersten Halbjahr 1999 anstehenden nächsten Pflegeeinsatzes wandte sich die Beklagte an die Klägerin und erläuterte die Gründe für den § 37 Abs. 3 SGB XI, wogegen der Vater der Klägerin einwandte, dass ein Beratungsbesuch in seiner Wohnung wegen Art. 11 Grundgesetz (GG) verweigert werde. Im Übrigen erhalte die Klägerin in der Werkstatt für Behinderte nach Abzug eines Essensgeldes einen monatlichen Lohn von DM 77,50, so dass für den völlig sinnlosen Besuch nicht noch DM 30,00 bezahlt werden könnten. Wegen der möglichen Kürzung des Pflegegeldes drohte er Klage durch alle Instanzen an. Die Beklagte erläuterte nochmals mit Schreiben vom 01. Juli 1999 die Rechtslage und teilte die Absicht mit, das laufende Pflegegeld ab dem 01. des nächsten Monats um 25 v.H., also um DM 100,00 zu kürzen, worauf der Vater der Klägerin auf die Möglichkeit eines Beratungsgesprächs am Arbeitsplatz der Klägerin verwies. Ein Besuch in der Wohnung erfordere einen richterlichen Beschluss. Hierauf kürzte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 1999 das laufende Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 01. August 1999 um 25 v.H. auf DM 300,00 und verwies darauf, dass die Kürzung nicht von der Verpflichtung entbinde, künftig die in § 37 Abs. 3 SGB XI festgeschriebenen Beratungsbesuche in Anspruch zu nehmen. Hiergegen legte der Vater der Klägerin Widerspruch unter Hinweis auf seine bisherige Begründung ein, verwies auf die verschiedenen Besuche des MDK, zuletzt auf den Pflegeeinsatz der Diakoniestation und wandte sich gegen die "diskriminierende Schnüffelei", die DM 30,00 koste. Er und seine Tochter bedürften nicht der laufenden Kontrolle wie Asoziale. Der bei der Widerspruchsstelle der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss I wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06. August 1999 unter Hinweis auf die schon zuvor erläuterte Gesetzeslage zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage im Wesentlichen unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens sowie der Erläuterung ihres Vaters über seinen bisherigen Einsatz für die Klägerin und für die Behinderten allgemein sowie seine Erfahrungen im Dritten Reich. Sie legte die Kopie einer Klage gegen das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe vom 14. Oktober 1998, die Antwort des Präsidialrates des BVerfG vom 28. Oktober 1998, sie selbst zeigende Fotografien sowie einen Beitrag zur Unterrichtung im "Rechtsdienst der Lebenshilfe" 4/97 über einen Gesetzentwurf zur Einschränkung des Pflegepflichteinsatzes gemäß § 37 Abs. 3 SGB XI in Kopie vor. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Hinweis auf die schon bisher im Widerspruchsbescheid und den Erläuterungen gegebenen Begründungen entgegen. Nachdem die Diakoniestation M. am 26. Januar 2000 einen Qualitätssicherungsbesuch nach § 37 Abs. 3 SGB XI durchgeführt hatte, der sich auf das zweite Halbjahr 1999 bezog, stellte die Beklagte die Kürzung des Pflegegeldes ein, erstattete den anteiligen Kürzungsbetrag für Januar 2000 und bezahlt seither ab 01. Februar 2000 das monatliche Pflegegeld in voller Höhe. Die Beklagte legte mit der Bestätigung der Diakoniestation M. vom 26. Januar 2000 eine Kopie des Urteils des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 1996 (L 16 P 7/96) vor. Das SG hat nach Hinweis gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2001, der dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 01. Juni 2001 zugestellt wurde, die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 06. August 1999 verwiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 29. Juni 2001 beim LSG eingegangenen Berufung unter weitgehender Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens sowie unter Hinweis auf eine anstehende Gesetzesänderung.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. August 1999 zu verurteilen, das Pflegegeld entsprechend Pflegestufe I in der Zeit von 01. August 1999 bis 26. Januar 2001 ungekürzt zu bezahlen und diese zu verpflichten, künftig von der Forderung von Pflichtpflegeeinsätzen abzusehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für richtig.
Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 29. August 2001 erörtert und die Materialien zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Qualitätssicherung und zur Stärkung des Verbraucherschutzes (Pflege-Qualitätssicherungsgesetz - PQsG), Bundestagsdrucksache 14/5547 vom 13. März 2001, 14/3506 vom 06. Juni 2000, Drucksache 14/4391 vom 24. Oktober 2000, Drucksache 14/6308 vom 19. Juni 2001 und Drucksache 14/5395 vom 23. Februar 2001 beigezogen.
Die Klägerin hat zu diesem Gesetzentwurf auszugsweise die Stellungnahme der Bundesvereinigung Lebenshilfe vorgelegt, deren Volltext der Berichterstatter beigezogen hat.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, DM 1.000,00 nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Senat geht von der Zulässigkeit der Berufung aus, da die Klägerin durch die Bestellung des Pflegeeinsatzes zum 26. Januar 2000 der Beklagten die Aufhebung der Kürzung des Pflegegeldes ab diesem Zeitpunkt ermöglicht hat, jedoch andererseits in diesem Verfahren sich weiterhin gegen die Zulässigkeit und Notwendigkeit des Pflegepflichteinsatzes auch aus verfassungsrechtlichen Gründen wendet. Somit kann der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht allein in dem Kürzungsbetrag vom 01. August 1999 bis 26. Januar 2000 von DM 583,35 gesehen werden. Die Klägerin wendet sich auch gegen künftig mögliche Kürzungen des Pflegegeldes bei Nichtinanspruchnahme des Pflegepflichteinsatzes, so dass die Mindestbeschwer von DM 1.000,00 jedenfalls erreicht ist, wovon auch das SG mit seiner Rechtsmittelbelehrung ausgegangen ist.
Die sonach zulässige Berufung ist aber nicht begründet, da der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. August 1999 die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Sie hat auch keinen Anspruch auf Freistellung vom Erfordernis der Inanspruchnahme eines Pflegepflichteinsatzes.
Gemäß § 37 Abs. 3 SGB XI sind Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Abs. 1 beziehen, verpflichtet, bei Pflegestufe I und II mindestens einmal halbjährlich (Nr. 1), bei Pflegestufe III mindestens einmal vierteljährlich (Nr. 2) einen Pflegeeinsatz durch eine Pflegeeinrichtung, mit der die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, abzurufen (Satz 1). Die Pflegeeinsätze dienen der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und Beratung der häuslich Pflegenden (Satz 2). Die Vergütung des Pflegeeinsatzes war bis 31. Juli 1999 von dem Pflegebedürftigen zu tragen. Satz 3 in der ab 01. August 1999 geltenden Fassung lautet: Die Vergütung des Pflegeeinsatzes ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen Versicherungsunternehmen zu tragen. Sie beträgt in den Pflegestufen I und II bis zu DM 30,00 und in der Pflegestufe III bis zu DM 50,00 (Satz 4). Die Pflegedienste haben mit Einverständnis des Pflegebedürftigen der zuständigen Pflegekasse die bei dem Pflegeeinsatz gewonnenen Erkenntnisse zur Qualität der Pflegesituation und zur Notwendigkeit einer Verbesserung mitzuteilen (Satz 5). Die Spitzenverbände der Pflegekassen stellen ihnen für diese Mitteilung ein einheitliches Formular zur Verfügung; der Pflegebedürftige erhält vom Pflegedienst eine Durchschrift der Mitteilung (Satz 6). Ruft der Pflegebedürftige den Pflegeeinsatz nicht ab oder wird das Einverständnis nach Satz 4 nicht erteilt, hat die Pflegekasse das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen (Satz 7).
Die Beklagte hat zu Recht das der Klägerin zustehende Pflegegeld von DM 400,00 in der Zeit vom 01. August 1999 bis 26. Januar 2000 um 25 v.H. gekürzt, da die Klägerin entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung im ersten Halbjahr 1999 keinen Pflegeeinsatz abgerufen hat. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 37 Abs. 3 SGB XI gehen fehl. Hinzuweisen ist darauf, dass der Gesetzgeber der Kritik hinsichtlich der Kostentragungspflicht des Versicherten für den Pflegeeinsatz durch die zum 01. August 1999 wirksam gewordene Gesetzesänderung Rechnung getragen hat. Ab 01. August 1999, d.h. für das zweite Halbjahr 1999, ist Kostenträger für den Pflegepflichteinsatz die jeweilige Pflegekasse. Die Empfänger von Pflegegeld bei häuslicher Pflege sind entsprechend finanziell entlastet worden. Durch die Notwendigkeit, einen Pflegepflichteinsatz alle halbe Jahre abzurufen, wird das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 11 GG) nicht verletzt. Die Regelung ist verfassungsgemäß. Die gesetzliche Verpflichtung zum Abruf des Einsatzes ist zwingend. Entgegen der Annahme der Klägerin sind Ausnahmen nicht vorgesehen, worauf das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 19. Dezember 1996 (L 16 P 7/96 - ErsK 1997, 110) zu Recht hingewiesen hat. Welches Gewicht der Gesetzgeber der Qualitätskontrolle bei der häuslichen Pflege beimisst, ergibt sich auch daraus, dass mit dem Gesetz vom 14. Juni 1996 mit Satz 7 des § 37 Abs. 3 SGB XI eine Sanktionsregelung (Pflegegeldkürzung) angefügt wurde. Somit ist klargestellt, welche Konsequenzen sich aus der Nichterfüllung der Verpflichtung zur Abrufung eines Pflegepflichteinsatzes ergeben. Entgegen anderslautender Hinweise der Klägerin im Laufe des Verfahrens hat die Beklagte schon in dem Bewilligungsbescheid vom 22. März 1995 auf die Notwendigkeit von Pflegepflichteinsätzen hingewiesen. Dass dies bei der für den damaligen Wohnort der Klägerin zuständigen Bezirksgeschäftsstelle Ellwangen (U.) nicht in dieser Konsequenz gefordert und verfolgt wurde, führt nicht dazu, dass die Beklagte weiterhin an diese gesetzeswidrige Handhabung gebunden wäre. Der Pflegepflichteinsatz stellt keine unzulässige "Schnüffelei" im Wohnbereich der pflegenden Angehörigen der Klägerin dar, da die Kontrolle einer qualitativ richtigen Pflege von der sozialen Situation der Pflegenden bzw. auch der Gepflegten unabhängig ist. Im Übrigen haben die Bürger der Bundesrepublik Deutschland in vielfacher Weise Einschränkungen des Art. 11 GG hinzunehmen, worauf der Vater der Klägerin in dem Erörterungstermin auch hingewiesen wurde. Gemeinsames Merkmal vieler Einschränkungen des Art. 11 GG ist, dass der Betroffene durch Verzicht auf eine Leistung den Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung verhindern kann.
Die Kürzung des Pflegegelds in der genannten Zeit war auch nicht unverhältnismäßig, nachdem die Pflegekassen eine Kürzung des Pflegegeldes um 50 v.H. für angemessen halten, wobei die Situation im Einzelfall zu berücksichtigen sei (Leitherer in KassKomm Rdnr. 50 zu § 37 SGB XI m.w.N.). Die Beklagte hat im Übrigen zu Recht zur Darstellung der Sinnhaftigkeit der Pflegepflichteinsätze auf den zweiten Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Pflegeversicherung vom 15. März 2001, Bundestagsdrucksache 14/5590 Seite 61 f., verwiesen. Dort wird ausgeführt: "Derzeit weist der Einsatz noch zu stark Kontrollcharakter auf, nicht zuletzt bedingt durch das vom beauftragten Pflegedienst an die zuständige Pflegekasse weiterzuleitende Formular, das als erste Rubrik aufführt "Pflege ist gesichert", als zweite Rubrik "Pflege ist nicht gesichert". Es liegt auf der Hand, dass von Seiten des Pflegedienstes, der letztlich auch Geschäftsinteressen hat, davor zurückgescheut wird, "nicht gesicherte Pflege" zu bescheinigen und dies auch noch von den Pflegebedürftigen bzw. seinen pflegenden Angehörigen unterschreiben zu lassen. Derartige problematische Situationen können vermieden werden, wenn das Formular stärker den Charakter einer Einsatzdokumentation bekommen würde, in der positiv aufgezählt wird, welche Vorschläge im konkreten Fall zur Erleichterung oder Verbesserung der Pflege gemacht wurden. Einem kundigen Sachbearbeiter der zuständigen Pflegekasse werden diese Hinweise genügend Aufschluss darüber geben, ob und was im konkreten Einzelfall zur Verbesserung der häuslichen Pflegesituation zu veranlassen ist." In dem genannten Bericht (a.a.O. Seite 15) ist weiter ausgeführt: "Mit dieser Übertragung der Finanzierung der Pflege-Pflichteinsätze vom Pflegebedürftigen auf die Pflegekassen, die privaten Versicherungsunternehmen sowie die Beihilfefestsetzungsstellen ist eine höhere Akzeptanz dieser Pflegeeinsätze, die als Instrumente der Qualitätssicherung bei der häuslichen Pflege sowie zur Beratung und Hilfestellung der häuslich Pflegenden uneingeschränkt erhalten bleiben müssen, angestrebt und auch erreicht worden." Dies zeigt die Richtung, in der der Pflegepflichteinsatz entwickelt wird. Neben der Funktion einer Kontrolle der häuslichen Pflege gewinnt die Beratung größere Bedeutung. Dies hat die Klägerin bisher nicht hinreichend gesehen und anerkannt.
Im Übrigen hat der Senat keinen Anlass, an der Verfassungsmäßigkeit des § 37 Abs. 3 SGB XI zu zweifeln. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 1996, das im Verfahren beim SG vorgelegt wurde, Bezug, soweit in jenem Verfahren Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 2 GG (Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung) geltend gemacht wurden.
Die Berufung der Klägerin erwies sich somit als nicht begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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