S 12 KA 906/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 906/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 95d Abs. 3 Satz 4 SGB V stellt auf den Nachweis ab. Insofern kommt es nicht darauf an, ob der Vertragsarzt der Fortbildungsverpflichtung innerhalb der Frist nachgekommen ist (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 07.12.2011 - S 12 KA 854/10 ).
Bemerkung
verb. mit S 12 KA 165/11
1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird für das Verfahren mit Az.: S 12 KA 906/10 auf 3.885,80 EUR und für das Verfahren mit Az.: S 12 KA 165/11 auf 4.021,89 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Festsetzungen des Honoraranspruchs für die Quartale IV/09 und I/10 und hierbei um einen Abzug in Höhe von 3.885,80 EUR und 4.021,89 EUR wegen der Nichterfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V.

Der Kläger ist als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 27.03.2010 für das Quartal IV/09 das Gesamthonorar auf 34.090,17 EUR netto fest. Für den Primär- und Ersatzkassenbereich setzte sie das Bruttohonorar bei 807 Arztfällen auf 35.269,11 EUR fest, wobei der Kürzungsbetrag wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht 3.885,80 EUR betrug.

Gegen die Kürzung wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht legte der Kläger am 28.06.2010 Widerspruch ein. Er trug vor, bis zum 30.06.2009 habe er weit mehr als die geforderten 250 Punkte erworben. Da das System der Punkteübermittlung durch die Landesärztekammer nicht zuverlässig funktioniere, seien ihm bis zum 30.06.2009 fast 200 Punkte zu wenig angerechnet worden.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Landesärztekammer Hessen unter Datum vom 31.08.2010 mit, sie könne nach eingehender Recherche bestätigen, dass der Kläger bis zum 30.06.2009 mehr als 250 Fortbildungspunkte erworben habe, der Nachweis darüber sei durch Einsendung von Teilnahmebescheinigungen, mit Posteingang bei ihr am 02.08.2010 erfolgt.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Fortbildungsverpflichtung nach § 95 d SGB V. Bei Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung sei sie verpflichtet, dass Honorar um 10 % für die ersten vier Quartale, die auf den 5-Jahre-Zeitraum folgten, um 10 % zu kürzen. Der Nachweis der 250 Fortbildungspunkte erfolge vorrangig über ein Zertifikat der Landesärztekammer bzw. Landespsychotherapeutenkammer oder über ein Zertifikat, das in Musterregelungen der Bundesärztekammer bzw. Bundespsychotherapeutenkammer entspreche. Die Fortbildungsverpflichtung sei grundsätzlich ohne Prüfung durch sie nachgewiesen, wenn der Vertragsarzt die Fortbildung durch ein Fortbildungszertifikat der Hessischen Landesärztekammer oder der Psychotherapeutenkammer belegen könne. Der Kläger habe kein entsprechendes Kammerzertifikat bis zum Stichtag 30.09.2005 ihr gegenüber vorgelegt. In Hessen bestehe darüber hinaus die Möglichkeit, mittels eines elektronisch geführten Online-Punktekontos bei der Landesärztekammer den Stand der Fortbildungspunkte direkt an sie zu übermitteln und auf diese Weise einem Nachweis der Fortbildungsverpflichtung nachzukommen. Der auf diese Weise übermittelte Punktestand des Fortbildungskontos habe zum Stichtag 30.09.2009 weniger als die notwendigen 250 Punkte (220) betragen. Der Nachweis sei bis zum 30.09.2009 zu führen. Der Kläger habe den Nachweis erst nach dem Stichtag, und zwar im August 2010 führen können.

Hiergegen hat der Kläger am 16.12.2010 zum Aktenzeichen S 12 KA 906/10 die Klage erhoben.

Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 29.06.2010 für das Quartal I/10 das Nettohonorar auf insgesamt 35.892,13 EUR fest. Für den Primär- und Ersatzkassenbereich setzte sie das Bruttohonorar auf 36.616,91 EUR fest, wobei sie eine Kürzung wegen Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung in Höhe von 4.021,89 EUR vornahm. Die Anzahl der Behandlungsfälle betrug 780. Gegen die Honorarkürzung legte der Kläger am 24.10.2010 wiederum Widerspruch ein. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2011 den Widerspruch aus den gleichen Gründen wie für das Vorquartal als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 25.02.2011 zum Aktenzeichen S 12 KA 165/11 die Klage erhoben.

Zur Begründung seiner Klagen trägt der Kläger vor, er habe von 2002 bis zum 30.06.2009 203 Punkte registriert erhalten, aber zusätzlich noch alleine im Zeitraum 29.01.2006 bis 30.06.2009 weitere 264 Fortbildungspunkte erworben, die von den Veranstaltern nicht korrekt in das elektronische System gemeldet worden seien. Es liege nicht in seinem Verantwortungsbereich, dass der Nachweis der notwendigen Punkte verspätet erfolgt sei. Bei einem Teil der von ihm besuchten Veranstaltungen habe es sich um Veranstaltungen der Landesärztekammer Hessen gehandelt. Bei diesen und anderen Veranstaltungen sei ihm immer ein Barcode-Schildchen ausgehändigt worden, das auf die Teilnehmerliste geklebt worden sei, damit die Punkte elektronisch registriert würden. Es stelle sich die Frage, warum auch bei den Veranstaltungen der Landesärztekammer die Weiterleitung nicht funktioniert habe. Ihn treffe kein Verschulden für den nicht rechtzeitigen Nachweis der Fortbildungspunkte. Er habe sich darauf verlassen können, dass die Veranstalter ihrer Selbstverpflichtung nachkommen würden.

Der Kläger beantragt,
die Honorarkürzung im Honorarbescheid für das Quartal IV/09 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 in Höhe von 3.885,80 EUR und die Honorarkürzung im Honorarbescheid für das Quartal I/10 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 in Höhe von 4.021,89 EUR aufzuheben,
hilfsweise
ihn über seine Widersprüche gegen die beiden Honorarbescheide unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, maßgeblich sei allein der Nachweis eines von der Landesärztekammer Hessen ausgestellten Fortbildungszertifikates, dass der Vertragsarzt die maßgeblichen Fortbildungspunkte zum Stichtag erreicht habe. Die Tatsache, dass der Vertragsarzt selbst mittels eines Punktekontos prüfen könne, wie viele Fortbildungspunkte er bereits erbracht habe, sei ein besonderer Service für ihre Mitglieder. Hier würden die Daten eingepflegt, die sie von der Landesärztekammer Hessen über die von dem jeweiligen Arzt erbrachten und von der Landesärztekammer anerkannten Fortbildungsnachweise erhalten habe. Im Nachhinein nachgereichte Fortbildungsnachweise würden ebenfalls in das Punktekonto eingepflegt werden. Maßgeblich sei allein, dass der Nachweis bis zum Stichtag, also jeweils vor Quartalsbeginn, gegenüber ihr zu erbringen sei. Dass der Veranstalter erbrachte Fortbildungen nicht in das elektronische System eingepflegt habe, müsse sie mit Nichtwissen bestreiten. Hierauf komme es aber nicht an, da die Pflicht zum Nachweis von Fortbildungspunkten allein im Verantwortungsbereich des Vertragsarztes unterliege. Sie verweise auf § 1 Abs. 1 der Fortbildungsrichtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Sie habe allein in den Jahren 2008 und 2009 mehrfach auf die Folgen bei einem nicht rechtzeitigen Nachweis der Fortbildung hingewiesen. Ergänzend verweise sie auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden.

Auf Anfrage der Kammer hat die Landesärztekammer Hessen unter Datum vom 21.04.2011 und 30.09.2011 Auskunft über das Nachweisverfahren erteilt. Danach erhielt der Kläger für den Fortbildungszeitraum vom 01.01.2002 bis 30.06.2009 391 Punkte auf seinem Konto gutgeschrieben. Von diesen 391 Punkten seien 178 Punkte jedoch erst mit Datum vom 02.08.2010 gutgeschrieben worden aufgrund der vom Kläger eingereichten Teilnahmebescheinigungen. Bis zum 30.06.2009 habe der Punktestand nur 213 Punkte aufgewiesen. Für jedes Mitglied werde bei ihr ein Online-Punktekonto geführt, das der Kläger auch über ihr Online-Portal habe einsehen können bzw. einsehen könne. Es habe daher zu jeder Zeit die Möglichkeit für den Kläger bestanden, sich über den bei ihr auf seinem Konto befindlichen Punktestand zu informieren. Nach ihrer Fortbildungssatzung würden dem Fortbildungs-Punktekonto eines Mitglieds Fortbildungspunkte dann gutgeschrieben werden, wenn er selbst Teilnahmebescheinigungen über zertifizierte Fortbildungsveranstaltungen einreiche bzw. der Veranstalter ihr Teilnehmerlisten einreiche bzw. diese dem elektronischen Informationsverteiler der Bundesärztekammer vermittele. Sie trage keine Verantwortung für die Meldungen der von ihr anerkannten Veranstalter. Es bestehe eine Selbstverpflichtung der Veranstalter, diese Meldung durchzuführen. Gem. § 9 Abs. ihrer Fortbildungssatzung habe der Veranstalter die Teilnehmerliste spätestens zwei Wochen nach der Veranstaltung an den elektronischen Informationsverteiler der Bundesärztekammer zu übermitteln.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der Beratungen gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klagen sind zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klagen sind aber unbegründet. Die angefochtenen Honorarbescheide für die Quartale IV/09 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 und I/10 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 sind insoweit rechtmäßig, als darin jeweils ein "Kürzungsbetrag Fortbildungspflicht" in Höhe von 3.885,80 EUR bzw. 4.021,89 EUR festgesetzt wurde. Sie waren daher insoweit nicht aufzuheben. Die Klagen waren im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.

Rechtsgrundlage für die Honorarkürzung ist § 95d Abs. 3 Satz 4 SGB V.

Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig, ist die Kassenärztliche Vereinigung verpflichtet, das an ihn zu zahlende Honorar aus der Vergütung vertragsärztlicher Tätigkeit für die ersten vier Quartale, die auf den Fünfjahreszeitraum folgen, um 10 vom Hundert zu kürzen, ab dem darauf folgenden Quartal um 25 vom Hundert. Ein Vertragsarzt kann die für den Fünfjahreszeitraum festgelegte Fortbildung binnen zwei Jahren ganz oder teilweise nachholen; die nachgeholte Fortbildung wird auf den folgenden Fünfjahreszeitraum nicht angerechnet. Die Honorarkürzung endet nach Ablauf des Quartals, in dem der vollständige Fortbildungsnachweis erbracht wird (§ 95d Abs. 3 Satz 4 bis 6 SGB V). Der Vertragsarzt ist verpflichtet, sich in dem Umfang fachlich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Fortentwicklung der zu seiner Berufsausübung in der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist (§ 95d Abs. 1 Satz 1 SGB V). Ein Vertragsarzt hat alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung den Nachweis zu erbringen, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist; für die Zeit des Ruhens der Zulassung ist die Frist unterbrochen. Endet die bisherige Zulassung infolge Wegzugs des Vertragsarztes aus dem Bezirk seines Vertragsarztsitzes, läuft die bisherige Frist weiter. Vertragsärzte, die am 30. Juni 2004 bereits zugelassen sind, haben den Nachweis nach Satz 1 erstmals bis zum 30. Juni 2009 zu erbringen (§ 95d Abs. 3 Satz 1 bis 3 SGB V).

Nach diesen Vorschriften war der Kläger verpflichtet, den Fortbildungsnachweis bis zum 30.06.20.2009 bzw. für die hier streitbefangenen Quartale bis zum 30.09.2009 bzw. 31.12.2009 zu erbringen. Dies hat er nicht getan. Dies ist zwischen den Beteiligten insoweit auch unstreitig. Der Kläger hat zwar im maßgeblichen Zeitraum bis zum 30.06.2009 mehr als 250 Fortbildungspunkte erworben. Der Nachweis darüber ist aber erst durch Einsendung von Teilnahmebescheinigungen am 02.08.2010 gegenüber der Landesärztekammer erfolgt. Auch gegenüber der Beklagten ist zu einem früheren Zeitpunkt kein Nachweis erfolgt, auch nicht bis zum 30.09.2009 bzw. 31.12.2009.

Die gesetzliche Regelung stellt aber eindeutig auf den Nachweis ab. Die Kammer hält an ihrer bisherigen Rechtsprechung fest (vgl. SG Marburg, Urt. v. 07.12.2011 - S 12 KA 854/10 -; v. 22.02.2012 - S 12 KA 100/11 -). Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass ein Vertragsarzt alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung "den Nachweis zu erbringen" hat, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist (§ 95d Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V). Der "Nachweis", nicht lediglich die Erfüllung der Fortbildungspflicht, ist erstmals bis zum 30. Juni 2009 zu erbringen (§ 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V). Folgerichtig knüpft das Gesetz insbesondere auch die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung an den fehlenden Nachweis. Die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung besteht dann, wenn ein Vertragsarzt den "Fortbildungsnachweis" nicht oder nicht vollständig erbringt (§ 95d Abs. 3 Satz 4 SGB V). Die Honorarkürzung endet erst nach Erbringung des "vollständigen Fortbildungsnachweises" (§ 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V). Die Möglichkeit zur Zulassungsentziehung knüpft ebf. an den fehlenden Fortbildungsnachweis an (§ 95d Abs. 3 Satz 7 und 8 SGB V). Entsprechend stellen auch die Regelungen für angestellte Ärzte auf den Fortbildungsnachweis ab (§ 95d Abs. 5 Satz 2 und 6 SGB V).

Die gesetzliche Regelung ist auch verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber ist befugt, die Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG zu regeln (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 23.03.2011 - S 12 KA 695/10 -).

Der Umfang der Fortbildungsverpflichtung ist nicht unverhältnismäßig. Hierfür sieht das Gesetz einen Fünfjahreszeitraum vor. Nach den auf der Grundlage des § 95d Abs. 6 SGB V ergangenen Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (im Folgenden: KBV-RL) sind im Fünfjahreszeitraum 250 Fortbildungspunkte nachzuweisen (§ 1 Abs. 3 KBV-RL). Die Fortbildungssatzung der Landesärztekammer Hessen (Stand: 01.06.2008) (zitiert nach: http://www.laekh.de/upload/Rechtsquellen/Fortbildungssatzung.pdf) sieht einen Bewertungskatalog der Fortbildungsmaßnahmen vor, wonach die Fortbildungsmaßnahmen mit Punkten bewertet werden. Grundeinheit ist eine 45-minütige Fortbildungseinheit, die mit einem Punkt bei maximal acht Punkten pro Tag bewertet wird. Selbststudium durch Fachliteratur und bücher sowie Lehrmittel werden mit höchstens 50 Punkten für fünf Jahre anerkannt. Es gibt acht Kategorien von Fortbildungsmaßnahmen, die beliebig kombiniert werden können, wobei für das Selbststudium (Kategorie E) höchstens 50 Punkte für fünf Jahre anerkannt werden (vgl. im Einzelnen § 8 der Fortbildungssatzung). Neben dem Selbststudium müssen damit 40 weitere Punkte durchschnittlich im Jahr erreicht werden, also etwa durch 20 zweistündige Vorträge oder durch den Besuch von fünf Tagesveranstaltungen, mehrtägige Kongressbesuche werden mit sechs Punkten pro Tag angerechnet.

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die Pflicht zur fachlichen Fortbildung der Vertragsärzte eine Gesetzeslücke schließen, da bisher eine generelle vertragsärztliche Pflicht, den Nachweis über die Übereinstimmung des eigenen Kenntnisstandes mit dem aktuellen medizinischen Wissen zu erbringen, nicht bestanden habe. Sie diene der Absicherung der qualitätsgesicherten ambulanten Behandlung der Versicherten. Der Gesetzgeber beruft sich dabei auf Feststellungen des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in dessen Gutachten 2000/2001. Danach veränderten sich die Auffassungen von und die Anforderungen an die "gute ärztliche Praxis" deutlich innerhalb weniger Jahre. Umso gravierender seien die Mängel im Fortbildungsangebot, in der Inanspruchnahme, in der Förderung und verpflichtenden Regelung der ärztlichen Fortbildung zu betrachten. Zu kritisieren seien eine häufig unzureichende Praxisrelevanz, die Vernachlässigung praktischer und interpersoneller Kompetenzen sowie eine eingeschränkte Glaubwürdigkeit vieler Angebote durch mangelnde Neutralität oder Transparentmachung der Qualität der angeführten Evidenz. Darüber hinaus sei zu bemängeln, dass die Fortbildung ihre Funktion des Forschungstransfers zu langsam und zu unkritisch erfüllt habe. Als Maßnahme der Qualitätssicherung sei die Kompetenz des Bundesgesetzgebers nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gegeben (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 109).

Der Gesetzgeber kann auch die Honorarkürzung an den Nachweis der Fortbildung knüpfen. Dies ist gleichfalls nicht unverhältnismäßig. Letztlich handelt es sich um eine bloße Fristenregelung. Die Fortbildung und der Nachweis darüber liegen allein in der Sphäre des Vertragsarztes. Er allein weiß, welche Fortbildungen er absolviert hat und wer ihm hierüber einen Nachweis ausstellen kann. Mit der Stichtagsregelung nach einem Zeitraum von fünf Jahren weiß der Vertragsarzt, wann der Nachweis erbracht sein muss. Hat er die Fortbildung absolviert, so ist es kein wesentlich erhöhter Aufwand, die Nachweise rechtzeitig einzureichen. Dies entspricht auch allgemeinen vertragsarztrechtlichen Grundsätzen, wonach vor Behandlungsbeginn nicht nur die Voraussetzungen zur vertragsärztlichen Behandlung erfüllt sein müssen, sondern auch eine Zulassung oder Genehmigung aufgrund der nachgewiesenen Qualifikation vorliegen müssen. Zulassungen und Genehmigungen können als Status- bzw. statusähnliche Verwaltungsakte nicht rückwirkend erteilt werden.

Die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung kann, auch soweit sie sich nur auf bestimmte Bereiche oder Leistungen der ambulanten Versorgung erstreckt, nicht rückwirkend zuerkannt bzw. in Kraft gesetzt werden. Die Unzulässigkeit rückwirkender Statusbegründungen ergibt sich aus dem System des Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt ist. Mit dieser Beschränkung ist verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen - abgesehen von Notfällen - förmlich zuerkannt worden sein muss. Dies gilt für alle Arten der Statusbegründung im Vertragsarztrecht, also für Zulassungen von Vertragsärzten, für Ermächtigungen von Krankenhausärzten wie auch für Genehmigungen zur Anstellung von Ärzten und ebenso für weitere - nicht auf der Ebene des Status angesiedelte - Genehmigungen. Denn zum Schutz aller zur Leistungserbringung Berechtigter und aus ihr Verpflichteter und insbesondere zum Schutz der Versicherten muss zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 11.03.2009 B 6 KA 15/08 – SozR 4-2500 § 96 Nr. 11 = GesR 2009, 534 = MedR 2010, 128 = ZMGR 2009, 303 = KHR 2009, 172 = USK 2009-38 = Breith 2010, 21 = PFB 2009, 144, juris Rdnr. 15 f.).

Soweit der Gesetzgeber für die Erfüllung der Fortbildungspflicht auf einen förmlichen feststellenden – Verwaltungsakt verzichtet, sondern es bei einem bloßen Nachweis belässt, kommt es aber auf den Nachweis bis zum Stichtag entscheidend an. Systematisch handelt es sich bei der Fortbildungspflicht um eine Qualitätssicherungsmaßnahme. Die Qualitätssicherung wird aber nach der gesetzlichen Regelung erst durch den Nachweis erfüllt. Hierfür gibt es weder eine rückwirkende Wirkung noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Insofern handelt es sich bei der Stichtagsregelung in § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V um eine gesetzliche Ausschlussfrist.

Hinzu kommt, dass die von der KBV erlassenen Verfahrensregelungen eine Hinweispflicht beinhalten. Die Fortbildungsverpflichtung für Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nach § 95d SGB V vom 16.09.2004, DÄ 2005, A 306 f. (im Folgenden: FortbRL-Ä) sieht vor, dass mindestens drei Monate vor Ablauf des Fünfjahreszeitraums ein Hinweis erfolgen muss, dass die Versäumnis der Frist mit einer Honorarkürzung verbunden ist. Das weitere Verfahren soll die Kassenärztliche Vereinigung regeln (§ 4 FortbRL-Ä). Ferner soll der Arzt bei fehlendem Nachweis auf die Möglichkeit der Nachholung und das drohende Entziehungsverfahren hingewiesen werden (§ 5 FortbRL-Ä). Daneben soll auf freiwilliger Grundlage der Landeskammern bei ihnen ein Fortbildungskonto geführt und eine Übermittlung der Daten an die Kassenärztliche Vereinigung vereinbart werden (vgl. Mitteilungen, DÄ 2005, A 306).

Die Beklagte hat ihre Mitglieder wiederholt auf die Nachweispflicht hingewiesen, wie der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist. Dies wird vom Kläger nicht bestritten. Er macht vielmehr geltend, es liege nicht in seinem Verantwortungsbereich, dass der Nachweis der notwendigen Punkte verspätet erfolgt sei, da viele Fortbildungspunkte von den Veranstaltern nicht korrekt in das elektronische System gemeldet worden seien. Der Kläger verkennt damit, dass er allein für den Nachweis der Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung verantwortlich ist und er diese Nachweispflicht gegenüber der Beklagten nicht an Dritte bzw. die Veranstalter der Fortbildung delegieren kann. Im Übrigen hat die Landesärztekammer Hessen im Einzelnen erläutert, dass bei ihr ein Online-Punktekonto geführt werde, das der Kläger auch über ihr Online-Portal habe einsehen können bzw. einsehen könne. Es habe daher zu jeder Zeit die Möglichkeit für den Kläger bestanden, sich über den bei ihr auf seinem Konto befindlichen Punktestand zu informieren. Insofern muss sich der Kläger selbst zurechnen lassen, dass er es versäumt hat, sein Punktekonto abzurufen bzw. zu überwachen, dass seine Teilnahmen an Fortbildungsveranstaltungen auch korrekt gemeldet wurden. Hätte er dies getan, so hätte er durch Einreichen der bei ihm befindlichen Nachweise den Nachweis auch rechtzeitig führen können bzw. hätte er sich rechtzeitig die Teilnahmebescheinigungen beschaffen können.

Bei der gesetzlichen Regelung zur Erbringung des Nachweises bis zum 30.06.2009 bzw. zum Quartalsende der der Kürzung vorausgehenden Quartale handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Bereits von daher besteht kein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Nach § 27 Abs. 1 SGB X ist, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. Die Wiedereinsetzung ist nach § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt nicht nur in Fällen, in denen ausdrücklich bestimmt ist, "die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen" oder eine ähnliche Wortwahl gebraucht wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.02.2011 - L 3 AL 2195/10 - juris Rdnr. 23). Der Ausschluss kann sich auch durch Auslegung der Norm ergeben (vgl. BSG, Urt. v. 06.05.2010 - B 13 R 44/09 R - SozR 4-1200 § 14 Nr. 13 = Breith 2011, 237 = NZS 2011, 342, juris Rn. 21 m.w.N.).

Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass grundsätzlich eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit besteht, so erfüllt der Kläger die Voraussetzungen hierfür nicht.

Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er die Nachweisfrist ohne Verschulden versäumt hat. Wie bereits dargelegt, hätte der Kläger bei Überwachung seines Punktekontos rechtzeitig den Nachweis führen können. Insofern hat der Kläger für sich aus eigener Entscheidung von einer Überwachung des Punktekontos und der rechtzeitigen Einreichung der Nachweise abgesehen, deren Konsequenzen er nunmehr auch zu tragen hat. Wiedereinsetzungsgründe werden damit nicht dargelegt.

Hinzu kommt, dass der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen ist. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 27 Abs. 2 SGB X). Auch hierzu fehlt es an einem substantiierten Vortrag des Klägers.

Im Ergebnis waren die Klagen daher im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden. Der Streitwert war jeweils in Höhe des strittigen Berichtigungsbetrags festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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