L 13 AS 5986/07 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 2610/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 5986/07 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig, da sie unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 145 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden ist. Die Berufung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger über keine ladungsfähige Anschrift verfügt. Grundsätzlich erfordert ein zulässiges Rechtbegehren, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtssuchenden genannt wird; die bloße Angabe einer E-Mail - Anschrift und/oder einer Mobilfunk- Telefonnummer genügt ebenso wenig wie die Angabe "postlagernd" (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 18. November 2003 - B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr. 1; Leitherer in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage § 92 RdNr. 3). Das Anschriftserfordernis ist unumgänglich, um die rechtswirksame Zustellung gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen bewirken zu können (vgl. § 63 Abs. 2 SGG i. V. m. §§ 166 ff Zivilprozessordnung [ZPO]). Das Vorliegen einer Anschrift gehört zu den - unabhängig von der Frage der nur über sie möglichen förmlichen Zustellung - zu den Wesensmerkmalen eines Rechtsschutzbegehrens an ein Gericht, welche jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen müssen ( sogenannte Sachurteilsvoraussetzung; vgl, § 92 SGG; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. November 2006 - L 7 SO 38/06 -). Fehlt eine solche Anschrift oder wird sie nicht mitgeteilt, ist ein Rechtsschutzbegehren unzulässig. Der Kläger ist obdachlos und kann daher eine Wohnungsanschrift nicht mitteilen. Der Kläger ist aber über die Anschrift des Sozialgerichts Konstanz erreichbar, indem er dort regelmäßig vorspricht, so dass auch Zustellungen des Gerichts möglich sind. Dass diese Möglichkeit derzeit vom Kläger tatsächlich genutzt wird, zeigt sich schon daran, das er zeitnah vom Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 19. Februar 2008 Kenntnis erhalten und an diesem Termin dann auch teilgenommen hat.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet; die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung sind nicht gegeben.

Zunächst ist festzustellen, dass, nachdem das Sozialgericht die Berufung im Urteil nicht zugelassen hat, die Berufung der Zulassung auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts bedarf (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG), denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt bei der erhobenen isolierten Anfechtungsklage 500 Euro nicht. Mit der Anfechtung des Absenkungsbescheides vom 21. Juli 2005 (Widerspruchsbescheid vom 15. August 2005) will der Kläger erreichen, dass die Absenkung seines Arbeitslosengelds II um 10 von 100 für den Zeitraum 1. August bis 31. Oktober 2005 aufgehoben wird; der Beschwerdewert beläuft sich somit auf 103,50 Euro und erreicht damit den gesetzlichen Beschwerdewert nicht. Es liegt deshalb auch nicht der Fall des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG vor, wonach die Berufung nicht beschränkt ist, wenn sie wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Die Berufung ist nicht zuzulassen. § 144 Abs. 2 SGG verpflichtet zur Zulassung der Berufung, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundesssozialgerichts oder des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Zulassungsgrundes zu § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder das für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtssprechung des BSG seit BSGE 2, 129, 132 zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG in der bis 28. Februar 1993 geltenden Fassung). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG SozR 1500 § 160 a Nr. 60; BSG SozR 3-1500 § 160 a Nr. 16). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie bereits entschieden ist, oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BSG SozR 1500 § 160 a Nr. 4 Seite 5; BSG SozR 4100 § 111 Nr. 1 Seite 2). Die Frage, ob eine Rechtsfrage im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG SozR 1500 § 160 a Nr. 7). Klärungsbedürftige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind hier nicht zu beantworten. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 21. Juli 2005 die monatliche Regelleistung des Kläger, die gemäß § 20 Abs. 2 SGB II 345,- Euro beträgt, vom 1. August bis 31. Oktober 2005 um 10 von 100, also um monatlich 34,50 Euro gesenkt. Die Rechtsgrundlage hierfür ist § 31 Abs. 2 SGB II, wonach das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in der ersten Stufe um 10 von 100 des für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt wird, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen eine Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommt und keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. In Bezug auf die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Absenkung um 10 von 100 der Regelleistung werden hier keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufgeworfen. Der Kläger hatte mit seinem Widerspruch vom 20. April 2005 gegen das Schreiben der Beklagten vom 13. April 2005, mit welchem er zu einem Gespräch über sein Bewerberangebot bzw. seine berufliche Situation auf den 20. April 2005 eingeladen worden war, eine Bescheinigung der praktischen Ärztin Dr. von K. vom 15. April 2005 vorgelegt, wonach er an chronischer Lumbalgie mit rezidivierenden Wirbelgelenkbeschwerden leide, aus medizinischer Sicht jedoch keine Einwände gegen eine Tätigkeit im Stadtarchiv oder als Dokumentar bestünden. Mit Schreiben vom 2. Juli 2005 lud ihn die Beklagte deshalb zur Abklärung seiner Erwerbsfähigkeit für den 14. Juli 2005 zu einer ärztlichen Untersuchung ein. Dieses Schreiben enthielt eine Rechtsfolgen- und Rechtsbehelfsbelehrung. Auch hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 13. Juli 2005 Widerspruch und verwies auf das von ihm vorgelegte Attest, womit er seinen Mitwirkungspflichten ausreichend nachgekommen sei. Am Untersuchungstermin erschien der Kläger nicht. Die Meldeaufforderung vom 2. Juli 2005 war rechtmäßig (s. a. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Mai 2007 - L 7 AS 5001/06 -). Nach § 59 SGB II findet die Vorschrift des § 309 SGB III über die allgemeine Meldepflicht entsprechend Anwendung. Danach hat sich der Arbeitslose während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebt, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit ihn dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht). Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich auch nicht im Hinblick auf die Anwendung von § 59 SGB II i. V. m. § 309 Abs. 1 SGB III auf die Meldeaufforderung vom 2. Juli 2005. Im Hinblick auf die vom Kläger selbst gemachten Angaben zu seiner eingeschränkten Vermittlungsfähigkeit (Tätigkeit im Stadtarchiv und als Dokumentar) bestand durchaus Anlass für die Beklagte, den Kläger zu einer entsprechenden ärztlichen Untersuchung einzuladen. Eine solche Untersuchung war auch nicht dadurch entbehrlich geworden, dass der Kläger eine ärztliche Bescheinigung von Dr. von K. vorgelegt hat. Denn in dieser Bescheinigung wird lediglich bestätigt, dass der Kläger mit den vorhandenen Gesundheitsstörungen eine Tätigkeit im Stadtarchiv oder als Dokumentar ausüben kann. Der Kläger geht insoweit schon von einer falschen Annahme aus, wenn er die klärungsbedürftige Rechtsfrage meint darin zu erkennen, ob die Beklagte dazu berechtigt sei, zu einer ärztlichen Untersuchung bei einem Amtsarzt einzuladen, wenn ihr bereits die Erwerbsfähigkeit eines Leistungsbeziehers bekannt sei. Denn es war auf Grund der Angaben des Klägers und aufgrund der ärztlichen Bescheinigung von Dr. von K. gerade nicht ersichtlich, warum dem Kläger nicht auch andere Tätigkeiten möglich sein sollten; die Erwerbsfähigkeit des Klägers war somit der Beklagten gerade nicht bekannt bzw. sie war gerade nicht geklärt. Hiervon ist schon deshalb auszugehen, weil die in der ärztlichen Bescheinigung von Dr. von K. angeführten orthopädischen Erkrankungen nicht erkennen ließen, inwieweit der Kläger über die als noch möglichen angegebenen Tätigkeiten hinaus nicht mehr erwerbsfähig sein sollte.

Das Sozialgericht ist auch nicht von einer Entscheidung der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abgewichen (vgl. BSG SozR 1500 § 160 Nr. 61). Schließlich ist auch nicht der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG erfüllt; der Kläger hat keinen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Dezember 2007 wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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