L 12 AS 1365/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 4089/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1365/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13.02.2007 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung ihrer Bescheide vom 08.02.2006, 03.03.2006 und 02.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2006 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Monat Januar 2006 ohne die Anrechnung von für das Jahr 2005 nachträglich gezahltem Arbeitsentgelt zu gewähren.

2. Die Beklagte hat die außergerichtliche Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Streit. Konkret geht es darum, ob die Beklagte bei der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung im Januar 2006 Arbeitseinkommen des Klägers zu Ziff. 1 berücksichtigen durfte, welches diesem nachträglich für den Monat Dezember 2005 gezahlt worden ist.

Die Kläger sind verheiratet und leben mit ihrem 1999 geborenen Sohn Patrick, dem Kläger zu Ziff. 3, in einer 92,4 qm großen Mietwohnung, für die monatlich Mietkosten von 590,83 Euro zu entrichten sind. Der Kläger zu Ziff. 1 war bis zum 15.01.2006 bei der HMR Kunststofftechnik GmbH in G.-N. beschäftigt. Sein Antrag auf Arbeitslosengeld wurde bestandskräftig wegen fehlender Anwartschaftszeiten abgelehnt. Der Kläger zu Ziff. 1 beantragte daraufhin am 18.01.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Das Girokonto der Kläger befand sich am 31.01.2006 in einem Soll von 1.078,70 Euro.

Mit Bescheid vom 08.02.2006 bewilligte die Beklagte den Klägern als Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 18.01. bis 31.01.2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 605,17 Euro und für die Monate Februar bis Juli 2006 in Höhe von jeweils 1.296,82 Euro. Das einzige Einkommen, welches hierbei angerechnet wurde, war das Kindergeld in Höhe von monatlich 154,00 Euro (bzw. für Januar 2006 anteilig in Höhe von 17,87 Euro). Mit Begleitschreiben vom 08.02.2006 wies die Beklagte darauf hin, dass noch die Zahlung von Arbeitsentgelt ausstehe; die Leistungen nach dem SGB II würden zunächst ohne Berücksichtigung dieses noch ausstehenden Anspruchs geleistet. Die Zahlung bewirke, dass die Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegen den Arbeitgeber bis zur Höhe der gezahlten Leistungen gemäß § 115 SGB X auf die Beklagte übergingen.

Ein entsprechendes Schreiben sendete die Beklagte an den früheren Arbeitsgeber des Klägers.

Die Rechtsanwälte des Arbeitgebers widersprachen einem Anspruchsübergang, weil die Beklagte Sozialleistungen erst für Zeiten nach dem 15.01.2006 und damit nicht zu einem Zeitpunkt erbracht habe, zu dem ein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestanden habe. Die Beklagte antwortete hierauf nicht.

Der frühere Arbeitgeber des Klägers zu Ziff. 1 überwies anschließend für den Monat Dezember 2005 am 24.01.2006 676,48 Euro, am 27.01.2006 624,00 Euro sowie für das Beschäftigungsverhältnis im Januar 2006 am 20.02.2006 360,00 Euro. Der Arbeitsgeber teilte der Beklagten erneut mit, er habe das ausstehende Gehalt an den Kläger zu Ziff. 1 direkt gezahlt, da die Zeit vor dem Leistungsbezug des Klägers ab dem 16.01.2006 betreffe. Die Klägerin zu Ziff. 2 erhielt am 27.01.2006 eine Einkommenszahlung in Höhe von 124,00 Euro.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 03.03.2006, welcher dem Kläger zu Ziff. 1 am 30.03.2006 ausgehändigt worden ist, minderte die Beklagte die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 18.01. bis zum 31.01.2006 wegen der Anrechnung des Einkommens auf 191,85 Euro. Der Bescheid wurde dem Kläger zu Ziff. 1 am 30.03.2006 persönlich ausgehändigt.

Seinen am 26.04.2006 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger zu Ziff. 1 damit, dass nachgezahltes Arbeitsentgelt nicht anzurechnen sei.

Vor dem Arbeitsgericht schloss der Kläger zu Ziff. 1 am 06.04.2006 einen bis zum 04.05.2006 widerruflichen Vergleich, nach welchem ihm aus seinem Arbeitsverhältnis weitere 1.850 Euro (netto) gezahlt werden sollten. Der Arbeitgeber teilte dem Kläger zu Ziff. 1 am 19.05.2006 mit, dass der Betrag aus dem Vergleich ausgezahlt werden solle, dies sich wegen eines Liquidätsengpasses jedoch geringfügig verzögern könne.

Mit Bescheid vom 21.07.2006 wurden der Bedarfsgemeinschaft monatliche Leistungen für die Zeit vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 in Höhe von 1.296,82 Euro bewilligt.

Mit Bescheid vom 02.08.2006 erweiterte die Beklagte daraufhin den Bewilligungszeitraum um die Zeit vom 01.01. bis zum 17.01.2006, so dass sie von einem Einkommen der Bedarfsgemeinschaft von insgesamt 947,55 Euro ausging, und setzte die Leistungen für Januar 2006 auf nunmehr 493,27 Euro fest.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte dann mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2006 als unbegründet zurück. Um unbillige Härten zu vermeiden, die sich insbesondere aufgrund der Einkommensanrechnung bei der Ermittlung des anteiligen Anspruchs bei der Berechnung der Teilmonate ergeben würden, wirke die Antragstellung ab dem Beginn des Kalendermonats, mit dem 01.01.2006, zurück. Dem Kläger seien im Januar 2006 insgesamt 1.176,48 Euro zugeflossen. Der unstreitige Gesamtbedarf liege bei 1.450,82 Euro. Nach Abzug der Freibeträge, der Versicherungspauschale sowie der Werbekostenpauschale sei noch ein Erwerbseinkommen des Klägers in Höhe von 866,48 Euro und der Ehefrau in Höhe von 19,20 Euro sowie Kindergeld als Einkommen zu berücksichtigen.

Der Kläger hat am 24.08.2006 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Die nachträglichen Zahlungen seines Arbeitsgebers im Januar und Februar 2006 seien nicht zu berücksichtigen, da sie Lohnnachzahlungen für November und Dezember 2005 gewesen sein. Wegen des Ausbleibens des Arbeitsentgeltes für diese beiden Monate sei er gezwungen gewesen, sein Konto zu überziehen, weswegen die Nachzahlung des Arbeitgebers vorrangig zum Ausgleich seines Kontos einzusetzen sei. Das von der Beklagten angeführte Zuflussprinzip sei auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar, denn der Gesetzgeber könne die hierdurch eintretende doppelte Belastung des Leistungsempfängers nicht gewollt haben.

Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2007 als unbegründet abgewiesen. Als Einkommen seien nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld (Alg II - V) laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zuflössen. Dies gelte auch für Arbeitsentgelt (unter Hinweis auf Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2006 -L 7 AS 4269/95 -). Das Zuflussprinzip beruhe unter anderem darauf, dass die steuerfinanzierte Sozialleistung des Arbeitslosengeldes II - mit Ausnahme gegebenenfalls darlehensweiser Leistungen im Rahmen des § 23 SGB II - kein Mittel zur Schuldentilgung sei. Es sei Sache des Gehaltsempfängers, dafür zu sorgen, dass ihm das Einkommen jedenfalls in Höhe der über den Leistungssätzen des SGB II liegenden Pfändungsgrenzen des § 850 c Abs. 1 und 2 ZPO zur Verfügung stehe. Demnach sei auch das im Januar 2006 nachgezahlte Einkommen des Klägers aus dem Vorjahr als Einkommen zu berücksichtigen. Dem könne der Kläger nicht entgegen halten, dass es sich um Nachzahlungen von Arbeitsentgelt für vergangene Zeiten handele, welches zum eigentlich geschuldeten Zeitpunkt gefehlt habe und weswegen er sich in Form einer Kontoüberziehung verschuldet habe. Eine Abweichung vom Zuflussprinzip widerspreche dem Zweck des SGB II, den Lebensunterhalt von Lebensbedürftigen für die Zeit ab Antragstellung zu sichern. Nur die zu diesem Zeitpunkt bestehende Einkommens- und Vermögenslage sei für die Frage der Hilfebedürftigkeit zu beachten. Soweit der Kläger in der Zeit, als ihm der Lohn nicht gezahlt worden sei, die Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II erfüllte, hätte dieser eventuell ergänzend Leistungen wegen Hilfebedürftigkeit beantragen können. Auch die Höhe der Anrechnung sei nicht zu beanstanden. Wegen der Berechnung sowie der Berücksichtigung des Einkommens der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verwies das SG im Übrigen auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid. Der Gerichtsbescheid wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 16.02.2007 zugestellt.

Die Bevollmächtigen des Klägers haben am 14.03.2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG verkenne ebenso wie die Beklagte die besondere Konstellation sowie die besondere Chronologie der maßgeblichen Vorgänge. Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass die steuerfinanzierte Sozialleistung des Arbeitslosengeldes II kein Mittel zur allgemeinen Schuldentilgung (mit Ausnahme des § 21 SGB II) sein solle. Die weiteren Ausführungen des SG seien jedoch wenig überzeugend und darüber hinaus gänzlich praxisfremd. Denn das dem Kläger nachträglich zugeflossene Gehalt sei gerade nicht zur allgemeinen Schuldentilgung eingesetzt worden, sondern gerade zur Tilgung der in den Monaten November und Dezember wegen der fehlenden Gehaltszahlung entstandenen Schulden. Die entstandenen Schulden entsprächen damit quasi eins zu eins den vorenthaltenen Arbeitgeberzahlungen. Unklar sei auch, inwiefern der Kläger dafür hätte Sorge tragen können, sein Gehalt rechtzeitig zu erhalten. Bei einem Arbeitnehmer erfolge die ganze Abrechnung und Gehaltsauszahlung am jeweiligen Monatsende. Dem Kläger sei von seinem Arbeitgeber mitgeteilt worden, dass ein vorübergehender finanzieller Engpass vorliege, wobei jedoch ein baldiger Ausgleich zugesichert worden sei. Das Gleiche habe sich Ende Dezember 2005 ereignet. Praxisfremd sei die Entscheidung des SG insoweit daher, weil der Kläger vor seiner überraschenden Kündigung zum 16.01.2006 keine Veranlassung gesehen habe, zu einem früheren Zeitpunkt Leistungen nach dem SGB II zu beantragen. Hätte er dies getan, wäre er voraussichtlich auch von der Beklagten an das Arbeitsgericht zur Geltendmachung seiner Gehaltsrückstände verwiesen worden.

Die Kläger beantragen, teils sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13.02.2007 aufzuheben und die Beklagten unter Abänderung ihrer Bescheide vom 08.02.2006, 30.03.2006 und 02.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 09.08.2006 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.01.2006 Leistungen nach dem SGB II ohne die Anrechnung des im Januar 2006 nachgezahlten Arbeitsentgelts des früheren Arbeitgebers des Klägers zu Ziff. 1 aus dem Vorjahr zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für rechtmäßig.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Kläger zu den Ziffern 1. bis 3. als gemeinsame Kläger gegen die streitgegenständlichen Bescheide anzusehen sind. Die Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II, für die der Kläger zu 1. nach § 38 SGB II die Berechtigung besitzt, Leistungen zu verlangen. Im Hinblick auf die besonderen Probleme, die mit der Bedarfsgemeinschaft des SGB II verbunden sind, ist zudem hinsichtlich der subjektiven Klagehäufung eine großzügige Auslegung für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 erforderlich gewesen. Für eine gesetzliche Prozessstandschaft ist kein Raum und bei den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich auch nicht um Gesamtgläubiger iS des § 428 BGB, weil sie nicht berechtigt sind, als Gläubiger aller Forderungen die gesamten Leistungen an sich zu verlangen; vielmehr ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber eigener Ansprüche. Unhaltbar ist auch die Annahme einer Prozessstandschaft in Verbindung mit einer Gesamtgläubigerschaft (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -). Für eine Übergangszeit bis 30.06.2007 waren daher Anträge im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie Urteile, die eine Bedarfsgemeinschaft betreffen, großzügig auszulegen; im Zweifel ist von Anträgen aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder, vertreten durch eines der Mitglieder, und von Entscheidungen über die Ansprüche aller Mitglieder auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -); die Frist des 30.06.2007 ist vorliegend weiterhin anzuwenden, weil im Berufungsverfahren Vorgänge zu beurteilen sind, die noch unter dieser Frist stattgefunden haben.

Die Berufung ist zulässig, denn die Kläger begehren Geldleistungen in Höhe von mehr als 500 Euro, § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen nach dem SGB II für den Monat Januar 2006. Nur hierüber hat das SG aufgrund der insoweit eingeschränkten Anträge der Kläger (vgl. den Klageschriftsatz vom 22.08.2006) entschieden.

Insoweit sind mit der Klage und Berufung die Bescheide vom 03.03.2006 und vom 02.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2006 angegriffen. Unschädlich für das Begehren des Klägers ist es, dass er nicht bereits dem Hinweisschreiben der Beklagten vom 08.02.2006, in welchem eine Anrechnung des noch ausstehenden Arbeitsentgelts angekündigt wird, widersprochen hat. Denn insofern liegt insofern ausdrücklich noch keine Regelung, sondern lediglich das Inaussichtstellen einer Regelung vor. Da eine Anrechnung insoweit noch nicht vorgenommen war, war der Kläger nicht gehalten, insofern bereits einen Widerspruch einzulegen. Der einzige Regelungsgehalt dieses Schreibens bezieht sich auf einen von der Beklagten beanspruchten Anspruchsübergang nach § 115 SGB X. Insofern hat sich der Bescheid allerdings erledigt, weil der Arbeitgeber des Klägers zu Ziff. 1 die ausstehenden Gehaltsbestandteile zu einem Zeitpunkt an den Kläger überwiesen hat, als diese noch nicht den Bewilligungszeitraum von Arbeitslosengeld II (zum damaligen Zeitpunkt ab dem 18.01.2006) betrafen, weswegen ein Anspruchsübergang nach § 115 SGB X nicht stattgefunden hat.

Zwar wird durch die Einschränkungen in dem angefochtenen Bescheid vom 03.03.2006 die Berufungssumme von 500 EUR nicht erreicht, doch durch den teilweise begünstigenden Bescheid vom 02.08.2006, mit dem der Anspruchszeitraum auf den gesamten Monat Januar 2006 ausgedehnt worden und die Gesamtleistung auf 493,27 Euro festgesetzt worden ist, ist die Beschwer erstmalig auf über 500 EUR angestiegen (vgl. den ersten Bescheid vom 08.02.2006, wonach der Bedarf im Februar 2006 genau 1.296,82 Euro betrug).

Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid die einschlägigen Rechtsgrundlagen benannt und auch zu Recht auf die dem Grunde nach zutreffenden und unstreitigen Berechnungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 09.08.2006 Bezug genommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Nach § 11 Abs. 1 SGB II in der im Januar 2006 geltenden Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz; der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen, was auch für das Kindergeld für minderjährige Kinder gilt, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird.

§ 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-VO) in der Fassung vom Januar 2006 sieht vor, dass laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen. Einmalige Einnahmen sind demgegenüber nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Abweichend von Abs. 3 Satz 1 ist nach Satz 2 eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, nach Abs. 2 Satz 3 auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen.

Die Anrechnung von Vermögen ist demgegenüber in § 12 Abs. 1 und 2 SGB II geregelt, wonach wesentlich andere und dem Antragsteller teils günstigere Regelungen gelten. Als Vermögen sind nach Abs. 1 alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, wobei verschiedene Gegenstände nach Abs. 2 vom Vermögen abzusetzen sind. Insbesondere der Freibetrag nach Abs. 2 Nr. 4 für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen würde vorliegend dazu führen, dass das nachträglich gezahlte Einkommen nicht anrechenbar wäre.

Insofern ist bereits fraglich, ob es sich bei dem erst nachträglich erfüllten Gehaltsanspruch um Einkommen oder Vermögen handelte (vgl. Brühl m.w.N. in LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 11 Rdnr. 9 zum Stichwort "Nachzahlungen", der vorliegend für die Annahme von Vermögen plädiert). Für die Differenzierung von Vermögen und Einkommen bei der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II sind die aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zur Bestimmung des sozialhilferechtlichen Einkommens) und des Bundessozialgerichts (zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen im Rahmen der Arbeitslosenhilfe) entwickelten Grundsätze übertragbar. Danach ist unter Einkommen das zu verstehen, was der Hilfebedürftige während eines Zahlungszeitraumes wertmäßig dazu erhält, Vermögen das, was er zu Beginn eines Zahlungszeitraumes bereits hat ("Zuflusstheorie") (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2007 - L 8 AS 1219/07 -).

Vorliegend ist davon auszugehen, dass wegen des Zuflusses des nachträglich gezahlten Arbeitsentgeltes im (ursprünglich erst ab dem 18.01.2006 beginnenden) Leistungszeitraum grundsätzlich Einkommen und nicht Vermögen vorliegt. Es könnte deswegen jedoch fraglich sein, ob die Beklagte das Einkommen nach Abs. 2 Satz 3 Alg II-VO nicht gehalten gewesen wäre, insofern nicht von laufendem Einkommen, sondern von einmaligem Einkommen auszugehen, was nach Abs. 2 Satz 3 Alg II-VO im Regelfall zu einer Aufteilung auf einen angemessenen Zeitraum und zum Ansetzen monatlicher Teilbetrag führt (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2007 - L 7 AS 5695/06 -).

Die Frage kann indes offengelassen werden, da nach Auffassung des Senats eine Anrechnung von Einkommen nicht erfolgen darf, was maßgeblich an der negativen Vermögenssituation der Kläger im Dezember 2005 und Januar 2006 liegt. Das Girokonto der Kläger befand sich am 31.01.2006 noch in einem Soll von 1.078,70 Euro. Da die Kläger im Dezember 2005 und - jedenfalls zeitnah - auch bis zum 18.01.2006 keine Leistungen der Beklagten erhalten hatten, mussten sie ihr Girokonto überziehen oder jedenfalls mit dem Ausgleich ihres Girokontos zuwarten. Die insoweit gegenüber ihrer Bank entstandenen Verpflichtungen entsprechen bei wirtschaftlicher Betrachtung spiegelbildlich dem ausgebliebenen Arbeitsentgelt und wären ohne dieses nicht entstanden. Der Beklagten ist es daher verwehrt, eine Anrechnung von Leistungen unterhalb dieses Betrags vorzunehmen.

Die Entscheidung des SG entspricht zwar der grundsätzlichen Rechtsprechung des BSG zum Zuflussprinzip bei der rückwirkenden Gewährung von anrechnungsfähigen Leistungen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 06.11.1985 - 10 RKg 3/84 -; BSG, Urteil vom 05.06.2003 - B 11 AL 70/02 R -). Auch Einkommen, das regelmäßig erst zum Ende eines Kalendermonats zufließt, ist grundsätzlich nur als Einkommen des Kalendermonats anzurechnen, in dem es tatsächlich zugeflossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.04.2004 - 5 C 68/03, 5 C 68/03 (5 PKH 3/04) -).

Jedoch ist zu fragen, wie der Kläger zu Ziff. 1 sich in seiner Situation richtig hätte verhalten sollen: Hätte er vor dem 18.01.2006 Arbeitslosengeld II beantragt, hätte man ihm entgegen gehalten, dass er sich in einem Arbeitsverhältnis befindet, nicht verfügbar ist und er beim Arbeitsgericht Rechtsschutz erhalten kann; bei dem erwartungsgemäß später gestellten Antrag wird ihm nun die Nachzahlung des Arbeitgebers entgegen gehalten, die er aber in keiner Weise - jedenfalls ist dies anzunehmen - verschuldet hat. Dies erscheint unbillig, weswegen zu fragen ist, ob das Prinzip der aktuellen Bedarfssicherung des SGB II jedenfalls dann eine Korrektur erhalten muss, wenn Schulden aus der Zeit kurz vor dem Leistungsbezug in den Leistungsbezug hineinragen, die wegen fehlenden Arbeitseinkommens entstanden sind; eine Anrechnung des Arbeitseinkommens, welches den Lebensunterhalt im Dezember sichern sollte, würde vorliegend dazu führen, dass den Klägern das Arbeitsentgelt ein zweites Mal vorenthalten wird, denn aus dem vorübergehenden Einkommensausfall im Dezember wird durch die Anrechnung im Januar ein definitiver Einkommensausfall, da das Einkommen nicht mehr zum Ausgleich des Girokontos eingesetzt werden kann.

So wie bei der Arbeitslosenhilfe in bestimmten Fällen Schulden berücksichtigt werden mussten (vgl. Ebsen in Gagel, SGB III, Stand Juli 1999, § 193 Rdnrn. 115 ff.), ist daher nach Auffassung des Senats zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse in Fällen wie dem vorliegenden eine Korrektur erforderlich. Wie in den bei Ebsen (a.a.O.) geschildertem Beispielen war vorliegend der Erwerb des Anspruchs auf Arbeitsengelt für den Monat Dezember 2005 unmittelbar mit der Existenz des negativen Saldos des Girokontos im Zeitraum Dezember 2005/Januar 2006 verbunden. Insofern erscheint es als richtiger Ansatzpunkt, den Zufluss von Einkommen nach § 11 SGB II in der Höhe des negativen Saldos des Girokontos abzulehnen, weil das Einkommen bei dem Eintreffen auf dem Girokonto der Kläger sofort verrechnet wurde. Eine tatsächliche Einnahme als Voraussetzung für das Vorliegen anrechenbaren Einkommens hat es daher nicht gegeben, sondern lediglich eine Reduzierung von Schulden.

Dieser Gedanke erscheint auch deswegen zutreffend, weil aufgrund der Verrechnung eine Bestreitung des Lebensunterhalts bzw. die vom SGB II bezweckte Existenzsicherung nicht möglich war. Es verbietet sich aber, nach dem SGB II Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes dort zu berücksichtigen, die nachweislich hierfür gar nicht vorhanden waren. Die nachgezahlten Gehaltsbestandteile waren insofern für den Kläger zu Ziff. 1 und seine Bank nichts weiteres als Verrechnungsposten, die den Klägern nie zur Lebensführung zur Verfügung standen. Da eine anderweitige Existenzsicherung nicht existierte, konnte insofern auch keine fiktive Berücksichtigung von Einkommen vorgenommen werden.

Es wäre auch der Anspruch auf Arbeitslosengeld II in Fällen wie dem vorliegenden von Zufälligkeiten abhängig, ob ein Anspruch auf diese Leistung besteht, insbesondere durch den vom Antragsteller in der Regel nicht beeinflussbaren Zeitpunkt, zu dem er sein Arbeitsentgelt erhält. Die strikte Anwendung des Zuflussprinzips in Konstellationen der vorliegenden Art würde daher auch erheblich Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) hervorrufen, weil die Leistungsempfänger, deren Gehalt vor Antragstellung bzw. vor Beginn des Zahlungszeitraums zufließt und die diesen Zufluss verwenden, um (Schon-) Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 2 SGB II ansparen, wesentlich höhere Schonbeträge für sich reklamieren können (anderer Auffassung LSG Nordrhein Westfalen, Beschluss vom 22.11.2006 - L 1 B 40/05 AS - mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 19.02.2001 - Az.: 5 C 4/00 -). Zwar ist einzuräumen, dass - generell gesprochen - der Einsatz von Einkommen zur Schuldentilgung im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes grundsätzlich nicht zum Vorteil des Hilfesuchenden berücksichtigt werden darf (LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Andererseits beabsichtigt das SGB II auch keine Doppelbestrafung von Antragstellern, die ohne ihr Zutun ihr Gehalt verspätet erhalten und nur deswegen Schuldverpflichtungen eingehen. In solchen Fällen liegt keine freie Disposition des Antragstellers mehr vor, bestehende Schulden zu tilgen, sondern eine Kette von Zwangsläufigkeiten, welcher der Antragsteller nicht entkommen kann: Zur Bestreitung seines Lebensunterhalts muss er Schulden machen; als das Arbeitsentgelt schließlich auf seinem Konto eingeht, kann er es immer noch nicht frei verwenden, denn es wird mit seinen Schulden auf dem Dispokonto verrechnet.

Zwar ist es nicht Aufgabe des SGB II, Schulden des Antragstellers zu begleichen, sondern seinen Lebensunterhalt abzusichern (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.02.2007 - L 13 AS 6118/06 ER-B -). Anderes muss aber in dem Ausnahmefall gelten, wenn diese Schulden gerade zur Absicherung des Lebensunterhalts in einer Zeit eingegangen worden sind, in der kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestand, wenn die zur Bestreitung des Lebensunterhalts ursprünglich gedachte Leistung im Nachhinein auf die Begleichung dieser Schulden verwendet wird.

Ein grundsätzlicher Widerspruch zu den oben zitierten Entscheidungen des BSG ist nach Auffassung des Senats nicht gegeben, weil die vom BSG vertretene Zuflusstheorie, die im Übrigen in § 2 Alg II-VO einen gesetzlichen Niederschlag und eine auch Detailfragen regelnde Ausprägung gefunden hat, jedenfalls bei die Existenz sichernden Leistungen auch den Zufluss von Leistungen, welche die Sicherung der Existenz auch tatsächlich ermöglichen, voraussetzt. Die bloße Reduzierung eines Schuldenstandes auf einem Girokonto ist hierfür nicht ausreichend, jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - der Schuldenstand maßgeblich durch die zunächst ausgebliebene Leistung eines Dritten bedingt ist, die im Nachhinein angerechnet werden soll.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es auf den vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum Januar 2006 schon nach der konventionellen Lesart von § 2 Alg II-VO keinen Einfluss hat, wenn der Kläger zu Ziff. 1 aus dem vor dem Arbeitsgericht am 06.04.2006 geschlossenen Vergleich nachträglich weitere Einnahmen erhalten haben sollte.

Schließlich ist der von der Beklagten bereits mit dem Hinweis auf § 115 SGB X erwähnte Anspruchsübergang auch nach der Spezialregelung in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht eingetreten. Haben Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht nach dieser Vorschrift der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach dem SGB II über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. Dem Wortlaut nach könnte die Vorschrift zwar vorliegend als einschlägig angesehen werden.

Da § 33 SGB II der Durchsetzung des Nachranggrundsatzes der §§ 2 Abs. 1, 5 und 9 SGB II dient, kommt es jedoch maßgeblich darauf an, dass der Anspruch gegen den anderen im Zeitpunkt des Hilfebezugs fällig und seinem Gegenstand nach geeignet sein muss, die Notlage abzuwenden. Deshalb sind auch in der Vergangenheit entstandene Ansprüche überleitungsfähig, wenn und soweit sie im Zeitpunkt der Hilfegewährung noch nicht erfüllt sind (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.2008 - L 7 AS 5846/07 ER-B -). Als die Beklagte indes erstmalig mit Bescheid vom 02.08.2006 den Bewilligungszeitraum auf die Zeit vom 01. bis zum 17.01.2006 erstreckte, war der Anspruch auf nachträglich zu zahlendes Arbeitsentgelt bereits erfüllt, weswegen mit dem Bescheid vom 02.08.2006 kein Anspruchsübergang bewirkt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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