Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 2622/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2824/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Grad der Behinderung (GdB) des Klägers bereits am 16.11.2000 mindestens 50 betragen hat.
Das Versorgungsamt H. (VA) stellte bei dem am 14.01.1949 geborenen Kläger, der von Beruf Lehrer (ua für das Fach Sport) ist, mit Bescheid vom 08.09.1994 unter Berücksichtigung eines Wirbelsäulen- und Schulter-Arm-Syndroms und einer Retropatellarthrose sowie eines Stimmbandschadens, einer Pollinose und eines Bronchialsyndroms einen GdB von 20 fest. Den von ihm im Februar 1996 gestellten Neufeststellungsantrag lehnte das VA mit Bescheid vom 28.05.1996 ab.
Am 11.10.2001 beantragte der Kläger beim VA erneut die Erhöhung des GdB wegen inzwischen neu hinzugekommenen Gesundheitsstörungen. Er leide an einer chronischen Bronchitis und an einer Leukoplakie beider Stimmbänder und habe dadurch Sprachprobleme. Ferner lägen bei ihm ein Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom sowie Polyarthrosen vor. Es bestehe ein Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung. Er leide unter Schlafstörungen, Schweißausbrüchen und Unruhe. Zudem erwähnte er eine Fettleber-Hepatitis und eine Schwerhörigkeit. Das VA holte von dem HNO-Arzt Dr. K., dem Chirurgen Dr. H., dem Orthopäden Dr. W. und dem Internisten Dr. E. Befundberichte ein, denen weitere ärztliche Unterlagen beigefügt waren. Dr. K. übersandte das Tonaudiogramm vom 10.07.2001 und Dr. H. berichtete am 15.01.2002 über die Behandlung des Klägers seit 14.08.1995. Er schilderte die Befunde im Bereich der rechten Schulter (bei Bewegung deutliche Krepitation; Abduktion bis 100 ° möglich), des linken Ellenbogens (Streckdefizit von 20 °; Unterarmdrehung eingeschränkt) und der Lendenwirbelsäule (erhebliche Degenerationen mit Höhenminderung und Abstützungsreaktion; Finger-Boden-Abstand 20 cm) und des linken Fußes (erhebliche Arthrose im Mittelfuß mit Absenkung des Fußquergewölbes; Notwendigkeit von Einlagen; Zehenstand nicht möglich). Dr. W. diagnostizierte am 21.01.2002 eine Enthesiopathie (krankhafte Veränderung am Sehnenansatz) der Rotatorenmanschette rechts (Abduktion bis 80 °), eine Arthrose des linken Ellenbogengelenkes mit Streckdefizit von 10 ° und ein chronisches Cervicalsyndrom mit Neuralgien der Nervenwurzel C5/6 und schmerzhafter Funktionseinschränkung. Dr. E. gab an, den Kläger seit März 1982 hausärztlich zu betreuen. Wegen rezidivierender Stimmbandleukoplakien (letzte Abtragung in Vollnarkose am 11.01.2002) sei es immer wieder zu stationären Behandlungen in der Universitäts-HNO-Klinik in H. gekommen. Es bestehe eine chronische Laryngitis und eine echte Präkancerose. Zudem liege seit Jahren bei Zustand nach Tympanoplastik 1994 eine Innenohrschwerhörigkeit beiderseits vor, die bei der letzten Kontrolle am 12.12.2001 gegenüber 1998 deutlich zugenommen habe. Im Jahre 2000 sei eine Psoriasis vulgaris aufgetreten, in deren Folge es in den letzten Monaten zunehmend zu multiplen Gelenkschmerzen gekommen sei. Der Rheumatologe Dr. G., H., habe im Februar 2002 eine HLA-B 27-pos. Spondylarthritis psoriatica mit peripherem Gelenkbefall diagnostiziert. Daraufhin sei eine MTX-Therapie eingeleitet worden. Der Kläger sei beruflich durch seine gesundheitliche Situation überfordert. Er leide unter ausgeprägten Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen. Dr. E. legte ua den Bericht der Universitäts-HNO-Klinik H. über den am 11.01.2002 wegen der Diagnose Larynxleukoplakien erfolgten ambulanten Eingriff sowie die Behandlungsberichte von Dr. W. vom 20.12.2001 und Dr. G. vom 10.02.2002 bei. In Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen wurde in der eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme ein GdB von insgesamt 70 vorgeschlagen. Berücksichtigt wurden hierbei eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, ein Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 30), eine Heiserkeit, eine Allergie und eine chronische Bronchitis (Teil-GdB 20), ein Schulter-Arm-Syndrom, Funktionsbehinderungen des rechten Schultergelenkes, eine Funktionsbehinderung des linken Ellenbogengelenks (Teil-GdB 20), eine Funktionsstörung durch linksseitige Fußfehlform und Arthrose, eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 20), eine Depression (Teil-GdB 20) und eine beidseitige Schwerhörigkeit (Teil-GdB 20). Daraufhin erließ das VA am 16.05.2002 einen dieser versorgungsärztlichen Stellungnahme entsprechenden Neufeststellungsbescheid (GdB 70 seit 11.10.2001).
Am 26.11.2003 stellte der Kläger beim VA den Antrag, bereits ab 16.11.2000 einen GdB von 70 festzustellen. Die für den GdB von 70 maßgebenden Erkrankungen hätten praktisch alle schon vor dem 16.11.2000 bestanden. Sein Anliegen sei es, in vorzeitigen Ruhestand gehen zu können. In der hierzu eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde die Auffassung vertreten, der GdB betrage erst seit 11.10.2001 70; ab 16.11.2000 habe er lediglich 40 betragen. Die Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule bedingten erst seit Februar 2002 (Bericht Dr. G. vom 10.02.2002) einen GdB von 30 (zuvor nur 20). Die Heiserkeit, die Allergie und die chronische Bronchitis seien seit März 2002 mit einem GdB von 20 und davor seit 1994 mit einem GdB von 10 zu bewerten. Dies gründe sich auf die Angaben von Dr. E. gegenüber dem VA vom März 2002. Ferner bedingten die Depression seit März 2002 und die beidseitige Schwerhörigkeit seit Juli 2001 jeweils einen GdB von 20. Auch hierfür wurden die Angaben von Dr. E. vom März 2002 und - soweit die Schwerhörigkeit betroffen ist - das von Dr. K. vorgelegten Tonaudiogramm vom 10.07.2001 zugrundegelegt. Daraufhin entschied das VA mit Bescheid vom 16.12.2003, dass der GdB vom 16.11.2000 bis 11.10.2001 40 betrage. Ab dem 16.11.2000 sei der Kläger noch nicht schwerbehindert gewesen.
Dagegen legte der Kläger am 22.12.2003 Widerspruch ein und machte geltend, die hier erfolgte Herabsetzung des GdB von 70 auf 40 sei ihm unbegreiflich. Die entsprechenden Erkrankungen hätten sich zwischenzeitlich verschlechtert, sodass von einer Verringerung des GdB keinesfalls die Rede sein könne. Der Kläger legte die Atteste bzw. Berichte von Dr. K. vom 23.12.2003, der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dr. Ke. vom 03.02.2004, von Prof. Dr. We. von der Universitäts-HNO-Klinik H. vom 20.01.2004 und von Dr. E. vom 18.03.2004 vor. Dr. K. berichtete über eine schon vor dem Jahr 2000 bestehende deutliche Hörminderung rechts bei Zustand nach Tympanoplastik rechts. Darüber hinaus habe beim Kläger eine chronische Laryngitis bei Zustand nach Stimmbandleukoplakieabtragung mit eingeschränkter Stimmbelastbarkeit vorgelegen. Dr. Dr. Ke. gab an, der Kläger habe sich erstmals am 02.02.2004 bei ihr vorgestellt. Als Diagnosen stellte sie Schlafstörungen und eine depressive Erschöpfung. Prof. Dr. We. von der Universitäts-HNO-Klinik H. bescheinigte, der Kläger stehe seit 1989 wegen Stimmbandleukoplakien beiderseits und seit 1993 wegen Schwerhörigkeit und Otitis media chronica epitympanalis rechts in Behandlung und seit 1995 in stationärer und ambulanter Kontrolle. Das Krankheitsbild weise bisher weder eine wesentliche Verschlechterung noch eine Verbesserung auf. Dr. E. bekundete, eine Besserung der beim Kläger vorliegenden Befunde sei in den letzten Jahren, insbesondere seit dem 16.11.2000, nicht zu verzeichnen gewesen. Danach holte das VA einen weiteren Befundbericht von Dr. K. ein. Dieser diagnostizierte unter Vorlage des Tonaudiogramms vom 01.03.2004 einen Zustand nach Tympanoplastik rechts, eine gering- bis mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit kombiniert mit einer geringen Schallleitung rechts bei annähernder Normalhörigkeit links. Es sei wiederholt zu rezidivierenden Otitiden gekommen, die konservativ beherrschbar gewesen seien. Eine Einschränkung sei vor allem in der verminderten Stimmbelastbarkeit, dem Risiko einer malignen Entartung und in der Hörminderung zu sehen. Nach Beiziehung des Tonaudiogramms vom 25.11.1999 und Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme zu den vorliegenden ärztlichen Unterlagen wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2004 zurück. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers bedingten erst ab 11.10.2001 einen GdB von 70. Davor sei ein GdB von 40 anzunehmen. Die Schwerhörigkeit des Klägers habe im Jahr 2000 noch keinen GdB von wenigstens 10 verursacht.
Am 27.08.2004 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der er einen GdB von 70 bereits seit 16.11.2000 geltend machte und dies in erster Linie mit dem einen GdB von 70 seit 11.10.2001 feststellenden Bescheid des Beklagten vom 11.10.2001 begründete. Der Beklagte habe auch zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass er an einer depressiven Erkrankung leide, die eindeutig schon vor dem 16.11.2000 vorgelegen habe. Ferner legte der Kläger die ärztliche Bescheinigung von Dr. W. vom 11.11.1993 und einen vom 15.11.1993 stammenden Kurbericht vor. Diese machten deutlich, dass er bereits zu jenem Zeitpunkt unter verschiedenen chronischen Erkrankungen gelitten habe. Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.01.2005 geltend, ein höherer GdB als 40 sei für den streitigen Zeitraum weiterhin nicht nachgewiesen.
Das SG hörte Dr. E. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser schilderte am 29.09.2004 den Krankheits- und Behandlungsverlauf, insbesondere seit 1989, und gab an, die seit einer Tympanoplastik 1994 bestehende Innenohrschwerhörigkeit beiderseits habe im Laufe der Jahre kontinuierlich zugenommen. Eine ausgeprägte Hörminderung habe schon lange vor dem 16.11.2000 bestanden. Bei im Jahre 2000 aufgetretener Psoriasis vulgaris sei es in den letzten Jahren zunehmend zu multiplen Gelenkschmerzen gekommen. Der Rheumatologe Dr. G. habe im Februar 2002 eine HLA-B 27-positive Spondylarthritis psoriatica mit peripherem Gelenkbefall diagnostiziert. Es sei damals eine immunsupressorische Therapie mit Methotrexat eingeleitet worden. Der Kläger sei in seinem Beruf als Lehrer aufgrund seiner gesundheitlichen Situation überfordert. Er leide unter ausgeprägten Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen. Sämtliche grundsätzlich chronischen Erkrankungen des Klägers zeigten naturgemäß im Laufe der Jahre eine kontinuierliche Verschlechterungstendenz. Im Hinblick auf das Gesamtzustandsbild und die über Jahre chronische Entwicklung der Erkrankungen sei es aus ärztlicher Sicht nicht nachvollziehbar, dass sich der GdB innerhalb von nur elf Monaten von 40 auf 70 erhöht haben soll. Seines Erachtens habe ein GdB von 70 schon mindestens ein Jahr vorher bestanden. Hierzu legte Dr. E. verschiedene ärztliche Unterlagen aus den Jahren 2001 bis 2004 vor. Erneut vom SG befragt, führte Dr. E. am 14.03.2005 noch aus, durch die beschriebenen chronischen gesundheitlichen Probleme und multiplen Beschwerden sei es in den letzten Jahren - phasenweise mehr oder weniger im Vordergrund stehend - zu depressiven Verstimmungen (depressive Psychoreaktion) mit Schlafstörungen, allgemeiner Herabgestimmtheit sowie Überforderungs- und Erschöpfungssymptomatik gekommen. Von dem Vollbild einer endogenen Depression könne jedoch nach seiner Einschätzung nicht die Rede sein, weshalb sich auch über die Jahre nicht die Notwendigkeit ergeben habe, den Kläger zu einer fachärztlich-psychiatrischen Behandlung zu überweisen. Frau Dr. Dr. Ke. habe schließlich am 03.02.2004 ebenfalls lediglich Schlafstörungen und eine depressive Erschöpfungssymptomatik diagnostiziert.
Mit Urteil vom 02.06.2005 wies das SG die Klage ab. Unter Anwendung des § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) verneinte es einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines GdB von 70 schon für die Zeit vor dem 16.11.2000. Der bindende Bescheid des Beklagten vom 16.05.2002 sei nicht rechtswidrig. Auf psychischem Gebiet nahm das SG eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit an, die mangels kaum aussagekräftiger Befundunterlagen für den fraglichen Zeitraum, also vor bzw ab dem 16.11.2000, allenfalls mit einem GdB von 30 bewertet werden könne. Hinzu käme ein GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden des Klägers und ein GdB von 20 für die Heiserkeit und die Erkrankung der Stimmbänder. Die Beeinträchtigungen im Bereich der Schulter bzw. des Ellenbogengelenkes bedingten ebenso einen GdB von 20 wie die Hörstörung. Ob für die Fußfehlform und die Beeinträchtigung beider Kniegelenke ein GdB von 20 anzusetzen sei, könne mangels entsprechender ärztlicher Unterlagen nicht gesagt werden. Zusammenfassend ergebe sich aus den aktenkundigen Befundunterlagen nicht, dass schon vor dem 16.11.2000 ein so gravierender Behinderungszustand vorgelegen habe, dass ein Gesamt-GdB von wenigstens 50 oder gar 70 anzunehmen sei.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 10.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.07.2005 (Montag) Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Ein GdB von 70 habe bereits vor dem 16.11.2000 vorgelegen. Seine vom Beklagten bereits anerkannten Funktionsstörungen seien chronischer Natur und hätten sich daher nicht kurzfristig entwickeln können. Hierzu hat der Kläger das ärztliche Attest von Dr. E. vom 18.07.2005 vorgelegt, in dem die vorliegenden Funktionsstörungen aufgeführt sind und es ferner heißt, aus ärztlicher Sicht sei es einfach nicht begründbar, dass am 16.11.2000 ein GdB von 40 gerecht und angemessen gewesen sein könne, wenn ein knappes Jahr später (ab dem 11.10.2001) ein GdB von 70 anzuerkennen sei. Zudem hat der Kläger das Attest von Dr. E. vom 19.07.2006 übersandt, wonach der Kläger seit etwa neun bis zehn Jahren an einer Psoriasis leide und in den letzten Jahren bei zunehmenden multiplen Gelenkbeschwerden Verdacht auf Psoriasisarthritis bestehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Juni 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 16. Mai 2002 einen GdB von 70 bereits ab dem 16. November 2000 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und geht weiterhin von einem GdB von 40 für die Zeit vor dem 16.11.2000 aus. Der Beklagte legt hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wolf vom 12.10.2007 vor.
Der Senat hat Dr. G. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 29.08.2006 angegeben, der Kläger sei von ihm lediglich am 24.01. und 07.02.2002 behandelt worden. Als Diagnosen habe er seinerzeit eine beginnende HLA-B 27-positive Spondylarthritis psoriatica mit peripherer Gelenkbeteiligung und eine Psoriasis vulgaris gestellt. Eine Kollagenose habe er ausgeschlossen. Über den jetzigen Zustand könne er keine Angaben machen. Ihm sei nicht bekannt, ob die damalige Gelenkentzündung des linken Ellenbogens später chronisch geworden sei. Ihm sei auch nicht bekannt, ob die von ihm vorgeschlagene immunsupressive Therapie mit Methrotrexat durchgeführt worden sei. Ferner hat der Senat die der Universitäts-HNO-Klinik H. über den Kläger seit 1989 vorliegenden Untersuchungs- und Behandlungsberichte beigezogen. Daraus geht hervor, dass sich der Kläger dort seit März 1989 wegen beiderseitiger Stimmbandleukoplakien und einer chronischen Laryngitis (Kehlkopfentzündung) sowie seit 1993 wegen einer Hörminderung rechts (einschließlich einer im September 1994 wegen eines Trommelfelldefekts durchgeführten Ohroperation) in ambulanter und auch stationärer Behandlung befunden hat. Als Diagnosen wurden zum Teil eine einfache Leukoplakie der Stimmbänder (15.03.1989, 18.01.2002) als auch Leukoplakien mit ausgeprägter Plattenepithelhyperplasie (04.05.1993) bzw. eine deutliche Zunahme der Stimmbandleukoplakien (13.12.2001) angegeben. Am 11.01.2002 wurde beim Kläger die direkte Laryngoskopie mit Abtragung der Stimmbandleukoplakien durchgeführt. Im Untersuchungsbericht der Universitäts-HNO-Klinik H. vom 13.12.2001 heißt es, es bestehe rechts eine tonaudiometrisch nachgewiesene mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit, links ebenso, die vergleichsweise zu 1998 deutlich zugenommen habe. Die Tonaudiogramme vom 16.12.1998 und 12.12.2001 belegten dies.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet. Der Beklagte hat in seinem Bescheid vom 16.12.2003 zutreffend festgestellt, dass der GdB des Klägers in der Zeit vom 16.11.2000 bis zum 11.10.2001 40 betrug.
Als Rechtsgrundlage für die Neufestsetzung des GdB im streitigen Zeitraum vom 16.11.2000 bis zum 11.10.2001 kommt entweder § 44 SGB X (Abänderung des Bescheides vom 16.05.2002, weil darin ein höherer GdB erst ab dem 11.10.2001 und nicht auch für die Zeit davor festgestellt wurde) oder § 48 SGB X (Abänderung des Bescheides vom 08.09.1994 wegen Verschlimmerung im Gesundheitszustand ab 16.11.2000) in Betracht. Welche dieser Rechtsgrundlagen eingreift, kann letztlich dahingestellt bleiben. In beiden Fällen wäre Voraussetzung für einen Erfolg der Klage, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers bereits ab dem 16.11.2000 so verschlimmert hatte, dass der GdB hierfür mindestens 50 beträgt. Dies ist aber nicht der Fall. Deshalb kann auch offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen eine rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft überhaupt in Betracht kommt (vgl. hierzu SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 09.12.2004, S 7 SB 340/03, zitiert nach juris). In Übereinstimmung mit der Auffassung des SG gelangt auch der Senat zu der Überzeugung, dass der GdB des Klägers in der Zeit vom 16.11.2000 bis zum 11.10.2001 nicht mehr als 40 betragen hat.
Das Wirbelsäulenleiden rechtfertigt einen Teil-GdB von 30. Nach dem Befundbericht des Dr. E. vom März 2002 (Bl. 47 der Verwaltungsakte) bestanden damals beim Kläger bereits fortgeschrittene degenerative Veränderungen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich, wobei sich die Erkrankungen der Lendenwirbelsäule in einem peripheren Wurzelreizsyndrom manifestierten. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AHP) rechtfertigen mittelgradige funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20 (AHP Kapitel 26.18) und mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Abschnitten einen GdB von 30 bis 40. Aufgrund der Tatsache, dass sich keinem der vorliegenden Arztbriefe Hinweise auf schwere Funktionsstörungen der Wirbelsäule (zB größere neurologische Defizite) entnehmen lassen, hält der Senat die Entscheidung des Beklagten und des SG, einen Teil-GdB von 30 anzunehmen, für zutreffend.
Die ebenfalls in dem Arztbrief von Dr. E. beschriebenen Schulterbeschwerden rechts bedingen seit etwa 1995 einen Teil-GdB von 20. Nach dem Befundbericht des Chirurgen Dr. H. vom 15.01.2002 (Bl. 43 der Verwaltungsakte) zeigte eine Röntgenuntersuchung der rechten Schulter erhebliche Degenerationen mit Gelenkspaltverschmälerungen und Verkalkungen. Die Abduktion (Abspreizen) war Anfang 2002 bis 100° möglich. Der Orthopäde Dr. W. berichtet im Schreiben vom 21.01.2002 (Bl. 45 der Verwaltungsakte) davon, dass eine aktive Anhebung des Armes lediglich bis 80° möglich ist. Da aus diesen Berichten aus dem Jahr 2002 nur bedingt Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Klägers im November 2000 gezogen werden können und eine Auskunft über den Gesundheitszustand des Klägers Ende 2000 nicht hat eingeholt werden können, weil der Kläger damals gar nicht in ärztlicher Behandlung war, hält der Senat einen GdB von 20 für angemessen. Denn nach den AHP (aaO) ist bei einer Bewegungseinschränkung des Schultergelenks, bei der der Arm nur um 90° zu erheben ist, ein GdB von 20 angebracht.
Beim Kläger mussten seit 1989 immer wieder Leukoplakien (weiße, nicht abwischbare Areale der Schleimhaut) auf den Stimmbändern abgetragen werden. Die histologischen Untersuchungen ergaben aber keinen Anhalt für Malignität oder eine Entzündung. Es handelte sich um einfache Leukoplakien (vgl. Bericht des Pathologischen Institut der Universität H. vom 18.01.2002, Bl. 84 der LSG-Akte). Die mit dem Auftreten der Leukoplakien verbundene Heiserkeit führt zu einem GdB von höchstens 20 (AHP Kap. 26.7), da eine dauerhafte funktionelle oder organische Stimmstörung nicht belegt ist. Der HNO-Arzt Dr. K. bescheinigte im Arztbrief vom 04.12.2001 (Bl. 30 der SG-Akte) lediglich eine Minderung der Stimmbelastbarkeit. Das Risiko, dass sich aus diesen Leukoplakien auch bösartige Veränderungen entwickeln könnten (Präkancerose), kann bei der Bemessung des GdB nicht berücksichtigt werden.
Aus diesen Funktionseinschränkungen lässt sich allenfalls ein Gesamt- GdB von 40 ableiten. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Die AHP führen hierzu aus, dass eine Addition von Einzel-GdB Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3). Da neben den Wirbelsäulenschäden mit einem Teil-GdB von 30 nur leichte Funktionseinschränkungen mit einem Teil-GdB von maximal je 20 vorliegen, kommt nur eine Anhebung des GdB von 30 auf 40, nicht aber auf einen höheren Wert in Betracht.
Die Übrigen beim Kläger heute vorhandenen Gesundheitsstörungen haben sich nach den aktenkundigen Unterlagen entweder erst später entwickelt oder erst zu einem späteren Zeitpunkt verstärkt, so dass sie eine Anhebung des GdB auf 70 erst ab Oktober 2001 rechtfertigen. So leidet der Kläger zB zwar seit längerem an einer Hörminderung. Diese bestand aber noch im Juli 2001 in Form einer geringgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits und machte zB eine Hörgeräteanpassung noch nicht erforderlich (Arztbrief Dr. K. vom 04.12.2001). Erst im Dezember 2001 lag dann eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit vor (Arztbrief der Universitätsklinik H. vom 13.12.2001 mit Tonaudiogramm vom 12.12.2001). Eine ähnliche Situation ergibt sich für die Bronchitis. Auch diese Erkrankung besteht seit längerem, doch wurde eine ausgeprägte indurative Bronchopathie mit einer Tendenz zur restriktiven Ventilationsstörung erstmals vom Internisten Dr. J. im Oktober 2001 festgestellt (Arztbrief Dr. J. vom 28.10.2001, Bl. 39f der SG-Akte). Auch die Diagnose einer beginnenden HLA-B27 positiven Spondylarthritis mit peripherer Gelenkbeteiligung wurde erst aufgrund einer am 24.01.2002 erfolgten Untersuchung durch den Internisten Dr. G. gestellt (Auskunft vom 29.08.2006, Bl. 54 der LSG-Akte). Eine depressive Erschöpfung wurde durch Dr. Dr. Ke., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, gar erstmals am 02.02.2004 festgestellt. Allein diese Aufzählung belegt aus Sicht des Senats, dass es etwa ab Mitte 2001 zu einer kontinuierlichen und z.T. auch erheblichen Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers gekommen ist. Damit korrespondiert der Umstand, dass der Kläger seinen Verschlimmerungsantrag am 11.10.2001 gestellt hat. Aus dem Gesundheitszustand wie er sich zu diesem Zeitpunkt dargestellt hat lassen sich deshalb keine Rückschlüsse auf das gesundheitliche Befinden vor diesem Zeitpunkt ziehen. Dies gilt erst recht für die Zeit Ende des Jahres 2000, da sich der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 15.06.2007 damals gar nicht in ärztlicher Behandlung befunden hat.
Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts ist nicht mehr geboten. Der Senat hat die verfügbaren medizinischen Unterlagen für den streitigen Zeitraum beigezogen und auswertet. Soweit im Zusammenhang mit der Auswertung der aktenkundigen Arztbriefe und Unterlagen noch Unklarheiten über das genaue Ausmaß der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen (zB exakte Maße der Gelenkbewegungen nach der Neutral-Null-Methode) in der Zeit von November 2000 bis Oktober 2001 bestehen sollten, liegt dies daran, dass klinische Befunde für den fraglichen Zeitraum im Nachhinein nicht mehr erhoben werden können. Daraus resultierende Schwierigkeiten bei der Bewertung der Beeinträchtigungen gehen nach dem im Sozialgerichtsverfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Grad der Behinderung (GdB) des Klägers bereits am 16.11.2000 mindestens 50 betragen hat.
Das Versorgungsamt H. (VA) stellte bei dem am 14.01.1949 geborenen Kläger, der von Beruf Lehrer (ua für das Fach Sport) ist, mit Bescheid vom 08.09.1994 unter Berücksichtigung eines Wirbelsäulen- und Schulter-Arm-Syndroms und einer Retropatellarthrose sowie eines Stimmbandschadens, einer Pollinose und eines Bronchialsyndroms einen GdB von 20 fest. Den von ihm im Februar 1996 gestellten Neufeststellungsantrag lehnte das VA mit Bescheid vom 28.05.1996 ab.
Am 11.10.2001 beantragte der Kläger beim VA erneut die Erhöhung des GdB wegen inzwischen neu hinzugekommenen Gesundheitsstörungen. Er leide an einer chronischen Bronchitis und an einer Leukoplakie beider Stimmbänder und habe dadurch Sprachprobleme. Ferner lägen bei ihm ein Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom sowie Polyarthrosen vor. Es bestehe ein Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung. Er leide unter Schlafstörungen, Schweißausbrüchen und Unruhe. Zudem erwähnte er eine Fettleber-Hepatitis und eine Schwerhörigkeit. Das VA holte von dem HNO-Arzt Dr. K., dem Chirurgen Dr. H., dem Orthopäden Dr. W. und dem Internisten Dr. E. Befundberichte ein, denen weitere ärztliche Unterlagen beigefügt waren. Dr. K. übersandte das Tonaudiogramm vom 10.07.2001 und Dr. H. berichtete am 15.01.2002 über die Behandlung des Klägers seit 14.08.1995. Er schilderte die Befunde im Bereich der rechten Schulter (bei Bewegung deutliche Krepitation; Abduktion bis 100 ° möglich), des linken Ellenbogens (Streckdefizit von 20 °; Unterarmdrehung eingeschränkt) und der Lendenwirbelsäule (erhebliche Degenerationen mit Höhenminderung und Abstützungsreaktion; Finger-Boden-Abstand 20 cm) und des linken Fußes (erhebliche Arthrose im Mittelfuß mit Absenkung des Fußquergewölbes; Notwendigkeit von Einlagen; Zehenstand nicht möglich). Dr. W. diagnostizierte am 21.01.2002 eine Enthesiopathie (krankhafte Veränderung am Sehnenansatz) der Rotatorenmanschette rechts (Abduktion bis 80 °), eine Arthrose des linken Ellenbogengelenkes mit Streckdefizit von 10 ° und ein chronisches Cervicalsyndrom mit Neuralgien der Nervenwurzel C5/6 und schmerzhafter Funktionseinschränkung. Dr. E. gab an, den Kläger seit März 1982 hausärztlich zu betreuen. Wegen rezidivierender Stimmbandleukoplakien (letzte Abtragung in Vollnarkose am 11.01.2002) sei es immer wieder zu stationären Behandlungen in der Universitäts-HNO-Klinik in H. gekommen. Es bestehe eine chronische Laryngitis und eine echte Präkancerose. Zudem liege seit Jahren bei Zustand nach Tympanoplastik 1994 eine Innenohrschwerhörigkeit beiderseits vor, die bei der letzten Kontrolle am 12.12.2001 gegenüber 1998 deutlich zugenommen habe. Im Jahre 2000 sei eine Psoriasis vulgaris aufgetreten, in deren Folge es in den letzten Monaten zunehmend zu multiplen Gelenkschmerzen gekommen sei. Der Rheumatologe Dr. G., H., habe im Februar 2002 eine HLA-B 27-pos. Spondylarthritis psoriatica mit peripherem Gelenkbefall diagnostiziert. Daraufhin sei eine MTX-Therapie eingeleitet worden. Der Kläger sei beruflich durch seine gesundheitliche Situation überfordert. Er leide unter ausgeprägten Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen. Dr. E. legte ua den Bericht der Universitäts-HNO-Klinik H. über den am 11.01.2002 wegen der Diagnose Larynxleukoplakien erfolgten ambulanten Eingriff sowie die Behandlungsberichte von Dr. W. vom 20.12.2001 und Dr. G. vom 10.02.2002 bei. In Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen wurde in der eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme ein GdB von insgesamt 70 vorgeschlagen. Berücksichtigt wurden hierbei eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, ein Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 30), eine Heiserkeit, eine Allergie und eine chronische Bronchitis (Teil-GdB 20), ein Schulter-Arm-Syndrom, Funktionsbehinderungen des rechten Schultergelenkes, eine Funktionsbehinderung des linken Ellenbogengelenks (Teil-GdB 20), eine Funktionsstörung durch linksseitige Fußfehlform und Arthrose, eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 20), eine Depression (Teil-GdB 20) und eine beidseitige Schwerhörigkeit (Teil-GdB 20). Daraufhin erließ das VA am 16.05.2002 einen dieser versorgungsärztlichen Stellungnahme entsprechenden Neufeststellungsbescheid (GdB 70 seit 11.10.2001).
Am 26.11.2003 stellte der Kläger beim VA den Antrag, bereits ab 16.11.2000 einen GdB von 70 festzustellen. Die für den GdB von 70 maßgebenden Erkrankungen hätten praktisch alle schon vor dem 16.11.2000 bestanden. Sein Anliegen sei es, in vorzeitigen Ruhestand gehen zu können. In der hierzu eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde die Auffassung vertreten, der GdB betrage erst seit 11.10.2001 70; ab 16.11.2000 habe er lediglich 40 betragen. Die Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule bedingten erst seit Februar 2002 (Bericht Dr. G. vom 10.02.2002) einen GdB von 30 (zuvor nur 20). Die Heiserkeit, die Allergie und die chronische Bronchitis seien seit März 2002 mit einem GdB von 20 und davor seit 1994 mit einem GdB von 10 zu bewerten. Dies gründe sich auf die Angaben von Dr. E. gegenüber dem VA vom März 2002. Ferner bedingten die Depression seit März 2002 und die beidseitige Schwerhörigkeit seit Juli 2001 jeweils einen GdB von 20. Auch hierfür wurden die Angaben von Dr. E. vom März 2002 und - soweit die Schwerhörigkeit betroffen ist - das von Dr. K. vorgelegten Tonaudiogramm vom 10.07.2001 zugrundegelegt. Daraufhin entschied das VA mit Bescheid vom 16.12.2003, dass der GdB vom 16.11.2000 bis 11.10.2001 40 betrage. Ab dem 16.11.2000 sei der Kläger noch nicht schwerbehindert gewesen.
Dagegen legte der Kläger am 22.12.2003 Widerspruch ein und machte geltend, die hier erfolgte Herabsetzung des GdB von 70 auf 40 sei ihm unbegreiflich. Die entsprechenden Erkrankungen hätten sich zwischenzeitlich verschlechtert, sodass von einer Verringerung des GdB keinesfalls die Rede sein könne. Der Kläger legte die Atteste bzw. Berichte von Dr. K. vom 23.12.2003, der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dr. Ke. vom 03.02.2004, von Prof. Dr. We. von der Universitäts-HNO-Klinik H. vom 20.01.2004 und von Dr. E. vom 18.03.2004 vor. Dr. K. berichtete über eine schon vor dem Jahr 2000 bestehende deutliche Hörminderung rechts bei Zustand nach Tympanoplastik rechts. Darüber hinaus habe beim Kläger eine chronische Laryngitis bei Zustand nach Stimmbandleukoplakieabtragung mit eingeschränkter Stimmbelastbarkeit vorgelegen. Dr. Dr. Ke. gab an, der Kläger habe sich erstmals am 02.02.2004 bei ihr vorgestellt. Als Diagnosen stellte sie Schlafstörungen und eine depressive Erschöpfung. Prof. Dr. We. von der Universitäts-HNO-Klinik H. bescheinigte, der Kläger stehe seit 1989 wegen Stimmbandleukoplakien beiderseits und seit 1993 wegen Schwerhörigkeit und Otitis media chronica epitympanalis rechts in Behandlung und seit 1995 in stationärer und ambulanter Kontrolle. Das Krankheitsbild weise bisher weder eine wesentliche Verschlechterung noch eine Verbesserung auf. Dr. E. bekundete, eine Besserung der beim Kläger vorliegenden Befunde sei in den letzten Jahren, insbesondere seit dem 16.11.2000, nicht zu verzeichnen gewesen. Danach holte das VA einen weiteren Befundbericht von Dr. K. ein. Dieser diagnostizierte unter Vorlage des Tonaudiogramms vom 01.03.2004 einen Zustand nach Tympanoplastik rechts, eine gering- bis mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit kombiniert mit einer geringen Schallleitung rechts bei annähernder Normalhörigkeit links. Es sei wiederholt zu rezidivierenden Otitiden gekommen, die konservativ beherrschbar gewesen seien. Eine Einschränkung sei vor allem in der verminderten Stimmbelastbarkeit, dem Risiko einer malignen Entartung und in der Hörminderung zu sehen. Nach Beiziehung des Tonaudiogramms vom 25.11.1999 und Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme zu den vorliegenden ärztlichen Unterlagen wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2004 zurück. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers bedingten erst ab 11.10.2001 einen GdB von 70. Davor sei ein GdB von 40 anzunehmen. Die Schwerhörigkeit des Klägers habe im Jahr 2000 noch keinen GdB von wenigstens 10 verursacht.
Am 27.08.2004 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der er einen GdB von 70 bereits seit 16.11.2000 geltend machte und dies in erster Linie mit dem einen GdB von 70 seit 11.10.2001 feststellenden Bescheid des Beklagten vom 11.10.2001 begründete. Der Beklagte habe auch zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass er an einer depressiven Erkrankung leide, die eindeutig schon vor dem 16.11.2000 vorgelegen habe. Ferner legte der Kläger die ärztliche Bescheinigung von Dr. W. vom 11.11.1993 und einen vom 15.11.1993 stammenden Kurbericht vor. Diese machten deutlich, dass er bereits zu jenem Zeitpunkt unter verschiedenen chronischen Erkrankungen gelitten habe. Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.01.2005 geltend, ein höherer GdB als 40 sei für den streitigen Zeitraum weiterhin nicht nachgewiesen.
Das SG hörte Dr. E. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser schilderte am 29.09.2004 den Krankheits- und Behandlungsverlauf, insbesondere seit 1989, und gab an, die seit einer Tympanoplastik 1994 bestehende Innenohrschwerhörigkeit beiderseits habe im Laufe der Jahre kontinuierlich zugenommen. Eine ausgeprägte Hörminderung habe schon lange vor dem 16.11.2000 bestanden. Bei im Jahre 2000 aufgetretener Psoriasis vulgaris sei es in den letzten Jahren zunehmend zu multiplen Gelenkschmerzen gekommen. Der Rheumatologe Dr. G. habe im Februar 2002 eine HLA-B 27-positive Spondylarthritis psoriatica mit peripherem Gelenkbefall diagnostiziert. Es sei damals eine immunsupressorische Therapie mit Methotrexat eingeleitet worden. Der Kläger sei in seinem Beruf als Lehrer aufgrund seiner gesundheitlichen Situation überfordert. Er leide unter ausgeprägten Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen. Sämtliche grundsätzlich chronischen Erkrankungen des Klägers zeigten naturgemäß im Laufe der Jahre eine kontinuierliche Verschlechterungstendenz. Im Hinblick auf das Gesamtzustandsbild und die über Jahre chronische Entwicklung der Erkrankungen sei es aus ärztlicher Sicht nicht nachvollziehbar, dass sich der GdB innerhalb von nur elf Monaten von 40 auf 70 erhöht haben soll. Seines Erachtens habe ein GdB von 70 schon mindestens ein Jahr vorher bestanden. Hierzu legte Dr. E. verschiedene ärztliche Unterlagen aus den Jahren 2001 bis 2004 vor. Erneut vom SG befragt, führte Dr. E. am 14.03.2005 noch aus, durch die beschriebenen chronischen gesundheitlichen Probleme und multiplen Beschwerden sei es in den letzten Jahren - phasenweise mehr oder weniger im Vordergrund stehend - zu depressiven Verstimmungen (depressive Psychoreaktion) mit Schlafstörungen, allgemeiner Herabgestimmtheit sowie Überforderungs- und Erschöpfungssymptomatik gekommen. Von dem Vollbild einer endogenen Depression könne jedoch nach seiner Einschätzung nicht die Rede sein, weshalb sich auch über die Jahre nicht die Notwendigkeit ergeben habe, den Kläger zu einer fachärztlich-psychiatrischen Behandlung zu überweisen. Frau Dr. Dr. Ke. habe schließlich am 03.02.2004 ebenfalls lediglich Schlafstörungen und eine depressive Erschöpfungssymptomatik diagnostiziert.
Mit Urteil vom 02.06.2005 wies das SG die Klage ab. Unter Anwendung des § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) verneinte es einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines GdB von 70 schon für die Zeit vor dem 16.11.2000. Der bindende Bescheid des Beklagten vom 16.05.2002 sei nicht rechtswidrig. Auf psychischem Gebiet nahm das SG eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit an, die mangels kaum aussagekräftiger Befundunterlagen für den fraglichen Zeitraum, also vor bzw ab dem 16.11.2000, allenfalls mit einem GdB von 30 bewertet werden könne. Hinzu käme ein GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden des Klägers und ein GdB von 20 für die Heiserkeit und die Erkrankung der Stimmbänder. Die Beeinträchtigungen im Bereich der Schulter bzw. des Ellenbogengelenkes bedingten ebenso einen GdB von 20 wie die Hörstörung. Ob für die Fußfehlform und die Beeinträchtigung beider Kniegelenke ein GdB von 20 anzusetzen sei, könne mangels entsprechender ärztlicher Unterlagen nicht gesagt werden. Zusammenfassend ergebe sich aus den aktenkundigen Befundunterlagen nicht, dass schon vor dem 16.11.2000 ein so gravierender Behinderungszustand vorgelegen habe, dass ein Gesamt-GdB von wenigstens 50 oder gar 70 anzunehmen sei.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 10.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.07.2005 (Montag) Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Ein GdB von 70 habe bereits vor dem 16.11.2000 vorgelegen. Seine vom Beklagten bereits anerkannten Funktionsstörungen seien chronischer Natur und hätten sich daher nicht kurzfristig entwickeln können. Hierzu hat der Kläger das ärztliche Attest von Dr. E. vom 18.07.2005 vorgelegt, in dem die vorliegenden Funktionsstörungen aufgeführt sind und es ferner heißt, aus ärztlicher Sicht sei es einfach nicht begründbar, dass am 16.11.2000 ein GdB von 40 gerecht und angemessen gewesen sein könne, wenn ein knappes Jahr später (ab dem 11.10.2001) ein GdB von 70 anzuerkennen sei. Zudem hat der Kläger das Attest von Dr. E. vom 19.07.2006 übersandt, wonach der Kläger seit etwa neun bis zehn Jahren an einer Psoriasis leide und in den letzten Jahren bei zunehmenden multiplen Gelenkbeschwerden Verdacht auf Psoriasisarthritis bestehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Juni 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 16. Mai 2002 einen GdB von 70 bereits ab dem 16. November 2000 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und geht weiterhin von einem GdB von 40 für die Zeit vor dem 16.11.2000 aus. Der Beklagte legt hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wolf vom 12.10.2007 vor.
Der Senat hat Dr. G. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 29.08.2006 angegeben, der Kläger sei von ihm lediglich am 24.01. und 07.02.2002 behandelt worden. Als Diagnosen habe er seinerzeit eine beginnende HLA-B 27-positive Spondylarthritis psoriatica mit peripherer Gelenkbeteiligung und eine Psoriasis vulgaris gestellt. Eine Kollagenose habe er ausgeschlossen. Über den jetzigen Zustand könne er keine Angaben machen. Ihm sei nicht bekannt, ob die damalige Gelenkentzündung des linken Ellenbogens später chronisch geworden sei. Ihm sei auch nicht bekannt, ob die von ihm vorgeschlagene immunsupressive Therapie mit Methrotrexat durchgeführt worden sei. Ferner hat der Senat die der Universitäts-HNO-Klinik H. über den Kläger seit 1989 vorliegenden Untersuchungs- und Behandlungsberichte beigezogen. Daraus geht hervor, dass sich der Kläger dort seit März 1989 wegen beiderseitiger Stimmbandleukoplakien und einer chronischen Laryngitis (Kehlkopfentzündung) sowie seit 1993 wegen einer Hörminderung rechts (einschließlich einer im September 1994 wegen eines Trommelfelldefekts durchgeführten Ohroperation) in ambulanter und auch stationärer Behandlung befunden hat. Als Diagnosen wurden zum Teil eine einfache Leukoplakie der Stimmbänder (15.03.1989, 18.01.2002) als auch Leukoplakien mit ausgeprägter Plattenepithelhyperplasie (04.05.1993) bzw. eine deutliche Zunahme der Stimmbandleukoplakien (13.12.2001) angegeben. Am 11.01.2002 wurde beim Kläger die direkte Laryngoskopie mit Abtragung der Stimmbandleukoplakien durchgeführt. Im Untersuchungsbericht der Universitäts-HNO-Klinik H. vom 13.12.2001 heißt es, es bestehe rechts eine tonaudiometrisch nachgewiesene mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit, links ebenso, die vergleichsweise zu 1998 deutlich zugenommen habe. Die Tonaudiogramme vom 16.12.1998 und 12.12.2001 belegten dies.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet. Der Beklagte hat in seinem Bescheid vom 16.12.2003 zutreffend festgestellt, dass der GdB des Klägers in der Zeit vom 16.11.2000 bis zum 11.10.2001 40 betrug.
Als Rechtsgrundlage für die Neufestsetzung des GdB im streitigen Zeitraum vom 16.11.2000 bis zum 11.10.2001 kommt entweder § 44 SGB X (Abänderung des Bescheides vom 16.05.2002, weil darin ein höherer GdB erst ab dem 11.10.2001 und nicht auch für die Zeit davor festgestellt wurde) oder § 48 SGB X (Abänderung des Bescheides vom 08.09.1994 wegen Verschlimmerung im Gesundheitszustand ab 16.11.2000) in Betracht. Welche dieser Rechtsgrundlagen eingreift, kann letztlich dahingestellt bleiben. In beiden Fällen wäre Voraussetzung für einen Erfolg der Klage, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers bereits ab dem 16.11.2000 so verschlimmert hatte, dass der GdB hierfür mindestens 50 beträgt. Dies ist aber nicht der Fall. Deshalb kann auch offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen eine rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft überhaupt in Betracht kommt (vgl. hierzu SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 09.12.2004, S 7 SB 340/03, zitiert nach juris). In Übereinstimmung mit der Auffassung des SG gelangt auch der Senat zu der Überzeugung, dass der GdB des Klägers in der Zeit vom 16.11.2000 bis zum 11.10.2001 nicht mehr als 40 betragen hat.
Das Wirbelsäulenleiden rechtfertigt einen Teil-GdB von 30. Nach dem Befundbericht des Dr. E. vom März 2002 (Bl. 47 der Verwaltungsakte) bestanden damals beim Kläger bereits fortgeschrittene degenerative Veränderungen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich, wobei sich die Erkrankungen der Lendenwirbelsäule in einem peripheren Wurzelreizsyndrom manifestierten. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AHP) rechtfertigen mittelgradige funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20 (AHP Kapitel 26.18) und mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Abschnitten einen GdB von 30 bis 40. Aufgrund der Tatsache, dass sich keinem der vorliegenden Arztbriefe Hinweise auf schwere Funktionsstörungen der Wirbelsäule (zB größere neurologische Defizite) entnehmen lassen, hält der Senat die Entscheidung des Beklagten und des SG, einen Teil-GdB von 30 anzunehmen, für zutreffend.
Die ebenfalls in dem Arztbrief von Dr. E. beschriebenen Schulterbeschwerden rechts bedingen seit etwa 1995 einen Teil-GdB von 20. Nach dem Befundbericht des Chirurgen Dr. H. vom 15.01.2002 (Bl. 43 der Verwaltungsakte) zeigte eine Röntgenuntersuchung der rechten Schulter erhebliche Degenerationen mit Gelenkspaltverschmälerungen und Verkalkungen. Die Abduktion (Abspreizen) war Anfang 2002 bis 100° möglich. Der Orthopäde Dr. W. berichtet im Schreiben vom 21.01.2002 (Bl. 45 der Verwaltungsakte) davon, dass eine aktive Anhebung des Armes lediglich bis 80° möglich ist. Da aus diesen Berichten aus dem Jahr 2002 nur bedingt Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Klägers im November 2000 gezogen werden können und eine Auskunft über den Gesundheitszustand des Klägers Ende 2000 nicht hat eingeholt werden können, weil der Kläger damals gar nicht in ärztlicher Behandlung war, hält der Senat einen GdB von 20 für angemessen. Denn nach den AHP (aaO) ist bei einer Bewegungseinschränkung des Schultergelenks, bei der der Arm nur um 90° zu erheben ist, ein GdB von 20 angebracht.
Beim Kläger mussten seit 1989 immer wieder Leukoplakien (weiße, nicht abwischbare Areale der Schleimhaut) auf den Stimmbändern abgetragen werden. Die histologischen Untersuchungen ergaben aber keinen Anhalt für Malignität oder eine Entzündung. Es handelte sich um einfache Leukoplakien (vgl. Bericht des Pathologischen Institut der Universität H. vom 18.01.2002, Bl. 84 der LSG-Akte). Die mit dem Auftreten der Leukoplakien verbundene Heiserkeit führt zu einem GdB von höchstens 20 (AHP Kap. 26.7), da eine dauerhafte funktionelle oder organische Stimmstörung nicht belegt ist. Der HNO-Arzt Dr. K. bescheinigte im Arztbrief vom 04.12.2001 (Bl. 30 der SG-Akte) lediglich eine Minderung der Stimmbelastbarkeit. Das Risiko, dass sich aus diesen Leukoplakien auch bösartige Veränderungen entwickeln könnten (Präkancerose), kann bei der Bemessung des GdB nicht berücksichtigt werden.
Aus diesen Funktionseinschränkungen lässt sich allenfalls ein Gesamt- GdB von 40 ableiten. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Die AHP führen hierzu aus, dass eine Addition von Einzel-GdB Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3). Da neben den Wirbelsäulenschäden mit einem Teil-GdB von 30 nur leichte Funktionseinschränkungen mit einem Teil-GdB von maximal je 20 vorliegen, kommt nur eine Anhebung des GdB von 30 auf 40, nicht aber auf einen höheren Wert in Betracht.
Die Übrigen beim Kläger heute vorhandenen Gesundheitsstörungen haben sich nach den aktenkundigen Unterlagen entweder erst später entwickelt oder erst zu einem späteren Zeitpunkt verstärkt, so dass sie eine Anhebung des GdB auf 70 erst ab Oktober 2001 rechtfertigen. So leidet der Kläger zB zwar seit längerem an einer Hörminderung. Diese bestand aber noch im Juli 2001 in Form einer geringgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits und machte zB eine Hörgeräteanpassung noch nicht erforderlich (Arztbrief Dr. K. vom 04.12.2001). Erst im Dezember 2001 lag dann eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit vor (Arztbrief der Universitätsklinik H. vom 13.12.2001 mit Tonaudiogramm vom 12.12.2001). Eine ähnliche Situation ergibt sich für die Bronchitis. Auch diese Erkrankung besteht seit längerem, doch wurde eine ausgeprägte indurative Bronchopathie mit einer Tendenz zur restriktiven Ventilationsstörung erstmals vom Internisten Dr. J. im Oktober 2001 festgestellt (Arztbrief Dr. J. vom 28.10.2001, Bl. 39f der SG-Akte). Auch die Diagnose einer beginnenden HLA-B27 positiven Spondylarthritis mit peripherer Gelenkbeteiligung wurde erst aufgrund einer am 24.01.2002 erfolgten Untersuchung durch den Internisten Dr. G. gestellt (Auskunft vom 29.08.2006, Bl. 54 der LSG-Akte). Eine depressive Erschöpfung wurde durch Dr. Dr. Ke., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, gar erstmals am 02.02.2004 festgestellt. Allein diese Aufzählung belegt aus Sicht des Senats, dass es etwa ab Mitte 2001 zu einer kontinuierlichen und z.T. auch erheblichen Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers gekommen ist. Damit korrespondiert der Umstand, dass der Kläger seinen Verschlimmerungsantrag am 11.10.2001 gestellt hat. Aus dem Gesundheitszustand wie er sich zu diesem Zeitpunkt dargestellt hat lassen sich deshalb keine Rückschlüsse auf das gesundheitliche Befinden vor diesem Zeitpunkt ziehen. Dies gilt erst recht für die Zeit Ende des Jahres 2000, da sich der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 15.06.2007 damals gar nicht in ärztlicher Behandlung befunden hat.
Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts ist nicht mehr geboten. Der Senat hat die verfügbaren medizinischen Unterlagen für den streitigen Zeitraum beigezogen und auswertet. Soweit im Zusammenhang mit der Auswertung der aktenkundigen Arztbriefe und Unterlagen noch Unklarheiten über das genaue Ausmaß der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen (zB exakte Maße der Gelenkbewegungen nach der Neutral-Null-Methode) in der Zeit von November 2000 bis Oktober 2001 bestehen sollten, liegt dies daran, dass klinische Befunde für den fraglichen Zeitraum im Nachhinein nicht mehr erhoben werden können. Daraus resultierende Schwierigkeiten bei der Bewertung der Beeinträchtigungen gehen nach dem im Sozialgerichtsverfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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