Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 2063/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4042/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. September 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Neufeststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).
Bei der 1950 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt Freiburg (VA) mit Bescheid vom 02.08.2002 wegen einer Sehminderung beidseitig (Teil-GdB 40), einer Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Wirbelsäulenverformung (Teil-GdB 20) und einer Hüftdysplasie rechts, Funktionsstörung durch Zehenfehlform (Teil-GdB 20) den GdB mit 60 seit 11.03.2002 fest.
Am 20.02.2003 beantragte die Klägerin beim VA die Erhöhung des GdB wegen Verschlimmerung der bereits anerkannten Behinderungen sowie einer Schilddrüsenerkrankung und einer Depression als zusätzliche Behinderungen. Das VA holte ärztliche Befundscheine des Dr. D., Dr. Z., Dr. F., Dr. B. und Dr. D. ein, die versorgungsärztlich ausgewertet wurden. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M.-K. vom 13.04.2004 wurde wegen einer Sehbehinderung beidseitig (Teil-GdB 40), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Wirbelsäulenverformung (Teil-GdB 20), einer Hüftdysplasie rechts, Funktionsstörung durch Zehenfehlform (Teil-GdB 20), einer seelischen Störung (Teil-GdB 10), wegen einer Hepatitis-C-Erkrankung ohne Entzündungszeichen der Leber und einer Schilddrüsenfunktionsstörung (Teil-GdB unter 10) der GdB weiterhin mit 60 empfohlen. Entsprechend dieser Empfehlung entsprach das VA mit Bescheid vom 15.04.2004 dem Neufeststellungsantrag der Klägerin nicht.
Hiergegen erhob die Klägerin am 17.05.2004 Widerspruch, den sie damit begründete, dass mit der Einstufung des Wirbelsäulenbefundes und der seelischen Störung kein Einverständnis bestehe und der GdB auf 80 anzuheben sei. Den Widerspruch der Klägerin wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2004 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 23.08.2004 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Sie machte zur Begründung geltend, der für den Wirbelsäulenbefund bislang zuerkannte GdB von 20 sei einer deutlichen Anhebung zugänglich. Ihre seelische Störung sei ebenfalls unterbewertet. Es sei ein GdB von 30 festzustellen. Insgesamt sei ein GdB von 80 zuzuerkennen.
Das SG hörte den Nervenarzt Dr. Z., den Arzt für Allgemeinmedizin/Psychotherapie Dr. D., den Augenarzt Dr. F. und den Orthopäden Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. Z. teilte in seiner Stellungnahme vom 30.11.2004 die von ihm im Verlaufe der Behandlung der Klägerin erhobenen Befunde mit. Er schätzte allein wegen der Bandscheibensituation den GdB mit 50 ein. Dr. D. teilte in seiner Stellungnahme vom 08.12.2004 die Diagnosen mit. Er bejahte eine Verschlimmerung der Depressivität der Klägerin. Wegen des GdB verwies er auf eine fachärztliche Begutachtung. Dr. F. teilte in seiner Stellungnahme vom 26.01.2005 die erhobenen Augenbefunde mit. Den GdB schätzte er auf 20. Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 09.02.2005 den Behandlungsverlauf und die erhobenen Befunde/Diagnosen mit. Auf orthopädischem Gebiet schätzte er den GdB mit 20 bis 30 ein.
Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 18.05.2005 der Klage mit dem Hinweis entgegen, dass im Hinblick auf die von Dr. F. mitgeteilte deutliche Visusverbesserung sich der Gesamt-GdB auf 40 reduziere und bei der Klägerin die Schwerbehinderteneigenschaft demnach nicht mehr vorliege.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.09.2005 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, bei der Klägerin sei eine Verschlimmerung nicht eingetreten. Für die Sehminderung nach den jetzt mitgeteilten Verhältnissen (0,5 rechts und 0,2 links), die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und die Hüftdysplasie rechts mit einer Funktionsstörung durch Zehenfehlform sei jeweils ein GdB von 20 anzusetzen. Für die seelische Störung und die Hepatitis C ohne Entzündungszeichen der Leber sehe das Gericht keine Möglichkeit die beiden Teil-GdB-Werte von 10 zu erhöhen. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB über den bereits vergebenen Grad von 60 hinaus sei nicht angebracht.
Gegen den am 23.09.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.09.2005 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, ihre Augenerkrankung habe sich nicht gebessert, sondern im Gegenteil verschlechtert. Das vom Augenarzt dem SG mitgeteilte Ergebnis sei ihr nicht erklärbar. Weiter habe das SG die Zeugenauskunft des Dr. Z. unzutreffend interpretiert. Er habe den relativ hohen GdB von 50 auf seinem Fachgebiet augenscheinlich auch mit der von ihm festgestellten außerordentlichen Schmerzsymptomatik, die mit dem Wirbelsäulenleiden einhergehe, begründet. Eine Anhebung des GdB auf Grund eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms sei vorgesehen, weshalb es nicht angängig sei, dass das SG die entsprechenden Ausführungen eines Facharztes kurzerhand vom Tisch fege.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. September 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von insgesamt 80 seit dem 20. Februar 2003 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das orthopädische Gutachten des Dr. R. vom 23.05.2006 eingeholt. Dr. R. diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin ein chronisch degeneratives pseudoradikulär linksbetont ischialgiformes Hohlkreuz-LWS-ISG-Syndrom, ein chronisch degeneratives linksbetont brachialgiformes unteres (und oberes) HWS-Syndrom, einen Rundhohlrücken / Haltungsinsuffizienz mit chronischer Dorsalgie, - summarisch - eine Schulterperiarthrose links mit schmerzhafter Funktionsstörung und endphasiger Bewegungseinschränkung, eine laterale Epicondylopathie links, einen Senkspreizfuß mit schmerzhafter Zehenfunktionsstörung nach Operation I beidseits, II bis III links mit muskulärer Dysbalance der Beine und Neigung zu Beinkrämpfen, eine leichtgradige Gonarthrose links, initial rechts sowie eine initiale Coxarthrose beidseits bei leichtgradiger Coxa valga (klinisch latent). Dr. R. schätzte für die Wirbelsäulenbehinderung den GdB auf 30, bezüglich des linken Armes den GdB auf 10 und hinsichtlich der unteren Extremität beidseits den GdB auf 20. Unter Berücksichtigung eines GdB von 40 für die Sehminderung bewertete er den Gesamt-GdB mit 70.
Der Beklagte ist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 06.10.2006 der Bewertung von Dr. R. entgegen getreten. Auf Antrag der Klägerin hat der Senat die ergänzende Stellungnahme des Dr. R. vom 21.12.2006 zu den vom Beklagten erhobenen Einwendungen eingeholt, in der sich Dr. R. mit den Einwendungen des Beklagten auseinander gesetzt und an seiner Bewertung im Gutachten vom 23.05.2006 festgehalten hat. Der Beklagte hat sich hierzu unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom Dr. W. vom 12.04.2007 weiter geäußert und an seiner Auffassung festgehalten.
Die Klägerin hält das Gutachten von Dr. R. für überzeugend. Sie hat außerdem am 03.09.2007 den augenärztlichen Befundbericht der Dr. Be. vom 03.05.2006 vorgelegt.
Der Senat hat daraufhin die schriftliche sachverständige Zeugenaussage der Augenärztin Dr. Be. vom 23.10.2007 eingeholt, die in ihrer Stellungnahme den bei der letzten Untersuchung der Klägerin am 04.10.2007 erhobenen Befund (Visus RA 0,4; LA 1/25, jeweils mit Kontaktlinse) mitteilte und den GdB mit 50 bewertete. Hierzu hat sich der Beklagte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 20.11.2007, in der wegen einer Sehminderung beidseitig (Teil-GdB 40), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Wirbelsäulenverformung (Teil-GdB 20), einer Hüftdysplasie rechts, Funktionsstörung durch Zehenfehlform (Teil-GdB 20), einer seelischen Störung (Teil-GdB 10) und Hepatitis-C-Virusträger - ohne Entzündungszeichen der Leber - (Teil-GdB 10) weiterhin ein Gesamt-GdB von 60 vorgeschlagen wurde, geäußert.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neufeststellung eines GdB von mehr als 60.
Der Beklagte wird seit 01.01.2005 wirksam durch das Regierungspräsidium Stuttgart vertreten. Nach § 71 Abs. 5 SGG wird in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts das Land durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, vertreten. In Baden-Württemberg sind die Aufgaben des Landesversorgungsamts durch Art 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz -VRG-) vom 01.07.2004 (GBl S. 469) mit Wirkung ab 01.01.2005 (Art 187 VRG) auf das Regierungspräsidium Stuttgart übergegangen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004/2008 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5).
Auf Antrag des Behinderten stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den daraus resultierenden GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX), so dass auch hier die AHP heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt ungeeignet (vgl. Nr. 19 Abs. 1 der AHP). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Nr. 19 Abs. 3 der AHP). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 der AHP). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5).
Hiervon ausgehend beträgt der Gesamt-GdB bei der Klägerin nach wie vor 60. Zwar sind bei der Klägerin im Vergleich zu dem Bescheid vom 02.08.2002 eine seelische Störung sowie eine Hepatitis-C Ansteckung als weitere Gesundheitsstörungen hinzugetreten, wovon auch der Beklagte ausgeht (zuletzt Stellungnahme Dr. W. vom 20.11.2007), die jedoch eine Erhöhung des GdB auf über 60 nicht rechtfertigen. Dass sich die bereits berücksichtigten Gesundheitsstörungen GdB relevant verschlimmert haben, ist nicht der Fall. Dies steht für den Senat aufgrund der vorliegenden medizinischen Befundunterlagen und der im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen fest.
Die Klägerin wird an ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft - hauptsächlich - durch eine beidseitige Sehbehinderung beeinträchtigt, die mit einem Teil-GdB von 40 zu berücksichtigen ist. Nach der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. Be. vom 23.10.2007 ergab sich bei der Klägerin bei der Untersuchung am 04.10.2007 ein Visus RA von 0,4 und LA von 1/25 jeweils mit Kontaktlinse. Nach der Tabelle der AHP Seite 52 ist bei diesen Werten von einem GdB von 40 auszugehen. Ein GdB von 50, wie ihn Dr. Be. in ihrer Stellungnahme vom 23.10.2007 angenommen hat, ist nach den AHP erst bei einer Sehminderung von RA 0,4 und LA 1/50 begründet, die bei der Klägerin aber noch nicht vorliegt. Ihrer Bewertung des GdB mit 50 kann deshalb nicht gefolgt werden. Der Senat schließt sich vielmehr den hierzu von Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.11.2007 gemachten Ausführungen an, in der wegen der Sehminderung der Klägerin ein Teil-GdB von 40 empfohlen wird. Soweit in dem von der Klägerin am 03.07.2007 vorgelegten Befundbericht der Dr. Be. vom 03.05.2006 von einem Visus 0,2; 0,1 ausgegangen wird, kann im Hinblick auf die am 04.10.2007 festgestellten Befunde nicht von einer dauerhaften Sehminderung der Klägerin dieses Ausmaßes ausgegangen werden, weshalb die Befunde vom 03.05.2006 der Bewertung des GdB nicht zugrunde zu legen sind.
Weiter ist bei der Klägerin ein Wirbelsäulenleiden zu berücksichtigen, für das der Senat mit dem Beklagten einen Teil-GdB von 20 für angemessen hält. Der davon abweichenden Ansicht von Dr. R. in seinem Gutachten vom 23.05.2006, der einen Teil-GdB von 30 für angemessen erachtet, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Seine Bewertung entspricht nicht den AHP, weshalb ihr nicht zu folgen ist. Dr. R. geht bei seiner Bewertung des Teil-GdB für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin von mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigen der HWS und der LWS aus. Solche Funktionsbeeinträchtigen liegen jedoch bei der Klägerin nach den von der Rügemer erhobenen und im Gutachten genannten Befunden jedenfalls hinsichtlich der HWS nicht vor. So sind die Bewegungsmaße - bei einer geringen Seitabweichung der Wirbelsäule von der Achse - nur leichtgradig eingeschränkt (Seitneigung 40-0-50 Grad; Rotation 50-0-40 Grad; Kinn-Brustbeinabstand 2/14 cm; kein Nystagmus/Schwindel auf Rückneigung/Rotation; Funktionsschmerz der mittleren und unteren HWS). Zwar bestehen deutliche degenerative Veränderungen. Diese Veränderungen bewirken bei der Klägerin jedoch noch keine Einschränkungen der Beweglichkeit der HWS oder neurologische Ausfälle, die es nach den AHP rechtfertigten, von mittelgradigen Funktionseinschränkungen auszugehen. Soweit Dr. R. bei seiner Teil-GdB-Bewertung eine ursprünglich überdurchschnittliche Beweglichkeit, das Vorliegen chronischer lokaler Irritationen, eine von der HWS ausgehende Brachialgie berücksichtigt und aus den überdurchschnittlich degenerativ veränderten Gelenken auf überdurchschnittliche Beschwerden schließt, wie er in seinem Gutachten und in der ergänzenden Stellungnahme vom 21.12.2006 ausgeführt hat, lässt sich damit ein Teil-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden nicht überzeugend begründen. Der Senat schließt sich vielmehr den versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. B. vom 06.10.2006 und Dr. W. vom 12.04.2007 an, die überzeugend ausgeführt haben, dass bei einer nur leichtgradigen Bewegungseinschränkung der HWS, aus tastbaren Muskelverspannungen, radiologischen Veränderungen, einer möglicherweise reduzierten überdurchschnittlichen Beweglichkeit und subjektiven, nicht überprüfbaren Beschwerdeangaben, keine mittelgradige Funktionsbehinderung der HWS abgeleitet werden kann. Dass bei der Klägerin neben der Bewegungsbehinderung nach den AHP (Nr. 26.18, Seite 115 f) zusätzlich zu berücksichtigende Wirbelsäulenleiden vorliegen, wie sie Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.12.2006 außerdem diskutiert, ist nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere hinsichtlich einer außerordentlichen Schmerzsymptomatik, für deren Vorliegen nach dem Gutachten von Dr. R. kein Anhaltspunkt besteht. Der Senat hält deshalb mit dem Beklagten einen Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin für ausreichend und angemessen.
Unabhängig davon wäre selbst dann, wenn mit Dr. R. von einem Teil-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin ausgegangen würde, ein Gesamt-GdB von 70, wie ihn Dr. R. angenommen hat, nicht gerechtfertigt. Bei der Klägerin bestehen zusätzlich zu der Sehminderung und dem Wirbelsäulenleiden eine Hüftdysplasie rechts und eine Funktionsstörung durch eine Zehenfehlform, die mit einem Teil-GdB von 20, eine seelische Störung, die mit einem Teil-GdB von 10 und ein Hepatitis-C Virusträger (in stabilem, klinisch weitgehend asymptomatischem Zustand), die mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten sind. Diesen Bewertungsansätzen, die nach den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen den AHP entsprechen, folgt der Senat. Hiergegen hat sich die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht (mehr) substantiiert gewandt. Nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB wäre bei der Klägerin ein GdB von 70, wie ihn Dr. R. angenommen hat, nur dann gerechtfertigt, wenn das Wirbelsäulenleiden der Klägerin in Richtung mit schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten geht. Davon geht aber Dr. R. selbst nicht aus und kann auch nach den Wirbelsäulenbefunden der Klägerin nicht ausgegangen werden.
Sonstige Gesundheitsstörungen, die einen GdB von 70 (oder mehr) rechtfertigen, liegen bei der Klägerin nicht vor. Solche hat die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht substantiiert geltend gemacht.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Neufeststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).
Bei der 1950 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt Freiburg (VA) mit Bescheid vom 02.08.2002 wegen einer Sehminderung beidseitig (Teil-GdB 40), einer Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Wirbelsäulenverformung (Teil-GdB 20) und einer Hüftdysplasie rechts, Funktionsstörung durch Zehenfehlform (Teil-GdB 20) den GdB mit 60 seit 11.03.2002 fest.
Am 20.02.2003 beantragte die Klägerin beim VA die Erhöhung des GdB wegen Verschlimmerung der bereits anerkannten Behinderungen sowie einer Schilddrüsenerkrankung und einer Depression als zusätzliche Behinderungen. Das VA holte ärztliche Befundscheine des Dr. D., Dr. Z., Dr. F., Dr. B. und Dr. D. ein, die versorgungsärztlich ausgewertet wurden. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M.-K. vom 13.04.2004 wurde wegen einer Sehbehinderung beidseitig (Teil-GdB 40), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Wirbelsäulenverformung (Teil-GdB 20), einer Hüftdysplasie rechts, Funktionsstörung durch Zehenfehlform (Teil-GdB 20), einer seelischen Störung (Teil-GdB 10), wegen einer Hepatitis-C-Erkrankung ohne Entzündungszeichen der Leber und einer Schilddrüsenfunktionsstörung (Teil-GdB unter 10) der GdB weiterhin mit 60 empfohlen. Entsprechend dieser Empfehlung entsprach das VA mit Bescheid vom 15.04.2004 dem Neufeststellungsantrag der Klägerin nicht.
Hiergegen erhob die Klägerin am 17.05.2004 Widerspruch, den sie damit begründete, dass mit der Einstufung des Wirbelsäulenbefundes und der seelischen Störung kein Einverständnis bestehe und der GdB auf 80 anzuheben sei. Den Widerspruch der Klägerin wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2004 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 23.08.2004 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Sie machte zur Begründung geltend, der für den Wirbelsäulenbefund bislang zuerkannte GdB von 20 sei einer deutlichen Anhebung zugänglich. Ihre seelische Störung sei ebenfalls unterbewertet. Es sei ein GdB von 30 festzustellen. Insgesamt sei ein GdB von 80 zuzuerkennen.
Das SG hörte den Nervenarzt Dr. Z., den Arzt für Allgemeinmedizin/Psychotherapie Dr. D., den Augenarzt Dr. F. und den Orthopäden Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. Z. teilte in seiner Stellungnahme vom 30.11.2004 die von ihm im Verlaufe der Behandlung der Klägerin erhobenen Befunde mit. Er schätzte allein wegen der Bandscheibensituation den GdB mit 50 ein. Dr. D. teilte in seiner Stellungnahme vom 08.12.2004 die Diagnosen mit. Er bejahte eine Verschlimmerung der Depressivität der Klägerin. Wegen des GdB verwies er auf eine fachärztliche Begutachtung. Dr. F. teilte in seiner Stellungnahme vom 26.01.2005 die erhobenen Augenbefunde mit. Den GdB schätzte er auf 20. Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 09.02.2005 den Behandlungsverlauf und die erhobenen Befunde/Diagnosen mit. Auf orthopädischem Gebiet schätzte er den GdB mit 20 bis 30 ein.
Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 18.05.2005 der Klage mit dem Hinweis entgegen, dass im Hinblick auf die von Dr. F. mitgeteilte deutliche Visusverbesserung sich der Gesamt-GdB auf 40 reduziere und bei der Klägerin die Schwerbehinderteneigenschaft demnach nicht mehr vorliege.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.09.2005 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, bei der Klägerin sei eine Verschlimmerung nicht eingetreten. Für die Sehminderung nach den jetzt mitgeteilten Verhältnissen (0,5 rechts und 0,2 links), die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und die Hüftdysplasie rechts mit einer Funktionsstörung durch Zehenfehlform sei jeweils ein GdB von 20 anzusetzen. Für die seelische Störung und die Hepatitis C ohne Entzündungszeichen der Leber sehe das Gericht keine Möglichkeit die beiden Teil-GdB-Werte von 10 zu erhöhen. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB über den bereits vergebenen Grad von 60 hinaus sei nicht angebracht.
Gegen den am 23.09.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.09.2005 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, ihre Augenerkrankung habe sich nicht gebessert, sondern im Gegenteil verschlechtert. Das vom Augenarzt dem SG mitgeteilte Ergebnis sei ihr nicht erklärbar. Weiter habe das SG die Zeugenauskunft des Dr. Z. unzutreffend interpretiert. Er habe den relativ hohen GdB von 50 auf seinem Fachgebiet augenscheinlich auch mit der von ihm festgestellten außerordentlichen Schmerzsymptomatik, die mit dem Wirbelsäulenleiden einhergehe, begründet. Eine Anhebung des GdB auf Grund eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms sei vorgesehen, weshalb es nicht angängig sei, dass das SG die entsprechenden Ausführungen eines Facharztes kurzerhand vom Tisch fege.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. September 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von insgesamt 80 seit dem 20. Februar 2003 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das orthopädische Gutachten des Dr. R. vom 23.05.2006 eingeholt. Dr. R. diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin ein chronisch degeneratives pseudoradikulär linksbetont ischialgiformes Hohlkreuz-LWS-ISG-Syndrom, ein chronisch degeneratives linksbetont brachialgiformes unteres (und oberes) HWS-Syndrom, einen Rundhohlrücken / Haltungsinsuffizienz mit chronischer Dorsalgie, - summarisch - eine Schulterperiarthrose links mit schmerzhafter Funktionsstörung und endphasiger Bewegungseinschränkung, eine laterale Epicondylopathie links, einen Senkspreizfuß mit schmerzhafter Zehenfunktionsstörung nach Operation I beidseits, II bis III links mit muskulärer Dysbalance der Beine und Neigung zu Beinkrämpfen, eine leichtgradige Gonarthrose links, initial rechts sowie eine initiale Coxarthrose beidseits bei leichtgradiger Coxa valga (klinisch latent). Dr. R. schätzte für die Wirbelsäulenbehinderung den GdB auf 30, bezüglich des linken Armes den GdB auf 10 und hinsichtlich der unteren Extremität beidseits den GdB auf 20. Unter Berücksichtigung eines GdB von 40 für die Sehminderung bewertete er den Gesamt-GdB mit 70.
Der Beklagte ist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 06.10.2006 der Bewertung von Dr. R. entgegen getreten. Auf Antrag der Klägerin hat der Senat die ergänzende Stellungnahme des Dr. R. vom 21.12.2006 zu den vom Beklagten erhobenen Einwendungen eingeholt, in der sich Dr. R. mit den Einwendungen des Beklagten auseinander gesetzt und an seiner Bewertung im Gutachten vom 23.05.2006 festgehalten hat. Der Beklagte hat sich hierzu unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom Dr. W. vom 12.04.2007 weiter geäußert und an seiner Auffassung festgehalten.
Die Klägerin hält das Gutachten von Dr. R. für überzeugend. Sie hat außerdem am 03.09.2007 den augenärztlichen Befundbericht der Dr. Be. vom 03.05.2006 vorgelegt.
Der Senat hat daraufhin die schriftliche sachverständige Zeugenaussage der Augenärztin Dr. Be. vom 23.10.2007 eingeholt, die in ihrer Stellungnahme den bei der letzten Untersuchung der Klägerin am 04.10.2007 erhobenen Befund (Visus RA 0,4; LA 1/25, jeweils mit Kontaktlinse) mitteilte und den GdB mit 50 bewertete. Hierzu hat sich der Beklagte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 20.11.2007, in der wegen einer Sehminderung beidseitig (Teil-GdB 40), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Wirbelsäulenverformung (Teil-GdB 20), einer Hüftdysplasie rechts, Funktionsstörung durch Zehenfehlform (Teil-GdB 20), einer seelischen Störung (Teil-GdB 10) und Hepatitis-C-Virusträger - ohne Entzündungszeichen der Leber - (Teil-GdB 10) weiterhin ein Gesamt-GdB von 60 vorgeschlagen wurde, geäußert.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neufeststellung eines GdB von mehr als 60.
Der Beklagte wird seit 01.01.2005 wirksam durch das Regierungspräsidium Stuttgart vertreten. Nach § 71 Abs. 5 SGG wird in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts das Land durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, vertreten. In Baden-Württemberg sind die Aufgaben des Landesversorgungsamts durch Art 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz -VRG-) vom 01.07.2004 (GBl S. 469) mit Wirkung ab 01.01.2005 (Art 187 VRG) auf das Regierungspräsidium Stuttgart übergegangen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004/2008 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5).
Auf Antrag des Behinderten stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den daraus resultierenden GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX), so dass auch hier die AHP heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt ungeeignet (vgl. Nr. 19 Abs. 1 der AHP). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Nr. 19 Abs. 3 der AHP). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 der AHP). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5).
Hiervon ausgehend beträgt der Gesamt-GdB bei der Klägerin nach wie vor 60. Zwar sind bei der Klägerin im Vergleich zu dem Bescheid vom 02.08.2002 eine seelische Störung sowie eine Hepatitis-C Ansteckung als weitere Gesundheitsstörungen hinzugetreten, wovon auch der Beklagte ausgeht (zuletzt Stellungnahme Dr. W. vom 20.11.2007), die jedoch eine Erhöhung des GdB auf über 60 nicht rechtfertigen. Dass sich die bereits berücksichtigten Gesundheitsstörungen GdB relevant verschlimmert haben, ist nicht der Fall. Dies steht für den Senat aufgrund der vorliegenden medizinischen Befundunterlagen und der im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen fest.
Die Klägerin wird an ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft - hauptsächlich - durch eine beidseitige Sehbehinderung beeinträchtigt, die mit einem Teil-GdB von 40 zu berücksichtigen ist. Nach der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. Be. vom 23.10.2007 ergab sich bei der Klägerin bei der Untersuchung am 04.10.2007 ein Visus RA von 0,4 und LA von 1/25 jeweils mit Kontaktlinse. Nach der Tabelle der AHP Seite 52 ist bei diesen Werten von einem GdB von 40 auszugehen. Ein GdB von 50, wie ihn Dr. Be. in ihrer Stellungnahme vom 23.10.2007 angenommen hat, ist nach den AHP erst bei einer Sehminderung von RA 0,4 und LA 1/50 begründet, die bei der Klägerin aber noch nicht vorliegt. Ihrer Bewertung des GdB mit 50 kann deshalb nicht gefolgt werden. Der Senat schließt sich vielmehr den hierzu von Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.11.2007 gemachten Ausführungen an, in der wegen der Sehminderung der Klägerin ein Teil-GdB von 40 empfohlen wird. Soweit in dem von der Klägerin am 03.07.2007 vorgelegten Befundbericht der Dr. Be. vom 03.05.2006 von einem Visus 0,2; 0,1 ausgegangen wird, kann im Hinblick auf die am 04.10.2007 festgestellten Befunde nicht von einer dauerhaften Sehminderung der Klägerin dieses Ausmaßes ausgegangen werden, weshalb die Befunde vom 03.05.2006 der Bewertung des GdB nicht zugrunde zu legen sind.
Weiter ist bei der Klägerin ein Wirbelsäulenleiden zu berücksichtigen, für das der Senat mit dem Beklagten einen Teil-GdB von 20 für angemessen hält. Der davon abweichenden Ansicht von Dr. R. in seinem Gutachten vom 23.05.2006, der einen Teil-GdB von 30 für angemessen erachtet, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Seine Bewertung entspricht nicht den AHP, weshalb ihr nicht zu folgen ist. Dr. R. geht bei seiner Bewertung des Teil-GdB für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin von mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigen der HWS und der LWS aus. Solche Funktionsbeeinträchtigen liegen jedoch bei der Klägerin nach den von der Rügemer erhobenen und im Gutachten genannten Befunden jedenfalls hinsichtlich der HWS nicht vor. So sind die Bewegungsmaße - bei einer geringen Seitabweichung der Wirbelsäule von der Achse - nur leichtgradig eingeschränkt (Seitneigung 40-0-50 Grad; Rotation 50-0-40 Grad; Kinn-Brustbeinabstand 2/14 cm; kein Nystagmus/Schwindel auf Rückneigung/Rotation; Funktionsschmerz der mittleren und unteren HWS). Zwar bestehen deutliche degenerative Veränderungen. Diese Veränderungen bewirken bei der Klägerin jedoch noch keine Einschränkungen der Beweglichkeit der HWS oder neurologische Ausfälle, die es nach den AHP rechtfertigten, von mittelgradigen Funktionseinschränkungen auszugehen. Soweit Dr. R. bei seiner Teil-GdB-Bewertung eine ursprünglich überdurchschnittliche Beweglichkeit, das Vorliegen chronischer lokaler Irritationen, eine von der HWS ausgehende Brachialgie berücksichtigt und aus den überdurchschnittlich degenerativ veränderten Gelenken auf überdurchschnittliche Beschwerden schließt, wie er in seinem Gutachten und in der ergänzenden Stellungnahme vom 21.12.2006 ausgeführt hat, lässt sich damit ein Teil-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden nicht überzeugend begründen. Der Senat schließt sich vielmehr den versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. B. vom 06.10.2006 und Dr. W. vom 12.04.2007 an, die überzeugend ausgeführt haben, dass bei einer nur leichtgradigen Bewegungseinschränkung der HWS, aus tastbaren Muskelverspannungen, radiologischen Veränderungen, einer möglicherweise reduzierten überdurchschnittlichen Beweglichkeit und subjektiven, nicht überprüfbaren Beschwerdeangaben, keine mittelgradige Funktionsbehinderung der HWS abgeleitet werden kann. Dass bei der Klägerin neben der Bewegungsbehinderung nach den AHP (Nr. 26.18, Seite 115 f) zusätzlich zu berücksichtigende Wirbelsäulenleiden vorliegen, wie sie Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.12.2006 außerdem diskutiert, ist nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere hinsichtlich einer außerordentlichen Schmerzsymptomatik, für deren Vorliegen nach dem Gutachten von Dr. R. kein Anhaltspunkt besteht. Der Senat hält deshalb mit dem Beklagten einen Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin für ausreichend und angemessen.
Unabhängig davon wäre selbst dann, wenn mit Dr. R. von einem Teil-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin ausgegangen würde, ein Gesamt-GdB von 70, wie ihn Dr. R. angenommen hat, nicht gerechtfertigt. Bei der Klägerin bestehen zusätzlich zu der Sehminderung und dem Wirbelsäulenleiden eine Hüftdysplasie rechts und eine Funktionsstörung durch eine Zehenfehlform, die mit einem Teil-GdB von 20, eine seelische Störung, die mit einem Teil-GdB von 10 und ein Hepatitis-C Virusträger (in stabilem, klinisch weitgehend asymptomatischem Zustand), die mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten sind. Diesen Bewertungsansätzen, die nach den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen den AHP entsprechen, folgt der Senat. Hiergegen hat sich die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht (mehr) substantiiert gewandt. Nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB wäre bei der Klägerin ein GdB von 70, wie ihn Dr. R. angenommen hat, nur dann gerechtfertigt, wenn das Wirbelsäulenleiden der Klägerin in Richtung mit schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten geht. Davon geht aber Dr. R. selbst nicht aus und kann auch nach den Wirbelsäulenbefunden der Klägerin nicht ausgegangen werden.
Sonstige Gesundheitsstörungen, die einen GdB von 70 (oder mehr) rechtfertigen, liegen bei der Klägerin nicht vor. Solche hat die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht substantiiert geltend gemacht.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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