Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 3391/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1190/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. Juni 2002 eine Verletztenrente zusteht.
Der 1966 geborene Kläger war im Unfallzeitpunkt beim Autohaus H ... als Autoverkäufer beschäftigt. Der damalige Arbeitgeber teilt der Beklagten unter dem 19. Juli 2002 mit, der Kläger sei vom 13. bis 15. Juni wegen eines grippalen Infekts krank geschrieben gewesen. Am Samstag, dem 15. Juni, habe er in der Firma mit seinem Dienstwagen Unterlagen abgeholt, die er für eine vom 16. bis 21. Juni 2002 in der Nähe von Köln stattfindende Schulung benötigte. Der Unfallhergang sei vom Kläger übernommen worden. Eine Krankmeldung sei ihm erst am 13. Juli 2002 übergeben worden.
Der Kläger gab unter dem 8. August 2002 an, er habe die Firma H. am 15. Juni 2002 gegen 11.20 Uhr verlassen und sei mit seinem Fahrzeug nach Hause gefahren. Beim Aussteigen auf einem nahegelegenen Parkplatz sei er mit der Ferse (Schuh) am Kopfsteinpflaster hängen geblieben und dann auf den Rücken gefallen.
Der Arzt für Orthopädie Dr. I. teilte im Bericht vom 5. August 2002 mit, der Kläger sei am 2. Juli 2002 erstmals wegen akuter Schmerzen im Lumbalbereich in seine Praxis gekommen. Die klinischen und röntgenologischen Untersuchungen hätten einen Zustand nach Spondylodese L5/S1 ergeben, im Röntgenbild jedoch kein sicherer Anhalt für eine Wirbelfraktur. Die anschließend in der Klinik in Markgröningen angefertigte Computertomographie habe auch keine eindeutigen Hinweise auf eine Fraktur ergeben. Die Szintigraphie habe den Verdacht auf eine Sacrumfraktur ergeben. Die Krankschreibung durch Dr. I. erfolgte am 11. Juli 2002 rückwirkend zum 2. Juli 2002.
Prof. Dr. W. berichtete am 5. August 2002, der Kläger habe sich am 18. Juli 2002 mit aktuellen Szintigraphieaufnahmen vorgestellt. Diese zeigten eine Anreicherung auf halber Höhe des Sacrums, wo auch die Schmerzen lokalisiert würden. Eine seitliche Röntgenaufnahme sowie a.p. lasse hier auch eine Fraktur vermuten. Es bestehe der Verdacht auf eine Sacrumfraktur nach Sturz.
Am 8. August 2002 stellte sich der Kläger mit progredienten Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und Schmerzausstrahlung in beide Beine bei Prof. Dr. W. vor (Bericht vom 14. August 2002). Dieser veranlasste Kernspinaufnahmen der LWS, die keinen Nachweis eines Bandscheibenvorfalls oder einer Spinalkanalstenose ergaben bei unveränderter Lage des eingebrachten Implantatmaterials bei Spondylodese L5/S1 1990 (Bericht vom 20. August 2002). Nach ambulanten Untersuchungen am 18. und 25. September 2002 äußerte Prof. Dr. W. den differentialdiagnostischen Verdacht auf eine Meralgia parästhetica rechts, die unfall- unabhängig sei. Die Sakrumfraktur sei als knöchern konsolidiert anzusehen (Berichte vom 23.und 30. September 2002).
Am 6. November 2002 wurde im Rahmen eines stationären Aufenthalts in der Orthopädischen Klinik M. unter der Diagnose Meralgia parästhetica eine operative Revision des Nervus cutaneus femoris lateralis vorgenommen (Bericht und Operationsbericht vom 11. November 2002).
Eine am 12. Februar 2003 von Dr. W. durchgeführte Ganzkörperskelettszintigraphie ergab keine auffälligen Befunde an Wirbelsäule, Becken und unteren Extremitäten. Lediglich an der lateralen Corticalis des linken Femurschaftes zeigte sich eine geringgradig vermehrte Aktivität.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsregister und den Operationsbericht über die am 31. Januar 1990 in der Klinik Markgröningen durchgeführte Spondylodese bei.
Der beratende Arzt der Beklagten Prof. Dr. R. führte in der Stellungnahme vom 14. Mai 2003 aus, der Steiss-Kreuzbeinbereich sei röntgenologisch ohne Befund gewesen. Auch klinisch sei im Erstbefund nach über zwei Wochen ein Befund im Kreuz-Steissbeinbereich nicht erhoben worden, dies auch nicht röntgenologisch und im Szintigramm. Daher sei eine Prellung mit einer AU-Zeit von 3 Wochen möglich.
Mit Bescheid vom 5. Juni 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der erstmals aufgrund einer Szintigraphie vom 16. Juli 2002 geäußerte Verdacht eines Kreuzbeinbruchs sei zu keinem Zeitpunkt weder durch Röntgen- noch durch Computertomographieaufnahmen bestätigt worden. Ein Bruch des Kreuzbeins habe nicht vorgelegen. Die ohne funktionelle Folgen ausgeheilte Rückenprellung bedinge keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in messbarem Grade. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2003 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 5. Dezember 2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG), mit er die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH begehrte.
Das SG beauftrage den Orthopäden Dr. T. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachten. Nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung am 25. März 2004 führte der Sachverständige im Gutachten vom 28. April 2004 aus, beim Kläger bestünden eine somatoforme Schmerzstörung, ein Zustand nach Spondylodese L5/S1 wegen Spondylolisthesis mit anhaltenden lumbalen Beschwerden, eine abgeheilte Kreuzbeinfissur/Fraktur mit anhaltenden Schmerzen und Restbeschwerden nach Operation einer Kompression des Nervus cutaneus femoris lateralis. Zwar sei der Schadensmechanismus (Sturz auf den Rücken) prinzipiell geeignet, knöcherne Verletzungen an der Wirbelsäule hervorzurufen. Der Kläger habe aber nach dem Sturz an der berufsbedingten Weiterbildungsmaßnahme in der Nähe von Köln vom 16. bis 21. Juni 2002 teilgenommen und sich erst nach weiteren 11 Tagen, am 2. Juli 2002, in die Behandlung von Dr. I. begeben. In Kenntnis des Röntgenbefundes vom 2. Juli 2002 habe keine schwerwiegende Prellung oder knöcherne Verletzung stattgefunden. An dieser Bewertung ändere auch die später durchgeführte Szintigraphie mit Verdacht auf Fissur/Fraktur im Bereich des Kreuzbeins nichts. Da die Infraktion des Kreuzbeins nur szintigraphisch nachzuweisen gewesen sei, sei eine knöcherne Verschiebung von Fragmentteilen im Bereich des Kreuzbeins auszuschließen. Auch hätten die mehrfachen neurologischen Untersuchungen außer einer Irritation des Nervus cutaneus femoralis keinen Hinweis für eine Nervenwurzelirritation oder -schädigung ergeben. Die erlittene Prellung der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins mit Fissurbildung sei nicht die Ursache der jetzt bestehenden anhaltenden Schmerzsymptomatik. Unabhängig vom Unfallereignis habe sich eine somatoforme Schmerzstörung entwickelt bei bestehenden Restbeschwerden nach Spondylodeseoperation im Segment L5/S1. Unfallbedingte Gesundheitsstörungen lägen nicht vor Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei zum 1. August 2002 beendet gewesen. Eine MdE bestehe nicht.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete der Orthopäde Dr. F. das Gutachten vom 21. Oktober 2004. Er diagnostizierte eine ausgeprägte somatoforme Schmerzstörung mit Gangunsicherheit, einen Zustand nach Spondylodese L5/S1 wegen Spondylolisthesis, eine knöchern vollständig konsolidierte Kreuzbeinfraktur mit anhaltenden Schmerzen und Restbeschwerden nach Operation einer Kompression des Nervus cutaneus femoris lateralis. Als sichere Folge des Unfalls sei die inzwischen abgeheilte Kreuzbeinfraktur anzusehen. Er bewerte den Zustand nach knöchern verheilter Kreuzbeinfraktur mit anhaltender Beschwerdesymptomatik nach vorausgegangener operativer Stabilisierung des Segments L5/S1 wegen Spondylodese im Jahre 1990 mit einer MdE von 10 vH. Durch ein entsprechendes neurologisch-psychiatrisches Gutachten sollte geklärt werden, inwieweit und in welcher Stärke ein somatoformes Schmerzsyndrom durch den Unfall ausgelöst worden sei, nachdem der Kläger vor dem Unfall diesbezüglich keine Beschwerden gehabt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. Februar 2005 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Kläger habe eine Prellung der Wirbelsäule mit fraglicher Fissurbildung im Bereich des Kreuzbeins erlitten. Die jetzt bestehenden Gesundheitsstörungen seien in Anbetracht der dokumentierten Befunde und unter Berücksichtigung der Vorschädigung der Wirbelsäule mit anhaltenden lumbalgiformen Beschwerden nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall ursächlich zurückzuführen.
Gegen den am 28. Februar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. März 2005 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er unter Vorlage einer Berichts der Internistin und Kardiologin Dr. A.vom 20. Januar 2005 und des Entlassungsberichts nach stationärer Anschlussheilbehandlung vom 31. Januar bis 28. Februar 2005 in der Schettler-Klinik in Bad S. ausgeführt, es liege eine MdE um mindestens 20 vH vor. Dies ergebe sich zum einem aus den mit Hilfe eines entsprechenden Gutachtens zu verifizierenden Anteilen der somatoformen Schmerzstörung und zum anderen daraus, dass die starken somatoformen Schmerzen die Belastbarkeit des Herzens stark beeinträchtigt und somit nach aller Wahrscheinlichkeit den Herzanfall vom 13. Januar 2005 ausgelöst hätten. Er verweist darüber hinaus auf ein Gutachten, das die Orthopädin Dr. Sch.am 10. März 2006 für das Amtsgericht Stuttgart im Verfahren gegen die private Unfallversicherungsgesellschaft des Klägers erstellt hat, und das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 25. Juli 2006 (11 C 4031/05), welches unter Berücksichtigung der Ausschlussklausel für psychische Unfallfolgen die körperlichen Unfallfolgen mit einer Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit von 10 % bewerte.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Februar 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. Juni 2002 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat das Vorerkrankungsregister der AOK L.-B. beigezogen und die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen auf schriftlichem Wege vernommen.
Der Orthopäde Dr. I. hat unter Vorlage eigener Berichte und der der Klinik M. am 31. Mai 2005 mitgeteilt, er habe den Kläger erstmals am 2. Juli 2002 gesehen. Er sei wegen akuter Lumbalbeschwerden gekommen und nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung an die Klinik in Markgröningen weiterüberwiesen worden.
Der Allgemeinarzt Dr. B. hat ausgeführt, er habe dem Kläger, ohne ihn untersucht zu haben, am 1. Juli 2002 eine Überweisung an die Orthopädische Klinik M. zur Abklärung der Wirbelsäule nach einem Sturz auf den Rücken ausgestellt.
Der Facharzt für Orthopädie R. hat am 14. Juli 2005 mitgeteilt, er habe den Kläger vom 18. August 1998 bis zum 26. Juli 2000 behandelt. Zuvor sei der Kläger ab März 1994 bei seinem Praxisvorgänger in Behandlung gewesen. Wegen anhaltender lumbaler Rückenbeschwerden bei Zustand nach Spondylodese L5/S1 und Instabilität im Segment L4/L5 habe er dem Kläger im August 1998, im März 2000 und April 2000 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt.
Der Anästhesist P., bei dem sich der Kläger seit dem 14. Januar 2003 in schmerztherapeutischer Behandlung befindet, hat unter dem 11. Mai 2006 berichtet, am Anfang der Behandlung mit Infusionen sei eine kurzfristige Besserung und nach Implantation eines Periduralkatheters eine deutliche Besserung der Schmerzen eingetreten. Nachdem der Katheter wegen möglichen Infekts habe entfernt werden müssen, sei es im Oktober 2004 zu einer massiven Verschlechterung gekommen, da eine Neuropathie des Nervus genito-femoralis links aufgetreten sei. Am 13. Januar 2005 und Anfang Juli 2005 sei es jeweils zu einem Herzinfarkt gekommen mit weiterer Verschlechterung. Seit Ende 2005 sei eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau eingetreten.
Im parallel geführten Rentenrechtsstreit hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) am 17. Mai 2005 ein Anerkenntnis abgegeben und dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Mai 2007 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt (Bescheid vom 12. September 2005).
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Arzt für Arbeitsmedizin A. das Gutachten vom 16. August 2007 erstattet. Er hat ausgeführt, beim Kläger bestehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Folge des Sturzes ein Zustand nach Fissur/Fraktur des Os sacrum, inzwischen knöchern konsolidiert. Bezüglich der anhaltenden Schmerzen konkurrierten differentialdiagnostisch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine bewußtseinsnahe Symptombildung bei sekundärem Krankheitsgewinn und Versorgungswunsch und der Verdacht auf ein CRPS (complex regional pain syndrome = komplexes regionales Schmerzsyndrom) Typ I bei epidemiologisch ungewöhnlicher Konstellation und Lokalisation. Während die somatoforme Schmerzstörung und die bewußtseinsnahe Symptombildung eindeutig unfallunabhängig seien, könne ein CRPS Typ 1 als Unfallfolge zu diskutieren sein, wenngleich ein solches nach einer Kreuzbeinfraktur selten sei. Die Diagnose werde klinisch gestellt. Die meisten der Indizien (Hautrötung, Schwellung o.ä.) seien bisher nicht objektiviert worden. Die Dreiphasen-Skelettszintigraphie, der die beste Sensitivität zugeschrieben werde, habe eine Anreicherung nur noch an der Oberschenkelknochenkompakta auf der linken Seite gezeigt. Daher könne die Diagnose eines CRPS nicht mit der erforderlichen Sicherheit gestellt werden. Es empfehle sich aber, die Symptome weiterhin zu beobachten, das das CRPS in mehreren Stadien verlaufe und eine sichere Diagnose im Verlauf noch denkbar sei. Eine MdE bestehe nicht. Er stimme im gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Beurteilung von Dr. T. überein.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des SG und die Senatsakten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsauschließungsgründe liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Februar 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2003 sind daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles - hier eines Arbeitsunfalles im Sinne des § 8 SGB VII - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein.
Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17= BSGE 96, 196-209).
Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).
Hiervon ausgehend stellt der Senat fest, dass der Kläger in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit einen Sturz erlitten hat, als er nach dem Abholen von Tagungsunterlagen bei seinem Arbeitgeber beim Aussteigen aus dem Fahrzeug mit dem Schuh am Kopfsteinpflaster hängen blieb und auf den Rücken fiel. Bei diesem Sturz hat der Kläger neben einer Prellung auch eine Infraktion des Kreuzbeins erlitten, welche sich auf den im Juli 2002 durchgeführten Szintigraphieaufnahmen in Form einer Anreicherung auf halber Höhe des Sacrums zeigte. Nachdem zuvor weder auf den Röntgenbildern noch auf der Computertomographie eindeutige Hinweise auf eine Sacrumfraktur erkennbar waren, überzeugt die Feststellung des Sachverständigen Dr. T., dass bei der nur szintigraphisch nachweisbaren Infraktion des Kreuzbeins eine knöcherne Verschiebung von Fragmentteilen im Bereich des Kreuzbein nicht stattgefunden hat.
Die auch von Prof. Dr. W. diagnostizierte Sacrumfraktur war aber nach dessen Berichten vom 23. und 30. September 2002 bereits zu diesem Zeitpunkt als knöchern konsolidiert anzusehen. Die am 12. Februar 2003 von Dr. W. durchgeführte Ganzkörperskelettszintigraphie ergab im Bereich der gesamten Wirbelsäule keinen auffälligen Befund mehr.
Die Schmerzzustände, an denen der Kläger in zunehmenden Maß leidet und deretwegen er sich seit dem 14. Januar 2003 bei dem Anästhesisten P. in schmerztherapeutischer Behandlung befindet, sind nicht mit Wahrscheinlichkeit auf diesen Gesundheitserstschaden zurückzuführen. Dies gilt erst recht für die im Januar und im Juli 2005 aufgetretenen Herzinfarkte.
Nach den Darlegungen des auf Antrag des Kläger im Berufungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen A. könnte ein ursächlicher Zusammenhang mit dem erlittenen Gesundheitserstschaden nur dann hergestellt werden, wenn sich aus diesem ein CRPS Typ I, also ein komplexes regionales Schmerzsyndrom, entwickelt hätte. Ein solches vermag der Sachverständige A. zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht zu diagnostizieren. Er verweist insbesondere auf die am 12. Februar 2003 von Dr. W. durchgeführte Ganzkörperskelettszintigraphie, die mit Ausnahme einer geringgradig vermehrten Aktivität am Oberschenkelknochen links - mithin an einer Stelle, die vom Sturzereignis nicht betroffen war - keinen auffälligen Befund ergab. Nachdem dieser Untersuchung für die Feststellung eines CRPS die beste Sensitivität zugeschrieben wird und darüber hinaus klinische Indizien eines CRPS nicht objektiviert wurden, kann diese Diagnose nicht gestellt werden.
Soweit die Schmerzzustände auf eine Meralgia parästhetica - mit nachfolgender Revision des Nervus cutaneus femoris lateralis - (Bericht von Prof. Dr. W. vom 11. November 2002) bzw. im Oktober 2004 auf eine Neuropathie des Nervus genitofemoralis links (Bericht des Anästhesisten Philipp vom 11. Mai 2006) zurückgeführt werden, wird ein ursächlicher Zusammenhang dieser Nervenschäden mit dem erlittenen Gesundheitserstschaden in keiner der vorliegenden ärztlichen Unterlagen gesehen.
Eine somatoforme Schmerzstörung, welche der Orthopäde Dr. F. beim Kläger diagnostiziert hat, die aber nach Auffassung des Sachverständigen A. nur differentialdiagnostisch neben dem Verdacht auf ein CRPS oder einer bewußtseinsnahen Symptombildung bei sekundärem Krankheitsgewinn in Betracht zu ziehen und damit nicht bewiesen ist, kann auch schon begrifflich nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die bei dem Arbeitsunfall erlittene Gesundheitserstschädigung ursächlich zurückgeführt werden. Nach der Definition der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung in F45.4 ICD-10- GM 2007 ist die vorherrschende Beschwerde ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden kann. Er tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Belastungen auf, die schwer genug sein sollten, um als entscheidende ursächliche Faktoren zu gelten. Zutreffend hat der Sachverständige A. somit das mögliche Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung als eindeutig unfallunabhängig bezeichnet.
Nachdem die Schmerzzustände des Klägers nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den beim Arbeitsunfall erlittenen Gesundheitserstschaden zurückgeführt werden können, kann auch der Ursachenzusammenhang, den die Kardiologin Dr. A. zwischen den im Januar und Juli 2005 aufgetretenen Herzinfarkten und dem Unfall hergestellt hat, schon im Ansatz nicht nachvollzogen werden.
Die abgeheilte Prellung und die knöchern konsolidierte Kreuzbeinfraktur bedingen nach den Darlegungen von Dr. T. und A. keine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Selbst wenn man mit Dr. F. einen gewissen Schmerzanteil auf die knöchern vollständig konsolidierte Kreuzbeinfraktur bezieht, kann daraus auch nach dessen Einschätzung keine rentenberechtigende MdE von 20 vH abgeleitet werden.
Die Berufung des Klägers konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. Juni 2002 eine Verletztenrente zusteht.
Der 1966 geborene Kläger war im Unfallzeitpunkt beim Autohaus H ... als Autoverkäufer beschäftigt. Der damalige Arbeitgeber teilt der Beklagten unter dem 19. Juli 2002 mit, der Kläger sei vom 13. bis 15. Juni wegen eines grippalen Infekts krank geschrieben gewesen. Am Samstag, dem 15. Juni, habe er in der Firma mit seinem Dienstwagen Unterlagen abgeholt, die er für eine vom 16. bis 21. Juni 2002 in der Nähe von Köln stattfindende Schulung benötigte. Der Unfallhergang sei vom Kläger übernommen worden. Eine Krankmeldung sei ihm erst am 13. Juli 2002 übergeben worden.
Der Kläger gab unter dem 8. August 2002 an, er habe die Firma H. am 15. Juni 2002 gegen 11.20 Uhr verlassen und sei mit seinem Fahrzeug nach Hause gefahren. Beim Aussteigen auf einem nahegelegenen Parkplatz sei er mit der Ferse (Schuh) am Kopfsteinpflaster hängen geblieben und dann auf den Rücken gefallen.
Der Arzt für Orthopädie Dr. I. teilte im Bericht vom 5. August 2002 mit, der Kläger sei am 2. Juli 2002 erstmals wegen akuter Schmerzen im Lumbalbereich in seine Praxis gekommen. Die klinischen und röntgenologischen Untersuchungen hätten einen Zustand nach Spondylodese L5/S1 ergeben, im Röntgenbild jedoch kein sicherer Anhalt für eine Wirbelfraktur. Die anschließend in der Klinik in Markgröningen angefertigte Computertomographie habe auch keine eindeutigen Hinweise auf eine Fraktur ergeben. Die Szintigraphie habe den Verdacht auf eine Sacrumfraktur ergeben. Die Krankschreibung durch Dr. I. erfolgte am 11. Juli 2002 rückwirkend zum 2. Juli 2002.
Prof. Dr. W. berichtete am 5. August 2002, der Kläger habe sich am 18. Juli 2002 mit aktuellen Szintigraphieaufnahmen vorgestellt. Diese zeigten eine Anreicherung auf halber Höhe des Sacrums, wo auch die Schmerzen lokalisiert würden. Eine seitliche Röntgenaufnahme sowie a.p. lasse hier auch eine Fraktur vermuten. Es bestehe der Verdacht auf eine Sacrumfraktur nach Sturz.
Am 8. August 2002 stellte sich der Kläger mit progredienten Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und Schmerzausstrahlung in beide Beine bei Prof. Dr. W. vor (Bericht vom 14. August 2002). Dieser veranlasste Kernspinaufnahmen der LWS, die keinen Nachweis eines Bandscheibenvorfalls oder einer Spinalkanalstenose ergaben bei unveränderter Lage des eingebrachten Implantatmaterials bei Spondylodese L5/S1 1990 (Bericht vom 20. August 2002). Nach ambulanten Untersuchungen am 18. und 25. September 2002 äußerte Prof. Dr. W. den differentialdiagnostischen Verdacht auf eine Meralgia parästhetica rechts, die unfall- unabhängig sei. Die Sakrumfraktur sei als knöchern konsolidiert anzusehen (Berichte vom 23.und 30. September 2002).
Am 6. November 2002 wurde im Rahmen eines stationären Aufenthalts in der Orthopädischen Klinik M. unter der Diagnose Meralgia parästhetica eine operative Revision des Nervus cutaneus femoris lateralis vorgenommen (Bericht und Operationsbericht vom 11. November 2002).
Eine am 12. Februar 2003 von Dr. W. durchgeführte Ganzkörperskelettszintigraphie ergab keine auffälligen Befunde an Wirbelsäule, Becken und unteren Extremitäten. Lediglich an der lateralen Corticalis des linken Femurschaftes zeigte sich eine geringgradig vermehrte Aktivität.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsregister und den Operationsbericht über die am 31. Januar 1990 in der Klinik Markgröningen durchgeführte Spondylodese bei.
Der beratende Arzt der Beklagten Prof. Dr. R. führte in der Stellungnahme vom 14. Mai 2003 aus, der Steiss-Kreuzbeinbereich sei röntgenologisch ohne Befund gewesen. Auch klinisch sei im Erstbefund nach über zwei Wochen ein Befund im Kreuz-Steissbeinbereich nicht erhoben worden, dies auch nicht röntgenologisch und im Szintigramm. Daher sei eine Prellung mit einer AU-Zeit von 3 Wochen möglich.
Mit Bescheid vom 5. Juni 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der erstmals aufgrund einer Szintigraphie vom 16. Juli 2002 geäußerte Verdacht eines Kreuzbeinbruchs sei zu keinem Zeitpunkt weder durch Röntgen- noch durch Computertomographieaufnahmen bestätigt worden. Ein Bruch des Kreuzbeins habe nicht vorgelegen. Die ohne funktionelle Folgen ausgeheilte Rückenprellung bedinge keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in messbarem Grade. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2003 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 5. Dezember 2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG), mit er die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH begehrte.
Das SG beauftrage den Orthopäden Dr. T. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachten. Nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung am 25. März 2004 führte der Sachverständige im Gutachten vom 28. April 2004 aus, beim Kläger bestünden eine somatoforme Schmerzstörung, ein Zustand nach Spondylodese L5/S1 wegen Spondylolisthesis mit anhaltenden lumbalen Beschwerden, eine abgeheilte Kreuzbeinfissur/Fraktur mit anhaltenden Schmerzen und Restbeschwerden nach Operation einer Kompression des Nervus cutaneus femoris lateralis. Zwar sei der Schadensmechanismus (Sturz auf den Rücken) prinzipiell geeignet, knöcherne Verletzungen an der Wirbelsäule hervorzurufen. Der Kläger habe aber nach dem Sturz an der berufsbedingten Weiterbildungsmaßnahme in der Nähe von Köln vom 16. bis 21. Juni 2002 teilgenommen und sich erst nach weiteren 11 Tagen, am 2. Juli 2002, in die Behandlung von Dr. I. begeben. In Kenntnis des Röntgenbefundes vom 2. Juli 2002 habe keine schwerwiegende Prellung oder knöcherne Verletzung stattgefunden. An dieser Bewertung ändere auch die später durchgeführte Szintigraphie mit Verdacht auf Fissur/Fraktur im Bereich des Kreuzbeins nichts. Da die Infraktion des Kreuzbeins nur szintigraphisch nachzuweisen gewesen sei, sei eine knöcherne Verschiebung von Fragmentteilen im Bereich des Kreuzbeins auszuschließen. Auch hätten die mehrfachen neurologischen Untersuchungen außer einer Irritation des Nervus cutaneus femoralis keinen Hinweis für eine Nervenwurzelirritation oder -schädigung ergeben. Die erlittene Prellung der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins mit Fissurbildung sei nicht die Ursache der jetzt bestehenden anhaltenden Schmerzsymptomatik. Unabhängig vom Unfallereignis habe sich eine somatoforme Schmerzstörung entwickelt bei bestehenden Restbeschwerden nach Spondylodeseoperation im Segment L5/S1. Unfallbedingte Gesundheitsstörungen lägen nicht vor Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei zum 1. August 2002 beendet gewesen. Eine MdE bestehe nicht.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete der Orthopäde Dr. F. das Gutachten vom 21. Oktober 2004. Er diagnostizierte eine ausgeprägte somatoforme Schmerzstörung mit Gangunsicherheit, einen Zustand nach Spondylodese L5/S1 wegen Spondylolisthesis, eine knöchern vollständig konsolidierte Kreuzbeinfraktur mit anhaltenden Schmerzen und Restbeschwerden nach Operation einer Kompression des Nervus cutaneus femoris lateralis. Als sichere Folge des Unfalls sei die inzwischen abgeheilte Kreuzbeinfraktur anzusehen. Er bewerte den Zustand nach knöchern verheilter Kreuzbeinfraktur mit anhaltender Beschwerdesymptomatik nach vorausgegangener operativer Stabilisierung des Segments L5/S1 wegen Spondylodese im Jahre 1990 mit einer MdE von 10 vH. Durch ein entsprechendes neurologisch-psychiatrisches Gutachten sollte geklärt werden, inwieweit und in welcher Stärke ein somatoformes Schmerzsyndrom durch den Unfall ausgelöst worden sei, nachdem der Kläger vor dem Unfall diesbezüglich keine Beschwerden gehabt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. Februar 2005 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Kläger habe eine Prellung der Wirbelsäule mit fraglicher Fissurbildung im Bereich des Kreuzbeins erlitten. Die jetzt bestehenden Gesundheitsstörungen seien in Anbetracht der dokumentierten Befunde und unter Berücksichtigung der Vorschädigung der Wirbelsäule mit anhaltenden lumbalgiformen Beschwerden nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall ursächlich zurückzuführen.
Gegen den am 28. Februar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. März 2005 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er unter Vorlage einer Berichts der Internistin und Kardiologin Dr. A.vom 20. Januar 2005 und des Entlassungsberichts nach stationärer Anschlussheilbehandlung vom 31. Januar bis 28. Februar 2005 in der Schettler-Klinik in Bad S. ausgeführt, es liege eine MdE um mindestens 20 vH vor. Dies ergebe sich zum einem aus den mit Hilfe eines entsprechenden Gutachtens zu verifizierenden Anteilen der somatoformen Schmerzstörung und zum anderen daraus, dass die starken somatoformen Schmerzen die Belastbarkeit des Herzens stark beeinträchtigt und somit nach aller Wahrscheinlichkeit den Herzanfall vom 13. Januar 2005 ausgelöst hätten. Er verweist darüber hinaus auf ein Gutachten, das die Orthopädin Dr. Sch.am 10. März 2006 für das Amtsgericht Stuttgart im Verfahren gegen die private Unfallversicherungsgesellschaft des Klägers erstellt hat, und das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 25. Juli 2006 (11 C 4031/05), welches unter Berücksichtigung der Ausschlussklausel für psychische Unfallfolgen die körperlichen Unfallfolgen mit einer Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit von 10 % bewerte.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Februar 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. Juni 2002 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat das Vorerkrankungsregister der AOK L.-B. beigezogen und die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen auf schriftlichem Wege vernommen.
Der Orthopäde Dr. I. hat unter Vorlage eigener Berichte und der der Klinik M. am 31. Mai 2005 mitgeteilt, er habe den Kläger erstmals am 2. Juli 2002 gesehen. Er sei wegen akuter Lumbalbeschwerden gekommen und nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung an die Klinik in Markgröningen weiterüberwiesen worden.
Der Allgemeinarzt Dr. B. hat ausgeführt, er habe dem Kläger, ohne ihn untersucht zu haben, am 1. Juli 2002 eine Überweisung an die Orthopädische Klinik M. zur Abklärung der Wirbelsäule nach einem Sturz auf den Rücken ausgestellt.
Der Facharzt für Orthopädie R. hat am 14. Juli 2005 mitgeteilt, er habe den Kläger vom 18. August 1998 bis zum 26. Juli 2000 behandelt. Zuvor sei der Kläger ab März 1994 bei seinem Praxisvorgänger in Behandlung gewesen. Wegen anhaltender lumbaler Rückenbeschwerden bei Zustand nach Spondylodese L5/S1 und Instabilität im Segment L4/L5 habe er dem Kläger im August 1998, im März 2000 und April 2000 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt.
Der Anästhesist P., bei dem sich der Kläger seit dem 14. Januar 2003 in schmerztherapeutischer Behandlung befindet, hat unter dem 11. Mai 2006 berichtet, am Anfang der Behandlung mit Infusionen sei eine kurzfristige Besserung und nach Implantation eines Periduralkatheters eine deutliche Besserung der Schmerzen eingetreten. Nachdem der Katheter wegen möglichen Infekts habe entfernt werden müssen, sei es im Oktober 2004 zu einer massiven Verschlechterung gekommen, da eine Neuropathie des Nervus genito-femoralis links aufgetreten sei. Am 13. Januar 2005 und Anfang Juli 2005 sei es jeweils zu einem Herzinfarkt gekommen mit weiterer Verschlechterung. Seit Ende 2005 sei eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau eingetreten.
Im parallel geführten Rentenrechtsstreit hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) am 17. Mai 2005 ein Anerkenntnis abgegeben und dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Mai 2007 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt (Bescheid vom 12. September 2005).
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Arzt für Arbeitsmedizin A. das Gutachten vom 16. August 2007 erstattet. Er hat ausgeführt, beim Kläger bestehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Folge des Sturzes ein Zustand nach Fissur/Fraktur des Os sacrum, inzwischen knöchern konsolidiert. Bezüglich der anhaltenden Schmerzen konkurrierten differentialdiagnostisch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine bewußtseinsnahe Symptombildung bei sekundärem Krankheitsgewinn und Versorgungswunsch und der Verdacht auf ein CRPS (complex regional pain syndrome = komplexes regionales Schmerzsyndrom) Typ I bei epidemiologisch ungewöhnlicher Konstellation und Lokalisation. Während die somatoforme Schmerzstörung und die bewußtseinsnahe Symptombildung eindeutig unfallunabhängig seien, könne ein CRPS Typ 1 als Unfallfolge zu diskutieren sein, wenngleich ein solches nach einer Kreuzbeinfraktur selten sei. Die Diagnose werde klinisch gestellt. Die meisten der Indizien (Hautrötung, Schwellung o.ä.) seien bisher nicht objektiviert worden. Die Dreiphasen-Skelettszintigraphie, der die beste Sensitivität zugeschrieben werde, habe eine Anreicherung nur noch an der Oberschenkelknochenkompakta auf der linken Seite gezeigt. Daher könne die Diagnose eines CRPS nicht mit der erforderlichen Sicherheit gestellt werden. Es empfehle sich aber, die Symptome weiterhin zu beobachten, das das CRPS in mehreren Stadien verlaufe und eine sichere Diagnose im Verlauf noch denkbar sei. Eine MdE bestehe nicht. Er stimme im gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Beurteilung von Dr. T. überein.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des SG und die Senatsakten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsauschließungsgründe liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Februar 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2003 sind daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles - hier eines Arbeitsunfalles im Sinne des § 8 SGB VII - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein.
Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17= BSGE 96, 196-209).
Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).
Hiervon ausgehend stellt der Senat fest, dass der Kläger in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit einen Sturz erlitten hat, als er nach dem Abholen von Tagungsunterlagen bei seinem Arbeitgeber beim Aussteigen aus dem Fahrzeug mit dem Schuh am Kopfsteinpflaster hängen blieb und auf den Rücken fiel. Bei diesem Sturz hat der Kläger neben einer Prellung auch eine Infraktion des Kreuzbeins erlitten, welche sich auf den im Juli 2002 durchgeführten Szintigraphieaufnahmen in Form einer Anreicherung auf halber Höhe des Sacrums zeigte. Nachdem zuvor weder auf den Röntgenbildern noch auf der Computertomographie eindeutige Hinweise auf eine Sacrumfraktur erkennbar waren, überzeugt die Feststellung des Sachverständigen Dr. T., dass bei der nur szintigraphisch nachweisbaren Infraktion des Kreuzbeins eine knöcherne Verschiebung von Fragmentteilen im Bereich des Kreuzbein nicht stattgefunden hat.
Die auch von Prof. Dr. W. diagnostizierte Sacrumfraktur war aber nach dessen Berichten vom 23. und 30. September 2002 bereits zu diesem Zeitpunkt als knöchern konsolidiert anzusehen. Die am 12. Februar 2003 von Dr. W. durchgeführte Ganzkörperskelettszintigraphie ergab im Bereich der gesamten Wirbelsäule keinen auffälligen Befund mehr.
Die Schmerzzustände, an denen der Kläger in zunehmenden Maß leidet und deretwegen er sich seit dem 14. Januar 2003 bei dem Anästhesisten P. in schmerztherapeutischer Behandlung befindet, sind nicht mit Wahrscheinlichkeit auf diesen Gesundheitserstschaden zurückzuführen. Dies gilt erst recht für die im Januar und im Juli 2005 aufgetretenen Herzinfarkte.
Nach den Darlegungen des auf Antrag des Kläger im Berufungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen A. könnte ein ursächlicher Zusammenhang mit dem erlittenen Gesundheitserstschaden nur dann hergestellt werden, wenn sich aus diesem ein CRPS Typ I, also ein komplexes regionales Schmerzsyndrom, entwickelt hätte. Ein solches vermag der Sachverständige A. zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht zu diagnostizieren. Er verweist insbesondere auf die am 12. Februar 2003 von Dr. W. durchgeführte Ganzkörperskelettszintigraphie, die mit Ausnahme einer geringgradig vermehrten Aktivität am Oberschenkelknochen links - mithin an einer Stelle, die vom Sturzereignis nicht betroffen war - keinen auffälligen Befund ergab. Nachdem dieser Untersuchung für die Feststellung eines CRPS die beste Sensitivität zugeschrieben wird und darüber hinaus klinische Indizien eines CRPS nicht objektiviert wurden, kann diese Diagnose nicht gestellt werden.
Soweit die Schmerzzustände auf eine Meralgia parästhetica - mit nachfolgender Revision des Nervus cutaneus femoris lateralis - (Bericht von Prof. Dr. W. vom 11. November 2002) bzw. im Oktober 2004 auf eine Neuropathie des Nervus genitofemoralis links (Bericht des Anästhesisten Philipp vom 11. Mai 2006) zurückgeführt werden, wird ein ursächlicher Zusammenhang dieser Nervenschäden mit dem erlittenen Gesundheitserstschaden in keiner der vorliegenden ärztlichen Unterlagen gesehen.
Eine somatoforme Schmerzstörung, welche der Orthopäde Dr. F. beim Kläger diagnostiziert hat, die aber nach Auffassung des Sachverständigen A. nur differentialdiagnostisch neben dem Verdacht auf ein CRPS oder einer bewußtseinsnahen Symptombildung bei sekundärem Krankheitsgewinn in Betracht zu ziehen und damit nicht bewiesen ist, kann auch schon begrifflich nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die bei dem Arbeitsunfall erlittene Gesundheitserstschädigung ursächlich zurückgeführt werden. Nach der Definition der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung in F45.4 ICD-10- GM 2007 ist die vorherrschende Beschwerde ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden kann. Er tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Belastungen auf, die schwer genug sein sollten, um als entscheidende ursächliche Faktoren zu gelten. Zutreffend hat der Sachverständige A. somit das mögliche Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung als eindeutig unfallunabhängig bezeichnet.
Nachdem die Schmerzzustände des Klägers nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den beim Arbeitsunfall erlittenen Gesundheitserstschaden zurückgeführt werden können, kann auch der Ursachenzusammenhang, den die Kardiologin Dr. A. zwischen den im Januar und Juli 2005 aufgetretenen Herzinfarkten und dem Unfall hergestellt hat, schon im Ansatz nicht nachvollzogen werden.
Die abgeheilte Prellung und die knöchern konsolidierte Kreuzbeinfraktur bedingen nach den Darlegungen von Dr. T. und A. keine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Selbst wenn man mit Dr. F. einen gewissen Schmerzanteil auf die knöchern vollständig konsolidierte Kreuzbeinfraktur bezieht, kann daraus auch nach dessen Einschätzung keine rentenberechtigende MdE von 20 vH abgeleitet werden.
Die Berufung des Klägers konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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