L 9 R 5456/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2690/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5456/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. November 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 27. April 2004 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt auf Grund eines im März 2003 eingetretenen Leistungsfalles dem Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis zum 30. April 2007 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bis zur Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen durch Bescheid vom 5. März 2007 ab 1. Mai 2007.

Der 12. April 1947 geborene kroatische Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er kam 1970 in die Bundesrepublik Deutschland und arbeitete zunächst als Kraftfahrer. Von Oktober 1980 bis zum 28. Februar 2002 war der Kläger als Schweißer bei der Fa. H. in B. beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Insolvenz der Firma. Vom 1. März 2002 an bezog der Kläger, unterbrochen von Krankengeldbezug, Arbeitslosengeld, ab 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II.

Am 19. Dezember 2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte ließ den Kläger durch Dr. M. begutachten. Diese diagnostizierte im Gutachten vom 6. Februar 2004 einen organerhaltend operierten Harnblasenkrebs Juli 1999 mit Rezidivoperation März 2003, derzeit ohne Anhalt für lokale Wiederkehr oder Fernaussaat, degenerative Wirbelsäulenbeschwerden mit Bandscheibenschäden ohne neurologische Ausfallerscheinungen, chronische Reizerscheinungen und degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette der linken Schulter mit Bewegungseinschränkung und eine leichte reaktive depressive Verstimmung. Aus den degenerativen Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat resultiere eine Einschränkung des Leistungsvermögens für Arbeiten mit häufigen Überkopftätigkeiten, häufigem Bücken, häufigem Heben und und Tragen von Lasten über 15 Kilo und häufigen Zwangshaltungen der Wirbelsäule. Als Schweißer sei der Kläger deswegen nicht mehr einsetzbar. Unter Beachtung dieser Leistungseinschränkungen könne er noch leichte bis mittelschwere Arbeiten weiterhin mindestens 6-stündig verrichten.

Die Beklagte richtete Anfragen an die Fa. H., die nicht beantwortet wurden, und an die Fa. S., bei der der Kläger im Zeitraum vom 21. Januar 2000 bis zum 31. März 2001 aushilfsweise zu einem Stundenlohn von 7,67 EUR beschäftigt war. Bei der verrichteten Schweißertätigkeit habe es sich um eine Facharbeitertätigkeit gehandelt (Auskunft vom 25. März 2004).

Mit Bescheid vom 27. April 2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zwar könne der Kläger mit dem vorhandenen Leistungsvermögen den angelernten Beruf eines Schweißers nicht mehr ausüben, er könne jedoch auf eine Tätigkeit als Pförtner zumutbar verwiesen werden.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2004 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 19. August 2004 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) und machte geltend, er sei durch ständige Schmerzen und wegen einer Verschlimmerung seiner psychischen Situation nicht mehr in der Lage, wenigstens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Zu seiner beruflichen Tätigkeit legte der Kläger ein Zeugnis der Fa. Hess vom 26. März 2002 vor, wonach er dort von Oktober 1980 bis zur Insolvenz Ende Februar 2002 in der Schweißabteilung für das Zusammensetzen und -schweißen von Profilen, Blechen und Stahlträgern zu Maschinenrahmen nach Zeichnung, für das Schutzgasschweißen von Maschinenbaugruppen nach Schablone und das Richten von Stabmaterial und Profilrohren auf einer Richtpresse eingesetzt war. Der Kläger habe alle ihm übertragenen Aufgaben selbstständig, zügig und sorgfältig stets zur vollsten Zufriedenheit der Firma ausgeführt.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers, den praktischen Arzt Dr. K. (Auskunft vom 17. November 2004 - im Vordergrund stünden die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule, der Schulter und des Magens und darüber hinaus die reaktiven psychischen Beschwerden) und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Glomm (Auskunft vom 16. September 2005 - das maßgebliche Leiden liege nicht auf nervenärztlichem, sondern auf orthopädischem und urologischem Gebiet) und holte das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. Bosch vom 3. Mai 2005 ein. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass die degenerativen Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat das qualitative Leistungsvermögen des Klägers in der Weise einschränkten, dass keine Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, keine Arbeiten mit Heben/Tragen/Bewegen von Lasten über 10-12 Kilo und Exposition gegenüber Kälte/Nässe/Zugluft mehr möglich seien. Auch entfielen Arbeiten in knieender und hockender Position sowie Arbeiten mit ständigem Besteigen von Leitern und Gerüsten. Das zeitliche Leistungsvermögen für den Beruf eines Schweißers sei auf unter 3 Stunden pro Tag gesunken. Für leichte bis teils mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen sei das zeitliche Leistungsvermögen nicht eingeschränkt.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. November 2005 wies das SG die Klage ab. Da der Kläger trotz Aufforderung keine Qualifikation durch Abschlusszeugnisse habe belegen können, sei er, entsprechend der Auffassung der Beklagten, als Angelernter des oberen Bereichs einzustufen. Daher habe ihn die Beklagte zutreffend auf die Tätigkeit eines einfachen Pförtners verwiesen. In Betracht komme die Ausübungsform "Pförtner in Verwaltungsgebäuden" der Lohngruppe 2 Nr. 1.9 des "Manteltarifvertrages für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Bundes und der Länder", welche auf reine Überwachung und Abwicklung des Besucherverkehrs einer Dienststelle gerichtet sei, keine Ausbildung voraussetze und für die die Einarbeitungszeit in keinem Fall die Dauer von drei Monaten übersteige.

Gegen den am 23. November 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21. Dezember 2005 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und unter Vorlage von Gehaltsabrechnungen und entsprechenden Mitteilungen der Fa. H. vorgetragen, ihm stehe qualifizierter Berufsschutz zu. Er sei zuletzt in Lohngruppe VII des einschlägigen Tarifvertrags der IG Metall eingruppiert gewesen. Außerdem habe sich sein Gesundheitszustand verschlechtert.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. November 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis zum 30. April 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Kläger nicht als Facharbeiter anzusehen sei. Hilfsweise benenne die Beklagte als Verweisungstätigkeiten die eines Registrators oder eines Telefonisten, jeweils in BAT VIII.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte des Klägers auf schriftlichen Wege vernommen.

Der Orthopäde Dr. S. hat am 18. Mai 2006 mitgeteilt, dass eine MRT-Untersuchung der Lendenwirbelsäule am 18. April eine akute Osteochondrose linksseitig im Segment L4/5 und chronische Osteochondrosen rechtsseitig im Segment L4/5 und und im Segment L5/S1 gezeigt habe, jedoch keinen Diskusprolaps und keinen stärkeren Kompressionseffekt. Dem Kläger sei empfohlen worden, ein konsequentes Reha-Training zu betreiben und Physiotherapie durchführen zu lassen.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. hat unter dem 28. März 2007 berichtet, der Kläger sei zuletzt am 4. April 2005 in seiner Behandlung gewesen, seither nicht mehr.

Der Urologe Dr. M. hat in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 28. März 2007 unter Vorlage weiterer ärztlicher Berichte bekundet, beim Kläger bestehe ein rezidivierend auftretendes Blasencarcinomleiden, weswegen zuletzt vom 29. November bis 5. Dezember 2006 eine stationäre Behandlung erforderlich geworden sei. Dadurch sei die körperliche und psychische Belastbarkeit des Klägers deutlich eingeschränkt. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien noch 6 bis 8 Stunden täglich an 5 Tagen in der Woche zumutbar.

Auf die Bitte des Senats, die Personalakte des Klägers vorzulegen, hat der Inhaber der Fa. S., R. S., unter dem 27. Januar 2007 mitgeteilt, brauchbare Unterlagen seien nicht mehr vorhanden. Der Kläger habe in seinem Betrieb viele Jahre als Aushilfe gearbeitet und sei einer seiner besten Mitarbeiter überhaupt gewesen. Er habe als Schweißer fast alle Montagearbeiten selbständig ausgeführt. Konstruktionen nach Zeichnungen anzufertigen, sei für ihn kein Problem gewesen.

In der vom Senat erbetenen gutachterlichen Stellungnahme vom 23. Juli 2007 hat Dipl.-Ing R. ausgeführt, nur aufgrund des Nachweises bestandener Schweißerprüfungen könnten die Fähigkeiten und Kenntnisse eines Schweißers in einem Ausbildungsberuf als Facharbeiter nicht zugesprochen werden. Im übrigen liege ein Nachweis über Schweißerprüfungen bzw. eines Schweißerausbildungsberufes nicht vor. Daher könne über die berufliche Situation des Klägers keine abgesicherte Aussage getroffen werden.

Schließlich hat der Kläger noch eine schriftliche Stellungnahme des früheren technischen Geschäftsführers der Fa. H., H. W., vom 21. November 2007 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, die Firma H. habe groß dimensionierte Holzbearbeitungsmaschinen mit hoher Maßgenauigkeit gefertigt. Saubere und exakte Schweißnähte ohne Nacharbeit seien Bedingung für präzise Konstruktionen und Maschinen gewesen. Der Kläger habe Zeichnungen lesen und danach selbständig arbeiten können. Nach kurzer Anleitung durch den Betriebsleiter oder die Konstrukteure sei er jeder Schweißaufgabe gewachsen gewesen. Wegen seiner sehr guten Leistungen sei der Kläger in Lohngruppe VII mit Schweiß- und Schmutzzulagen und Zulagen für langjährige Betriebstätigkeit entlohnt worden.

Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG und die Senatsakte.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist auch teilweise begründet, da dem Kläger nach dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen des Senats auf der Grundlage eines im März 2003 eingetretenen Leistungsfalls und des am 19. Dezember 2003 gestellten Leistungsantrags für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis zum 30. April 2007 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht. Soweit der Kläger für denselben Zeitraum Rente wegen voller Erwerbminderung begehrte, war die Berufung zurückzuweisen.

Gemäß § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst die Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI).

Bei Prüfung der Frage, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, muss zunächst der bisherige Beruf festgestellt und danach geklärt werden, auf welche Tätigkeiten ein Versicherter verwiesen werden kann. Hierzu hat die Rechtsprechung ein Mehrstufenschema entwickelt, demzufolge sich die rentenversicherungspflichtigen Berufstätigkeiten in mehrere Gruppen aufteilen lassen, die durch "Leitberufe" charakterisiert werden. Es handelt sich hierbei um die Gruppe der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. besonders hoch qualifizierten Facharbeiter, der Facharbeiter, der angelernten Arbeiter (sonstige Ausbildungsberufe) und schließlich der ungelernten Arbeiter, wobei die Gruppe der angelernten Arbeiter in sich sehr inhomogen ist und deshalb in zwei Untergruppen (jeweils nach Dauer der Anlernzeit) zu unterteilen ist. Dem unteren Bereich der Stufe des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 bis 12 Monaten und dem oberen Bereich die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten zuzuordnen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45 S. 186/187). Wer mit seinem bisherigen Beruf einer dieser Gruppen angehört, kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - in der Regel auf eine Tätigkeit der jeweils nächst unteren Stufe verwiesen werden. Denn das Gesetz sieht einen Versicherten nicht schon dann als berufsunfähig an, wenn er seinen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, sondern verlangt, ausgehend von diesem Beruf, einen "zumutbaren beruflichen Abstieg" in Kauf zu nehmen. Erst wenn ein Versicherter auch auf eine ihm zumutbare andere Tätigkeit nicht verwiesen werden kann, ist er berufsunfähig (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 55, 75, 86 und 90 sowie SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 2, 17, 28 und 41).

An diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, ist der Kläger zur Überzeugung des Senats berufsunfähig. Bisheriger Beruf des Klägers ist derjenige eines Schweißers bei der Fa. H. in Balingen, bei der er von Oktober 1980 bis zu deren Insolvenz Ende Februar 2002 beschäftigt war. Die Aushilfstätigkeit bei der Fa. S., die der Kläger neben der Tätigkeit bei der Fa. H. verrichtete und für die er einen Stundenlohn von lediglich 7,67 EUR erhielt, ist nicht maßgeblich.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer der Gruppen des Mehrstufenschemas allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde qualitative Wert der Arbeit für den Betrieb ausschlaggebend. In die Gesamtschau aller möglichen Bewertungskriterien sind einzubeziehen die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausübung, die Höhe der Entlohnung und die Anforderungen des Berufs, wobei maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Wertigkeit des bisherigen Berufs die Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung ist (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 240 SGB VI Rdnr. 43 und 44 m.w.N.)

Hiervon ausgehend stellt der Senat fest, dass der Kläger zwar den Beruf eines Schweißers nicht erlernt hat. Er war aber auf der Grundlage einer langjährigen einschlägigen Berufserfahrung, die durch Anerkennungsurkunden der Handwerkskammer Reutlingen vom 13. Oktober 1990 und der Firma Hess vom Oktober 1995 nachgewiesen ist, nach der zuletzt vorgelegten Auskunft des ehemaligen technischen Geschäftsführers der Fa. H. H. W. vom 21. November 2007 in der Lage, nach kurzer Anleitung durch den Betriebsleiter und/oder durch die Konstrukteure der groß dimensionierten Holzbearbeitungsmaschinen, die die Fa. H. herstellte, jede Schweißaufgabe durchzuführen. Er konnte Zeichnungen lesen und nach diesen selbständig arbeiten und konnte im Team weniger qualifizierten Mitarbeitern Arbeitsanweisungen erteilen. Diese durch die langjährige praktische Tätigkeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers spiegeln sich in der Bezahlung in der Lohngruppe VII des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrags der Metallindustrie Südwürttemberg-Hohenzollern wider, unter die nach deren Beschreibung Arbeiten fallen, die in Bezug auf das fachliche Können einen Ausbildungsstand erfordern, wie er entweder durch eine fachentsprechende Berufsausbildung oder durch eine Anlerntätigkeit und zusätzliche Berufserfahrung erzielt wird. Damit hatte die Tätigkeit des Klägers für den Betrieb, bei dem er Jahrzehnte beschäftigt war, den qualitativen Wert derjenigen eines Facharbeiters.

Diese Tätigkeit kann der Kläger wegen seiner vor allem auf orthopädischem und urologischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen nicht mehr ausüben. Nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. Bosch ist das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers in seinem Beruf als Schweißer wegen der degenerativen Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat auf unter 3 Stunden täglich gesunken. Zusätzliche Einschränkungen der Belastbarkeit des Klägers ergeben sich aus dem rezidivierend aufbrechenden Blasenkarzinomleiden.

Möglich sind dem Kläger noch leichte körperliche Arbeiten ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne das Heben und Tragen von Lasten über 10 bis 12 Kilo, ohne Exposition gegenüber Nässe, Kälte und Zugluft, ohne Knien und Hocken und ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen kann der Kläger noch sechs Stunden und mehr täglich arbeiten.

Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nach Überzeugung des Senats nicht mehr in der Lage, den von der Beklagten im Berufungsverfahren benannten Verweisungstätigkeiten eines Registrators bzw. eines Telefonisten der Vergütungsgruppe BAT VIII nachzugehen. Vor allem ist er nicht in der Lage, die bei Eingruppierung in BAT VIII anspruchsvollere Tätigkeit eines Registrators bzw. Telefonisten innerhalb von drei Monaten zu erlernen.

In Vergütungsgruppe BAT IXb ist danach die Tätigkeit von Angestellten im Registraturdienst eingestuft, die mit einfacheren Arbeiten befasst sind. Nach dem Tarifvertrag gehören hierzu nach Schema zu erledigende Arbeiten; Postabfertigung; Führung von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnisse; Führung von einfachen Karteien, z.B. Zettelkatalogen, nach Eigen- oder Ortsnamen geordneten Karteien; Führung von Kontrolllisten, Einheitswertbogen und statistischen Anschreibungen; Formularerwaltung, Schreibmaterialienverwaltung; Führung von häufig wiederkehrendem Schriftwechsel nach Vordruck, insbesondere formularmäßige Bescheinigungen und Benachrichtigungen sowie Erinnerungen und Straffestsetzungen; Lesen von Reinschriften; Heraussuchen von Vorgängen an Hand der Tagebücher. Angestellte mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe IXb gelangen nach zweijähriger Bewährung in die (End-) Vergütungsgruppe IXa.

In Vergütungsgruppe BAT VIII eingestuft sind Angestellte im Registraturdienst mit schwierigerer Tätigkeit. Der Tarifvertrag zählt hierzu beispielhaft auf die Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung; Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art; Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt; buchhalterische Übertragungsarbeiten; Zinsstaffelberechnungen; Kontenführung. Diese gelangen nach dreijähriger Bewährung in dieser Tätigkeit in die Vergütungsgruppe VII Ziff. 2.

Ob eine schwierigere Tätigkeit vorliegt, ist am Maßstab der in Vergütungsgruppe IXb eingruppierten Tätigkeiten zu messen. Kriterien für eine schwierigere Tätigkeit sind dabei Verantwortlichkeit, große Selbstständigkeit, eigene Initiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besondere Initiative, besondere eigene Überlegung und Befähigung, wie sie zu einfacheren Arbeiten nicht gefordert werden (BAG AP Nr. 20 zu §§ 22, 23 BAT).

Unabdingbare Voraussetzung für die Verrichtung der schwierigeren Tätigkeiten im Bereich von Registratur und Telefondienst sind aber Kenntnisse von Verwaltungsabläufen bzw. im Bürobereich, verbunden mit EDV-Kenntnissen. Liegen solche, wie bei dem ausschließlich im handwerklich-praktischen Beruf tätig gewesenen Kläger, nicht vor, können sie -auch angesichts des Alters des Klägers - nicht innerhalb einer ca. 3-monatigen Einarbeitungszeit vermittelt werden.

Der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit ist beim Kläger nach den Feststellungen im Gutachten von Dr. M. nach der Rezidivoperation im März 2003 eingetreten, sodass dem Kläger aufgrund des am 19. Dezember 2003 gestellten Antrags Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. Dezember 2003 (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) bis zum 30. April 2007, dem Ablauf des Monats vor Gewährung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen, zusteht.

Soweit der Kläger darüber hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung für diesen Zeitraum begehrt, war die Berufung zurückzuweisen. Mit dem beschriebenen Leistungsvermögen konnte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum noch leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Kläger im November /Dezember 2006 einer weiteren Rezidiv-Operation unterziehen musste, nachdem der behandelnde Urologe Dr. M. für leichte körperliche Tätigkeiten noch ein Leistungsvermögen von 6 bis 8 Stunden täglich attestierte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den weiter gehenden Antrag des Klägers.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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