L 3 SB 1424/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 3297/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1424/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderter.

Bei dem 1946 geborenen Kläger stellte der Beklagte auf der Grundlage des Entlassungsberichts über die vom Kläger im Jahr 2003 durchgeführte Heilbehandlung (Diagnosen: Persistierende Gonalgien li. bei Z. n. Innenmeniskusteilresektion [7/02], retropatellarer Knorpelschaden Grad II, chronisch rez. Lumbalsyndrom bei Fehlbelastung, arterielle Hypertonie und Hyperlipoproteinämie) sowie Befundberichten des Orthopäden Dr. von M. und des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. mit Bescheid vom 30.05.2003 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen Knorpelschäden am linken Kniegelenk (Teil-GdB 30) und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) sowie Bluthochdruck (Teil-GdB 10) fest.

Am 19.05.2004 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag. Die Beklagte zog erneut einen Befundbericht des Dr. von M. bei und lehnte anschließend nach Einholung einer Stellungnahme der Vertragsärztin Streich mit Bescheid vom 15.07.2004 eine Neufeststellung ab.

Auf den vom Kläger hiergegen eingelegten Widerspruch holte der Beklagte weitere Befundberichte des Dr. H. (Blutdruck am 04.12.2002 130/90 mmHg) und des Arztes für Hals-Nasen-Ohren Erkrankungen Dr. K. (chronischer Tinnitus aurium bds., Mittel-Hochton-Schallempfindungsschwerhörigkeit bds., Tonsilitis chronica) ein und stellte anschließend mit Teilabhilfebescheid vom 26.04.2005 nach Einholung einer Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. E. einen Gesamt-GdB von 40 seit dem 19.05.2004 wegen der bereits anerkannten Behinderungen und unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen (Teil-GdB 20) fest. Der dagegen aufrecht erhaltene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2005 zurückgewiesen.

Am 11.10.2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Feststellung eines höheren GdB weiterverfolgt hat.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass mit Ausnahme der weiteren Behinderung Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen, die der Beklagte im Teilabhilfebescheid berücksichtigt habe, eine weitere wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen beim Kläger seit der Feststellung des GdB mit Bescheid vom 30.05.2003 nicht eingetreten sei. Die Funktionsbeeinträchtigung von seiten der Wirbelsäule sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten und die Knorpelschäden am linken Kniegelenk seien mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Bei der Funktionsbeeinträchtigung Schwerhörigkeit beidseitig mit Ohrgeräuschen sei ein chronischer Tinnitus berücksichtigt worden, denn die Begriffe Tinnitus und Ohrgeräusche würden als Synonyme gebraucht. Hinsichtlich der Tonsilitis habe Dr. K. keine hieraus folgende Beeinträchtigung aufgeführt. Ein Einzel-GdB von 20 sei für die beidseitige Schwerhörigkeit unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ohrgeräusche gerechtfertigt. Die Funktionsbeeinträchtigung Fettstoffwechselstörung habe keinen GdB von wenigstens 10 zur Folge. Unter Berücksichtigung der Laborwerte seien keine Einschränkungen objektiviert. Die beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen seien mit einem Gesamt-GdB von 40 zu bewerten.

Am 15.03.2006 hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung den Einzel-GdB bezüglich des Bluthochdruckleidens und der Schwerhörigkeit mit Tinnitus gerügt. Wegen des Bluthochdrucks sei es auch schon zu einer Beeinträchtigung der Sehfähigkeit gekommen. Er hat den Arztbrief des Orthopäden Dr. S. (Diagnose: Gonarthrose bds., Osteochondrose mittlere und untere LWS mit Spondylose) vorgelegt.

Der Senat hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte Dr. H., des Augenarztes Schmidt und des Dr. S. eingeholt.

Dr. H. hat unter Beifügung eines vorläufigen Entlassungsberichts des Klinikums Ludwigsburg, der jedoch nicht den Kläger, sondern einen Patienten mit anderem Namen betrifft, sowie eines Arztbriefes des Radiologen Dr. R. (deutliche degenerative Veränderungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule) und eines Diabetes-Diagnostik Blatts angegeben, er behandle den Kläger unregelmäßig wegen Bluthochdrucks und Rückenschmerzen. Am 20.07.2006 sei zum ersten Male ein latenter Diabetes mellitus mit einer Fettstoffwechselstörung festgestellt worden. Darüber hinaus bestehe beim Kläger ein degeneratives Knieleiden.

Der Augenarzt Sch. hat ausgeführt, er habe beim Kläger zuletzt am 17.07.2006 den Visus mit Korrektion für das rechte Auge mit 1,0 und für das linke Auge mit 0,9 gemessen und die Diagnosen einer Hyperopie, eines Astigmatismus, einer Presbyopie, eines Cataracta corticalis und eines Sicca-Syndroms gestellt. Regelwidrige Funktionsbeeinträchtigungen lägen beim Kläger jedoch nicht vor.

Dr. S. hat bekundet, er habe radiologisch mittelgradige, degenerative Veränderungen im Sinne einer Gonarthrose beidseits befundet. Das linke Kniegelenk schätze er mit einem Teil-GdB von 30 als adäquat beurteilt ein, die degenerativen Veränderungen am rechten Knie schätze er auf einen GdB von maximal 5 bis 10. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule seien mit einem GdB von 10 wiederum adäquat eingeschätzt.

Weitere Ermittlungen wegen einer Koronarangiographie haben ergeben, dass eine solche Untersuchung beim Kläger nicht durchgeführt worden ist.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Februar 2006 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2004 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 26. April 2005 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. September 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten des Beklagten und die Akte des SG S 5 R 429/05 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist zulässig. Der Kläger verfolgt sein auf Feststellung eines höheren GdB gerichtetes Begehren auch im Berufungsverfahren mit der - allein - statthaften kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 08.06.2005 - L 3 SB 13/05 - m.w.N.) weiter. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angegriffene Gerichtsbescheid des SG ist in der Sache nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten vom 15.07.2004 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 26.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2005 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 hat.

Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass mittlerweile die im Wesentlichen mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 gleich lautenden AHP 2008 maßgebend sind.

Nach Auffassung des Senats ist die Berufung bereits aus den vom SG ausführlich und zutreffend dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auch auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung. Ergänzend ist insoweit noch auszuführen, dass auch der Bluthochdruck beim Kläger mit einem Teil-GdB von 10 angemessen berücksichtigt ist. Nach Ziffer 26.9 (S. 75 f.) AHP bedingt ein Bluthochdruck der leichten Form mit keinen oder geringen Leistungsbeeinträchtigungen (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) einen GdB von 0-10 und in der mittelschweren Form, d.h. mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I - II - und/oder Linksherzhyperthropie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung einen GdB von 20 bis 40; ein noch höherer GdB setzt die Beteiligung mehrerer Organe oder einen diastolischen Blutdruck konstant über 130 mmHg voraus. Eine Beteiligung von Organen liegt beim Kläger nach dem Befundbericht und der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. H. und der sachverständigen Zeugenauskunft des Augenarztes Sch. nicht vor. Den Blutdruck hat Dr. H. zuletzt mit 130/90 mmHg gemessen. Ein GdB von 10 trägt damit dem beim Kläger vorliegenden Bluthochdruck in ausreichendem Maße Rechnung. Eine Erhöhung hat auch nicht aufgrund der Gefahr der Verschlechterung bzw. wegen einer Herzinfarkt- bzw. Schlaganfallneigung zu erfolgen, denn maßgeblich sind nach den Anhaltspunkten lediglich die gegenwärtigen Befunde bzw. Organbeteiligungen.

Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme führt zu keinem anderen Ergebnis.

Auch Dr. S. bewertet den GdB für das linke Kniegelenk mit 30 und für die Wirbelsäule mit 10. Die degenerativen Veränderungen am rechten Knie, die durch Röntgenaufnahmen belegt sind, schätzt er auf maximal 5 bis 10. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob die Gesundheitsstörung im Bereich des rechten Kniegelenks bereits die Annahme eines GdB rechtfertigt. Denn auch wenn man einen GdB von 10 (nach den AHP Ziff. 18 (S. 22) ist der GdB in Zehnergraden anzugeben) ansetzen würde, hätte dies bei der zusammenfassenden GdB-Bewertung keinen höheren Gesamt-GdB zur Folge.

Augenärztlicherseits beträgt der Visus des Kläger mit Korrektur 1,0 (rechtes Auge) bzw. 0,9 (linkes Auge). Der Augeninnendruck ist normal, der Augenhintergrund ohne Befund und die Spaltlampenmikroskopie zeigte lediglich Trübungen der Linse. Dies rechtfertigt in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Augenarztes Schmidt in seiner sachverständigen Zeugenauskunft keinen GdB.

Der Diabetes mellitus Typ II, den Dr. H. am 20.07.2006 festgestellt hat, ist nach Ziff. 26.15 (S. 99) AHP (Diabetes mellitus Typ II, durch Diät allein oder durch Diät und Kohlenhydratresorptionsverzögerer oder Biguanide ausreichend einstellbar) mit einem GdB von 10 einzuschätzen, nachdem Dr. H. am 18.07.2006 den Blutzuckerwert mit 144 mg/dl und am 14.08.2006 mit 104 mg/dl gemessen hat und der Kläger medikamentös mit Metformin (nach Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Aufl., S. 1150 ein Insulinsensitizer aus der Gruppe der Biguanide) behandelt wird.

Die beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen sind mit einem Gesamt-GdB von 40 in nicht zu beanstandender Weise bewertet. Eine Erhöhung hat auch nicht durch den neu festgestellten Diabetes mellitus Typ II zu erfolgen, da er ebenso wie die von Dr. S. genannte Funktionsstörung von seiten des rechten Kniegelenkes nur einen Teil-GdB von 10 bedingt. Teil-GdB von 10 fallen nicht entscheidend ins Gewicht. Nach Ziff. 19 Abs. 4 (S. 26) der AHP führen von Ausnahmefällen abgesehen auch mehrere zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Teil-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Weder der Diabetes mellitus noch die Einschränkung von Seiten des rechten Knies wirkt sich in besonderem Maße auf die übrigen Behinderungen aus.

Damit hat das SG zu Recht entschieden, dass es zu keiner weiteren wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gekommen ist, die nicht schon im Teilabhilfebescheid vom 26.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2005 berücksichtigt worden wäre, weshalb die Berufung zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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