L 11 R 902/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2252/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 902/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1957 geborene Kläger hat keine Ausbildung abgeschlossen und war als Arbeiter bei der Müllabfuhr, Bauhelfer, Metallarbeiter und zuletzt als Maschinenführer (Kunststoffspritzer) beschäftigt. Seit Oktober 2003 ist er arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos.

Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 29. Dezember 2003 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Januar 2004 und Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2004 ab. Grundlage hierfür waren der Entlassungsbericht der Reha-Klinik O. d. T. (Aufenthalt im Juli und August 2003; entlassen als arbeitsfähig) und das Gutachten der Internistin Dr. M. (Diagnose: erhöhte Stuhlfrequenz bei subtotaler Entfernung des Dickdarms 6/96 mit ileoanaler Pouchanlage wegen chronisch entzündlicher Dickdarmentzündung [Erstdiagnose 1983], guter Allgemeinzustand, leichtes Übergewicht, derzeit keine entzündliche Aktivität; leichte reaktive Herabgestimmtheit bei psychosomatischer Beschwerdeüberlagerung; Leistungseinschätzung: letzte berufliche Tätigkeit und leichte Arbeiten sechs Stunden und mehr täglich, nicht überwiegend im Freien, ohne vermehrten Zeitdruck).

Der Kläger hat hiergegen am 15. Juli 2004 Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, da er sich aufgrund seiner Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht zu einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit in der Lage gesehen hat.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört.

Der Internist Dr. S. und der Hausarzt des Klägers, Dr. H., haben den Kläger nur noch für in der Lage gesehen, leichte körperliche Tätigkeiten drei Stunden täglich auszuüben, wobei wegen der erhöhten Stuhlfrequenz zusätzliche Pausen notwendig seien, um eine Toilette kurzfristig zu erreichen.

Der Nervenarzt Dr. K. hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, beschrieben. Aus rein psychiatrischer Sicht sei eine leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich möglich.

Dr. K., Chefarzt der Inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses R., hat in seinem Gutachten einen Zustand nach subtotaler Entfernung des Dickdarms mit ileoanaler Pouch-Anlage wegen chronisch entzündlicher Darmerkrankung mit leichter Pouchitis, einen Verdacht auf eine nicht äthyl-toxische Steatohepatitis (Fettleber), kleine Leberhämangiome ohne Krankheitswert sowie eine depressive Verstimmung diagnostiziert. Der Allgemein- und Ernährungszustand des Klägers sei gut, die Muskulatur kräftig. Leichte körperliche Tätigkeiten seien sechs Stunden täglich möglich, ohne Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über 10 kg, ohne Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, ohne Akkord- oder Fließbandarbeiten, ohne Wechsel- oder Nachtschicht, nicht im Freien. Außerdem müsse eine Toilette in erreichbarer Nähe sein.

Dr. W., Chefarzt der Inneren Abteilung des Z.klinikums, Klinik H., hat in seinem auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstatteten Gutachten ausgeführt, bei dem Kläger liege die Kombination eines Folgezustandes nach der Dickdarmentfernung und eines Reizdarmsyndroms vor. Nach langjähriger Cortisontherapie und relativer körperlicher Inaktivität habe sich zudem eine Grenzosteoporose der Wirbelsäule gebildet. Bei bestehender Hyperlordose der Lendenwirbelsäule (LWS) leide der Kläger unter chronischen Wirbelsäulenschmerzen. Außerdem bestünden rezidivierende Hautnervenreizungen des rechten Oberschenkels. Psychisch sei der Kläger deutlich depressiv alteriert mit Konzentrationsstörungen, Antriebslosgikeit, Schlafstörungen und der Neigung zu somatoformer Überlagerung. Ohne Relevanz für die Leistungseinschätzung seien die Fettleber und die bekannten Leberhämangiome. Der Kläger könne eine regelmäßige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit nicht ausüben, da er diese häufiger und nicht vorhersehbar unterbrechen und sich stets in unmittelbarer Nähe einer Toilette aufhalten müsse. Zu vermeiden seien zudem das Heben oder Tragen schwerer Lasten ohne Hilfsmittel, einseitige Belastungen (Möglichkeiten zum Wechsel der Körperstellung), Arbeiten an gefährdenden Maschinen oder in großer Höhe, im Akkord oder am Fließband, mit Wechsel- und Nachtschichten sowie extreme Witterungs- und Umgebungsverhältnisse. Außerdem müsse eine Toilette in unmittelbarer Nähe sein.

Die Beklagte hat eine kritische Stellungnahme von Obermedizinalrat F. vorgelegt, worin insbesondere darauf verwiesen worden ist, dass die notwendigen Arbeitsunterbrechungen innerhalb der gewöhnlichen Arbeitszeit möglich seien.

Mit Urteil vom 12. Dezember 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei noch in der Lage, sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Der Einschätzung von Dr. W. sei nicht zu folgen. Aus dem Umstand, dass sich eine Toilette in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes befinden müsse, ergebe sich keine quantitative Leistungseinschränkung.

Die Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 9. Februar 2007 zugestellte Urteil am 21. Februar 2007 Berufung eingelegt. Er leide seit Jahren an einer erhöhten Stuhlfrequenz und müsse tagsüber ungefähr acht bis zwölf mal die Toilette aufsuchen. Bei Berücksichtigung der Leistungseinschränkungen verbleibe faktisch keine Tätigkeit, die er noch ausüben könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Dezember 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung ab 7. Januar 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Kläger hat eine Bescheinigung des Orthopäden Dr. H. zu seinen Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet (sensible Lumboischialgie rechts, Spondarthrosen L4 bis S1, Hyperlordose, myogene Cervicocephalgie, Atlasdysfunktion, Grenzosteoporose, Spreizfüße) vorgelegt.

Auf Anfrage des Gerichts hat Dr. H. mitgeteilt, er könne keine gutachtliche Einschätzung abgeben. Er hat jedoch weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Hierzu hat sich Obermedizinalrat F. geäußert und ausgeführt, der mittels Computertomogramm (CT) erhobene Befund an der LWS zeige keinen Bandscheibenvorfall, sondern lediglich geringgradige Verschleißerscheinungen.

Dr. H. hat in einer Stellungnahme für die Beklagte darauf hingewiesen, dass sich keine Hinweise auf neurologische Ausfallserscheinungen fänden.

Der Kläger hat weiterhin ein Attest von Dr. H. vorgelegt, wonach der Kläger noch immer an den Folgen der Dickdarmentfernung 1996 und der 2006 diagnostizierten Anostomosefistel leide. Im November 2007 finde eine erneute Kontrolle in der Universitätsklinik H. statt. Bei weiterhin unverändertem Befund sei ein erneuter operativer Eingriff wahrscheinlich.

Der Senat hat daraufhin Prof. Dr. B., Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine-, Viscerale- und Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums H. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat mitgeteilt, der Kläger werde seit 1996 fast regelmäßig in der gastroenterologischen Sprechstunde untersucht. Bei der letzten Untersuchung im November 2007 sei er fast beschwerdefrei gewesen. Die jahrelange hohe Stuhlfrequenz wirke sich sicher einschränkend auf die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit aus, da der Kläger darauf angewiesen sei, schnell eine Toilette erreichen zu können. Bei optimaler Anwendung stuhleindickender Medikamente (Imodium, Mucofalk) sowie diätetischer Maßnahmen, über die der Kläger informiert sei, sei es in der Regel möglich, die Stuhlfrequenz zu senken und die Konsistenz zu verbessern. Damit dürfte einer sechsstündigen leichten Tätigkeit nichts im Wege stehen. Ebenso wäre eine solche nach erfolgter chirurgischer Therapie (Anlage eines Ileostomas mit dem Ziel der Fistelsanierung) sicher möglich. Der Kläger stehe aber einer chirurgischen Therapie der Fistel zurückhaltend gegenüber. Eine eindeutige Kooperation, z. B. die notwendige Medikamenteneinnahme, sei bei dem Kläger nicht zielführend gegeben.

Der Kläger hat hierauf erwidert, er nehme seit zahlreichen Jahren die von Prof. Dr. B. benannten Medikamente und halte sich auch an die mit Dr. H. besprochenen diätetischen Maßnahmen. Sämtliche Maßnahmen hätten seit Jahren zu keinem Erfolg geführt. Er stehe auch einer chirurgischen Therapie der Fistel nicht zurückhaltend gegenüber. Auch wenn sein Zustand bei der Untersuchung im November 2007 gut gewesen sein mag, sei dieser jedoch schwankend, so dass daraus keine weiter gehenden Schlussfolgerungen gezogen werden könnten. Er sei bereits im Jahr 2006 in psychologischer Behandlung gewesen und werde sich auf Grund der Belastung des Rechtsstreits abermals in selbige begeben. Es sei auch widersprüchlich, wenn sich Prof. Dr. B. in seiner sachverständigen Zeugenaussage für eine chirurgische Therapie ausspreche, er diese jedoch im Arztbrief an Dr. H. vom 4. Februar 2008, den der Kläger vorgelegt hat, als nicht angezeigt bezeichne. Ohne Aufklärung dieses Widerspruchs sei eine Entscheidung nicht möglich.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da er nicht erwerbsgemindert ist.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist nach der Überzeugung des Senats noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten sechsstündig mit einigen qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. K. sowie den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. K. und Prof. Dr. B ... Hingegen vermag der Senat der Einschätzung von Dr. W., Dr. S. und Dr. H. nicht zu folgen.

Im Mittelpunkt der Erkrankungen stehen die Folgen der subtotalen Dickdarmentfernung und der in der Folge aufgetretenen entzündlichen Prozesse im Darmbereich. Diese führen, wie zuletzt Prof. Dr. B. bestätigt hat, zu keinen relevanten Beschwerden. Der Kläger war zuletzt beschwerdefrei. Soweit früher Beschwerden bestanden haben sollten, ist nicht ersichtlich, dass diese eine leichte Arbeitstätigkeit hinderten. Dass sich der Kläger nur ausnahmsweise bei der Untersuchung durch Prof. Dr. B. in einem so guten Zustand befand, der Zustand ansonsten schwankend und an anderen Tagen schlechter ist, mag zutreffen. Prof. Dr. B. hat seine Einschätzung jedoch nicht auf eine einmalige Untersuchung, sondern auf den Eindruck seiner andauernden und regelmäßigen Behandlung gestützt.

Auch dass der Kläger regelmäßig die Toilette aufsuchen muss, hindert eine Erwerbstätigkeit nicht. Die Notwendigkeit von kurzen Pausen, um die Toilette aufzusuchen, ist noch im Rahmen der persönlichen Verteilzeiten möglich, wie der Senat bereits im Urteil vom 24. November 2005, L 11 R 684/06, das den Beteiligten im Verfahren übermittelt worden ist, zum vergleichbaren Fall der Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit entschieden hat. Nach den eigenen Angaben des Klägers muss dieser täglich acht bis zehnmal die Toilette aufsuchen. Dies erfolgt nicht alles während der täglichen Arbeitszeit, also in den hier maßgeblichen sechs Stunden. Geht man von einer gleichmäßigen Verteilung über den Tag hinweg aus, dann fallen in die Arbeitszeit höchstens vier solche Toilettenbesuche. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass - wie Obermedizinalrat F. ausgeführt hat - verstärkt morgens, nach dem Aufstehen die Toilette aufgesucht wird, also außerhalb der Arbeitszeit. Somit kann der Kläger bei einer zugrunde gelegten Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden die Toilette in den ihm arbeitsrechtlich zustehenden Pausen von einer halben Stunde (§ 4 Arbeitszeitgesetz - ArbZG), die im Übrigen nach Maßgabe der §§ 4 und 7 ArbZG auch in kleinere Zeitabschnitte aufgeteilt werden können, aufsuchen, ohne dass es dafür betriebsunüblicher Pausen bedarf. Dies ist innerhalb der sogenannten persönlichen Verteilzeiten möglich (vgl. zum Folgenden LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2003, L 14 RJ 137/01). Denn Kurzpausen von weniger als 15 min alle zwei Stunden gelten beispielsweise im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen (vgl. BAG, Urteil vom 30. März 1989, 6 AZR 326/86, EzBAT § 4 BAT Betriebliche Übung Nr. 11; Urteil vom 27. April 2000, 6 AZR 861/98, NZA 2001, 274; Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, § 15 BAT Rdnr. 31). Für Büroarbeiten hat das Max-Planck-Institut für Arbeitsphysiologie deswegen die von den Arbeitgebern zugestandene persönliche Verteilzeit mit etwa 12 % der tariflich festgesetzten Arbeitszeit angesetzt (vgl. Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, DRV 8 - 9 /93 S. 493, 527). Das Erfordernis des häufigeren Toilettenbesuchs steht somit einer sechsstündigen Arbeitstätigkeit im Sinne des Rentenrechts nicht entgegen. Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass der Kläger nach der Darmoperation 1996 noch mehrere Jahre erwerbstätig war, ohne dass die Notwendigkeit, häufig eine Toilette aufzusuchen, sich als Hindernis darstellte.

Im Übrigen trifft es nicht zu, wie der Kläger gegenüber dem Gericht vorgetragen hat, dass er regelmäßig, aber ohne Erfolg stuhleindickende Medikamente einnimmt. In dem von ihm selbst vorgelegten Arztbrief von Prof. Dr. B. an Dr. H. vom 4. Februar 2008 ist angegeben, dass der Kläger Imodium nur selten vor Aufenthalten außer Haus nehme und er auch auf Mucofalk verzichte, weil dies bei ihm eine klebrige, ihm unangenehme Stuhlkonsistenz verursache. Dem Kläger ist bei der Untersuchung, über die in dem genannten Arztbrief berichtet wird, die regelmäßige Einnahme von Mucofalk empfohlen worden.

Auch sieht der Senat keinen Widerspruch zwischen der sachverständigen Zeugenaussage von Prof. Dr. B. und dem genannten Arztbrief, den aber der Kläger zu erkennen vermeint. Der im Arztbrief enthaltene Hinweis auf eine nicht angezeigte chirurgische Intervention bezieht sich auf die vom Kläger anlässlich der Untersuchung vorgebrachten Schmerzen im rechten Unterbauch, die auf eine Bride zurückgeführt worden sind, nicht jedoch auf die in der sachverständigen Zeugenaussage diskutierte chirurgische Sanierung der Fistel. Einer erneuten Anfrage bei Prof. Dr. B. bedarf es daher nicht.

Der Leistungseinschätzung von Dr. S. vermag der Senat nicht zu folgen. Dieser hat mitgeteilt, die zwischenzeitlich pathologisch erhöhten Leberwerte hätten sich normalisiert und die entzündlichen Veränderungen des Pouches seien deutlich rückläufig. Warum er vor diesem Hintergrund nur noch eine leichte körperliche Tätigkeit für drei Stunden täglich für möglich gehalten hat, hat er nicht erläutert. Dies ist aus den von ihm übermittelten Befunden auch nicht erklärlich. Der Hinweis auf eine depressive Verstimmtheit auf Grund der Lebenssituation des Klägers mit der lang andauernden Arbeitslosigkeit rechtfertigt die Annahme, der Kläger könne nicht mehr arbeiten, nicht. Denn der behandelnde Nervenarzt Dr. K. hat eben dies in seiner sachverständigen Zeugenaussage für möglich gehalten. Etwas anderes folgt auch nicht aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. H., der seine Leistungseinschätzung ebenfalls nicht im Einzelnen begründet hat, und, ebenso wie Dr. S., die von ihm festgestellte verunsicherte, angstüberlagerte und depressive Stimmungslage des Klägers fachfremd beurteilt hat. Im Übrigen fehlt es auch an einer stetigen nervenärztlichen Behandlung, die auf einen entsprechenden Leidensdruck des Klägers schließen ließe. Der Kläger befand sich bei Dr. K. nur unregelmäßig (Termine alle ein bis zwei Monate) in Behandlung, nach seinen Angaben seit 2006 nicht mehr. Das spricht gegen eine belangvolle Erkrankung des psychiatrischen Fachgebiets. Dass der Kläger auf die Mitteilung des Berichterstatters des Senats, es sei beabsichtigt nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zu entscheiden, angekündigt hat, sich wegen der Belastungen des Rechtsstreits erneut in nervenärztliche Behandlung zu begeben, ist nachvollziehbar. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die beim Kläger diagnostizierte depressive Episode nach Abschluss des Rentenverfahrens und mit zumutbarer Willensanstrengung nicht soweit überwindbar wäre, dass der Kläger wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen kann.

Im Hinblick auf die orthopädischen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die nicht im Vordergrund der Beschwerden des Klägers stehen, sieht der Senat keine Beeinträchtigungen, die nicht durch die - in den gerichtlichen Gutachten im Einzelnen dargelegten - qualitativen Einschränkungen berücksichtigt werden können. Der diesbezüglichen Einschätzung von Obermedizinalrat F. und Dr. H. kann daher gefolgt werden. Der CT-Befund an der LWS zeigt keinen Bandscheibenvorfall, sondern lediglich geringgradige Verschleißerscheinungen. Nach dem von Dr. H. übermittelten Arztbrief der Neurologin Dr. U.-R. ließ sich eine lumbale Wurzelkompression in Höhe L3-S1 nicht nachweisen. Dem Kläger sind danach das Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über 10 kg, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, im Freien und einseitige Belastungen nicht mehr möglich. Eine quantitative Limitierung des Leistungsvermögens resultiert hieraus aber nicht. So haben es auch in die gerichtlichen Gutachter gesehen.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14. September 1995, 5 RJ 50/94, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch mindestens 6 Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeit, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht ebenfalls nicht.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die - unter anderem - vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zusammenfassend Urteil vom 29. Juli 2004, B 4 RA 5/04 R) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt: Die Stufen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung, nicht nach Entlohnung oder Prestige, geordnet. Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Versicherte, die zur Gruppe der Ungelernten oder zum unteren Bereich der Angelernten gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14. September 1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Der Kläger hat keine abgeschlossene Ausbildung und kann nach seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit, die höchstens dem Bereich unterer Angelernter zuzurechnen ist, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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