L 1 U 3824/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 2461/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3824/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Mai 2006 sowie der Bescheid vom 24. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2005 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Meniskusschaden im rechten Kniegelenk des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ist.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Anerkennung der Meniskusschäden des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1942 geborene Kläger ist Dachdeckermeister und Inhaber eines Dachdeckerbetriebs. Ab 1966 war er in diesem Beruf, zunächst als angelernter Helfer, dann nach einer Umschulung als Geselle und ab 1975 als Meister tätig. Seit März 2007 bezieht der Kläger Altersrente. Am 26. Oktober 2004 teilte er der Beklagten mit, seine Erkrankung im Bereich des Knies und der Wirbelsäule sei auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Er sei mittlerweile als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 ab 1. Mai 2004 und dem Merkzeichen "G" anerkannt. Er beantrage deshalb Teilberufsunfähigkeitsrente. Unter dem 16. November 2004 erfolgte die Formanzeige gegenüber der Beklagten.

Die Beklagte beteiligte sodann ihren Technischen Aufsichtsdienst zur Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen. In seinem Bericht vom 19. Dezember 2004 führte Technischer Aufsichtsbeamter Dipl.-Ing. B. aus, die Ermittlungen zu meniskusbelastenden Tätigkeiten basierten auf mündlichen Angaben des Versicherten vom 17. Dezember 2004 im Rahmen eines persönlichen Gesprächs. Danach habe der Kläger ab 1. Januar bis 31. Dezember 1967 als angelernter Dachdecker gearbeitet und alle anfallenden Arbeiten ausgeführt. Die von ihm ausgeübten Tätigkeiten hätten, so der Kläger, weitestgehend mit den Arbeiten der Bildmappe über die kniebelastenden Tätigkeiten des Dachdeckers übereingestimmt. Den Anteil an meniskusbelastenden Tätigkeiten habe der Kläger mit 25% der Gesamtarbeitszeit angegeben. Vom 1. Januar 1968 bis 31. Dezember 1968 habe er eine Ausbildung zum Dachdecker absolviert. Die von ihm ausgeübten Tätigkeiten hätten, so der Kläger, ebenfalls weitestgehend mit den Arbeiten der Bildmappe über die kniebelastenden Tätigkeiten des Dachdeckers übereingestimmt. Den Anteil an meniskusbelastenden Tätigkeiten habe der Kläger auch insoweit mit 25% der Gesamtarbeitszeit angegeben. Entsprechende Angaben habe der Kläger auch für die Zeit vom 1. Januar 1969 bis 31. Juli 1975 gemacht. Vom 1. August 1975 bis 31. Dezember 1975 habe er während der Meisterschule keine meniskusbelastenden Tätigkeiten verrichtet. Ab 1. Januar 1976 habe der Kläger angegeben, als mitarbeitender Meister (bis 16. Mai 2004) vergleichbar der Zeit bis 31. Juli 1975 meniskusbelastende Tätigkeiten verrichtet zu haben. Nachdem die Staatliche Gewerbeärztin in ihrer Stellungnahme vom 11. Januar 2005 eine BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV nicht zur Anerkennung vorschlug, erließ die Beklagte den ablehnenden Bescheid vom 24. Februar 2005. Danach komme die BK nach Nr. 2102 der Anlage nicht zur Anerkennung, da nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes meniskusschädigende Tätigkeiten während der gesamten Berufstätigkeit nur in geringem Umfang - weniger als 1/3 der Arbeitszeit - ausgeübt worden seien. Weitere medizinische Feststellungen seien daher entbehrlich.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, auch sein Arzt sei der Auffassung, dass der Meniskusschaden nur durch die berufliche Tätigkeit hervorgerufen sein könne. Darüber hinaus sei die Befragung durch den Technischen Aufsichtsdienst sachwidrig erfolgt, da nicht nachvollziehbar sei, aus welchen Angaben der Schluss gezogen worden sei, er habe weniger als 1/3 der Gesamtarbeitszeit meniskusschädigend gearbeitet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, im Wesentlichen mit der Argumentation, die Ausführungen des Technischen Aufsichtsdienstes beruhten auf Angaben des Klägers selbst.

Dagegen hat der Kläger am 28. April 2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, die mit Urteil vom 30. Mai 2006 abgewiesen wurde. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass der Kläger nicht in mindestens einem Drittel seiner Arbeitszeit meniskusbelastende Tätigkeiten verrichtet habe, wie es beispielhaft im Merkblatt des Bundesarbeitsministeriums als Voraussetzung beschrieben sei.

Gegen das am 26. Juni 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Juli 2006 Berufung eingelegt, gestützt im Wesentlichen auf den Vortrag, die von ihm getroffene Schätzung einer meniskusbelastenden Tätigkeit von etwa 25% sei ohne konkrete nähere Anhaltspunkte erfolgt. Es sei deshalb unzulässig, allein aufgrund des Umstands, dass ein Merkblatt ein 1/3 meniskusbelastender Tätigkeiten vorsehe, die arbeitstechnischen Voraussetzungen zu verneinen. Auch sein Arzt sei der Auffassung, die Kniebeschwerden beruhten allein auf der Arbeit als Dachdecker. Beigefügt hat der Kläger eine beispielhafte Beschreibung eines typischen Arbeitstags.

Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Mai 2006 sowie den Bescheid vom 24. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2006 aufzuheben und festzustellen, dass die Erkrankungen im rechten Knie eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung darstellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Auf Aufforderung des Gerichts hat die Beklagte nach einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger die weitere Stellungnahme zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen vom 1. Juni 2007 vorgelegt, auf die inhaltlich verwiesen wird.

Das Gericht hat von Amts wegen das Gutachten von Prof. Dr. Dr. K. vom 16. September 2007 eingeholt. In diesem Gutachten kommt Prof. Dr. Dr. K. zusammenfassend zum Schluss, die beim Kläger bestehende medial betonte, rechtsseitige Gonarthrose mit einer Degeneration des Innenmeniskus in Kombination mit einer Läsion des dortigen Hinterhorns sei wesentlich durch die Tätigkeit als Dachdecker verursacht, so dass eine BK nach Nr. 2102 zu bejahen sei.

Die Beklagte hat sich gegen diese Beurteilung gewandt, gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. L. vom 28. November 2007. Darin hat dieser ausgeführt, die beim Kläger bestehende Chondrokalzinose sei Ursache und nicht Auswirkung der Meniskopathie. Darüber hinaus leide der Kläger noch an einer Vielzahl von Gelenkserkrankungen. Ein Zusammenhang der Meniskuserkrankung mit der angeschuldigten beruflichen Tätigkeit sei daher nicht wahrscheinlich. Darüber hinaus seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Bejahung einer BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV nicht erfüllt.

Das Gericht hat Prof. Dr. Dr. K. dazu ergänzend gehört. In seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 27. Januar 2008 hat Prof. Dr. Dr. K. im Wesentlichen ausgeführt, beim Kläger bestehe zwar auch eine Chondrokalzinose, diese sei aber nicht die Hauptursache für die Innenmeniskopathie. Zum einen sei der Meniskusschaden mehr als 6 Jahre vor der Chondrokalzinose festgestellt worden. Zum anderen, läge tatsächlich eine Kausalbeziehung in der von Dr. L. postulierten Art vor, sei nicht erklärbar, warum nicht auch im Bereich des Außenmeniskus, bei dem auch eine Chondrokalzinose vorliege, eine Meniskopathie entstanden sei, zumal konkurrierende Ursachen nicht wahrscheinlich seien. Darüber hinaus seien die übrigen Gelenkveränderungen des Klägers nicht dem Alter vorauseilend und erst recht nicht als generalisierte Erkrankung zu bewerten.

Die Beklagte hat die weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. L. vom 25. Februar 2008 vorgelegt.

Das Gericht hat weiter das fachorthopädische Gutachten des Prof. Dr. W. vom 10. August 2006 für das Sozialgericht Stuttgart (Az.: S 6 U 4263/05) im Verfahren um die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV (Wirbelsäulenerkrankung) beigezogen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist begründet. Beim Kläger liegt eine BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV vor.

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII).

In Nr. 2102 der Anlage zur BKV sind Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten als Berufskrankheiten bezeichnet.

Die Frage, welcher Einwirkungen es mindestens bedarf, um eine BK zu verursachen bzw. die Anerkennung einer BK unter Einbeziehung weiterer Kriterien zu rechtfertigen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten (BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 unter Verweis auf BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; vgl. auch BSG SozR 3850 § 51 Nr. 9; BSG SozR 1500 § 128 Nr. 31 = SGb 1988, 506 mit Anm. K. Müller; BSG SozR 3-3850 § 52 Nr. 1; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Auflage 2005, Kap III RdNr. 47, 57; Rauschelbach, MedSach 2001, 97; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Kap 2.3.4.3, S 146). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht.

Das Gericht, das die für die Anerkennung als BK erforderlichen Einwirkungen zu präzisieren hat, muss sich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Ausgehend von der Begründung des Verordnungsgebers zur Einführung der BK können dazu einschlägige Publikationen, beispielsweise die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums und die wissenschaftliche Begründung des ärztlichen Sachverständigenbeirats, Sektion Berufskrankheiten, zu der betreffenden BK oder Konsensusempfehlungen der mit der Fragestellung befassten Fachmediziner herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten Stand befinden. Fehlen solche Zusammenstellungen oder sind sie veraltet, bedarf es entsprechender Ermittlungen. Da Gerichte regelmäßig nicht selbst über den notwendigen medizinischen und technischen Sachverstand verfügen, um den Stand der fachlichen Diskussion zuverlässig nachzeichnen und bewerten zu können, muss in solchen Fällen ein Sachverständiger gehört werden (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK nach Nr. 2102 im vorliegenden Fall erfüllt.

Der Kläger war ab 1966 im Beruf des Dachdeckers tätig, so dass keine Zweifel an der Mehrjährigkeit der Tätigkeit vorliegen. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Tätigkeit mit andauernden bzw. wiederkehrenden überdurchschnittlichen Kniebelastungen verbunden war.

Kniebelastende Tätigkeiten im Sinne der BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV können auch dann vorliegen, wenn durchschnittlich in weniger als einem Drittel der Arbeitsschichten meniskusbelastend gearbeitet worden ist. Denn ein dementsprechender Grenzwert, der auf epidemiologischen oder sonstigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen würde, ist nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Dr. K. nicht existent. Abweichend von der Auffassung der Beklagten ist der Senat deshalb der Überzeugung, dass eine die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeit ausgeübt worden ist. Soweit sich die Beklagte in den angefochtenen Entscheidungen darauf gestützt hat - und was vom SG ebenfalls zur Begründung seiner klagabweisenden Entscheidung angeführt worden ist, ergänzt um den Hinweis auf entsprechende Angaben im Merkblatt - der Kläger habe nicht mindestens ein Drittel der Arbeitsschichten meniskusbelastend gearbeitet, ist darauf hinzuweisen, dass entsprechende Grenzwerte auch nicht im Merkblatt aufgeführt sind (Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit vom 11. Oktober 1989, BABl 2/1990, das durch die Bekanntmachung des BMA im Bundesarbeitsblatt 2/1999 S. 135 ersetzt worden, insoweit aber inhaltsgleich gefasst ist). Sie sind auch nicht Bestandteil der Ziff. 2102 der Anlage zur BKV. Vielmehr ist zur Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen ausreichend, aber auch notwendig, dass ein relevanter Anteil knie- bzw. meniskusbelastender Tätigkeit ausgeführt und dies nachgewiesen worden ist.

Dies ist hier der Fall. Schon nach den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Befragung durch den TAD am 17. Dezember 2004 hat er ca. 25% der täglichen Arbeitszeit in meniskusbelastender Arbeitshaltung verbracht. Dabei gibt der Senat durchaus zu bedenken, dass es sich bei dieser Einschätzung um ein Element im Rahmen der notwendigen Gesamtbewertung der arbeitstechnischen Voraussetzungen handeln kann. Denn es dürfte einem Versicherten tatsächlich kaum - im Sinne des notwendigen Vollbeweises - möglich sein, auf dieser Basis verlässliche Angaben zu machen, zumal nicht unterstellt werden kann, dass der Kläger, z.B. anhand von Aufzeichnungen der damaligen Zeiten, bei der Befragung noch im Einzelnen nachvollziehen konnte, was er jeden Tag gemacht hat. Berücksichtigt man darüber hinaus seine Schilderung eines "typischen Arbeitstags" im Rahmen des Berufungsverfahrens, wird deutlich, dass ein solcher Arbeitstag durch eine Vielfalt von Tätigkeiten, aber wesentlich auch davon geprägt war, welche Aufträge im Einzelnen zu verrichten waren. Zieht man weiter den Umstand in Erwägung, dass nach der Bildmappe je nach Dachform und Arbeitsvorgang erhebliche Unterschiede in der Knie- und Meniskusbelastung bestehen, dürfte sich die Unsicherheit dieser Bewertungsgrundlage von selbst ergeben.

Vielmehr ist mit Prof. Dr. Dr. K. davon auszugehen, dass der Kläger im Sinne der BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV einen wesentlichen Teil seiner Arbeit in Knie- und Hockstellung verrichtet hat und je nach Auftrag und Bauvorhaben zwischen 10% und 50% seiner Arbeitszeit auch in einer die Knie überdurchschnittlich belastenden Arbeitshaltung tätig war. Berücksichtigt man weiter, dass sich auch nach dem Vorwort der von der Beklagten gefertigten Bildmappe die Arbeitsvorgänge des Dachdeckers in wesentlichem Umfang im Knien bzw. in der Hocke vollziehen und es dabei öfter zu einseitigen Belastungen infolge von Körperdrehbewegungen und Körpergewichtsverlagerungen kommt, die kniebelastenden Tätigkeiten danach einen Zeitanteil von 40 bis 60% der Gesamtarbeitszeit ausmachen, "erfahrungsgemäß" der Anteil der darin enthaltenen meniskusbelastenden Tätigkeiten zwischen 20% und 30% betrage, ist auch unter Berücksichtigung dieser Umstände eine erhebliche meniskusbelastende Tätigkeit festzustellen.

Daher liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer langjährigen, die Kniegelenke besonders beanspruchenden Tätigkeit vor.

Auch die haftungsausfüllende Kausalität, also die rechtlich wesentliche Verursachung der Meniskuserkrankung durch die berufliche Tätigkeit, ist überwiegend wahrscheinlich. Im Bereich des rechten Kniegelenk liegen mit der Gonarthrose, medial betont mit Degeneration des Innenmeniskus (Grad II bis III), Knorpelschäden im medialen Kompartiment (Grad II bis III) und einer Chondropathia patellae (Grad III bis IV) grundsätzlich belastungskonforme Veränderungen vor. Ein belastungskonformes Schadensbild besteht.

Eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke ist biomechanisch gebunden an eine Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken und Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder an eine häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen und Springen mit häufigen Knick-, Schwer- und Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2102 unter Verweis auf das Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit vom 11. Oktober 1989, BABl 2/1990, das allerdings durch die Bekanntmachung des BMA im Bundesarbeitsblatt 2/1999 S. 135 ersetzt worden, insoweit aber inhaltsgleich gefasst ist). Unter diesen Umständen werden die halbmondförmigen, auf den Schienbeinkopfflächen nur wenig verschiebbaren Knorpelscheiben, insbesondere des Innenmeniskus, in verstärktem Maße belastet. Dadurch können allmählich Deformierungen, Ernährungsstörungen des bodytrophen Gewebes sowie degenerative Veränderungen mit Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit der Menisken entstehen. Ein belastungskonformer Schaden des Meniskus im Sinne der BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV liegt daher in der Degeneration des Innenmeniskushinterhorns, das sich bei Kniebelasteten häufig scheibenförmig ausgewalzt und aufgefasert findet. Es müssen also Schadensbilder vorliegen, die sich durch erhebliche Verschiebung, Verlagerung und Verziehung der Menisken, insbesondere des Innenmeniskus, durch Druckerhöhung im Kniegelenk und durch rezidivierende Mikrotraumen erklären lassen. Diese Mechanismen lassen einen nicht nur punktuellen vorzeitigen Gewebsverschleiß erwarten, sondern wesentliche Teile der Menisken sind davon erfasst. Isolierte Schäden des Außenmeniskus sind bereits aufgrund der anatomisch-funktionellen Gegebenheiten wenig plausibel.

Für einen ursächlichen Zusammenhang der bestehenden Veränderungen des Meniskus mit der angeschuldigten Tätigkeit als Dachdecker spricht darüber hinaus, dass das Ausmaß der Meniskusschäden und das Alter bei der Erstmanifestation (58 Jahre bei 33jähriger Tätigkeit als Dachdecker) der altersüblichen Norm vorauseilen und damit auch der Erkrankungsverlauf belastungskonform ist.

Konkurrierende Ursachen für die Meniskusläsion, die als rechtlich wesentlich für die Entstehung der Kniegelenksveränderungen angesehen werden könnten, bestehen darüber hinaus nicht. Als relevante konkurrierende Ursachen kämen das Übergewicht des Klägers und - theoretisch - auch mögliche Achsabweichungen der Beine, Verletzungen oder Vorerkrankungen, die degenerative Veränderungen der Menisken bewirken könnten, in Betracht. Letztere sind jedoch beim Kläger auszuschließen. Soweit das Übergewicht als konkurrierende Ursache in Betracht zu ziehen ist, ist mit Prof. Dr. Dr. K. davon auszugehen, dass zwar eine Mitverursachung durch das Übergewicht nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Allerdings ist bereits eine rechtlich wesentliche Mitverursachung schon deshalb auszuschließen, da beim Kläger nicht an beiden Knien, sondern nur rechts erhebliche Veränderungen bestehen. Bei einer wesentlichen Mitverursachung der Veränderungen durch das Übergewicht wären allerdings wenigstens vergleichbare Veränderungen an beiden Kniegelenken zu erwarten.

Soweit Dr. L. in der von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 28. November 2007 ausgeführt hat, Prof. Dr. Dr. K. habe die beim Kläger bestehende Chondrokalzinose beider Menisken im rechten Kniegelenk nicht berücksichtigt, insbesondere verkannt, dass diese stets die Ursache, nicht aber die Auswirkung eines Meniskusschadens sei, hat Prof. Dr. Dr. K. schlüssig und überzeugend in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass er die Existenz der Chondrokalzinose keineswegs verkannt, sondern in seinem Gutachten festgestellt hat. Darüber hinaus hat er nachvollziehbar ausgeführt, dass eine Chondrokalzinose häufiger bei Personen mit bestehenden Gelenkveränderungen auftritt, wozu entzündliche Erkrankungen, aber auch Gelenkveränderungen durch Gelenkfehlstellungen, Unfälle oder Operationen zählen. Gerade Fehlstellungen können erhöhte biomechanische Belastungen der Knorpelstrukturen im Kniegelenk bedeuten. Deshalb ist der von Dr. L. gezogene Ursache-Wirkungsschluss auch nach Auffassung des Senats nicht in der Ausschließlichkeit, wie von diesem postuliert, zulässig. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass in der Kernspinuntersuchung des Kniegelenks aus dem Jahr 2000 Innenmeniskusschäden festgestellt worden sind, während erst im Rahmen der Röntgenuntersuchung im Jahr 2006 eine Chondrokalzinose festgestellt worden ist, ist nicht nachweisbar, dass diese bereits im Zeitpunkt der Feststellung des Meniskusschadens existent war und damit der von Dr. L. gezogene Schluss tatsächlich zulässig ist. Darüber hinaus hat Prof. Dr. Dr. K. darauf hingewiesen, dass die von Dr. L. gezogene Schlussfolgerung auch insoweit Zweifeln unterliegt, als dass daraus nicht nachvollzogen kann, warum beim Kläger nicht ebenfalls im Bereich des Außenmeniskus, der ebenso von einer Chondrokalzinose betroffen ist, eine Meniskopathie entstanden ist. Dies insbesondere, da beim Kläger gerade keine Beinfehlstellung vorliegt, die als mögliche Ursache einer seitendifferenten Entwicklung herangezogen werden könnte.

Die dagegen in der weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 25. Februar 2008 vorgebrachten Einwände vermögen nicht zu überzeugen.

Soweit Dr. L. ausführt, eine bestehende Chondrocalzinose werde in der Regel erst spät gesichert, könne aber schon zuvor zu Verschleißerscheinungen führen, zieht dies der Senat nicht in Zweifel. Allerdings ist beim Kläger eine Stoffwechselerkrankung, die prädisponierend für die Entstehung einer Chondrocalzinose wäre und von Dr. L. seinen Schlussfolgerungen zugrunde gelegt worden ist ("schleichender Verlauf" der Erkrankung, S. 3 der Stellungnahme), nicht nachgewiesen. Daher sind auch durch die Argumentation von Dr. L. die gesicherten Feststellungen von Prof. Dr. Dr. K. nicht zu entkräften. Darüber hinaus ist vorliegend sicher, dass die Chondrocalzinose erst 2006 festgestellt wurde, aber schon im Jahr 2000 schwerwiegende Veränderungen im rechten Kniegelenk des Klägers vorlagen, die über eine beginnende Verschleißerscheinung weit hinausgehen.

Soweit Dr. L. weiter darauf abgestellt hat, der Kläger leide an einer "Vielzahl von Gelenkerkrankungen", die auf eine systembedingte Verursachung auch des Meniskusschadens schließen lassen würden, kann sich dem der Senat in Übereinstimmung mit Prof. Dr. Dr. K. nicht anschließen. Der Kläger leidet zwar unter einigen Beschwerden im Bereich des Stützsystems. Diese sind aber nicht dem Altersdurchschnitt vorauseilend und berücksichtigt man überdies den Umstand, dass der Kläger über Jahrzehnte körperlich schwere Arbeit verrichtet hat, auch nicht in irgendeiner Art und Weise von solcher Schwere oder Gewicht, dass von einer systemischen Gelenkerkrankung gesprochen werden könnte. Auch Prof. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 10. August 2006 eine stoffwechselbedingte Schädigung (hier: im Wesentlichen der Wirbelsäule) ausgeschlossen, insbesondere auch anhand der befundeten Röntgenbilder (des rechten Knies, der Brust-, Hals- und Lendenwirbelsäule). Darüber hinaus wäre selbst ein multipler degenerativer Befall der Gelenke mit arthritischen Veränderungen noch kein ausreichendes Argument gegen einen Kausalzusammenhang der Meniskopathie mit der Tätigkeit als Dachdecker.

Soweit darüber hinaus darauf verwiesen wird, gegen einen ursächlichen Zusammenhang der Erkrankung mit der beruflichen Tätigkeit spreche der Umstand, dass nur an einem Knie erhebliche Veränderungen vorliegen, vermag auch dies den Senat nicht zu überzeugen. Denn schon die Vorbemerkungen in der von der Beklagten verwendeten Bildmappe und die darin befindlichen Aufnahmen selbst machen deutlich, dass berufsbedingte Veränderungen entsprechend der nicht symmetrischen Arbeitshaltung nicht notwendig auch symmetrisch verlaufen müssen.

Da im vorliegenden Rechtsstreit lediglich die Anerkennung der Erkrankung als BK dem Grunde nach im Streit steht und daher der Senat zur Höhe der MdE keine Entscheidung zu treffen hatte, verweist das Gericht nur hilfsweise darauf, dass die von Dr. L. vertretene Auffassung, wonach die bestehenden Bewegungseinschränkungen im rechten Kniegelenk nicht auf die Meniskopathie, sondern im Wesentlichen auf die meniskusunabhängige Gonarthrose zurückzuführen sei, wohl nicht zutreffen dürfte. Eine Gonarthrose liegt beim Kläger in beiden Kniegelenken vor, die Bewegungseinschränkungen rechts sind aber deutlich stärker als die links. Auch kann Dr. L. nicht in seiner Annahme gefolgt werden, der Umstand, dass der Kläger seit Mai 2004 wegen seiner Herzerkrankung keine körperlich belastende Tätigkeit mehr ausübt, habe Auswirkungen auf die Höhe der MdE. Gleiches gilt für die von ihm geltend gemachten Herzschäden, die angeblich schon 2000 und nicht erst im Jahr 2004 aufgetreten sind - wobei sich dem Senat insoweit nicht erschließt, was dies mit der Bemessung der MdE für eine Meniskopathie zu tun hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved