L 12 AL 5178/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 2102/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5178/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.10.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung einer Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose und die Rückforderung der gewährten Leistung im Streit.

Die Klägerin stellte den Zeugen B. ab dem 18.10.1999 für eine Vollzeitbeschäftigung mit einem Monatslohn von 4000,00 DM ein, nachdem dieser nach ihren eigenen Angaben zuvor in geringerem Umfang für sie tätig gewesen sei. Am selben Tag beantragte sie bei der Beklagten eine Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose. Der Zeuge B. war zuvor seit dem 21.01.1998 beim Arbeitsamt L. arbeitslos gemeldet gewesen und hatte dort Arbeitslosengeld bezogen.

Mit Bescheid vom 03.11.1999 bewilligte die Beklagte eine Beschäftigungshilfe von 2400,00 Euro monatlich bis April 2000 und anschließend 1.600,00 DM monatlich bis Oktober 2000 nach den Richtlinien des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Durchführung der Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose 1995 bis 1999 der Bundesregierung vom 16.02.1995 (Bundesanzeiger vom 21.02.1995, S. 1685; verlängert bis Ende 2001 durch die Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose 1999 bis 2001 gemäß Richtlinien der Bundesregierung vom 17.12.1998, Bundesanzeiger S. 17818).

Am 12.11.2001 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass der Zeuge B. sein Beschäftigungsverhältnis zum 31.12.2000 gekündigt habe. In den Akten der Beklagten findet sich hierzu ein Vermerk des Sachbearbeiters, dass die Klägerin die Kündigung durch den Zeugen B. nicht zu vertreten habe.

Am 06.08.2004 erfuhr die Beklagte von den Finanzbehörden, dass der Zeuge B. bereits in den Jahren 1998 und 1999 regelmäßig und in größerem Umfang als bislang bekannt bei der Klägerin gearbeitet habe. Die Steuerfahndung P. legte Prüfungsunterlagen vor, nach denen der Zeuge B. seit 1996 ein eigenständiges Gewerbe (Elektroinstallationen) betrieben und über die Klägerin habe abrechnen lassen. Die von dem Zeugen B. erbrachten Leistungen seien den Kunden des B. mit dem Briefkopf der Klägerin in Rechnung gestellt worden. Für den Abrechnungsdienst habe die Klägerin von B. 30 % seiner Nettoeinkünfte erhalten. Nach Einstellung des B. bei der Klägerin sei diese Abrechnungspraxis fortgeführt worden, doch habe die Klägerin ihren Anteil am Betriebsergebnis des B. nunmehr ausgehend von den Nettoeinkünften zuzüglich der von der Beklagten gewährten Beschäftigungshilfe berechnet.

Nachdem die Klägerin auf eine diesbezügliche Anfrage und Anhörung der Beklagten hin zwar Akteneinsicht genommen, aber ansonsten nicht reagiert hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 28.12.2005 den Bewilligungsbescheid vom 03.11.1999 auf und forderte die Leistungen von insgesamt 12.271,01 Euro (24.000 DM) zurück. Der Zeuge B. sei bereits vor dem 18.10.1999 mehr als kurzzeitig bei der Klägerin beschäftigt gewesen, weswegen die für die Gewährung der Beschäftigungshilfe vor der Aufnahme des Arbeitsverhältnisses erforderliche Arbeitslosigkeit nicht vorgelegen habe.

Die Beklagte setzte der Klägerin zu Begründung ihres Widerspruchs eine Frist bis zum 05.04.2006. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2006 zurück, ohne eine ihr am 06.04.2006 zugefaxte Widerspruchsbegründung der Bevollmächtigten der Klägerin zu berücksichtigen. In dieser Widerspruchsbegründung ist ausgeführt, dass der Zeuge B. vor der mitgeteilten vollschichtigen Arbeitsaufnahme lediglich in Einzelfällen als Aushilfe kleinere Tätigkeiten übernommen habe. Nachdem der Sachverhalt über sechs Jahre alt sei, könne die Klägerin insoweit auf die Bestandskraft des Bescheides vertrauen. Die benötigten Gelder seien im Vertrauen hierauf entsprechend verbraucht worden. Aufgrund des "Einarbeitungszuschusses" habe der Zeuge B. eine aufwendige und zeitintensive Heranführung an die Maschinen der Klägerin erhalten. Die Klägerin habe sich auch darauf verlassen können, dass die unstreitig vorliegende Arbeitslosmeldung des Zeugen B. zum Zeitpunkt der Einstellung in ein vollschichtiges Beschäftigungsverhältnis wirksam gewesen sei. Der Widerspruchsbegründung war eine Tätigkeitsbeschreibung des Zeugen B. beigefügt.

Nach Kenntnisnahme des Widerspruchsschreibens teilte die Beklagte den Klägerbevollmächtigen mit Schreiben vom 11.04.2006 mit, dass auch unter Berücksichtigung der Widerspruchsbegründung eine andere Entscheidung nicht möglich sei.

Die Klägerin hat am 08.05.2006 beim SG Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Sie verweist auf ihren Vortrag, dass der Zeuge B. vor seiner Vollzeittätigkeit ausschließlich als Aushilfe kleinere Tätigkeiten übernommen habe, welche zudem in einem völlig anderen Arbeitsbereich stattgefunden hätten. Im Übrigen beruft sie sich auf ihren bisherigen Vortrag und zusätzlich auf die Einrede der Verjährung.

Die Staatsanwaltschaft T. teilte der Beklagten am 12.05.2006 mit, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den Inhaber der Klägerin wegen Betrugs aufgrund Verfolgungsverjährung eingestellt worden sei.

Die Beklagte trat der Klage mit der Behauptung entgegen, der Zeuge B. sei spätestens ab Juli 1999 für mehr als 15 Stunden wöchentlich beschäftigt worden, wodurch die Wirkung der Arbeitslosmeldung des Zeugen erloschen sei.

Das SG hat am 21.03.2007 einen Erörterungstermin durchgeführt und in seiner mündlichen Verhandlung vom 02.10.2007 den Geschäftsführer der Klägerin persönlich angehört sowie den Zeugen B. vernommen. Auf die beiden Sitzungsniederschriften wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 02.10.2007 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Bewilligungsentscheidung vom 03.11.1999 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen und habe nach § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen werden können. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erlösche die Wirkung der Arbeitslosmeldung, wenn der Arbeitslose eine Beschäftigung aufnehme und dies der für ihn zuständigen Arbeitsagentur nicht unverzüglich mitteile. Ab der Aufnahme einer solchen Tätigkeit liege im rechtlichen Sinne keine Arbeitslosmeldung mehr vor. Aufgrund der Tätigkeit des Zeugen B. für die Klägerin vor dem 18.10.1999, welche nach der Überzeugung des Gerichts aufgrund der Gesamtwürdigung des Verfahrens regelmäßig über der zulässigen Stundengrenze von 15 Stunden/Woche gelegen habe, sei im Falle des Zeugen B. dessen Arbeitslosmeldung vor dem 18.10.1999 entfallen. Da er somit zum Zeitpunkt der Bewilligung kein Langzeitarbeitsloser gewesen sei, sei auch die Bewilligung der Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen. Der Geschäftsführer der Klägerin habe angegeben, den Zeugen B. bis Anfang des Jahres 1999 für vielleicht 5 oder 10 Stunden im Monat im Außendienst beschäftigt zu haben. Ab etwa Sommer 1999 sei der Zeuge dann häufiger für ihn tätig gewesen, wobei jedoch nicht 15 Wochenstunden erreicht worden seien. Abgesehen davon, dass die von der Beklagten in die Stundenlisten in der Verwaltungsakte übertragenen Erkenntnisse der Steuerfahndungsstelle mehrfach Tätigkeiten von mehr als 15 Stunden/Woche auswiesen (so in den Wochen ab dem 19.02., dem 02.04., dem 16.04., dem 09.07., dem 16.07., dem 23.07., dem 30.07., 06.08., dem 30.09., 24.09. sowie durchgängig vom 24.09. bis 28.10. und erneut vom 05.11. bis unmittelbar vor Beginn der Dauerbeschäftigung am 18.11.), komme es auf die Dauer der Beschäftigung nicht an. Der Geschäftsführer der Klägerin sei in seinen Aussagen durch den Zeugen bestätigt worden. Zwar habe der Zeuge sich nicht an die genauen Stundenzahlen für seine Einsätze erinnern können, jedoch eingeräumt, Mitte und Ende des Jahres 1999 für Kunden der Klägerin in H., in Ostdeutschland und Israel für längere Zeit gearbeitet zu haben. Dass die Klägerin die Tätigkeiten des Zeugen B. nach den übereinstimmenden Angaben ihres Geschäftsführer und des Zeugen nicht bezahlt habe, ändere nichts daran, dass es sich um leistungsschädliche Tätigkeiten im Sinne von § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III gehandelt habe. Unschädlich für eine Arbeitslosmeldung sei insoweit lediglich eine eindeutig uneigennützige Tätigkeit. Da der Zeuge B. jedoch gehofft habe, von der Klägerin oder von den Kunden der Klägerin einen Anstellungsvertrag oder weitere Aufträge zu erhalten, liege keine völlig uneigennützige Tätigkeit vor, zumal der Zeuge auch seine Spesen und angeschafften Materialien ersetzt bekommen habe. Das Vertrauen der Klägerin auf die Bestandskraft der Bewilligungsentscheidung sei nicht vertrauenswürdig im Sinne von § 45 Abs. 2 SGB X. Die Klägerin könne sich nämlich nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X nicht auf ihr Vertrauen berufen, da die Bewilligung auf unrichtigen Angaben der Klägerin beruhe, die diese mindestens grob fahrlässig gemacht habe, da die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Bewilligung auch ohne weiteres habe erkennen können. Der Klägerin sei nach § 166 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Wissen ihres Geschäftsführers zuzurechnen. Dieser habe erkennen müssen, dass der Zeuge nach dem Umfang seiner Tätigkeit nicht mehr arbeitslos im Sinne der Richtlinien für die Beschäftigungshilfe gewesen sei. Der Geschäftsführer habe insbesondere auf dem Antragsformular bestätigt, dass er die Richtlinien erhalten und zur Kenntnis genommen habe, sowie, dass der Zeuge B. langzeitarbeitslos im Sinne der Richtlinien gewesen sei. Seine Einlassung, er habe hauptsächlich auf die faktische Arbeitslosmeldung abstellen dürfen, sei nicht zu folgen. Allein schon aufgrund des Begriffs Langzeitarbeitsloser habe der Geschäftsführer wissen müssen, dass der Lohnkostenzuschuss nur für tatsächlich Arbeitslose gezahlt werden könne.

Die Fristen für eine Rücknahmeentscheidung nach § 45 Abs. 3 und 4 SGB X seien eingehalten. Wegen des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit gelte vorliegend die 10-Jahresfrist nach § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X, die bei der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung noch nicht verstrichen sei. Ebenso habe die Beklagte die Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Die dort festgelegte Jahresfrist beginne nach der Rechtssprechung erst mit der Anhörung des Betroffenen, nicht schon mit der tatsächlichen Kenntniserlangung der Behörde selbst (unter Berufung auf LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.01.2005 -L 9 AL 134/04-). Da die Beklagte die Klägerin zu der Rücknahme am 19.01.2005 angehört habe, sei die Aufhebung am 28.12.2005 noch fristgerecht erfolgt. Das Urteil des SG wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 26.10.2007 zugestellt.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben am 31.10.2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Der Zeuge B. sei zum maßgeblichen Zeitpunkt arbeitslos gemeldet gewesen, was sich die Klägerin sowie die Ehefrau des Geschäftsführers, Frau E. G., habe von der Beklagten bestätigen lassen. Die Beklagte habe auch vorher gewusst, dass der Zeuge B. zuvor bereits stundenweise für die Klägerin tätig geworden sei. Die Klägerbevollmächtigten benannten die Ehefrau des Geschäftsführers als Zeugin dafür, dass der Zeuge B. für die Klägerin zuvor lediglich unter 15 Stunden/Woche tätig geworden sei. Unabhängig hiervon hätten die Voraussetzungen für eine Förderung des Zeugen B. auch vorgelegen. Das SG habe unzutreffend angenommen, dass jegliche Tätigkeit die Arbeitslosigkeit aufhebe. Der Klägerin sei auch unbekannt gewesen, welche Aussagen der Zeuge B. gegenüber seiner für ihn zuständigen Arbeitsagentur in Leverkusen gemacht habe. Schließlich habe die Klägerin auch keine unrichtigen Angaben gemacht, da in den übersandten Unterlagen zu der Beschäftigungshilfe maßgeblich auf die Arbeitlosmeldung, welche tatsächlich auch vorgelegen habe, abgestellt werde. Die Rechtswidrigkeit der Bewilligung sei für sie keinesfalls erkennbar gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts K. vom 02.10.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.04.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des Sozialgerichts sowie die Akten des Landessozialgericht Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Die Aufhebung von Leistungsbewilligungen nach den Richtlinien für Beschäftigungshilfen erfolgt gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 dieser Richtlinien nach § 45 SGB X, wenn die Bewilligung aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben erfolgt ist. Beim Vorliegen der Aufhebungsvoraussetzungen nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ist insoweit entsprechend § 152 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) kein Ermessen auszuüben, § 9 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinien für Beschäftigungshilfen.

Bei den genannten Richtlinien handelt es sich nicht um isoliert zu wertende Verwaltungsvorschriften, sondern um Bestandteile eines öffentlich-rechtlichen Vertrags im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X (BSG, Urteil vom 24.11.1994 - 7 RAr 54/93 = DiBlR Nr. 4174a zu § 3 AFG). Zwischen der Bundesregierung - vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung - und der Bundesanstalt für Arbeit ist insofern eine Verwaltungsvereinbarung über aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des Bundes geschlossen worden. Diese Verwaltungsvereinbarung beruht auf der gesetzlichen Ermächtigungsnorm des § 370 Abs. 2 SGB III (heute § 368 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Aufgrund der Bewilligung im Rahmen der Sozialverwaltung durch die Bundesagentur liegt öffentlich-rechtliche Sozialverwaltung vor, welche zur Anwendbarkeit des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch auch ohne ausdrücklich Anordnung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber führt (vgl. zur Rechtsnormqualität der Richtlinien für Beschäftigungshilfen zuletzt BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 7a AL 62/05 R -; hierzu Bieback in jurisPR-SozR 14/2007 Anm. 2).

Nach § 45 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, soweit er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist nach Abs. 2 Satz 2 in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach Abs. 2 Satz 3 indes nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Nr. 3).

Vorliegend hatte die Klägerin über ihren Geschäftsführer, dessen Wissen ihr nach § 166 BGB zugerechnet wird, Kenntnis von den Voraussetzungen einer Leistungsgewährung nach den Richtlinien des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Durchführung der Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslosen 1995 bis 1999 der Bundesregierung vom 16.02.1995 (Bundesanzeiger Nr. 36 vom 21.02.1995, S. 1685).

Der Geschäftsführer der Klägerin hat durch seine Unterschrift bestätigt, den Inhalt dieser Richtlinien (fortan: Richtlinien für Beschäftigungshilfen) zu kennen. In § 9 Abs. 1 der Richtlinien für Beschäftigungshilfen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bewilligungsbescheid nach § 45 SGB X gegebenenfalls auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann, wenn er aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben erlassen worden ist.

Die Klägerin hat aber insofern unrichtige und unvollständige Angaben im Sinne von § 9 Abs. 1 der Richtlinien für Beschäftigungshilfen und im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X in ihrem Antrag vom 18.10.1999 gemacht, als sie den B. wissentlich oder jedenfalls zumindest grob fahrlässig falsch als Langzeitarbeitslosen präsentierte.

Unschädlich ist es insofern, dass der Klägerin wohl die Richtlinien für die Zeit von 1995 bis 1999 in der Fassung vom 12.12.1996 (vgl. Bl. 8 ff. der Verwaltungsakte) zur Kenntnis gebracht worden sind, obwohl für die Bewilligung, wie aus dem Bewilligungsbescheid vom 03.11.1999 hervorgeht, wegen der Arbeitsaufnahme im Jahr 1999 die Richtlinien in der für den Zeitraum 1999 bis 2001 erlassenen Fassung einschlägig sind. Denn insofern ergibt sich keine inhaltliche Änderung der Richtlinien, welche durch den Beschluss der Bundesregierung vom 17.12.1998 (Bundesanzeiger 1998, S. 17818) für nach 1998 begründete Arbeitsverhältnisse verlängert worden sind.

Zwar trifft der Einwand der Klägerin grundsätzlich zu, dass in § 2 der Richtlinien für Beschäftigungshilfen maßgeblich auf die Arbeitslosmeldung für die Dauer von mindestens einem Jahr abgestellt wird. Insoweit kann die Klägerin sich aber nicht im Rahmen einer Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung auf Vertrauensschutz berufen, weil ihr der Umfang der tatsächlichen Beschäftigung des B. für die Klägerin im Rahmen der zutreffenden Feststellungen des SG nicht nur bekannt war, sondern von ihr selbst auch maßgeblich mitorganisiert wurde. Spätestens nach den von der Klägerin und B. organisierten Auslandsreisen des B. für die Klägerin konnte auch für die Klägerin kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die Arbeitslosigkeit und die Arbeitslosmeldung des B. nicht mehr vorlagen und der B. insoweit seine Anzeigepflicht gegenüber der Beklagten verletzt hatte und dass der B. aufgrund dieser Umstände kein Langzeitarbeitsloser war und nicht durch die Richtlinien für Beschäftigungshilfen gefördert werden konnte (vgl. auch § 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinien).

Nach § 118 Abs. 2 SGB III in der vom 01.01.1998 bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung schloss die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt blieben und mehrere Beschäftigungen zusammengerechnet wurden; dem stand nach Abs. 3 der Vorschrift im Übrigen eine selbständige Tätigkeit und eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger gleich.

Der Senat ist aufgrund der Zeugenaussage des B. sowie aufgrund der Einlassungen des Geschäftsinhabers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 02.10.2007 der Überzeugung, dass jedenfalls ab dem Sommer 1999 wegen der Reisetätigkeit des B. (insbesondere eine Reise nach Israel und eine Reise mit Übernachtung nach Ostdeutschland) keine geringfügige Tätigkeit des B. mehr für die Klägerin im regelmäßigen Umfang von unter 15 Wochenstunden vorgelegen hat. Insofern wird auf die in der Verwaltungsakte enthaltenen Ermittlungsunterlagen und Berechnungen der Steuerfahndung P. Bezug genommen. Nach diesen Unterlagen hat der Zeuge B. etwa in der Woche vom 09. bis 15.07.1999 insgesamt über 25 Stunden, in der sich anschließenden Woche sogar 55 Stunden und in den beiden Folgewochen 20,75 und 29,25 Stunden gearbeitet. Durch eine so massive Tätigkeit binnen vier Wochen, welche nicht mehr als gelegentliche Abweichung von geringer Dauer angesehen werden kann, entfiel jedoch nach § 122 Abs. 2 SGB III in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung die Wirkung der Arbeitslosmeldung (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 13.07.2006 - B 7a AL 16/05 R -, SozR 4-4300 § 122 Nr. 5), so dass der Zeuge B. bei dem Antrag der Klägerin auf Beschäftigungshilfe am 18.10.1999 nicht mehr förderungsfähig im Sinne der Richtlinien für Beschäftigungshilfen war.

Jedenfalls ist es völlig unerklärlich, dass insoweit weder die Klägerin noch die Ehefrau des Inhabers der Klägerin, welche ein Lohnbüro betreibt, welches in die Antragstellung bei der Beklagten involviert war, nicht wenigstens die vorherige Tätigkeit des B. für die Firma mitgeteilt und so der Beklagten die Prüfung ermöglicht haben, ob insofern überhaupt Arbeitslosigkeit vorliegt.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt ist. Nach der zivil- und verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung liegt grobe Fahrlässigkeit im Rahmen des Kennenmüssens dann vor, wenn die in der Personengruppe herrschende Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maß verletzt worden ist bzw. wenn außer Acht gelassen worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei genügt für die Kenntnis der Rechtwidrigkeit eine Parallelwertung in der Laiensphäre. Ein Kennenmüssen ist erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte die Fehlerhaftigkeit des Bescheids ohne Mühe erkennen konnte (Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 45 Rn. 23 f. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Nichtbeachtung einer nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand begründet im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit, wenn dieses so abgefasst ist, dass der Begünstigte seinen Inhalt erkannt hat oder jedenfalls ohne weiteres hätte erkennen können und die Aushändigung des Merkblattes nicht zu lange zurücklag (BSG, Urteil vom 24.04.1997 - 11 RA 89/96 -).

Die Behauptung der Klägerin, sie habe den B. nicht für seine Leistungen vergütet, spielt insofern keine entscheidende Rolle. Unabhängig von der Frage, ob diese Behauptung angesichts der Kollusion des B. mit der Klägerin als glaubhaft angesehen werden kann, ist dies nämlich nicht streitentscheidend. Denn die vom B. für die Klägerin durchgeführten Auslandsreisen und die hierfür erhaltenen Reiseentschädigungen schließen bereits die Unentgeltlichkeit aus (vgl. erneut BSG, Urteil vom 13.07.2006 - B 7a AL 16/05 R -, SozR 4-4300 § 122 Nr. 5).

Beim Vorliegen der Aufhebungsvoraussetzungen nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. SGB X war insoweit entsprechend § 152 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) kein Ermessen auszuüben, § 9 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinien für Beschäftigungshilfen.

Da die Aufhebungsvoraussetzungen aufgrund des Wissens des Inhabers der Klägerin um die fehlende Arbeitsloseneigenschaft des B. ausreichend erwiesen sind, sieht es der Senat als nicht erforderlich an, die Ehefrau des Inhabers der Klägerin als Zeugin dafür anzuhören, dass dem B. für seine Tätigkeit vor dem 19.10.1999 kein regelmäßiges Arbeitseinkommen gewährt worden ist und die Arbeitslosmeldung bestätigt worden ist; denn die Richtigkeit dieser Aussagen kann nach den obigen Ausführungen unterstellt werden, ohne dass sich hierfür im Ergebnis etwas an der rechtlichen Beurteilung ändert.

Auch die Fristen für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung sind entsprechend den Ausführungen des SG nach § 45 Abs. 3 und 4 SGB X eingehalten worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197 a SGG ist nicht einschlägig, weil die Klägerin als Empfängerin der Eingliederungshilfen nach der oben genannten gesetzlichen Grundlage Leistungsempfängerin im Sinne von § 183 SGG war (vgl. BSG, Beschluss vom 20.12.2005 - B 1 KR 5/05 B -, SozR 4-1500 § 183 Nr. 3; BSG, Urteil vom 24.11.1994 - 7 Rar 54/93 -, DBlR 417a, AFG/§ 3; BSG, Urteil vom 26.03.1998 - B 11 AL 37/96 R -, SozR 3-4100 § 3 Nr. 2). Eine Streitwertfestsetzung hatte daher nicht zu erfolgen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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