L 1 SB 3725/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 SB 3725/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 22. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Eigenschaft des Klägers als schwerbehinderter Mensch bzw. der Grad der Behinderung (GdB) von 50.

Bei dem 1955 geborenen Kläger war durch das Versorgungsamt F., Außenstelle R., zuletzt mit Bescheid vom 17. Mai 2002 ein GdB von 40 ab 26. November 2001 festgestellt worden, dem als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 30) und Depression (Teil-GdB 30) zugrunde lagen.

Am 19. Mai 2003 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB wegen einer Verschlimmerung der anerkannten Behinderungen, gestützt auf eine Verschlechterung der körperlichen und dadurch auch der psychischen Belastbarkeit. Das VA nahm daraufhin Ermittlungen auf und zog u.a. von der früheren Bau-Berufsgenossenschaft H. ärztliche Unterlagen bei, da der Kläger 1987 in der DDR einen als Wegeunfall anerkannten Unfall erlitten hatte. Dokumentiert war darin u.a. eine Spondylolisthese L 5/S 1 1999 mit rezidivierender Lumboischialgie L 5 rechts, chronische Schmerzen und nur eingeschränkte Beweglichkeit. Beigezogen wurde weiter der Entlassungsbericht aus der stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 21. August bis 9. Oktober 2003 (Diagnosen: chronisches Schmerzsyndrom der LWS; Zustand nach Spondylodese L 5/S 1 1999 mit Bewegungseinschränkung der LWS, psychologische Faktoren und Verhaltensweisen bei chronischen Schmerzen; schädlicher Gebrauch von Alkohol. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme lehnte das VA mit Bescheid vom 14. Januar 2004 den Antrag auf Neufeststellung ab.

Am 19. Januar 2005 machte der Kläger erneut die Verschlimmerung der festgestellten Behinderungen geltend. Nach Befragung des behandelnden Orthopäden K. lehnte das Landratsamt K., Amt für Gesundheit und Soziales, mit Bescheid vom 20. Juli 2005 auch diesen Erhöhungsantrag ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2005 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 20. Februar 2006 Klage zum Sozialgericht K. (SG) erhoben und vorgetragen, beide Behinderungen würden sich nicht dergestalt überschneiden, dass sie in ihrer Gesamtbetrachtung nur einen GdB von 40 rechtfertigen würden. Darüber hinaus würde weder der GdB von 30 für die orthopädischen Beschwerden noch der GdB von 30 für die Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet den tatsächlichen Verhältnissen ausreichend Rechnung tragen, da sich die Beschwerden erheblich verschlimmert hätten. Dies könnten die behandelnden Ärzte bestätigen. Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Orthopäde K. hat unter dem 23. Mai 2005 ausgeführt, der Kläger habe ihn zuletzt am 31. Januar 2005 konsultiert, zuvor am 3. September 2002. Er habe als Befund zuletzt eine reizlose Narbe über der Lendenwirbelsäule, eine eingeschränkte Anteflexionsbewegung und Rotationsbewegung, eine Bewegungseinschränkung auch in den Illeosakralgelenken ohne radikuläre Symptomatik und bei negativem Lasegue festgestellt. Eine kontinuierliche Behandlung habe nicht stattgefunden. Der Facharzt für Chirurgie Dr. Ku. hat in seiner Auskunft vom 31. Mai 2006 berichtet, er habe den Kläger zuletzt am 31. Januar 2006 behandelt. Eine Verschlimmerung habe er im Laufe der seit Februar 2004 stattfindenden Behandlung nicht festgestellt, den GdB würde er mit 20 v.H. einschätzen. Der Neurologe und Psychiater Dr. M. hat unter dem 1. Juni 2006 mitgeteilt, der Kläger habe sich 2001 8mal, 2002 4mal und einmalig am 8. März 2005 bei ihm vorgestellt. Zuletzt habe der Kläger über Rückenschmerzen, jetzt auch im Bereich der Halswirbelsäule, einen schlechten Schlaf, Ängstlichkeit, Zurückgezogenheit berichtet. Diagnostiziert habe man eine somatisierte Depression und ein chronisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule ohne neurologische Ausfälle. Vor dem 8. März 2005 habe man keine wesentliche Veränderung im Gesundheitszustand des Klägers feststellen können. Den Teil-GdB für die rezidivierenden depressiven Episoden mit Somatisierung bewerte er mit 20 v.H., für das chronische Wirbelsäulensyndrom ebenfalls mit einem Teil-GdB von 20, den Gesamt-GdB mit 30 v.H ... Der Facharzt für Allgemeinmedizin H. hat unter dem 21. September 2006 ausgeführt, er betreue den Kläger hausärztlich seit 1992. Seit Januar 2005 sei der Kläger nur unregelmäßig in der Praxis gewesen und wenn, dann nur wegen akuter Infekte, Impfungen, einer kleinen Schnittwunde etc. Er habe seit 2005 keine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers festgestellt und ihn auch wegen der Funktionsbeeinträchtigungen nicht mehr genauer untersucht.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen seien zutreffend bewertet. Auch die behandelnden Ärzte hätten keine Verschlimmerung feststellen können, zumal sich der Kläger im Jahr 2005 nur selten in Behandlung begeben habe.

Gegen den am 29. Juni 2007 seinem Bevollmächtigten zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger durch diesen am 30. Juli 2007, einem Montag, Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgebracht, der Befund an der Lendenwirbelsäule habe sich dramatisch verschlimmert. Möglicherweise werde er operiert. Dr. Ku. habe ihn deshalb an die berufsgenossenschaftliche Unfallklinik verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 22. Juni 2007 sowie den Bescheid vom 20. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, beim Kläger einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Das Gericht hat Dr. Ku. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Auskunft vom 21. Februar 2008 hat er zusammenfassend ausgeführt, die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen seien als leicht zu bewerten. Eine stationäre oder sonstige Weiterbehandlung sei nicht bekannt. Das Gericht hat weiter die berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau nach Behandlungen des Klägers befragt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. W. hat dem Gericht in seiner Auskunft vom 20. März 2008 mitgeteilt, der Kläger sei vom 7. bis 9. Januar 2008 stationär behandelt worden. Er habe im Wesentlichen über Schmerzen im Rücken geklagt. Die Narbe nach Spondylodese L 5/S 1 sei reizlos, ein sensomotorisches Defizit habe nicht bestanden, der Kläger habe auch nicht über Schmerzen in den Beinen geklagt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung eines GdB mit wenigstens 50 v.H. abgelehnt, da eine Verschlimmerung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers nicht nachgewiesen ist.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X).

Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist nicht eingetreten. Die Erkrankungen des Klägers, die der Feststellung des GdB zugrunde liegen, haben sich nicht verschlimmert.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen sind insoweit seit 01.07.2001 die Vorschriften des 9. Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63, 68 des SGB IX vom 19.06.2001, BGBl. I S. 1046).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag stellen die Behörden einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie über weitere gesundheitliche Merkmale aus.

Diese Vorschriften sind weitgehend inhaltsgleich mit den bis zum 30.06.2001 geltenden Vorschriften der §§ 3 und 4 SchwbG, weshalb die bisherigen Grundsätze zur GdB-Bewertung weiter angewandt werden können. Inwieweit in Einzelfällen Gesundheitsstörungen über die damit verbundenen Funktionseinschränkungen hinaus Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft haben und auch diese Auswirkungen insoweit bei der GdB-Einschätzung zu berücksichtigten sind (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2001 - B 9 SB 1/01 R), kann dahinstehen, denn solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (vgl. BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4; SozR 3 - 3870 § 4 SchwbG Nr. 19 und Urteil vom 07.11.2001 aaO). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Auch sind sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3 - 3870 aaO; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R).

Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den Grundsätzen zu verfahren, wie sie in den AP (Abschnitt 19) ihren Niederschlag gefunden haben. Danach sind bei der Festsetzung des Gesamt-GdB die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, führen nicht zu einer Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung, auch wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Behinderung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB verursacht. Dann ist im Hinblick auf weitere Behinderungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung insgesamt größer wird und deshalb dem höchsten Einzel-GdB ein Behinderungsgrad von 10 oder 20 oder mehr hinzuzufügen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Mathematische Methoden, insbesondere eine Addition der einzelnen GdB-Werte, sind hierbei ausgeschlossen (BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4).

Unter Berücksichtigung der in den Anhaltspunkten niedergelegten Grundsätze ist im Fall des Klägers ein GdB von 40 festzustellen.

Auf orthopädischem Fachgebiet sind die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 zutreffend bewertet.

Wirbelsäulenschäden sind nach den AP 26.18, soweit sie ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität einhergehen, mit einem GdB von 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10 zu bewerten. Bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ist ein GdB von 20 festzustellen, bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und erst bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB zwischen 30 – 40.

Keiner der den Kläger behandelnden Ärzte hat eine wesentliche Verschlimmerung der Wirbelsäulenleiden des Klägers, verglichen mit denen, die dem Vergleichsbescheid vom 17. Mai 2002 zugrunde lagen, bestätigt. Der Orthopäde K. hat gegenüber dem SG mitgeteilt, den Kläger nur 2002 und dann wieder am 31. Januar 2005 behandelt zu haben. Schon diese Behandlungsfrequenz spricht gegen eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankungen, da dann zumindest ein gelegentlicher Arztkontakt zu erwarten wäre. Mitgeteilt hat er weiter den Befund bei der letzten Untersuchung, nämlich eine eingeschränkte Anteflexions- und Rotationsbewegung und eine Bewegungseinschränkung in den Illeosakralgelenken ohne radikuläre Symptomatik. Diesbezüglich ist eine Verschlimmerung des Befunds, der der Feststellung im Bescheid vom 17. Mai 2002 zugrunde gelegen hat, nämlich eine Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, nicht nachgewiesen. Auch der Chirurg Dr. Ku. hat in seiner von 2004 bis 2006 laufenden Behandlung eine Verschlimmerung der Leiden nicht feststellen können. Selbst bei der Befragung durch den Senat hat Dr. Ku. im Februar 2008 mitgeteilt, die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen seien als leicht zu bezeichnen. Soweit der Kläger gegenüber dem Senat mitgeteilt hat, er werde wahrscheinlich wegen der Verschlimmerung seiner Wirbelsäulenproblematik an der Wirbelsäule operiert, hat diesen Vortrag die Befragung der Ärzte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau nicht bestätigt. Der dort behandelnde Orthopäde Dr. W. hat mitgeteilt, dass der Kläger bei seiner stationären Behandlung im Januar 2008 im Wesentlichen über Rückenschmerzen geklagt habe. Er habe aber nur eine reizlose Narbe nach Spondylodese L 5/S 1 ohne sensomotorisches Defizit und ohne Schmerzausstrahlung in die Beine feststellen können. Beschwerden oder Erkrankungen im Bereich der Halswirbelsäule wurden nicht mitgeteilt.

Soweit der Neurologe und Psychiater Dr. Mü. gegenüber dem SG mitgeteilt hat, der Kläger habe zuletzt (im Rahmen einer einmaligen Behandlung im Jahr 2005) über Rückenschmerzen geklagt, nun auch im Bereich der Halswirbelsäule, hat dieser nur ein chronisches Schmerzsyndrom der Lenden- und der Halswirbelsäule ohne neurologische Ausfälle diagnostiziert, so dass auch aufgrund dieser Auskunft eine Verschlimmerung nicht erkannt werden kann.

Der Senat lässt offen, ob angesichts dieser Befunde der für die orthopädischen Erkrankungen der Bemessung des Gesamt-GdB zugrundegelegte Teil-GdB von 30 überhaupt noch zutreffend ist, da bei der letzten orthopädischen Untersuchung im Januar 2008 Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule nicht berichtet worden sind und daher wohl nicht von Einschränkungen jedenfalls mittelgradiger Schwere an zwei Wirbelsäulenabschnitten auszugehen ist (was aber einen Teil-GdB von 30 bis 40 überhaupt erst rechtfertigen würde). Gleiches gilt für die Frage, ob schwere funktionelle Ausfälle in einem Wirbelsäulenabschnitt überhaupt noch bestehen. Dieses wäre alternativ aber Voraussetzung für die Feststellung eines Teil-GdB von 30 auf orthopädischem Fachgebiet. Jedenfalls aber ist durch die eingeholten Arztauskünfte die behauptete Verschlimmerung der der GdB-Feststellung zugrunde liegenden Leiden nicht nachgewiesen und daher ein höherer GdB nicht zu rechtfertigen.

Soweit auf psychiatrischem Fachgebiet ein Teil-GdB von 30 der Bewertung zugrunde gelegt worden ist, ist auch insoweit eine Verschlimmerung nicht nachgewiesen.

Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen werden nach den AP 26.3 mit einem GdB von 0 – 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 bewertet.

Der Neurologe und Psychiater Dr. M. hat gegenüber dem SG eine somatisierte Depression und ein chronisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule berichtet. Weiter hat er ausgeführt, der Kläger habe sich ängstlich und zurückgezogen gezeigt. Soweit im maßgeblichen Bescheid vom 17. Mai 2002 eine Depression zugrundegelegt und mit einem GdB von 30 bewertet worden ist, ist auch unter Berücksichtigung des von Dr. M. mitgeteilten Schmerzsyndroms insoweit eine Verschlechterung nicht belegt. Im Bescheid vom 17. Mai 2002 ist das Schmerzsyndrom von der Beklagten wegen der Überschneidungen mit der Wirbelsäulenerkrankung gemeinsam bewertet worden. Für die Höhe des Gesamt-GdB ist es allerdings unbeachtlich, ob das Schmerzsyndrom in seinem Wesensgehalt als psychische Erkrankung gewertet und deshalb zusammen mit der Depression auf psychiatrischem Fachgebiet bewertet wird oder wie im Ausgangsbescheid geschehen zu der organischen Erkrankung gezogen wird. Denn in beiden Fällen ist wegen der Überschneidungen eine Gesamtbewertung von 30 zutreffend und sachgerecht.

Soweit der Kläger vorbringt, dass zwei Teil-GdB-Werte von 30 in der Festsetzung des Gesamt-GdB einen höheren als 40 rechtfertigen müssten, kann sich dem der Senat nicht anschließen. Bei der Festsetzung des Gesamt-GdB sind, wie ausgeführt, die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend. Da das Schmerzsyndrom des Klägers wie auch die depressive Erkrankung wesentlich durch die geklagten Rückenbeschwerden verursacht sind, überschneiden sich die Teil-GdB-Werte auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet und psychiatrischem Fachgebiet derart, dass in der Gesamtbewertung, ausgehend von dem Teil-GdB von 30 für die orthopädische Erkrankung, die zugrundeliegenden Behinderungen auf psychiatrischem Fachgebiet dahinter zurücktreten und die Gesamtbehinderung mit einem Gesamt-GdB von 40 angemessen und umfassend bewertet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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