L 11 R 4951/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 486/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4951/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. März 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber tragen.

Der Streitwert wird endgültig auf 27.256,10 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin in der Zeit vom 1. September 2002 bis 31. März 2004 streitig.

Die Klägerin, die eine Spedition betreibt, beauftragte den Beigeladenen zu 1 erstmalig im September 2002 mit der Durchführung von Transportaufträgen.

Am 18. November 2002 beantragte sie bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1. Dieser gab an, dass er seit 1996 selbständig als Handelsvertreter tätig sei. Er habe seine Geschäfte um die Fahrdienste für die Klägerin erweitert. Er müsse seine Tätigkeit nicht am Betriebssitz des Auftraggebers ausführen, auch keine regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einhalten, Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit würden ihm nicht erteilt. Die Klägerin trug ergänzend vor, dass es keine vertraglichen Vereinbarungen der Tätigkeit gäbe, Aufträge würden telefonisch und je nach Bedarf erteilt. Auf Nachfrage seitens der Beklagten gab der Beigeladene zu 1 an, er befördere zum größten Teil Transportgüter mit dem Lkw der Klägerin und schreibe dieser eine Rechnung. Weiter sei er noch als Fahrer für die Spedition G. in K. und für die Spedition S. in U. tätig. Er besitze einen Jeep-Cherokee, den er gelegentlich für Kleintransporte einsetze. Außerdem sei er noch in Sachen seiner Immobilien tätig. Im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Anhörungsverfahrens nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) führte die Klägerin weiter aus, dass bei jedem Auftrag im Einzelfall abgeklärt werde, ob der Beigeladene zu 1 zeitlich in der Lage sei, den jeweiligen Transportauftrag durchzuführen. Es werde bei der Ausführung der Arbeitsleistung lediglich die Vorgabe gemacht, dass er bestimmte An- und Abladestellen in einem bestimmten zeitlichen Rahmen anfahren müsse. Im Übrigen sei er bezüglich der Art und Weise der Durchführung seiner Tätigkeit frei. Die Haupttätigkeit des Beigeladenen zu 1 sei nach wie vor die eines Immobilienmaklers.

Mit Bescheid vom 23. September 2003 stellte die Beklagte daraufhin fest, der Beigeladene zu 1 sei bei der Klägerin seit 1. September 2002 versicherungspflichtig beschäftigt. Denn er sei in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden, wobei ihm der Auftraggeber einseitig im Wege des Direktionsrechts Weisungen, die Zeit, Dauer und Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise beträfen, erteile. Der Beigeladene zu 1 sei daher von der Klägerin beim jeweiligen Auftrag persönlich abhängig.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Beigeladene zu 1 führe nur gelegentlich und manchmal häufiger als Fahrer eines Lkws für sie Transporte aus. Daneben erledige er immer wieder Transporte für zwei weitere Speditionen und benütze dafür auch teilweise seinen Jeep-Cherokee mit Anhänger. Er habe keinen Arbeitsvertrag mit der Klägerin geschlossen und müsse auch nicht deren Arbeitszeiten einhalten, unterliege somit keinem Weisungsrecht und sei auch nicht in die betriebliche Organisation eingebunden.

Der Beigeladene zu 1 verwies ergänzend darauf, dass er seit 2001 in seiner Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter anerkannt sei und überwiegend im Bereich Versicherungen und Immobilien tätig wäre. Da er auch für andere Speditionen tätig sei, trage er ein großes unternehmerisches Risiko. Er verfüge über ein eigenes Fahrzeug, das auch auf ihn zugelassen sei und von ihm geleast werde, welches er gelegentlich für die Kleintransporte einsetze.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2005, abgesandt am 18. Januar 2005, wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger sei in die betriebliche Arbeitsorganisation der Klägerin bei Auftragsannahme eingegliedert. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als Kraftfahrer sei gerade nicht durch ein unternehmerisches Handeln und das damit verbundene Unternehmerrisiko gekennzeichnet. Er führe die Fahrten ausschließlich mit einem von der Klägerin zur Verfügung gestellten und auf diese zugelassenen Lkw durch. Er setze somit ausschließlich die eigene Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend in der fremden Arbeitsorganisation tätig. Die eigene Arbeitskraft werde auch nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt, da die Vergütung nach Annahme der Arbeit erfolge. Die Chance, länger oder mehr zu arbeiten, um so ein höheres Entgelt zu erzielen, sei nicht die spezielle Chance eines Unternehmers, diese habe auch jeder Beschäftigte. Ein solches Risiko sei von demjenigen eines Selbständigen mit berufstypischem Unternehmerrisiko zu unterscheiden. Ersteres trügen auch andere Arbeitnehmer, wie z.B. Stücklohn-, Akkord- oder Heimarbeiter. Letzteres bedeute Einsatz eigenen Kapitals, der auch mit der Gefahr eines Verlustes verbunden sei. Dies sei bei dem Kläger nicht zu erkennen. Ohne einen eigenen Lkw sei der Beigeladene zu 1 auf den Fuhrpark der Klägerin angewiesen. Ihm fehle somit eine wesentliche Geschäftsgrundlage, um eine selbständige Tätigkeit unabhängig von der Gestaltung von Betriebsmitteln durch Dritte ausüben zu können. Die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1 nur kurzfristig und nur bei Bedarf für das Unternehmen tätig werde, diene allein der Flexibilität und Kostenminderung der Klägerin. Abhängige Beschäftigungsverhältnisse könnten indessen zeitlich befristet sein und wiederholt entstehen (Saisonarbeitskräfte, Wochenend- und Aktionshelfer, Urlaubsvertretung), ohne dass dies einen Einfluss auf den sozialversicherungsrechtlichen Status dem Grunde nach habe.

Mit ihrer dagegen am 21. Februar 2005 (einem Montag) beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Vorverfahren geltend, der Beigeladene zu 1 habe sich bei der Durchführung der von ihm übernommenen Touren auch Dritter bedienen können. Eine Einschränkung diesbezüglich sei nicht erfolgt. Das Honorar sei für jeden Auftrag besonders ausgehandelt worden und habe sich an der durchschnittlichen Zeitdauer der Tour orientiert. Lediglich ein grober Zeitrahmen sei vorgegeben gewesen. Der Beigeladene zu 1 habe auch Transporte mit seinem Privat-Pkw und dem dazugehörigen Anhänger mit einer Ladekapazität von mehr als 2 Tonnen durchgeführt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG - nach Beiladung des Beigeladenen zu 1 - diesen wie den Zeugen M. in der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2007 gehört.

Der Zeuge M., der Leiter des Fuhrparks bei der Klägerin und damit zuständig für Personal und Ladungen war, gab im Wesentlichen an, dass der Beigeladene zu 1 mit dem Firmen-Lkw die Touren durchgeführt habe, wofür ihm Reparaturen, Benzin und Kosten der Lkws gestellt worden wären. Ersatzfahrer hätte der Beigeladene zu 1 nicht einsetzen können. Der Tag der Ausführung sei jeweils vorgegeben gewesen, wobei das Fahrzeug vorgeladen worden sei. Eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1 Aufträge anzunehmen, habe es nicht gegeben. Man sei auf die Fahrer nicht angewiesen gewesen. Für jede Tour habe es einen festen Betrag als Entlohnung gegeben. Transportiert worden wären Palettenware, Kartons, Papier, Stahl, somit kein Gefahr- oder Kühlgut, bei dem man Spezialfahrzeuge benötige. Hinsichtlich der Einzelheiten seiner Angaben wird auf die Niederschrift vom 27. März 2007 verwiesen.

Mit Urteil vom 27. März 2007, berichtigt durch Beschluss vom 5. Juli 2007, hob das SG die Bescheide der Beklagte auf und stellte fest, dass der Beigeladene zu 1 die Tätigkeit für die Klägerin ab 1. September 2002 selbständig ausgeübt habe. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beigeladene zu 1 hätte im Wesentlichen selbst entscheiden können, ob, wann und in welchem Umfang er für die Klägerin tätig werden wolle. Deswegen sei nicht von seiner Eingliederung in den Betrieb auszugehen. Es habe auch keine vertragliche Bindung dahingehend bestanden, Aushilfstätigkeiten regelmäßig wiederkehrend wahrzunehmen. Es habe zwar der Einsatz eines eigenen Fahrzeugs für ein unternehmerisches Risiko gefehlt. Dennoch liege die erforderliche Eingliederung in den Betrieb der Klägerin nicht vor. Er habe den Transport innerhalb eines grob vorgegebenen Rahmens nach eigenem Gutdünken abwickeln können, somit Touren rascher und effektiv erledigt. Ein wirtschaftlicher Zwang habe auf den Beigeladenen zu 1 nicht ausgeübt werden können. Die Leistung wäre nicht in enger Einbindung in die Betriebsorganisation mit ständiger Einsatzbereitschaft erbracht worden.

Gegen das ihr am 19. April 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15. Mai 2007 Berufung eingelegt, mit der sie im Wesentlichen unter Berufung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 11. Oktober 2006 (L 11 KR 848/03) geltend macht, dass es für die Frage der Weisungsgebundenheit nicht entscheidend sei, ob ein Arbeitnehmer Einsätze ablehnen könne, sondern dass er bei Annahme eines Einsatzes als Fahrer den Vorgaben der Firma unterworfen sei. Bei der Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens müsse jedes Auftragsverhältnis im Einzelfall gewürdigt werden, wobei es nicht erheblich sei, ob beim Auftraggeber ein oder mehrere Auftragsverhältnisse eingegangen worden seien. Der Beigeladene zu 1 führe Lkw-Fahrten für die Klägerin mit deren Fahrzeugen aus. Eigene Betriebsmittel besitze der Beigeladene zu 1 nicht. Er biete seine Arbeitskraft ohne Einsatz von Sachmitteln an, so wie dies jeder abhängig Beschäftigte tue.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. März 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat einen Erörterungstermin am 21. Februar 2008 durchgeführt, im Rahmen dessen der Beigeladene zu 1 seine Steuerunterlagen für die Jahre 2002 bis 2004 vorgelegt hat (Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von - 9.363 EUR , nach der Einkommenssteuererklärung 2002 ausschließlich für Fahrten für die Klägerin, so auch Einkommenssteuerbescheid vom 29. März 2005; für 2004 Einkünfte aus Gewerbebetrieb 40.000,- EUR, Einkommenssteuerbescheid vom 21. Juli 2006).

Mit Beschluss vom 22. Februar 2008 hat der Senat die Sozialversicherungsträger zum Verfahren beigeladen.

Die Klägerin hat ergänzend mitgeteilt, dass der Beigeladene zu 1 im Jahr 2002 15.517,50 EUR, im Jahr 2003 43.545,- EUR und im Jahr 2004 810,- EUR verdient habe.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die beigezogene Akten des durch Vergleich vom 16.10.2007 abgeschlossenen Parallelverfahrens L 11 R 2431/07 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Denn sie ist im Ergebnis auch darauf gerichtet, für den streitbefangenen Zeitraum von mehr als einem Jahr die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzufordern.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Denn die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene zu 1 in der Zeit ab 1. September 2002 bei der Klägerin abhängig beschäftigt war.

Nach § 7a Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet nach § 7a Abs. 2 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund in Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist.

Ausgehend hiervon ist die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin als abhängige einzustufen. Dies folgt in Auswertung der Angaben des Beigeladenen zu 1 im Vorverfahren, in der mündlichen Verhandlung beim SG wie dem Erörterungstermin, den Ausführungen des Zeugen M. sowie den vorgelegten Steuerunterlagen und Einkommensangaben der Klägerin.

Danach war der Beigeladene zu 1 - wenn überhaupt - nur in ganz untergeordnetem Umfang für andere Auftraggeber tätig, im wesentlichen aber für die Klägerin als Fahrer, somit auch wirtschaftlich abhängig. Dies folgt für den Senat aus den von der Klägerin mitgeteilten Entgelten an den Beigeladenen zu 1 in Abstimmung mit den Angaben des Beigeladenen zu 1 in seinen Steuerunterlagen. Aus diesen folgt auch, dass der Beigeladene zu 1 keinesfalls andere Fahrer bei den Aufträgen eingesetzt hat, deswegen auch keine Verluste durch Löhne o.ä. geltend gemacht hat. Das hat auch der Zeuge M. in dem Termin beim SG bestätigt, wonach der Beigeladene zu 1 Ersatzfahrer nicht einsetzen durfte. Es verhielt sich vielmehr so, dass dem Beigeladenen zu 1 ein Fahrzeug von der Klägerin gestellt wurde, mit dem er ausschließlich die Fahrten durchgeführt hat. Den Vortrag des Beigeladenen zu 1, dass er auch seinen eigenen Jeep-Cherokee für Betriebsfahrten eingesetzt hat, was er im Übrigen auch nicht steuerrechtlich geltend gemacht hat, konnte der Zeuge M. gerade nicht bestätigen. Für die Kosten des von der Klägerin gestellten Lkw, nämlich Versicherung, Benzin u.a., ist diese auch ausschließlich aufgekommen.

Der Beigeladene zu 1 war aufgrund seines Auftrages auch verpflichtet, den Auftrag in einem zeitlich vorbestimmten Rahmen auszuführen, innerhalb dessen er nur wenige Gestaltungsmöglichkeiten hatte. Er bekam in der Regel seinen Lkw schon vorgeladen zur Verfügung gestellt und ihm wurde ein genaues Ziel für die Ablieferung des Gutes genannt. Die Fahrten wurden dann nach den vorgegebenen Entgelten der Klägerin abgerechnet. Hier kam dem Beigeladenen zu 1 keinesfalls eine eigene Preisgestaltung zu, wie dies üblicherweise bei selbständig Tätigen der Fall ist. In diesem Zusammenhang ist deswegen der Umstand, dass der Beigeladene zu 1 im Falle krankheits- oder urlaubsbedingter Verhinderung keine Vergütung erhielt, von untergeordneter Bedeutung und kann nicht als Indiz dafür herangezogen werden, dass er ein unternehmerisches Risiko trug. Dieser Aspekt ist nur zwangsnotwendig Folge der vereinbarten freiberuflichen Tätigkeit, mit der die Klägerin flexibel und kostenmindernd auf die Arbeitskraft des Beigeladenen zu 1 zugreifen konnte. Der Beigeladene zu 1 hat daher keinerlei unternehmerisches Risiko getragen, sondern nur seine "Arbeitskraft verkauft" wie jeder andere abhängig Beschäftigte auch.

Bei der Prüfung der Eingliederung in die betriebliche Organisation der Klägerin muss nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auf den einzelnen Auftrag abgestellt werden (vgl. zum Folgenden auch Urteil des Senats vom 11. Oktober 2006 - L 11 KR 848/03 -). Hatte der Beigeladene zu 1 sich zur Übernahme einer Fahrt verpflichtet, so musste er sich nicht nur bezüglich Zeit und Ort einfügen, sondern unterlag auch einem unmittelbaren Direktionsrecht der Klägerin. Unerheblich ist dabei, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang davon tatsächlich Gebrauch gemacht wurde. Er konnte allenfalls geringfügig die Route optimieren, das allein macht ihn aber noch nicht zu einem Selbständigen.

Im diesem Zusammenhang ist weiter ohne Bedeutung, dass dem Beigeladenen zu 1 bezüglich seiner Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter mit Bescheid vom 26. Juli 2001 mitgeteilt wurde, dass diese Tätigkeit selbständig sei. Denn vorliegend handelt es sich um die Fahrtätigkeit bei der Klägerin, nicht um die Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter.

Bei dem Beigeladenen zu 1 kann auch nicht in analoger Anwendung des § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen werden. In dieser Vorschrift findet sich das Merkmal der frei gestalteten Arbeitstätigkeit für den Begriff des Handelsvertreters, welches die Rechtsprechung als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedanken gewertet und deswegen auch in anderen Fällen zur Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung für anwendbar erachtet hat. Vorliegend fehlt es aber an dem Merkmal der im Wesentlichen freien Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit. Bei Betrachtung des von dem Beigeladenen zu 1 angebotenen Dienstes wird deutlich, dass dieser letztlich nichts anderes als seine Arbeitskraft mit den zur Ausführung der Arbeit erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten angeboten hat, nicht hingegen ein nennenswerter Einsatz von Sachmitteln stattfand.

Dem Umstand, dass das Finanzamt die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als selbständig gewertet hat, kommt ebenfalls keine maßgebende Bedeutung zu. Zum einen könnte eine solche durch die Finanzverwaltung vorgenommene Einschätzung ohnehin keine Bindungswirkung gegenüber den Gerichten beanspruchen. Zum anderen prüft das Finanzamt eine Beschäftigung nur unter steuerrechtlichen Aspekten. Die Beurteilung nach dem Sozialversicherungsrecht obliegt der Beklagten und den Gerichten.

Insgesamt überwiegen deswegen die Argumente für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 in dem streitbefangenen Zeitraum von September 2002 bis März 2004. Die Berufung der Beklagten musste daher Erfolg haben und das angefochtene Urteil des SG aufgehoben werden. Die Klage war deswegen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG.

Der Streitwert wird im Hinblick auf die von der Beigeladenen zu 2 mitgeteilten Gesamtsozialversicherungsbeiträge, die sich aus den Angaben der Klägerin ergeben, nach §§ 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. 63 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG endgültig auf 27.256,10 EUR festgesetzt.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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