L 1 U 710/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 6395/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 710/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts F. vom 21. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente.

Der 1965 geborene Kläger, als Gartenbauhelfer tätig, hat am 18. Oktober 2003 eine offene Oberschenkelfraktur und eine offene Unterschenkelfraktur erlitten, als er auf dem Weg zur Arbeit mit seinem Moped bei dichtem Nebel auf einen stehenden Pkw aufgefahren war (Durchgangsarztbericht Klinik für Traumatologie der Universitätsklinik F., Prof. Dr. S., vom 10. November 2003; Unfallanzeige der G. GmbH vom 14. November 2003).

Im Bericht vom 31. Dezember 2003 über die vom 4. bis 17. November 2003 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in der Median Klinik Bad K., Dr. P., wurde ausgeführt, es bestehe Zustand nach distaler Femurfraktur rechts mit Osteosynthese und Zustand nach distaler Unterschenkelfraktur mit Osteosynthese. Bei fehlender aktiver Kniestreckung rechts seien weitere diagnostische und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch operative Maßnahmen notwendig. Am 20. November 2003 wurde noch eine Muskelnaht und Lateral-Release wegen Ruptur des Musculus vastus mediales rechts durchgeführt.

Physiotherapeutische Maßnahmen sowie Verlaufskontrollen in der Universitätsklinik und in der Median-Klinik Bad K., Dr. P., folgten. Dokumentiert wurden Schmerzen im Knie bei Vollbelastung, die Benutzung von Unterarmgehstöcken sowie ein hinkendes Gangbild ohne Gehstöcke.

Vom 15. April bis 13. Mai 2004 führte der Kläger eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Schwarzwaldklinik Orthopädie, Bad K., durch. Im Entlassungs-Kurzbericht vom 13. Mai 2004 wurde über noch bestehende belastungsabhängige Beschwerden im rechten Kniegelenk mit limitierter Beweglichkeit (Streck- und Beugedefizit) berichtet. Der freie Gang sei mit einem links geführten Handstock möglich.

Ab 1. Juli 2004 nahm der Kläger im Rahmen einer Arbeits- und Belastungserprobung (ABE) seine Tätigkeit als Gartenbauhelfer wieder auf. Wegen einer aufgetretenen Entzündung (Schienbeinfistel) wurde die ABE am 23. Juli 2004 ausgesetzt. Nach Abklingen der Entzündung berichtete die Universitätsklinik F. unter dem 21. September 2004, bei der Vorstellung am 14. September 2004 habe der Kläger über unveränderte Beschwerden im rechten Knie geklagt. Nach 30minütigem Gehen würden Schmerzen einsetzen. Die klinische Untersuchung habe eine stabile Bandführung ergeben. Ein intraartikulärer Erguss läge nicht vor. Die Kniegelenksbeweglichkeit habe bei 0-0-100 gelegen, die kernspintomographische Untersuchung habe einen unauffälligen Befund gezeigt. Die am Untersuchungstag angefertigte Röntgenaufnahme habe eine zunehmende knöcherne Konsolidierung bei regelrecht einliegendem Osteosynthesematerial ohne Bruch- und Lockerungszeichen gezeigt. Ein medizinisches Korrelat für die geklagten Beschwerden habe nicht gefunden werden können. Ab 4. Oktober 2004 nahm der Kläger dann wieder eine ABE auf.

Weitere Untersuchungen bei Dr. P. folgten, in denen der Kläger beständig Schmerzen im rechten Knie beschrieb, denen Dr. P. allerdings kein organisches Korrelat zuordnen konnte. Wegen der Schmerzen benutzte der Kläger, der ab November 2004 die tägliche Arbeitszeit im Rahmen der ABE erhöhte, teilweise wieder einen Handstock. Da in der ABE auch bis Ende Dezember kein vollschichtiges Leistungsvermögen erreicht werden konnte, wurde im Februar 2005 eine "Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) nach S. Isernhagen" durchgeführt. Diese ergab, dass der Kläger trotz gutem orthopädischem Heilungsverlauf seine schwere Arbeit jedenfalls derzeit nicht ausüben könne. Es wurde der Verdacht geäußert, dass möglicherweise mittlerweile eine Schmerzverarbeitungsstörung eingetreten sei.

Mit Ablauf des 15. April 2005 wurde die Zahlung von Verletztengeld eingestellt (Bescheid vom 14. April 2005).

Im ersten Rentengutachten vom 27. Juni 2005 (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen, Prof. Dr. Weise/Assistenzarzt Dr. Volz) führten diese als Diagnose eine knöchern fest konsolidierte, ehemals erstgradig offene Oberschenkelfraktur rechts mit reizlos unverändert einliegendem distalen Femurnagel, eine Torsionsabweichung nach außen im Bereich des rechten Oberschenkels um 10 Grad, eine knöchern fest konsolidierte ehemals erstgradig offene Unterschenkelfraktur rechts mit reizlos unverändert einliegendem Material, eine Torsionsabweichung nach Außen um 5 Grad im Bereich des rechten Unterschenkels, Bewegungseinschränkungen des rechten Hüftgelenks sowie im rechten Kniegelenk, einen Zustand nach Ruptur des M. vastus medialis rechts und Zustand nach Revision und Naht dessen, Narbenbildung, subjektive Beschwerden und radiologische Veränderungen an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde vom Unfalltag bis 21. Juni 2005 (Untersuchungstag) mit 100 v.H., ab 22. Juni 2005 bis zum Ablauf des 3. Folgejahres nach dem Unfall mit 20 v.H. vorgeschlagen, danach belaufe sie sich wahrscheinlich noch auf 10 v.H. Eine Zusatzbegutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet wurde vorgeschlagen.

Der mit der Begutachtung beauftragte Prof. Dr. Stevens führte in seinem neurologischen Gutachten vom 10. Oktober 2005 aus, es bestünden weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem Fachgebiet Auffälligkeiten. Aufgrund der nicht widerlegbaren Schmerzen des Klägers sei aber eine gewisse Minderbelastbarkeit des rechten Beins und eine Minderenervation des rechten Kniestreckermuskels nachvollziehbar. Dies sei jedoch schon im chirurgischen Gutachten erfasst und bewertet worden.

Mit Bescheid vom 17. Januar 2006 bewilligte die Beklagte Verletztenrente als vorläufige Entschädigung ab 16. April 2005 nach einer MdE um 20 v.H. Als Unfallfolgen wurden anerkannt: knöchern fest verheilter ehemals erstgradig offener Oberschenkel- und Unterschenkeltrümmerbruch rechts mit reizlos einliegendem Metall, Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk und rechten Kniegelenk.

Aktenkundig ist weiter der Arztbrief der Universitätsklinik F., Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik vom 28. März 2006. Danach bestehe eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen (Depression, Anspannung, Gereiztheit) bei chronischem Schmerzsyndrom (F43.23 ICD10).

Im zweiten Rentengutachten vom 12. Juli 2007 führte Dr. P. aus, als Unfallfolgen bestünden noch eine röntgenologisch in anatomisch achsengerechter Stellung abgeschlossene knöcherne Konsolidierung der Femurschaft- und Tibiaschaftfraktur sowie proximale Fibulaschaftfraktur rechts nach hypertropher verzögerter Knochenbruchheilung mit reizlos einliegendem Osteosynthesematerial, röntgenologisch knöcherner Anschluss des bisher freien Knochenfragments an der Tibiavorderkante rechts ohne sichtbare lokale Entzündungszeichen, ohne sezernierende Wundheilungsstörung über der Tibiavorderkante rechts mit klinisch unveränderter Schonhaltung des rechten Beins (ohne nachweisbaren Rotationsfehler) mit endgradigem Beugedefizit rechtes Kniegelenk, mit noch vorhandener Verschmächtigung des rechten Oberschenkels um 2 cm, mit subjektiv weiterhin bestehender belastungsabhängiger Schmerzsymptomatik rechtes Knie sowie Schienbeinvorderseite (chronifiziertes Schmerzbild ohne nachweisbare somatische Ursache) sowie ein Verdacht auf Somatisierungstendenz, chronifizierte Schmerzsymptomatik rechtes Kniegelenk und rechter Unterschenkel bei depressiver Verstimmung. Die MdE sei mit 10 v.H. zu bewerten.

Mit Bescheid vom 24. August 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ab und entzog die Rente als vorläufige Entschädigung ab September 2006, gestützt auf das Gutachten des Dr. P ...

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Am 8. September 2006 wurde das Metall im rechten Bein entfernt. Die Schmerzsymptomatik wurde vom Kläger als gleichbleibend beschrieben (Bericht des Dr. P. vom 11. Oktober 2006). Nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. T. vom 24. Oktober 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2006 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 22. Dezember 2006 Klage zum Sozialgericht F. (SG) erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Beweglichkeit im Knie werde nicht mehr vollständig erreicht, nach kurzer Belastung komme es zu starken Schmerzen.

Das SG hat Prof. Dr. S., Orthopädische Klinik der Universitätsklinik F., schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2007 hat er u.a. ausgeführt, auch nach der Metallentfernung sei eine Kniebeugung über 90 Grad nicht zu erreichen gewesen. Aufgrund der starken Schmerzen ohne morphologisches Korrelat sei die Indikation zu einem stationären Heilverfahren gegeben. Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat unter dem 19. Juni 2007 Prof. Dr. Sch., St. Josefskrankenhaus F., ein unfallchirurgisches Gutachten erstattet. Dieser hat zusammenfassend ausgeführt, als Unfallfolge bestehe noch eine erhebliche Gebrauchsminderung des gesamten rechten Beines aufgrund der deutlichen Bewegungseinschränkungen im rechten Kniegelenk. Die MdE belaufe sich auf 20 v.H. Der Beratungsarzt Dr. T. hat sich dem nicht angeschlossen und hält weiterhin eine MdE um 10 v.H. für angemessen.

Das SG hat daraufhin von Amts wegen Prof. Dr. C., Arzt für Orthopädie und Rheumatologie, Orthopädische Universitätsklinik H., mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 6. November 2007 führt er aus, nach klinischem Befund bestünden reizlose Narben nach operativer Nagelung eines Oberschenkelbruchs vom Schienbein aus und nachfolgender Metallentfernung sowie nach Nagelung eines Schienbeinbruchs und nachfolgender Metallentfernung sowie nach Wunddebridement an Oberschenkel und rechtem Knie sowie nach Entlastung eines Blutergusses im Bereich des Tibiaschafts, eine Berührungsempfindlichkeit der Narbe im Schienbeinbereich, eine deutliche Muskelminderung im Bereich des linken Oberschenkels und des linken Unterschenkels, eine Beugeeinschränkung des rechten Kniegelenks, Knorpelreiben an der Kniescheibenrückfläche als Ausdruck eines beginnenden Verschleißprozesses und ein Druckschmerz am inneren und äußeren Kniegelenkspalt. Dabei handle es sich um die Folgen des Unfalls vom 18. Oktober 2003. Die unfallbedingte MdE werde mit 20 v.H. vorgeschlagen. Die Beweglichkeit des Knies sei aktenkundig und kontinuierlich immer im Bereich 0/0/90 belegt, was nach der einschlägigen unfallversicherungsrechtlichen Literatur eine MdE um 20 v.H. bedinge. Dies verwundere im Übrigen auch nicht, da der Kläger eine schwere Verletzung um das rechte Knie herum erlitten hat (floating knee-Verletzung). Darüber hinaus habe zur operativen Stabilisierung das Kniegelenk eröffnet werden müssen, um den Nagel vom Kniegelenk aus in den Oberschenkel einzubringen und um den Nagel wieder zu entfernen. Schon allein die mehrfache Öffnung des Knies führe zu einem Kniebinnenschaden, der sich röntgenologisch in einer Minderung der das Kniegelenk bildenden Skelettanteile äußere. Darüber hinaus befinde sich auf der rechten Seite auch der klinische Eindruck eines beginnenden Knorpelschaden an der Kniescheibenrückfläche. Nicht zuletzt bestehe auch eine erhebliche Muskelminderung aufgrund der Schonung sowohl im Bereich des Oberschenkels als auch des Unterschenkels und eine Empfindlichkeit im Bereich der Schienbeinvorderkante. Daher sei die MdE mit 10 v.H. zu gering bewertet und eine MdE um 20 v.H. angemessen. Dies gelte sowohl unter Berücksichtigung der niedergelegten Bewegungseinschränkung als auch der weiteren Beeinträchtigungen durch den Kniebinnenschaden und die Muskelminderung.

Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T. vom 3. Dezember 2007 vorgelegt, wonach die Beugung bis auch 100 Grad beschrieben werde, die Narbenverhältnisse reizlos seien. Die Berührungsempfindlichkeit der Narbe sei rein subjektiv und könne nicht in die Bewertung einfließen. Gleiches gelte für die Druckschmerzen am Kniegelenk.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2008 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ab 1. September 2006 Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Dabei hat sich das SG im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. C. gestützt.

Gegen den ihr am 24. Januar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 13. Februar 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, das SG habe seine - kurze - Entscheidung ausschließlich auf die unterschiedlich dokumentierte Beweglichkeit des linken Kniegelenks bestützt. Dabei bleibe aber unberücksichtigt, dass am rechten Kniegelenk keine strukturelle Verletzung belegt sei. Daher sei auch nicht nachvollziehbar, dass sich unfallbedingt die Beweglichkeit verschlechtert haben soll. Bei einer achsengerecht stabilen Fraktur und einem stabilen Bandapparat sei nicht der Unfall ursächlich für das dokumentierte Beschwerdebild. Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T. vom 14. April 2008 vorgelegt. Darin ist u.a. ausgeführt, an der Bewegungseinschränkung des Kniegelenks als Unfallfolge verblieben keine Zweifel, wobei die Ursache auf Narben und Weichteilkontrakturen zurückzuführen sei. Es sei aber nochmals darauf hinzuweisen, dass es nicht zu einer direkten Verletzung der Kniebinnenstrukturen gekommen sei.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts F. vom 21. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die angefochtene Entscheidung als zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 31. August 2006 hinaus Verletztenrente zu gewähren.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Beim Kläger sind als Unfallfolgen anerkannt ein knöchern fest verheilter ehemals erstgradig offener Oberschenkel- und Unterschenkeltrümmerbruch rechts mit reizlos einliegendem Metall, Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk und rechten Kniegelenk.

Aufgrund dieser Funktionsbeeinträchtigungen ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers auch ab September 2006 um wenigstens 20 v.H. gemindert, so dass ein Anspruch auf Verletztenrente als Dauerrente besteht.

Maßstab für die Beurteilung der MdE sind die durch den Unfall wesentlich verursachten funktionellen Einschränkungen der betroffenen Extremität, beim Kläger also vorrangig des Knies. Die Hüftgelenksbeweglichkeit ist beim Kläger mittlerweile, so auch nach dem letzten Gutachten von Prof. Dr. C., wieder ohne wesentliche Einschränkungen möglich, so dass hierauf eine rentenrelevante Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht gestützt werden kann.

In Übereinstimmung mit Prof. Dr. C., dessen Beurteilung auch mit den Bewertungstabellen der unfallversicherungsrechtlichen Literatur in Übereinstimmung steht, sind die Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit des Klägers mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten.

Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 724 ist eine Bewegungseinschränkung des Kniegelenks mit Streckung/Beugung 0/0/120 mit einer MdE um 10 v.H., bei einer Einschränkung für Streckung/Beugung mit 0/0/90 mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten.

Durch die zahlreichen Untersuchungen der Kniegelenksbeweglichkeit ist festgestellt, dass die Beugung bis maximal 100 Grad möglich ist. So ist die Beugung beispielsweise im Gutachten des Dr. P. vom 12.07.2006 mit 0/0/100 dokumentiert, im Befundbericht des Departments für Orthopädie und Traumatologie vom 17.10.2006 wird die Beweglichkeit mit 0/0/80 angegeben. Im Befundbericht des Departments für Orthopädie und Traumatologie vom 14.11.2006 wird die Beweglichkeit mit 0/0/90 festgehalten, im Befundbericht der Median-Kliniken in Bad K. vom 27.11.2006 mit 0/0/95. Im weiteren Befundbericht der Median-Kliniken in Bad K. vom 08.12.2006 ist die Beweglichkeit mit 0/0/90 gemessen worden und im Gutachten des Prof. Sch. vom 19.06.2007 mit 0/0/90. Auch Prof. Dr. C. hat die Beweglichkeit mit 0/0/100 dokumentiert. Bei einer Beweglichkeit, die lediglich bei zwei Untersuchungen bis 100 Grad Beugung möglich war, ansonsten nur geringer, ist im Rahmen des zur Verfügung stehenden Bewertungsspielraums die MdE mit 20 v.H. zu bewerten.

Abweichend von der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. T. vom 2. Juli 2007 und in Übereinstimmung mit Prof. Dr. C. kann auch keine Rede davon sein, dass sich die Beweglichkeit des Kniegelenks "plötzlich" verschlechtert hat. Deshalb sind insoweit auch keine Zweifel daran angebracht, dass die Beweglichkeit des Kniegelenks seit der Wiederherstellung der Gehfähigkeit dauerhaft rentenrelevant eingeschränkt ist. Gegen eine plötzliche Verschlechterung der Beweglichkeit spricht auch die im Wesentlichen ebenfalls gleichlautend dokumentierte Muskelminderung des rechten gegenüber dem linken Oberschenkel um 2 cm. Diese Muskelminderung ist ein gewichtiger Hinweis auf eine dauerhaft geringere Beanspruchung bzw. Schonung des rechten Beins und lässt deshalb den Schluss zu, dass der Kläger schon seit der Wiederherstellung der Gehfähigkeit sein rechtes Bein weniger beansprucht als das linke und damit auch insoweit nicht von einer "plötzlichen" und nicht erklärbaren Verschlechterung auszugehen ist.

Der Senat hat auch keinen Anlass, die bestehenden Bewegungseinschränkungen nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Diesbezüglich haben Prof. Dr. C. und Prof. Dr. Sch. eine eindeutige Zuordnung zum Unfallereignis getroffen, der sich der Senat anschließt, zumal andere, unfallunabhängige Entstehungsursachen nicht nachgewiesen und auch nicht ersichtlich sind. Nicht zuletzt hat auch Dr. T. in seiner letzten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 14. April 2008 ausgeführt, es sei auch nach seiner Auffassung nicht zweifelhaft, dass die Einschränkungen der Kniegelenksbeweglichkeit unfallbedingt seien.

Keine abweichende Beurteilung ist durch das Argument der Beklagten, gestützt auf die Stellungnahme des Dr. T., gerechtfertigt, aufgrund des knöchern fest konsolidierten Bruchs und der Bandstabilität sei eine unfallbedingte Bewegungseinschränkung nicht denkbar.

Prof. Dr. C. hat in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger schwere Verletzungen um das Knie herum erlitten hat (floating knee-Verletzung). Zur operativen Stabilisierung musste das Kniegelenk eröffnet werden, um den Nagel vom Kniegelenk aus in den Oberschenkel einzubringen. Das Kniegelenk musste auch wiedereröffnet werden, um den Nagel zu entfernen. Schon allein die mehrfache Öffnung des Kniegelenks führt dabei zu einem Kniebinnenschaden, der auch röntgenologisch durch eine Minderung der das Kniegelenk bildenden Skelettanteile nachgewiesen ist und durch den Befundbericht des Dr. P. vom 8. Dezember 2006 bestätigt wird.

Es findet sich rechts gegenüber links auch ein beginnender Knorpelschaden an der Kniescheibenrückfläche, der durch Prof. Dr. C. ebenfalls auf die unfallbedingten Veränderungen zurückgeführt wird und deshalb ebenfalls eine verminderte Beweglichkeit des rechten gegenüber dem linken Knie nachvollziehbar begründen lässt. Die Einwände von Dr. T. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 27. November 2007 und 14. April 2008 vermochten auch diesbezüglich nicht zu überzeugen, da die von ihm geforderte strukturelle Verletzung des Kniegelenks als Voraussetzung für die Anerkennung des Knorpelschadens als Unfallschadens entgegen der von ihm vertretenen Auffassung schon in den oben geschilderten operativ-invasiven Maßnahmen zu sehen ist.

Ob die von Prof. Dr. C. beschriebene Berührungsempfindlichkeit der Narbe am Schienbein in die Bewertung der MdE einzufließen hat, konnte der Senat offen lassen, da auch ohne diese die Erwerbsfähigkeit rentenrelevant gemindert ist und selbst die Berührungsempfindlichkeit insoweit unterstellt eine höhere MdE als 20 v.H. nicht rechtfertigen könnte. Deshalb ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Senat die Auffassung von Dr. T., die Berührungsempfindlichkeit sei (wie auch die vom Kläger geschilderten Schmerzen) nur subjektiv und könne deshalb nicht in die Bewertung der MdE einfließen, nicht teilt. Sicherlich sind die mit einer Verletzung typischerweise einhergehenden Schmerzen schon in die Vorschläge zur Bewertung der MdE eingeflossen. Dem ist aber nicht gleichzusetzen die Argumentation von Dr. T., Schmerzen seien per se als subjektive Äußerungen nicht im Rahmen der Feststellung der MdE zu berücksichtigen. Denn insbesondere dann, wenn Schmerzen über die typischerweise mit den festgestellten Unfallverletzungen einhergehenden hinausreichen, sind sie durchaus in der Lage, als eigenständiges Krankheitsbild - soweit wesentlich durch den Unfall verursacht - für die MdE-Bewertung Bedeutung zu erlangen.

Ob beim Kläger eine durch den Unfall oder seine Folgen wesentlich (mit-)verursachte eigenständige Schmerzerkrankung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung oder Anpassungsstörung vorliegt, die als weitere Unfallfolge festzustellen wäre, hatte der Senat allerdings nicht zu entscheiden, da dies nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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