L 12 AL 3333/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 3783/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 3333/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts H. vom 23.05.2007 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anspruchsdauer von Arbeitslosengeld im Streit. Der 1944 geborene Kläger arbeitete vom 01.08.1970 bis 31.03.2006 für die Firma D. GmbH als Reisevertreter. Das Arbeitsverhältnis wurde mit schriftlicher Kündigung vom 23.08.2005 zum 31.03.2006 gekündigt. Der Kläger wurde hierbei mit sofortiger Wirkung bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses von der Arbeit freigestellt. Bereits am 25.08.2005 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitsuchend und schilderte ihr seine Situation. Aufgrund einer Erkrankung (Gehirntumor) bei gleichzeitiger Ausweitung seiner Reiserouten durch seinen Arbeitgeber habe er der Belastung seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr standgehalten.

Vor dem Arbeitsgericht H. (Az: 4 Ca 373/05) schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin am 21.09.2005 deswegen folgenden Vergleich:

1. "Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, fristgerechter, krankheitsbedingter Kündigung der beklagten Partei vom 23.08.2005 mit Ablauf des 31.03.2006 enden wird. 2. Die beklagte Partei zahlt an die klagende Partei als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Sozialabfindung in Höhe von 20.000,00 EUR im Sinne der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetzes i.V.m. § 3 Ziffer 9 EStG. Dieser Betrag wird fällig mit Ablauf des 31.03.2006. Der Anspruch gilt als per heute entstanden und vererblich. 3. Die Parteien stimmen darüber ein, dass sämtlicher Urlaub in Natur gewährt worden ist. 4. Der Kläger wird widerruflich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der arbeitsvertraglich geschuldeten Vergütung von der Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung freigestellt. 5. Die beklagte Partei erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Zwischenzeugnis mit der Leistungsbeurteilung "stets zur vollen Zufriedenheit" sowie der Führungsbewertung "stets einwandfrei" sowie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein gleichlautendes Endzeugnis. 6. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt. 7. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben."

Der Kläger meldete sich am 02.01.2006 bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.04.2006 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 11.04.2006 Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2006 mit einer Anspruchsdauer von 540 Kalendertagen in Höhe von 37,09 EUR täglich.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger eine längere Anspruchsdauer geltend. Aufgrund der unwiderruflichen Freistellung seines Arbeitgebers ab dem 23.08.2005 sei bereits im August 2005 gegenüber der Beklagten eine Meldung erfolgt. Für die Bewilligung des Arbeitslosengeldes sei daher nach § 434 l Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 127 SGB III die Länge der Anspruchsdauer von 960 Tagen zugrunde zu legen.

Die Beklagte vertrat hierzu im Widerspruchsverfahren die Auffassung, dass die Freistellung nach dem im arbeitsgerichtlichen Verfahren abgeschlossenen Vergleich nur widerruflich erfolgt sei.

Der Bevollmächtigte des Klägers legte daraufhin ein Schreiben des Arbeitgebers vom 17.07.2006 vor, wonach die Formulierung hinsichtlich der Widerruflichkeit der Freistellung auf ausdrücklichen Hinweis des Richters erfolgt sei. Zwischen der Arbeitgeberin und dem Kläger sei zu diesem Zeitpunkt klar gewesen, dass die Freistellung praktisch eine unwiderrufliche gewesen sei. Es habe nie die Absicht bestanden, während der Freistellungszeit eine Arbeitsleistung des Klägers einzufordern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht vor dem 01.02.2006 (sondern erst am 01.04.2006) entstanden sei. Gegenstand eines Beschäftigungsverhältnisses sei die Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit, gekennzeichnet durch die Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers und die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers. Nur bei einer unwiderruflichen Freistellung ende das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinn, womit der Arbeitnehmer beschäftigungslos sei. Dem gegenüber bestehe das Beschäftigungsverhältnis bei einer widerruflichen Freistellung im leistungsrechtlichen Sinne fort, weshalb kein Anspruch auf Arbeitslosengeld entstehen könne. Die Erklärung der Firma D. vom 17.07.2006 könne an dem klaren Wortlaut des Vergleichs nichts ändern. Der Arbeitgeber hätte vor dem Hintergrund des Vergleichs jederzeit die Freistellung widerrufen können.

Der Kläger hat am 18.10.2006 beim Sozialgericht H. (SG) Klage erhoben. Bereits bei dem Abschluss des Vergleichs am 21.09.2005 sei klar gewesen, dass die Freistellung "praktisch" eine unwiderrufliche sei. Dies habe die Firma D. auch mit dem Schreiben vom mit dem Schreiben vom 17.07.2006 nochmals bestätigt.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 23.05.2007 unter Abänderung des Bescheides vom 11.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2006 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2006 mit einer Anspruchsdauer von 960 Kalendertagen zu bewilligen. Nach Überzeugung der Kammer sei der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld bereits mit der Arbeitslosmeldung am 02.01.2006 entstanden, weswegen die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 434 l SGB III erfüllt seien. Der Kläger habe sich nach § 117 SGB III am 02.01.2006 beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und habe unstreitig auch die Anwartschaftszeit erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Kläger auch bereits vor dem 31.01.2006 die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit erfüllt.

Streitig sei zwischen den Beteiligten allein, ob der Kläger bereits vor dem 31.01.2006 beschäftigungslos gewesen sei. Die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses seien gesetzlich nicht näher festgelegt. Allgemein anerkannt sei, dass das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses die Unterbrechung oder Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht ausschließe (unter Hinweis auf BSG vom 09.03.1993 - 7 Rar 96/92 -). Lediglich vorübergehende Unterbrechungen der tatsächlichen Arbeitsleistung sollten den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses unberührt lassen, wenn das Arbeitsverhältnis fortbestehe und Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Willen hätten, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen (unter Hinweis auf BSGE 68, 236, 240). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei insoweit je nach Zusammenhang der Einzelnorm eine unterschiedliche Bedeutung des Merkmals des Beschäftigungsverhältnisses möglich, wobei ausdrücklich zwischen einem beitragsrechtlichen und leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses unterschieden werde (BSGE 59, 183, 185 ff.). Die Merkmale des die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnisses seien deshalb nicht unbesehen auf das leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 118 SGB III übertragbar. Nach der Rechtsprechung des BSG sei es grundsätzlich geboten, eine Beendigung oder Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses trotz bestehenden Arbeitsverhältnisses anzunehmen, wenn Arbeitsleistungen und Arbeitsentgelt tatsächlich nicht mehr erbracht würden (BSG vom 28.09.1993 - 11 Rar 69/92 -). Für die Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses im leistungsrechtlichen Sinne seien die tatsächlichen Verhältnisse, nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen der Beteiligten maßgebend, denn das Beschäftigungsverhältnis werde durch Willenserklärungen weder unmittelbar begründet noch beendet. Die Erklärung der Beteiligten des Arbeitsverhältnisses könnten jedoch rechtserheblich sein, falls sie Ausdruck des Bewusstseins faktischer Gebundenheit seien. Die vorliegenden Erklärungen des Arbeitnehmers über seine Dienstbereitschaft und des Arbeitgebers über seine Verfügungsbefugnis und seinen Verfügungswillen seien lediglich Anzeichen für subjektive Tatsachen als Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses. Sie seien deshalb nicht isoliert von sonstigen tatsächlichen Anhaltspunkten für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses der Entscheidung zugrunde zu legen, sondern in eine Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse einzubeziehen (BSG a.a.O.). Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte habe bei einer Gesamtschau das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma D. GmbH jedenfalls mit Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 21.09.2005 geendet. Die Kündigung sei bereits zum 23.08.2005 erfolgt, wobei sich aus den Akten ergebe, dass diese krankheitsbedingt erfolgt sei. Der Kläger habe vom 09.03.2005 bis 31.07.2005 Krankengeld bezogen und sei daher bereits längerfristig erkrankt gewesen. Aufgrund der Erkrankung des Klägers an einem Gehirntumor sei die Arbeit als Reisevertreter wegen der fehlenden Konzentrationsfähigkeit mit bis zu 12 Stunden täglicher Arbeitsleistung nicht mehr möglich gewesen. Der Kläger sei damit aus gesundheitlichen Gründen offensichtlich nicht mehr in der Lage gewesen, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Insofern erscheine auch die sofortige Freistellung von der Arbeitsleistung plausibel. Demgegenüber sei die Formulierung in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich, dass die Freistellung lediglich "widerruflich" erfolge, kein ausreichendes Indiz für einen fortdauernden Verfügungswillen des Arbeitgebers. Dies werde durch die ergänzende Erklärung der Firma D. GmbH vom 17.07.2006 ausdrücklich bestätigt. Das Urteil des SG wurde der Beklagten am 05.06.2007 zugestellt.

Am 05.07.2007 hat die Beklagte beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG überwögen bei einer Gesamtbetrachtung des Sachverhalts die Umstände, welche für eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erst am 31.03.2006 sprächen. Lediglich bei einer unwiderruflichen Freistellung von der Arbeitsleistung ende das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis mit dem letzten Arbeitstag, denn in diesen Fällen ende auch auf Seiten des Arbeitgebers das Weisungsrecht und auf Seiten des Arbeitnehmers die Weisungsgebundenheit. Es stehe den Vertragsparteien frei, eine unwiderrufliche Freistellung zu vereinbaren, wenn diese gewollt sei. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er nach seiner Erkrankung von seinen Ärzten wieder als gesund und arbeitsfähig befunden worden sei und sich auch selbst in der Lage gefühlt habe, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Die entgegenstehende Auffassung des Arbeitgebers hierzu müsse aufgrund des ärztlichen Befundes sowie der eigenen Einschätzung des Klägers als nachrangig gewertet werden. Dem Arbeitgeber wäre es jederzeit möglich gewesen, die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers, dem schließlich auch die arbeitsvertraglich geschuldete Vergütung bis zum 31.03.2006 fortgezahlt worden sei, wieder in Anspruch zu nehmen. Dass er dies nicht getan habe und im Nachhinein erklärt habe, auch nie die Absicht gehabt zu haben, sei unerheblich. Entgegen der Auffassung des SG sei es nicht ausgeschlossen gewesen, dass der Kläger seine Arbeit wieder aufgenommen hätte, denn es habe insofern zumindest eine realistische Chance bestanden. Es werde daher die Auffassung vertreten, dass kein Fall der vom SG zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorliege, wonach die getroffene Vereinbarung lediglich eine "leere Hülse" und daher unbeachtlich sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts H. vom 23.05.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger beruft sich im wesentlichen auf seinen bisherigen Vortrag. Bereits beim Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei allen Beteiligten klar gewesen, dass es sich eindeutig um eine unwiderrufliche Freistellung von der Arbeitsleistung handele. Hierzu bot der Kläger Beweis an durch die Vernehmung des Geschäftsführers seines Arbeitgebers.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.

Streitig ist vorliegend allein die Dauer des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld.

Nach § 434 l Abs. 1 SGB III ist § 127 SGB III betreffend die Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden für Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 31.01.2006 entstanden ist; insoweit ist § 127 SGB III in der vom 01.01.2004 an geltenden Fassung nicht anzuwenden. § 127 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung bestimmt, dass bei Personen wie dem Kläger, die über 57 Jahre alt sind und ein Pflichtversicherungsverhältnis in der Arbeitslosenversicherung von mindestens 64 Monaten zurückgelegt haben, eine Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes von 32 Monaten (960 Kalendertage) gilt.

Zutreffend haben das SG sowie der Sachbearbeiter der Beklagten in seinem Stattgabevorschlag vom 27.06.2006 (Bl. 37 der Verwaltungsakte) bejaht, dass die Voraussetzungen dieser längeren Anspruchsdauer vorliegend erfüllt sind.

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben nach § 118 Abs. 1 SGB III in der seit dem 01.01.2005 geltenden Fassung Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

Entsprechend den zutreffenden Ausführungen des SG ist vorliegend alleine das Merkmal der Arbeitslosigkeit streitig, weil die Beklagte annimmt, aufgrund einer fortbestehenden Verfügungsgewalt des letzten Arbeitgebers bis zum 31.01.2006 habe erst eine nach dem Stichtag des § 434 l Abs. 1 SGB III eingetretene Arbeitslosigkeit vorgelegen.

Arbeitslos ist nach § 119 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Von diesen Kriterien ist alleine das Kriterium der "Beschäftigungslosigkeit" im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III fraglich.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist der leistungsrechtliche Begriff der Beschäftigungslosigkeit von anderen Definitionen dieses Begriffs, etwa der beitragsrechtlichen Definition, zu unterscheiden. Die Beschäftigungslosigkeit ist in diesem Sinne unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts durch die tatsächliche Nichtbeschäftigung des Versicherten gekennzeichnet (BSGE 73, 126, 129 = SozR 3-4100 § 101 Nr. 5). Die - wie vorliegend vereinbarte - Freistellung des Arbeitnehmers mit Fortzahlung von Arbeitsentgelt ist ein typisches Beispiel für die rechtliche Möglichkeit der Arbeitslosigkeit bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis. Die Systematik des Gesetzes geht von dieser Möglichkeit aus. Andernfalls wäre die Ruhensvorschrift für Ansprüche bei Arbeitslosigkeit während des Bezuges von Arbeitsentgelt überflüssig und nicht verständlich (§ 143 Abs. 1 SGB III). Auch für das Sperrzeitrecht geht die Rechtsprechung des BSG zu § 119 AFG bzw. § 144 SGB III davon aus, dass die Sperrzeitfolgen mit der Arbeitslosigkeit und nicht etwa erst mit der Inanspruchnahme von Leistungen eintreten (BSGE 54, 41, 44 = SozR 4100 § 119 Nr. 20; BSGE 76, 12, 13 f. = SozR 3-4100 § 119a Nr. 2; BSGE 84, 225, 231 = SozR 3-4100 § 119 Nr. 17; BSG SozR 3-4100 § 110 Nr. 2, vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 25.04.2002 - B 11 AL 65/01 R - m.w.N.).

Das BSG hat inzwischen sogar entschieden, dass die unentgeltliche Tätigkeit für einen Arbeitgeber im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung kein die Arbeitslosigkeit ausschließendes leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis begründet, wenn nicht eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung, sondern ein aliud (etwa der Gesichtspunkt der Rehabilitation) im Vordergrund steht (Urteil vom 21.03.2007 - B 11a AL 31/06 R -, für SozR 4-000 vorgesehen).

Demnach ist vorliegend maßgeblich davon auszugehen, ob der Kläger im Zeitraum bis zum Ablauf des Vergleichs noch einem aus seinem Arbeitsverhältnis resultierenden Weisungsrecht seines früheren Arbeitnehmers unterworfen war. Dies ist mit den überzeugenden Feststellungen des SG zu verneinen, weil der Vergleich insoweit bereits die erforderliche Freistellung enthält. Zwar war die Freistellung widerruflich erfolgt, doch ist ein entsprechender Widerruf nie ausgesprochen worden.

Die Beklagte übersieht bei ihrer Argumentation, dass gegebenenfalls im Jahr 2005 noch mit einem solchen Widerruf hätte gerechnet werden können, mit dem nahenden Ablauf des Vergleichs im Frühjahr 2006 eine solche Möglichkeit jedoch rein theoretischer Natur war. Dies folgt nicht nur aus den Aussagen des Arbeitgebers, sondern auch daraus, dass der Kläger aufgrund seiner schweren Erkrankung die Tätigkeit bei seinem Arbeitgeber gar nicht mehr ausüben konnte, wovon alle Beteiligten und - ausweislich der in der Verwaltungsakte enthaltenen Beratungsvermerke - auch die Beklagte ausging.

Die Aussage des Arbeitgebers in der Erklärung vom 17.07.2006, dass die Widerruflichkeit der Freistellung nur wegen des Hinweis des Arbeitsrichters in den Vergleich aufgenommen worden sei, belegt zudem in ausreichender Weise die fehlende Absicht des Arbeitgebers, die Dienste des Klägers nach dem Abschluss des Vergleichs noch in Anspruch zu nehmen. Schließlich bestätigt der Vergleich in dieser Deutung auch, wie von den Parteien des Vergleichs beabsichtigt, die zuvor ausgesprochene Kündigung mit sofortiger Freistellung. Als weiteres wesentliches Indiz einer endgültigen Freistellung ist im Übrigen zu werten, dass bereits nach dem Vergleich ein positives Endzeugnis zugesichert worden ist, welches genauso wie das Zwischenzeugnis lauten sollte.

Da somit die Voraussetzungen der Bewilligung von Arbeitslosengeld bereits vorlagen und der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 1 SGB III insoweit lediglich ruhte, ist nach der Übergangsregelung in § 434 l Abs. 1 SGB III in Verbindung mit § 127 Abs. 2 a.F. eine Anspruchsdauer von 960 Tagen gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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