L 8 AL 688/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 3758/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 688/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. September 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Hauptsacheverfahren gegen die Herabsetzung bewilligter Leistungen.

Die Antragstellerin steht bei der Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. als Küchenhilfe in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,50 Stunden. Sie bezog vom 25.02.2006 bis 13.07.2007 Krankengeld.

Am 12.04.2007 meldete sich die Antragstellerin bei der Agentur für Arbeit R. - Geschäftsstelle T. - (AA) arbeitslos und beantragte mit Wirkung zum 14.07.2007 Arbeitslosengeld (Alg). Sie gab an, sie könne aus gesundheitlichen Gründen bestimmte Beschäftigungen nicht mehr ausüben oder müsse sich zeitlich einschränken. Ein Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente sei abgelehnt worden. Sie legte hierzu den Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 27.06.2006 (Seite 1 in Kopie) vor. Gegen diesen Rentenbescheid erhob die Antragstellerin Klage.

Mit Bescheid vom 11.05.2007 bewilligte die AA der Antragstellerin ab 14.07.2007 Alg in Höhe von täglich 30,38 EUR.

Zur Klärung des Leistungsvermögens der Antragstellerin ließ die AA die Klägerin durch ihren ärztlichen Dienst begutachten. Der Vertragsarzt Dr. F. gelangte in seinem Gutachten vom 11.06.2007 zu dem Ergebnis, die Antragstellerin könne Tätigkeiten täglich von 3 bis unter 6 Stunden verrichten. Ein länger als 6 Monate auf unter 3 Stunden täglich abgesunkenes Leistungsvermögen lasse sich nicht erkennen. Dieses Gutachten wurde mit der Antragstellerin am 09.07.2007 besprochen. Dabei stellte sich die Antragstellerin den Vermittlungsbemühungen der AA im Rahmen des ärztlichen Gutachtens zur Verfügung.

Ab 20.07.2007 stellte die AA die Zahlung von Alg ein. Dies wurde der Antragstellerin mit Schreiben vom 17.07.2007 mitgeteilt. Hiergegen legte die Antragstellerin erfolglos Widerspruch ein und erhob anschließend beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage (S 7 AL 3281/07). Außerdem stellte die Antragstellerin einen - vorliegend nicht streitgegenständlichen - Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (S 7 AL 3130/07 ER).

Mit Bescheid vom 07.08.2007 bewilligte die AA der Antragstellerin Alg über den 19.07.2007 hinaus in unveränderter Höhe von täglich 30,38 EUR weiter.

Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 16.08.2007 setzte die AA dann die Bewilligung von Alg für die Zeit ab 14.07.2007 auf den Betrag von täglich 21,78 EUR herab. Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei gemäß § 48 SGB X eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, da die Antragstellerin laut dem mit ihr besprochenen ärztlichen Gutachten aus gesundheitlichen Gründen nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich arbeiten könne. Daher vermindere sich das Bemessungsentgelt entsprechend dem Verhältnis der aktuellen möglichen wöchentlichen Arbeitsstunden (25,00 Stunden) zu den früher geleisteten Arbeitsstunden (38,50 Stunden).

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 12.09.2007 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung sei bis zur positiven Gewährung der Rente eine Herabminderung des Alg unzulässig. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2007 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Fall des § 125 SGB III liege nicht mehr vor. Der Rentenversicherungsträger habe bereits vor der Antragstellung auf Alg volle Erwerbsfähigkeit festgestellt. Damit habe die AA das Leistungsvermögen der Antragstellerin selbst zu beurteilen. Alg sei unter Berücksichtigung der im Gutachten des ärztlichen Dienstes festgestellten Einschränkung der wöchentlichen Arbeitszeit zu bewilligen.

Hiergegen erhob die Antragstellerin am 24.09.2007 beim SG Klage (S 7 AL 3698/07) und stellte gleichzeitig den vorliegend streitgegenständlichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (im Wege der einstweiligen Anordnung). Sie machte zur Begründung geltend, bis zum rechtskräftigen Abschluss des im Klageverfahren anhängigen Rentenverfahrens müsse die Leistungsbeurteilung des Rentenversicherungsträgers mit vollschichtig zu Grunde gelegt werden und sei eine Reduzierung unzulässig. Die Ansicht der AA sei offensichtlich rechtswidrig, da der Rentenversicherungsträger bei dem von der Antragsgegnerin angenommenen Leistungsvermögen Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren hätte. Solange dies nicht feststehe, werde im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung die volle Verfügbarkeit fingiert, weshalb eine Abstufung während des laufenden Rentenverfahrens unzulässig sei. Die Ansicht der Antragsgegnerin widerspreche der herrschenden Rechtsauffassung. Die Antragstellerin berief sich auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Stuttgart.

Die Antragsgegnerin trat der Klage und dem Eilantrag unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes entgegen. Sie führte aus, ein Fall nach § 125 SGB III liege nicht vor, da die Klägerin in der Leistungsfähigkeit nicht so gemindert sei, dass sie keine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausüben könne. Der Rentenversicherungsträger habe vielmehr die volle Leistungsfähigkeit festgestellt. Da die Antragstellerin jedoch vorgetragen habe, sie könne nicht voll arbeiten, sei im Rahmen der Prüfung der Verfügbarkeit eine ärztliche Begutachtung vorzunehmen gewesen, welche ergeben habe, dass die Antragstellerin nur noch mit den bekannten Einschränkungen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe und daher Alg lediglich in der bewilligten Höhe gezahlt werden könne.

Mit Beschluss vom 19.12.2007 ordnete das SG die aufschiebende Wirkung der Klage an. Es führte zur Begründung aus, das Begehren der Antragstellerin sei als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu verstehen. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16.08.2007. Die Antragsgegnerin könne sich nicht auf § 48 Abs. 1 SGB X stützen, da eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht eingetreten sei. Die Antragstellerin habe gemäß § 125 SGB III einen Leistungsanspruch von Anfang an, der auch nicht durch eine wesentliche Änderung weggefallen sei. Die Antragsgegnerin sei nicht berechtigt, hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit von den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers abweichende Feststellungen zu treffen. Dies bedeute, dass die objektive Verfügbarkeit im Umfang eines noch mindestens sechsstündigen täglichen Leistungsvermögens im Rahmen einer fünf Tage Woche fingiert werde. Dementsprechend stehe der Antragstellerin das bewilligte Alg in unverminderter Höhe zu. Dass die Antragstellerin den Vermittlungsbemühungen der Antragsgegnerin subjektiv nicht zur Verfügung stehe, sei nicht ersichtlich.

Gegen den der Antragsgegnerin am 04.01.2008 zugestellten Beschluss hat sie am 04.02.2008 beim SG Beschwerde eingelegt, das der Beschwerde nicht abgeholfen hat. Sie hat zur Begründung ausgeführt, wegen der vom Gesetzgeber angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit müsse die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben. Die vom SG geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16.08.2007 genügten nicht. Entgegen der Auffassung des SG habe die Antragstellerin keinen ungeminderten Leistungsanspruch nach § 125 SGB III, denn es habe kein Nahtlosigkeitsfall vorgelegen. Eine mehr als sechsmonatige Minderung der Leistungsfähigkeit i.S.v. § 125 SGB III sei aus ärztlicher Sicht zu keiner Zeit festgestellt worden. Die Nahtlosigkeitsregelung sei daher nicht anzuwenden. Ein Abklärungsbedarf nach der DA zu § 125 SGB III habe deshalb zu keinem Zeitpunkt bestanden. Auch das SG habe keine weitere ärztliche Stellungnahme eingeholt. Die Arbeitsverwaltung sei berechtigt und verpflichtet, bei der Prüfung eines Anspruches auf Alg nach §§ 119ff SGB III zu entscheiden und eigene Erkenntnisse darüber einzuholen. Dies sei durch das eingeholte Gutachten des ärztlichen Dienstes erfolgt. Aufgrund der dabei festgestellten verminderten Leistungsfähigkeit sei das Bemessungsentgelt gemäß § 131 SGB III entsprechend zu vermindern gewesen. Die Entscheidung sei zutreffend auf § 48 SGB X gestützt worden. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 48 SGB X liege vor, wenn gesicherte Erkenntnisse über das gesundheitliche Leistungsvermögen der Antragstellerin vorlägen. Entscheidend für die gesicherte Erkenntnis sei das Gutachten des ärztlichen Dienstes und nicht der Zeitpunkt, zu dem die gesundheitlichen Leistungseinschränkungen objektiv vorgelegen hätten oder diagnostiziert worden seien. Eine Herabbemessung hätte jedoch erst mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 16.08.2008 zu geschehen gehabt. Erst ab diesem Zeitpunkt sei für die Antragstellerin erkennbar, dass ihr nur noch gemindert Alg zugestanden habe. Zutreffend hätte die teilweise Aufhebung erst ab dem 20.08.2007 mit Wirkung für die Zukunft erfolgen müssen. Insoweit werde im Hauptsacheverfahren noch ein Teilanerkenntnis abzugeben sein. Es sei demnach offensichtlich, dass der angegriffene Bescheid vom 16.08.2008 rechtmäßig ergangen sei und demnach kein Grund bestehe, die aufschiebende Wirkung anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Dezember 2007 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.

Für den Zeitraum vom 14.07.2007 bis 20.08.2007 ist die Beschwerde der Antragsgegnerin bereits unzulässig (geworden). Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren angekündigt, im noch anhängigen Hauptsacheverfahren für diesen Zeitraum eine Teilanerkenntnis abzugeben. Damit ist ein rechtlich geschütztes Interesse der Antragsgegnerin für den genannten Zeitraum die vom SG angeordnete aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin im angefochtenen Beschluss zu beseitigen nicht (mehr) gegeben.

Die Beschwerde ist auch in der Sache nicht begründet. Auch für den Senat bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren angegriffenen Entscheidung der Antragsgegnerin, die es rechtfertigen, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin anzuordnen.

Widerspruch und Klage gegen einen Bescheid, mit dem eine laufende Leistungsbewilligung nach dem SGB III gemäß §§ 45 oder 48 SGB X ganz oder teilweise aufgehoben werden, haben gemäß § 86a Absatz 2 Nr. 2 SGG nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung.

Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs aufgrund von § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195).

Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze anzuwenden (Krodel a.a.O. RdNr. 205). Danach sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.).

Hiervon ausgehend ist die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 16.08.2007 gerichteten Klage anzuordnen. Dabei lässt der Senat offen, ob der Ansicht des SG im angefochtenen Beschluss zu folgen ist, die Antragstellerin habe gemäß § 125 SGB III einen ungekürzten Leistungsanspruch von Anfang an, da die Antragsgegnerin aufgrund des Feststellungsmonopols des Rentenversicherungsträgers gemäß § 125 Absatz 1 Satz 2 SGB III nicht berechtigt sei, von den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers abweichende Feststellungen zu treffen. Die Antragsgegnerin führt hierzu im Beschwerdeverfahren zutreffend aus, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 125 Absatz 1 Satz 1 SGB III bei der Antragstellerin nicht festgestellt worden ist. Insoweit käme allenfalls eine analoge Anwendung des § 125 SGB III in Betracht. Dies bedarf jedoch vorliegend keiner näheren Erörterung. Denn die Beschwerde der Antragsgegnerin ist unabhängig davon nicht begründet.

Das nach Aktenlage erstattete Gutachten des ärztlichen Dienstes der Antragsgegnerin vom 11.06.2007 bietet keine hinreichende Grundlage für die in der Hauptsache streitige Kürzung der Leistung von Alg. Die im Gutachten vertretene Auffassung, bei der Klägerin bestehe ein quantitativ auf täglich 3 bis unter 6 Stunden reduziertes Leistungsvermögen mit weiteren qualitativen Einschränkungen ist aus den im Gutachten mitgeteilten Diagnosen und Befunden nicht plausibel. Dieses Gutachten weicht zudem von den Feststellungen der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg ab, die von einem quantitativ nicht eingeschränkten Leistungsvermögen der Antragstellerin ausgeht. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin bei der Antragstellung angegeben hat, aus - nicht näher genannten - gesundheitlichen Gründen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausüben zu können oder sich zeitlich einzuschränken zu müssen, rechtfertigt die im Hauptsachverfahren streitgegenständliche Kürzung noch nicht. Maßgeblich ist vielmehr der - von Sachverständigen festzustellende - tatsächliche Gesundheitszustand der Antragstellerin und die sich hieraus ergebende Minderung ihres Leistungsvermögens. Dass die zur Begründung der Kürzung der Leistung von Alg übernommene, von der Deutschen Rentenversicherung abweichende Bewertung des Leistungsvermögens durch den ärztlichen Dienst der Antragsgegnerin im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes näher abgeklärt wurde, lässt sich der vorliegenden Leistungsakte nicht entnehmen. Eine solche Abklärung hätte sich der Antragsgegnerin jedoch gerade im Hinblick auf die Leistungsbewertung durch die Deutsche Rentenversicherung aufdrängen müssen, wie dies nach den DA der Antragsgegnerin z.B. zu § 125 SGB III auch vorgesehen ist. Dass vorliegend ein Fall des § 125 SGB III noch nicht festgestellt worden ist, ändert daran nichts. Denn der Untersuchungsgrundsatz gilt unabhängig davon.

Außerdem erscheint auch (sehr) fraglich, ob allein in der Beseitigung von Zweifeln hinsichtlich des Leistungsvermögens auf Seiten der Antragsgegnerin eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen werden kann, wovon die Antragsgegnerin aber ausgeht. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist die Frage, ob eine wesentliche Änderung in diesem Sinne eingetreten ist, durch einen Vergleich mit den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Verwaltungsaktes zu ermitteln (vgl. u. a. BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 32). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, beurteilt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen, die für die aufhebende Behörde bei Erlass des ursprünglichen Verwaltungsakts maßgeblich gewesen sind, sondern allein nach den tatsächlichen Verhältnissen. In objektiver Hinsicht, also hinsichtlich des tatsächlichen Gesundheitszustandes der Antragstellerin, kann dem Gutachten vom 11.06.2007 jedoch eine wesentliche Änderung nicht entnommen werden. Dies spricht dagegen, dass § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine taugliche Rechtsgrundlage für die Kürzung der Bewilligung von Alg (mit Wirkung für die Zukunft) bietet. Soweit sich die Antragsgegnerin auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 01.02.2006 - L 5 AL 4025/04 - beruft, stützt dieses Urteil ihre abweichende Ansicht nicht. In diesem Urteil wird vielmehr davon ausgegangen, dass erst in einem arbeitsamtsärztlichen Gutachten für die Frage der fiktiven Bemessung des Leistungsanspruches Feststellungen zu den Auswirkungen auf die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsverwaltung getroffen wurden. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt vorliegend nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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