L 7 AS 143/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 2652/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 143/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 28. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine vom Beklagten eingeholte beratungsärztliche Stellungnahme.

Der im Jahre 1952 geborene Kläger bezieht vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Gegen ein vom Beklagten eingeholtes, vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit Konstanz zum gesundheitlichen Leistungsvermögen des Klägers nach Aktenlage erstelltes Gutachten vom 8./15. November 2006 hatte der Kläger erfolglos Widerspruch eingelegt, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2006 als unzulässig verworfen hatte. Die hiergegen erhobene Klage wurde durch Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 13. März 2007 (S 5 AS 65/07) als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung (L 3 AS 1654/07) blieb ebenfalls erfolglos (Urteil vom 18. Juli 2007, rechtskräftig nach Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Januar 2008 - B 14 AS 133/07 B). Eine Anfechtungsklage gegen das Gutachten sei nicht statthaft, da dieses keinen Verwaltungsakt darstelle; eine auf Feststellung der inhaltlichen Unrichtigkeit des Gutachtens gerichtete Klage sei als sogenannte Elementenfeststellungsklage unzulässig.

Eine zwischenzeitlich mit Bescheid vom 15. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2007 erfolgte Absenkung des Arbeitslosengeldes II ist Gegenstand des vom Kläger beim SG betriebenen weiteren Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 5 AS 335/07.

Im weiteren Ablauf holte der Beklagte eine weitere Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Konstanz zum Leistungsvermögen des Klägers ein. In der als "ärztlicher Beratungsvermerk" bezeichneten Stellungnahme vom 29. August 2007 führte der Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin W. im Wesentlichen aus, die im Gutachten des Ärztlichen Dienstes vom 8. November 2006 festgestellte Leistungsfähigkeit werde unverändert aufrechterhalten; das dort beschriebene Leistungsbild bleibe unverändert bestehen.

Gegen diese Stellungnahme legte der Kläger am 25. September 2007 Widerspruch ein, den er im Wesentlichen damit begründete, dass die nach Aktenlage erhobene Einschätzung hinter die Beurteilung durch die ihn behandelnde Hausärztin zurücktreten müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2007 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Bei dem ärztlichen Beratungsvermerk handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sodass ein unmittelbar hiergegen gerichteter Widerspruch unzulässig sei. Soweit eine ggf. nachfolgende Verwaltungsentscheidung auf dieses Gutachten gestützt werde, könne diese durch Widerspruch und Klage angefochten und dabei auch die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens überprüft werden.

Bereits am 26. September 2007 hatte der Kläger beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben, zu deren Begründung er lediglich seinen Widerspruch in Kopie vorgelegt hat.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Sowohl das Anfechtungs- als auch das hilfsweise erhobene Feststellungsbegehren seien unzulässig. Zur Begründung hat das SG auf die Entscheidung des zwischen denselben Beteiligten ergangenen Urteils des LSG vom 18. Juli 2007 (L 3 AS 1654/07) verwiesen.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat sich der Kläger mit einem als "Widerspruch" bezeichneten Schreiben gewandt, das am 11. Dezember 2007 beim SG eingegangen ist und mit dem der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Eine nähere Begründung hat der Kläger nicht vorgelegt.

Mit vom Kläger nicht angefochtenen Gerichtsbescheid vom 4. Januar 2008 (S 5 AS 2943/07) hat das SG eine gesondert gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2007 gerichtete Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 28. November 2007 sowie den ärztlichen Beratungsvermerk vom 29. August 2007 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16. Oktober 2007 aufzuheben,

hilfsweise festzustellen, dass die im ärztlichen Beratungsvermerk vom 29. August 2007 enthaltene Beurteilung seines gesundheitlichen Leistungsvermögens unzutreffend ist,

hilfsweise den ärztlichen Beratungsvermerk vom 29. August 2007 zu berichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Konstanz sowie die beigezogenen Leistungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) formgerecht beim SG fristwahrend eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.

Mit dem als "Widerspruch" bezeichneten, an das SG gerichteten und dort am 11. Dezember 2007 eingegangenen Schreiben wendet sich der Kläger erkennbar gegen die mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2007 getroffene Entscheidung. Unabhängig von der Bezeichnung als "Widerspruch" ist das Schreiben daher als Berufung anzusehen.

Wie das SG zutreffend erkannt hat, wendet sich der Kläger nach dem erkennbaren Rechtsschutzbegehren (§ 123 SGG) allein gegen den "ärztlichen Beratungsvermerk" vom 29. August 2007 und damit im weiteren Verfahren auch gegen die seine hiergegen eingelegten Rechtsbehelfe zurück- oder abweisenden Entscheidungen des Beklagten und des SG. Gegen die mit Bescheid vom 15. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2007 geregelte Absenkung der ihm gewährten Grundsicherungsleistungen hat der Kläger bereits am 8. Februar 2007 gesondert Klage erhoben, die beim SG unter dem Az. S 5 AS 335/07 geführt wird. Seinem Vorbringen im vorliegenden Verfahren lässt sich hingegen eindeutig entnehmen, dass er sich - allein - gegen die im genannten Vermerk vorgenommene Bewertung seines Leistungsvermögens wenden will. Das Klagebegehren kann daher neben der Anfechtung des Vermerks und des Widerspruchsbescheides bei sachdienlicher Fassung der Anträge auch als hilfsweise begehrte Feststellung der inhaltlichen Unrichtigkeit des Vermerks sowie als Antrag auf Berichtigung des Vermerks gefasst werden.

Die so gefasste Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet, da sein Klagebegehren bereits unzulässig ist.

Als Anfechtungsklage ist die Klage nicht statthaft, da sie sich nicht, wie in § 54 Abs. 1 SGG vorausgesetzt, gegen einen Verwaltungsakt richtet. Ein Verwaltungsakt liegt nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nur vor, wenn die Verfügung der Verwaltung u.a. eine Regelung trifft, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Bei dem angefochtenen Vermerk handelt es sich jedoch noch um eine verwaltungsinterne medizinische Beurteilung. Diese dient allenfalls der Vorbereitung einer späteren Regelung gegenüber dem Kläger, bewirkt aber selbst diesem gegenüber noch keine Rechtswirkungen. Solche kann erst eine spätere - anfechtbare - Verwaltungsentscheidung enthalten, die auf die medizinische Beurteilung gestützt wird. Diese Beurteilung wäre ggf. im Rechtsbehelfsverfahren gegen den nach außen wirkenden Verwaltungsakt inzident mit zu überprüfen. Auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2007 wird verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG). Da dieser Widerspruchsbescheid den Widerspruch - zutreffend - als unzulässig verworfen hat, erlangt der Vermerk auch nicht durch seine Behandlung im Widerspruchsbescheid die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts.

Gegen die isolierte Anfechtung des Beratungsvermerks spricht auch die Regelung des § 44a Verwaltungsgerichtsordnung. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Diese Vorschrift enthält einen Rechtsgedanken des allgemeinen Verfahrensrechts, das Verwaltungsverfahren nicht durch die isolierte Anfechtung einzelner Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren, und ist daher auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachten (Senatsurteil vom 9. August 2007 - L 7 AS 874/07 - FEVS 59, 178; BSG SozR 4-2500 § 36 Nr.1; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. November 2007 - L 5 KA 4107/07 ER-B - (juris)). Die isolierte Anfechtung des Beratungsvermerks als die eigentliche Sachentscheidung vorbereitende Maßnahme ist daher nicht zulässig.

Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage bezieht sich nicht auf die Feststellung eines einzelnen Rechts aus einem bestimmten Rechtsverhältnis, sondern eines einzelnen Elements eines solchen Rechts, nämlich die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers. Die Klärung dieser Frage hat lediglich vorbereitenden Charakter für weitere Fragen der Leistungsberechtigung und Vermittlung. Eine solche Elementenfeststellungsklage ist unzulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 55 Rdnr. 9).

Die Klage ist schließlich auch nicht zulässig, soweit sie sich auf Berichtigung des Vermerks richtet. Der Kläger kann diesbezüglich bereits die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht geltend machen. In Betracht käme allein ein Anspruch auf Berichtigung von Sozialdaten nach § 84 Abs. 1 SGB X, wonach Sozialdaten zu berichtigen sind, wenn sie unrichtig sind. Eine solche Berichtigung kann sich jedoch nur auf Tatsachen beziehen. Bei einer zusammenfassenden medizinischen Beurteilung handelt es sich nicht um eine Tatsache, sondern um auf Denkvorgängen beruhende Schlussfolgerungen, also um ein - medizinisches - Werturteil. Eine solche wertende Beurteilung ist einer Berichtung entzogen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. September 2003 - L 8 AL 233/03; LSG Berlin, Beschluss vom 12. Februar 2003 - L 10 AL 87/02 - beide in (juris); Bundesgerichtshof MDR 1999, 743). Gerade gegen diese Bewertung seines Gesundheitszustandes und des daraus resultierenden Leistungsvermögens wendet sich der Kläger jedoch.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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